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79. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 343, K08

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Juristische Argumentationstheorie setzt auf Begründungen. Doch was ist ein Grund? Luhmann kritisiert, dass der Begriff allein nichts besagt. Eine Begründung ergibt erst Sinn, wenn sie auf ausgewählte Unterscheidungen verweist. Die Kontingenz dieser Auswahl macht die Theorie sich nicht ausreichend bewusst. Was ist ein Grund? Den Grund an sich gibt es nicht. Das sieht man schon daran, dass es keinen Gegenbegriff gibt, keinen „Ungrund“ oder „Nichtgrund“. Der Begriff ist keine Zweiseitenform. Wer begründet, muss deshalb auf begriffliche Unterscheidungen verweisen, die selektiert werden. Wie bei jeder Auswahl, könnten auch andere Unterscheidungen ausgewählt werden. Damit sind Begründungen kontingent. Man kann immer weiter fragen, womit die Begründung begründet wird. Eine Letztbegründung gibt es nicht. Auch die „Vernunft“ hilft nicht weiter, sie begründet sich selbst mit sich selbst, ist also autologisch. Begründungen sind also eine Paradoxie. Sie begründen sich mit Gründen, die sich nicht endgültig begründen lassen. Um diese Paradoxie im Alltag zu managen (das heißt: zu invisibilisieren!), behilft sich die juristische Argumentation mit einer Ersatzunterscheidung: Man unterscheidet gute und schlechte Begründungen. Diese Ersatzunterscheidung ist sowohl praktisch wie auch theoretisch handhabbar. Man stellt Kriterien auf, was eine gute/schlechte Begründung ausmacht. Diese Kriterien sind jedoch ebenfalls kontingent. Zwangsläufig sind sie das Ergebnis einer weiteren Selektion, die anders hätte ausfallen können. Man kann die Auswahl nur wieder gut oder schlecht begründen. Der Kontingenz aber entkommt man nicht. Die Erkenntnis, dass Begründungen kontingent sind, weil sie auf ausgewählte Unterscheidungen zurückgehen, gehört für Luhmann zu den Errungenschaften des „modernen“ Denkens. Im Gegensatz dazu war die Vormoderne davon ausgegangen, es gäbe „objektive“ Wahrheiten, die ein „Subjekt“ nur erkennen müsse. Zum neuzeitlichen Denken gehört es auch, das Recht als operativ geschlossenes, autonomes Funktionssystem zu sehen, das Autopoiesis betreibt. Das heißt, das Rechtssystem produziert alle Rechtskommunikationen selbst. Dies geschieht, indem es permanent auf sich selbst verweist – auf andere Rechtskommunikationen des Systems. Diese Selbstreferenzialität des Rechtssystems wurde in der Theorie der begründenden Argumentation kaum berücksichtigt. Anstatt sich auf konkrete Argumentationsweisen in der Praxis zu beziehen, verlegte sie sich auf Verfahrensprinzipien. Diese werden auch unter dem Begriff Prozeduralisierung diskutiert. (Siehe Anmerkung am Textende.) Luhmann kritisiert, dass diese Theorien jedoch vor allem eigene Argumentationsweisen für bestimmte Verfahren empfehlen würden, ohne viel Rücksicht darauf, wie JuristInnen tatsächlich argumentieren. Teils handele es sich um verkappte Verhaltensvorschriften, die gar nicht umsetzbar sind, z.B. die Vorgabe, „alle Umstände der Situation“ zu berücksichtigen. An der juristischen Argumentation selbst, stellt Luhmann fest, gleiten solche Theorien ab. In der Praxis lebt die Argumentation von der Verschiedenartigkeit der Fälle. Damit erreicht sie eine hohe Spezifität, die sich nicht in allgemeine „Prinzipien“ auflösen lässt. Begründungen verweisen auf Rechtsbegriffe wie „Schuld“ oder „Haftung“. Ohne Referenz auf einen konkreten Fall wären solche Begriffe jedoch gar nicht verwendbar. Sie dienen nur als Keywords, die einen Analogieschluss zulassen. Auf diese Weise können Fallerfahrungen bewahrt, bestätigt und auf neue Sachverhalte ausgedehnt werden. Kurz, juristische Argumentation ist nicht aus Vernunftprinzipien ableitbar. Sie kann sich nicht auf ein Denkpotential berufen, das allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stünde. Sondern nur auf ihr eigenes: Argumentiert wird professionell, auf Basis einer Systemrationalität, die die rechtliche Kommunikation selbst festlegt. Vollständiger Text: luhmaniac.de
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Juristische Argumentationstheorie setzt auf Begründungen. Doch was ist ein Grund? Luhmann kritisiert, dass der Begriff allein nichts besagt. Eine Begründung ergibt erst Sinn, wenn sie auf ausgewählte Unterscheidungen verweist. Die Kontingenz dieser Auswahl macht die Theorie sich nicht ausreichend bewusst. Was ist ein Grund? Den Grund an sich gibt es nicht. Das sieht man schon daran, dass es keinen Gegenbegriff gibt, keinen „Ungrund“ oder „Nichtgrund“. Der Begriff ist keine Zweiseitenform. Wer begründet, muss deshalb auf begriffliche Unterscheidungen verweisen, die selektiert werden. Wie bei jeder Auswahl, könnten auch andere Unterscheidungen ausgewählt werden. Damit sind Begründungen kontingent. Man kann immer weiter fragen, womit die Begründung begründet wird. Eine Letztbegründung gibt es nicht. Auch die „Vernunft“ hilft nicht weiter, sie begründet sich selbst mit sich selbst, ist also autologisch. Begründungen sind also eine Paradoxie. Sie begründen sich mit Gründen, die sich nicht endgültig begründen lassen. Um diese Paradoxie im Alltag zu managen (das heißt: zu invisibilisieren!), behilft sich die juristische Argumentation mit einer Ersatzunterscheidung: Man unterscheidet gute und schlechte Begründungen. Diese Ersatzunterscheidung ist sowohl praktisch wie auch theoretisch handhabbar. Man stellt Kriterien auf, was eine gute/schlechte Begründung ausmacht. Diese Kriterien sind jedoch ebenfalls kontingent. Zwangsläufig sind sie das Ergebnis einer weiteren Selektion, die anders hätte ausfallen können. Man kann die Auswahl nur wieder gut oder schlecht begründen. Der Kontingenz aber entkommt man nicht. Die Erkenntnis, dass Begründungen kontingent sind, weil sie auf ausgewählte Unterscheidungen zurückgehen, gehört für Luhmann zu den Errungenschaften des „modernen“ Denkens. Im Gegensatz dazu war die Vormoderne davon ausgegangen, es gäbe „objektive“ Wahrheiten, die ein „Subjekt“ nur erkennen müsse. Zum neuzeitlichen Denken gehört es auch, das Recht als operativ geschlossenes, autonomes Funktionssystem zu sehen, das Autopoiesis betreibt. Das heißt, das Rechtssystem produziert alle Rechtskommunikationen selbst. Dies geschieht, indem es permanent auf sich selbst verweist – auf andere Rechtskommunikationen des Systems. Diese Selbstreferenzialität des Rechtssystems wurde in der Theorie der begründenden Argumentation kaum berücksichtigt. Anstatt sich auf konkrete Argumentationsweisen in der Praxis zu beziehen, verlegte sie sich auf Verfahrensprinzipien. Diese werden auch unter dem Begriff Prozeduralisierung diskutiert. (Siehe Anmerkung am Textende.) Luhmann kritisiert, dass diese Theorien jedoch vor allem eigene Argumentationsweisen für bestimmte Verfahren empfehlen würden, ohne viel Rücksicht darauf, wie JuristInnen tatsächlich argumentieren. Teils handele es sich um verkappte Verhaltensvorschriften, die gar nicht umsetzbar sind, z.B. die Vorgabe, „alle Umstände der Situation“ zu berücksichtigen. An der juristischen Argumentation selbst, stellt Luhmann fest, gleiten solche Theorien ab. In der Praxis lebt die Argumentation von der Verschiedenartigkeit der Fälle. Damit erreicht sie eine hohe Spezifität, die sich nicht in allgemeine „Prinzipien“ auflösen lässt. Begründungen verweisen auf Rechtsbegriffe wie „Schuld“ oder „Haftung“. Ohne Referenz auf einen konkreten Fall wären solche Begriffe jedoch gar nicht verwendbar. Sie dienen nur als Keywords, die einen Analogieschluss zulassen. Auf diese Weise können Fallerfahrungen bewahrt, bestätigt und auf neue Sachverhalte ausgedehnt werden. Kurz, juristische Argumentation ist nicht aus Vernunftprinzipien ableitbar. Sie kann sich nicht auf ein Denkpotential berufen, das allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung stünde. Sondern nur auf ihr eigenes: Argumentiert wird professionell, auf Basis einer Systemrationalität, die die rechtliche Kommunikation selbst festlegt. Vollständiger Text: luhmaniac.de
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