Alles, was eine Bühne braucht, findet hier statt: Oper, Theater, Kunst, Film, Kulturpolitik, Debatten. "Kultur heute" ist das tägliche radiophone Rampenlicht für die Kultur. Aktuell, überregional, kritisch.
…
continue reading
Inhalt bereitgestellt von Südwestrundfunk. Alle Podcast-Inhalte, einschließlich Episoden, Grafiken und Podcast-Beschreibungen, werden direkt von Südwestrundfunk oder seinem Podcast-Plattformpartner hochgeladen und bereitgestellt. Wenn Sie glauben, dass jemand Ihr urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Ihre Erlaubnis nutzt, können Sie dem hier beschriebenen Verfahren folgen https://de.player.fm/legal.
Player FM - Podcast-App
Gehen Sie mit der App Player FM offline!
Gehen Sie mit der App Player FM offline!
Keine romantische Erlösungsfabel: „Lohengrin“ am Nationaltheater Mannheim
MP3•Episode-Home
Manage episode 515898327 series 175436
Inhalt bereitgestellt von Südwestrundfunk. Alle Podcast-Inhalte, einschließlich Episoden, Grafiken und Podcast-Beschreibungen, werden direkt von Südwestrundfunk oder seinem Podcast-Plattformpartner hochgeladen und bereitgestellt. Wenn Sie glauben, dass jemand Ihr urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Ihre Erlaubnis nutzt, können Sie dem hier beschriebenen Verfahren folgen https://de.player.fm/legal.
Das Nationaltheater Mannheim hat in jüngster Zeit Schlagzeilen produziert, allerdings weniger durch Künstlerisches als durch eine angespannte Haushaltslage: Die Sanierung des Haupthauses wird teurer als geplant und zwingt zum Sparen. Eine Opernproduktion musste bereits gestrichen werden. Fast schon symbolisch wirkt es nun, als neue Produktion Richard Wagners „Lohengrin“ als Oper über die Erlösung durch ein göttliches Wunder aufs Programm zu setzen. Kein Wunder, nirgends. Und Erlösung von dem Übel schon gar nicht.
…
continue reading
Keine romantische Erlösungsfabel in Mannheim
Am Nationaltheater Mannheim verweigert Regisseur Roger Vontobel in seiner Inszenierung die Erlösungsutopie des Träumerischen. Und das, obwohl der die bedrängte Elsa aus einer Zwangslage befreiende Gralsritter von ihr in einem visionären Bild herbeigeträumt wird. Stattdessen zeigt die Videoprojektion Lohengrin gleich zu Beginn als einen eher beängstigenden, aus einer weißen Ursuppe erwachsenden Homunkulus mit zum Schrei geöffneten Mund. Dazu lässt Roberto Rizzi Brignoli das Orchester des Nationaltheaters Wagners magisches Vorspiel recht überdeutlich entzaubert durchbuchstabieren. Das passt zwar zu jenem aufklärerischen Lichtspiel, wonach der wunderbare Gralsritter Lohengrin eine Kopfgeburt Elsas ist, verfehlt dann aber doch einiges an Wagners musikalischen Intentionen.Naturkräfte und Hexenprozesse
Doch erst einmal inszeniert Vontobel den Gerichtstag über Elsa als einen Hexenprozess, um die zerstrittene Bevölkerung von Brabant wieder zur Kriegsmasse unter König Heinrichs Führung zu einen. Fahrig, verschmutzt tritt Elsa auf und wird vom verkündenden Heerführer geradezu inquisitorisch bedrängt. Wie einige seiner Mannen ist er mit einem roten Kreuz gezeichnet, als sei der göttliche Blitz in das fleischliche Antlitz gefahren. Bei Heinrich reicht es zu vampirhaft blutumränderten Augen. Die eigentliche Hexe ist natürlich Elsas Gegenspielerin Ortrud mit anarchischer Punkfrisur. Sie vertritt die Seite der alten, heidnischen Welt, die sich noch im fragilen Einklang mit den Naturkräften befindet. Diese Welt manifestiert sich im Bühnenbild von Fabian Wendling als Wald toter, verkohlter Baumskelette. Aus dem gleichen Holz dieser Bäume schält sich im Hintergrund dann ein Blockhäuschen heraus. Es ist zunächst Zeichen des Zivilisatorischen, wird dann im zweiten Akt mit einem Licht-Tor zur Kapelle umfunktioniert. Es dient auch der recht fleischlichen Hochzeit von Elsa und ihrem Retter Lohengrin.Mannheims Lohengrin ist kein holder Schwanenritter
Eigentlich ist dieser Mannheimer „Lohengrin“ das Drama der Ortrud. Sie versucht, die alten naturmagischen Verhältnisse wiederherzustellen und übt Widerstand gegen die christliche Aufklärung unter Heinrich und seinem hämisch-sadistisch dauergrinsenden Heerführer, der als Propagandist einer ziemlich kolonialistischen Unterwerfung der Friesen auftritt. Am Ende gibt es nur Verlierer: Die alte Welt lässt sich nicht überwinden und Elsa hat mit Lohengrin einen ziemlich gewalttätigen Wohltäter hervorgebracht, der sich prompt zum Heerführer gegen die ungarischen Horden machen lässt. Und da Elsa von ihrer anstrengenden Kopfgeburt genug hat, endet es ziemlich katastrophisch und unschön. Dem intriganten Ortrud-Gefährten Telramund wird von Lohengrin kurzerhand der Kopf abgeschlagen und dann auch noch präsentiert wie das Märtyrerhaupt des Jesus-Täufers in Strauss‘ „Salome“.Eine etwas seelenlose Erscheinung
Dieser Lohengrin ist ohnehin eine etwas seelenlose Erscheinung. In ganz-körperlichem weißem Anstrich, der zunehmend rissiger wird, agiert er recht steif wie eine singende Statue aus einem Cocteau-Film, eher ein Alb- als ein Wunschtraum. Den von ihm am Ende befreiten Schwanenknaben, angeblich der von Elsa ermordete Bruder, zeichnen Heinrich und sein Heerführer mit roter Schminke um Augen und Mund zur Fratze neuer christlicher Führerschaft. So weit, so dekonstruktivistisch finster: Die neuen Zeiten sind eben nicht besser als die alten. Kein Fortschritt, nirgends.Preußisch laut statt klangschön
Verkannt wird dabei, dass Wagners „Lohengrin“ weder das Drama des Titelhelden, noch das der Gegenspielerin Ortrud ist, sondern das der träumenden Elsa. Sie zerbricht an ihrem Wirklichkeit werdenden Traum. Der bedingungslose Glaube an das Wunder ist menschlich nicht aushaltbar. Stattdessen tritt in Mannheim die historische Rahmenhandlung als kritisch-politisches Theater ins Zentrum. Der Glaube ans Wunder ist aus machttaktischen Gründen korrumpiert. Konsequent korrumpiert sich dabei auch die Musik: Dirigent Roberto Rizzi Brignoli geht in eine Falle von Wagners Partitur. Die Holz- und Blechbläser dominieren stark und das verführt zu kraftvollen Artikulationen. Hier hat aber der Chor in seiner Massivität die meisten Opfer zu bringen. Insgesamt gerät das eher preußisch laut als klangmächtig oder gar klangschön. Dass selbst die Echoeffekte der Bühnenblechmusik durchaus elegant sein können, bleibt außen vor.Überzeugende Darbietung in den Hauptrollen
Den Sängerinnen und Sängern macht es dieses dynamisch nach Oben gerichtete und tempomäßig breite Spiel nicht gerade leicht. Jonathan Stoughton singt die Titelpartie durchaus treffsicher, aber dynamisch eindimensional mit leichtem Hang zum ungewollten Wobble. Als Elsa ist Astrid Kessler sicher keine mädchenhafte Unschuld, sondern eine reflektierende Frau, die da auch an die Grenzen des träumerischen Tonfalls gerät. Darstellerisch ist sie eine perfekte Verkörperung im Sinne der Regie.Mannheims „Lohengrin“ bleibt zwiespältig
Der Telramund von Joachim Goltz ist eine leidenschaftliche Explosivkraft eines Manipulierten, der von seiner Manipulation nichts weiß. Er wird zum glaubwürdigen Handelnden seiner widerständigen Gattin Ortrud, deren Rachsucht Julia Faylenbogen als kämpferische Stimme und nicht als boshafte Hexe zu gestalten vermag. Joachim Zielke ist der mächtige König, der er zu sein hat, während Nikola Diskić als propagandistischer Heerführer erstaunlich schön singt, obwohl ihm die Regie ein inquisitorisch-hämisches Dauergrinsen gegenüber seinen Opfern aufzwingt. Als Höhepunkt einer romantischen Oper kann Wagners „Lohengrin“ die verblühende Schönheit träumerischer Utopie entfalten. Wie alle Utopie ist das aber in der dramaturgischen Dialektik von intimem Drama und staatstragendem Majestätsrahmen auch zwiespältig. In Mannheim scheint man sehr von der Zwiespältigkeit überzeugt.440 Episoden
MP3•Episode-Home
Manage episode 515898327 series 175436
Inhalt bereitgestellt von Südwestrundfunk. Alle Podcast-Inhalte, einschließlich Episoden, Grafiken und Podcast-Beschreibungen, werden direkt von Südwestrundfunk oder seinem Podcast-Plattformpartner hochgeladen und bereitgestellt. Wenn Sie glauben, dass jemand Ihr urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Ihre Erlaubnis nutzt, können Sie dem hier beschriebenen Verfahren folgen https://de.player.fm/legal.
Das Nationaltheater Mannheim hat in jüngster Zeit Schlagzeilen produziert, allerdings weniger durch Künstlerisches als durch eine angespannte Haushaltslage: Die Sanierung des Haupthauses wird teurer als geplant und zwingt zum Sparen. Eine Opernproduktion musste bereits gestrichen werden. Fast schon symbolisch wirkt es nun, als neue Produktion Richard Wagners „Lohengrin“ als Oper über die Erlösung durch ein göttliches Wunder aufs Programm zu setzen. Kein Wunder, nirgends. Und Erlösung von dem Übel schon gar nicht.
…
continue reading
Keine romantische Erlösungsfabel in Mannheim
Am Nationaltheater Mannheim verweigert Regisseur Roger Vontobel in seiner Inszenierung die Erlösungsutopie des Träumerischen. Und das, obwohl der die bedrängte Elsa aus einer Zwangslage befreiende Gralsritter von ihr in einem visionären Bild herbeigeträumt wird. Stattdessen zeigt die Videoprojektion Lohengrin gleich zu Beginn als einen eher beängstigenden, aus einer weißen Ursuppe erwachsenden Homunkulus mit zum Schrei geöffneten Mund. Dazu lässt Roberto Rizzi Brignoli das Orchester des Nationaltheaters Wagners magisches Vorspiel recht überdeutlich entzaubert durchbuchstabieren. Das passt zwar zu jenem aufklärerischen Lichtspiel, wonach der wunderbare Gralsritter Lohengrin eine Kopfgeburt Elsas ist, verfehlt dann aber doch einiges an Wagners musikalischen Intentionen.Naturkräfte und Hexenprozesse
Doch erst einmal inszeniert Vontobel den Gerichtstag über Elsa als einen Hexenprozess, um die zerstrittene Bevölkerung von Brabant wieder zur Kriegsmasse unter König Heinrichs Führung zu einen. Fahrig, verschmutzt tritt Elsa auf und wird vom verkündenden Heerführer geradezu inquisitorisch bedrängt. Wie einige seiner Mannen ist er mit einem roten Kreuz gezeichnet, als sei der göttliche Blitz in das fleischliche Antlitz gefahren. Bei Heinrich reicht es zu vampirhaft blutumränderten Augen. Die eigentliche Hexe ist natürlich Elsas Gegenspielerin Ortrud mit anarchischer Punkfrisur. Sie vertritt die Seite der alten, heidnischen Welt, die sich noch im fragilen Einklang mit den Naturkräften befindet. Diese Welt manifestiert sich im Bühnenbild von Fabian Wendling als Wald toter, verkohlter Baumskelette. Aus dem gleichen Holz dieser Bäume schält sich im Hintergrund dann ein Blockhäuschen heraus. Es ist zunächst Zeichen des Zivilisatorischen, wird dann im zweiten Akt mit einem Licht-Tor zur Kapelle umfunktioniert. Es dient auch der recht fleischlichen Hochzeit von Elsa und ihrem Retter Lohengrin.Mannheims Lohengrin ist kein holder Schwanenritter
Eigentlich ist dieser Mannheimer „Lohengrin“ das Drama der Ortrud. Sie versucht, die alten naturmagischen Verhältnisse wiederherzustellen und übt Widerstand gegen die christliche Aufklärung unter Heinrich und seinem hämisch-sadistisch dauergrinsenden Heerführer, der als Propagandist einer ziemlich kolonialistischen Unterwerfung der Friesen auftritt. Am Ende gibt es nur Verlierer: Die alte Welt lässt sich nicht überwinden und Elsa hat mit Lohengrin einen ziemlich gewalttätigen Wohltäter hervorgebracht, der sich prompt zum Heerführer gegen die ungarischen Horden machen lässt. Und da Elsa von ihrer anstrengenden Kopfgeburt genug hat, endet es ziemlich katastrophisch und unschön. Dem intriganten Ortrud-Gefährten Telramund wird von Lohengrin kurzerhand der Kopf abgeschlagen und dann auch noch präsentiert wie das Märtyrerhaupt des Jesus-Täufers in Strauss‘ „Salome“.Eine etwas seelenlose Erscheinung
Dieser Lohengrin ist ohnehin eine etwas seelenlose Erscheinung. In ganz-körperlichem weißem Anstrich, der zunehmend rissiger wird, agiert er recht steif wie eine singende Statue aus einem Cocteau-Film, eher ein Alb- als ein Wunschtraum. Den von ihm am Ende befreiten Schwanenknaben, angeblich der von Elsa ermordete Bruder, zeichnen Heinrich und sein Heerführer mit roter Schminke um Augen und Mund zur Fratze neuer christlicher Führerschaft. So weit, so dekonstruktivistisch finster: Die neuen Zeiten sind eben nicht besser als die alten. Kein Fortschritt, nirgends.Preußisch laut statt klangschön
Verkannt wird dabei, dass Wagners „Lohengrin“ weder das Drama des Titelhelden, noch das der Gegenspielerin Ortrud ist, sondern das der träumenden Elsa. Sie zerbricht an ihrem Wirklichkeit werdenden Traum. Der bedingungslose Glaube an das Wunder ist menschlich nicht aushaltbar. Stattdessen tritt in Mannheim die historische Rahmenhandlung als kritisch-politisches Theater ins Zentrum. Der Glaube ans Wunder ist aus machttaktischen Gründen korrumpiert. Konsequent korrumpiert sich dabei auch die Musik: Dirigent Roberto Rizzi Brignoli geht in eine Falle von Wagners Partitur. Die Holz- und Blechbläser dominieren stark und das verführt zu kraftvollen Artikulationen. Hier hat aber der Chor in seiner Massivität die meisten Opfer zu bringen. Insgesamt gerät das eher preußisch laut als klangmächtig oder gar klangschön. Dass selbst die Echoeffekte der Bühnenblechmusik durchaus elegant sein können, bleibt außen vor.Überzeugende Darbietung in den Hauptrollen
Den Sängerinnen und Sängern macht es dieses dynamisch nach Oben gerichtete und tempomäßig breite Spiel nicht gerade leicht. Jonathan Stoughton singt die Titelpartie durchaus treffsicher, aber dynamisch eindimensional mit leichtem Hang zum ungewollten Wobble. Als Elsa ist Astrid Kessler sicher keine mädchenhafte Unschuld, sondern eine reflektierende Frau, die da auch an die Grenzen des träumerischen Tonfalls gerät. Darstellerisch ist sie eine perfekte Verkörperung im Sinne der Regie.Mannheims „Lohengrin“ bleibt zwiespältig
Der Telramund von Joachim Goltz ist eine leidenschaftliche Explosivkraft eines Manipulierten, der von seiner Manipulation nichts weiß. Er wird zum glaubwürdigen Handelnden seiner widerständigen Gattin Ortrud, deren Rachsucht Julia Faylenbogen als kämpferische Stimme und nicht als boshafte Hexe zu gestalten vermag. Joachim Zielke ist der mächtige König, der er zu sein hat, während Nikola Diskić als propagandistischer Heerführer erstaunlich schön singt, obwohl ihm die Regie ein inquisitorisch-hämisches Dauergrinsen gegenüber seinen Opfern aufzwingt. Als Höhepunkt einer romantischen Oper kann Wagners „Lohengrin“ die verblühende Schönheit träumerischer Utopie entfalten. Wie alle Utopie ist das aber in der dramaturgischen Dialektik von intimem Drama und staatstragendem Majestätsrahmen auch zwiespältig. In Mannheim scheint man sehr von der Zwiespältigkeit überzeugt.440 Episoden
Alle Folgen
×Willkommen auf Player FM!
Player FM scannt gerade das Web nach Podcasts mit hoher Qualität, die du genießen kannst. Es ist die beste Podcast-App und funktioniert auf Android, iPhone und im Web. Melde dich an, um Abos geräteübergreifend zu synchronisieren.