Feuilletonistische Exkursionen ins innerste Bayern und radiophone Fernblicke über den Tellerrand: von der Geschichte der kleinen Leute bis zur großen Politik, vom Brauchtum bis zur Avantgarde. Wir nehmen Klischees aufs Korn und Witze ernst, pflegen die Kunst des Derbleckens und setzen auf Selbstironie statt auf Selbstbeweihräucherung. Es ist uns ein Vergnügen, Sie nicht unter Ihrem Niveau zu unterhalten!
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62 . Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 278, K06, III
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Von J. Feltkamp, U.Sumfleth and J. Feltkamp entdeckt von Player FM und unserer Community - Das Urheberrecht hat der Herausgeber, nicht Player FM, und die Audiodaten werden direkt von ihren Servern gestreamt. Tippe auf Abonnieren um Updates in Player FM zu verfolgen oder füge die URL in andere Podcast Apps ein.
Im 18./19. Jh. erhöht das Recht seine Varietät, weil es eine Vielzahl von Gesetzesänderungen infolge der Demokratisierung des politischen Systems abarbeiten muss. Gesetzgebung trifft auf Rechtsprechung: An diesem Punkt zeigt sich einmal mehr, wie unterschiedlich die Funktionssysteme auf Programmebene operieren. Die Politik verfolgt Ziele und legt Zweckprogramme auf, um ihre Ziele zu erreichen. Damit setzt sie Normen, die Anlass für Rechtskonflikte werden können. Das Recht operiert dagegen mit Konditionalprogrammen: Wenn der Fall gleich ist, dann wird er gleichbehandelt; wenn er ungleich ist, muss er ungleich behandelt werden. Dabei bezieht sich das Recht permanent auf sich selbst, d.h. auf geltendes Recht. Es muss konsistent, in sich widerspruchsfrei, entscheiden. Nun trifft das Recht auf kaum noch um Konsistenz bemühte Gesetzestexte, die es auf der Basis von geltendem Recht konsistent beurteilen muss. Um das Problem handhabbar zu machen, differenziert sich das Recht stärker aus und entwickelt in der Praxis Auswege: Interpretationsfreiheiten werden erhöht, „unbestimmte“ Rechtsbegriffe eingeführt, Doppeldeutigkeiten gegebenenfalls hingenommen und Abwägungsformeln eingeführt, um Entscheidungen zu beschleunigen. Durchgängig rechtliche Konsistenz ist praktisch jedoch nicht mehr haltbar. Das wiederum wirkt auf die Politik zurück, die bei der Gesetzgebung die jeweils geltende Rechtslage mitkalkuliert und sich manche Rechtsformel zu eigen macht. Die zunehmende Inkonsistenz der politischen Gesetzgebung hat zur Folge, dass Normen leichter geändert werden können. Sie werden als Einzelnormen kleingeschnitten in kleinere Sinneinheiten, die sich schneller ändern lassen und womöglich nur als punktuelle Übergangslösung auf Zeit fungieren. Die Änderbarkeit von politisch gesetzten Normen durch das Recht wird zur Normalität. Dass auf diese Weise ein „pluralistisches“ Rechtskonzept entstehen würde, verneint Luhmann mit Verweis darauf, dass die Autopoiesis (Selbstreproduktion) der rechtlichen Kommunikation in keiner Weise angetastet ist. Das Rechtssystem gewinnt stattdessen an Varietät: Es kann mehr verschiedenartige Operationen durchführen. Dadurch verliert es jedoch auch an Transparenz gegenüber seiner Umwelt, es wird schwerer verständlich und legitimierbar. Das Resultat dieser Evolution ist, dass es nur noch positives, „menschgemachtes“ Recht gibt; unabhängig von vorherigen Rechtstraditionen. Das Recht entscheidet als System autonom, was geltendes Recht ist. Es ist kein logisch geschlossenes, sondern ein operativ geschlossenes System: Es reproduziert alle Elemente (Kommunikationen), aus denen es besteht, selbst. Die Geltung des Rechts geht darum auch nicht auf „Einheit“ zurück, sondern im Gegenteil: auf die Differenz, die eine spezifisch rechtliche Kommunikation erst in die Kommunikation der Umwelt hineinzeichnet. Erst diese Differenz konstruiert die Identität als Funktionssystem mit Alleinzuständigkeit für Rechtsentscheidungen. Erst durch die Differenz wird jener Unterschied markiert, der eine Kommunikation als spezifisch rechtlich kennzeichnet und sie von jeder anderen Art von Kommunikation abgrenzt.
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