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Heike Geißler – Arbeiten
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Die Autorin Heike Geißler nimmt uns mit an ihren Schreibtisch in Leipzig. Wohin sie schaut, sieht sie Arbeit. Auf dem Tisch die Schreibarbeit, in der Wohnung die Hausarbeit, draußen vor dem Fenster die Menschen, die zur Arbeit eilen, von ihr zurückkehren oder sie gerade jetzt verrichten; als Briefträger, Handwerker, Denkmalpfleger. Und auch der alte Mann am Fenster gegenüber erzählt mit seinem müden Blick eine Geschichte von der Arbeit. Vom Leben in einem längst vergangenen, selbsternannten „Arbeiterstaat“.
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Nach einer Weile der Beschäftigung mit dem Thema Arbeit sehe ich kaum noch etwas anderes. Als fiele es mir jetzt erst auf, dass doch alles, alles aus Arbeit entsteht, dass also in alles, alles Arbeit geflossen ist und fließt.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
Die Allgegenwärtigkeit von Arbeit
In ihrem Essay „Arbeiten“ geht Heike Geißler einer einfachen, aber weitreichenden Beobachtung nach: Der Arbeit entkommt man nicht. Was zunächst übertrieben klingen mag, entfaltet in diesem Buch schnell eine beklemmende Plausibilität. Arbeit strukturiert unser Zeitempfinden. Sie ist anwesend auch dort, wo sie scheinbar nichts zu suchen hat: In der Freizeit, der Rente, im Urlaub – als Zeit ohne Arbeit, nach der Arbeit, als Zeit, um sich von der Arbeit für die Arbeit zu erholen. Geißler veranschaulicht diese Allgegenwärtigkeit von Arbeit – die sich nicht nur auf die Zeit erstreckt – in eindrücklichen, sinnlichen Szenen:Bedenke ich, was ich trage, fühle ich mich von tausenden Händen berührt, von eiligen Händen, von mal mehr, mal weniger sorgsamen Händen, von allen möglichen Händen. Händen, die sich mit Bandagen schützen, um den Arbeitsalltag durchzustehen, ob nun beim Schieben langer Stoffbahnen zur Nähnadel hin, ob beim Durchtrennen von Fäden, ob beim Verpacken der Ware, beim Zukleben der Kisten, beim Reparieren von Maschinen, beim Beladen von Paletten, beim Einschweißen von Palettenladungen.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
Zwischen persönlichem Erfahrungsbericht und wissenschaftlicher Analyse
Bei aller Abstraktion und Anonymität, die Geißlers Vermessung der Arbeitswelt zutage fördert – verrichtet wird die Arbeit am Ende des Tages noch immer von Einzelnen. Der Wechsel vom Besonderen ins Allgemeine gelingt in diesem Essay fließend. Die Autorin versteht sich auf ein beobachtendes Sammeln von Alltagssituationen, die sie in den kurzen, assoziativen Abschnitten des Buches mit literarischen und wissenschaftlichen Stimmen zusammenführt. In seiner Verbindung von eigener Betroffenheit und fremden, ganz verschiedenartigen Perspektiven entspricht Geißlers Text beispielhaft den Tugenden des Essays und bietet zugleich ein gutes Rüstzeug für all jene, die fundiert über den Wert, die Grenzen und die Zukunft von Arbeit nachdenken und diskutieren möchten. Merken sollten wir uns z. B. ihre Dekonstruktion abwertender Ausdrücke wie „Blaumachen“, oder ihre Überlegungen zum Status unbezahlter Arbeitsformen wie Care- oder Trauerarbeit.Der poetologische Status von Arbeit
Dass es ihr zum Thema nicht an Anschauungsmaterial mangelt, davon zeugte bereits Geißlers dokumentarischer Roman „Saisonarbeit“, 2014 erschienen, in dem sie ihre Zeit als Lagerarbeiterin bei Amazon beschreibt. Dass aus dieser, ihrer prekären finanziellen Lage geschuldeten Arbeitserfahrung ein Roman folgen musste, scheint eine der poetologischen Pointen von Geißlers jetzt erschienenem Essay zu sein. Ohne sich dafür des Labels der „Autofiktion“ bedienen zu müssen, führt sie uns eindringlich vor Augen, wie für die Autorin alles, jede Begegnung und Beobachtung zum potenziellen Text und damit zur Arbeit werden kann.Es ist Arbeit, die zu sehen, die nicht den Grundtakt vorgeben, die aber mitschwingen müssen, weil sie keine Wahl haben. Es ist Arbeit, sich zu beruhigen, innezuhalten, auf konstruktive Gedanken zu kommen, die zu suchen, die sie haben: die tröstenden Ablenkungen und die guten Ideen.Heike Geißlers Essay „Arbeiten“ ist damit nicht zuletzt auch ein Text über das Schreiben geworden. Das prekäre Privileg der Schriftstellerin, die Beobachtung der Welt zur Arbeit zu haben, verstehen wir nach diesen knapp 115 Seiten besser. Und in einer Welt voller Arbeit ist es vielleicht gerade ihre Aufgabe, auf das hinzuweisen, was sich der Arbeit – noch – entzieht.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
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Die Autorin Heike Geißler nimmt uns mit an ihren Schreibtisch in Leipzig. Wohin sie schaut, sieht sie Arbeit. Auf dem Tisch die Schreibarbeit, in der Wohnung die Hausarbeit, draußen vor dem Fenster die Menschen, die zur Arbeit eilen, von ihr zurückkehren oder sie gerade jetzt verrichten; als Briefträger, Handwerker, Denkmalpfleger. Und auch der alte Mann am Fenster gegenüber erzählt mit seinem müden Blick eine Geschichte von der Arbeit. Vom Leben in einem längst vergangenen, selbsternannten „Arbeiterstaat“.
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Nach einer Weile der Beschäftigung mit dem Thema Arbeit sehe ich kaum noch etwas anderes. Als fiele es mir jetzt erst auf, dass doch alles, alles aus Arbeit entsteht, dass also in alles, alles Arbeit geflossen ist und fließt.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
Die Allgegenwärtigkeit von Arbeit
In ihrem Essay „Arbeiten“ geht Heike Geißler einer einfachen, aber weitreichenden Beobachtung nach: Der Arbeit entkommt man nicht. Was zunächst übertrieben klingen mag, entfaltet in diesem Buch schnell eine beklemmende Plausibilität. Arbeit strukturiert unser Zeitempfinden. Sie ist anwesend auch dort, wo sie scheinbar nichts zu suchen hat: In der Freizeit, der Rente, im Urlaub – als Zeit ohne Arbeit, nach der Arbeit, als Zeit, um sich von der Arbeit für die Arbeit zu erholen. Geißler veranschaulicht diese Allgegenwärtigkeit von Arbeit – die sich nicht nur auf die Zeit erstreckt – in eindrücklichen, sinnlichen Szenen:Bedenke ich, was ich trage, fühle ich mich von tausenden Händen berührt, von eiligen Händen, von mal mehr, mal weniger sorgsamen Händen, von allen möglichen Händen. Händen, die sich mit Bandagen schützen, um den Arbeitsalltag durchzustehen, ob nun beim Schieben langer Stoffbahnen zur Nähnadel hin, ob beim Durchtrennen von Fäden, ob beim Verpacken der Ware, beim Zukleben der Kisten, beim Reparieren von Maschinen, beim Beladen von Paletten, beim Einschweißen von Palettenladungen.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
Zwischen persönlichem Erfahrungsbericht und wissenschaftlicher Analyse
Bei aller Abstraktion und Anonymität, die Geißlers Vermessung der Arbeitswelt zutage fördert – verrichtet wird die Arbeit am Ende des Tages noch immer von Einzelnen. Der Wechsel vom Besonderen ins Allgemeine gelingt in diesem Essay fließend. Die Autorin versteht sich auf ein beobachtendes Sammeln von Alltagssituationen, die sie in den kurzen, assoziativen Abschnitten des Buches mit literarischen und wissenschaftlichen Stimmen zusammenführt. In seiner Verbindung von eigener Betroffenheit und fremden, ganz verschiedenartigen Perspektiven entspricht Geißlers Text beispielhaft den Tugenden des Essays und bietet zugleich ein gutes Rüstzeug für all jene, die fundiert über den Wert, die Grenzen und die Zukunft von Arbeit nachdenken und diskutieren möchten. Merken sollten wir uns z. B. ihre Dekonstruktion abwertender Ausdrücke wie „Blaumachen“, oder ihre Überlegungen zum Status unbezahlter Arbeitsformen wie Care- oder Trauerarbeit.Der poetologische Status von Arbeit
Dass es ihr zum Thema nicht an Anschauungsmaterial mangelt, davon zeugte bereits Geißlers dokumentarischer Roman „Saisonarbeit“, 2014 erschienen, in dem sie ihre Zeit als Lagerarbeiterin bei Amazon beschreibt. Dass aus dieser, ihrer prekären finanziellen Lage geschuldeten Arbeitserfahrung ein Roman folgen musste, scheint eine der poetologischen Pointen von Geißlers jetzt erschienenem Essay zu sein. Ohne sich dafür des Labels der „Autofiktion“ bedienen zu müssen, führt sie uns eindringlich vor Augen, wie für die Autorin alles, jede Begegnung und Beobachtung zum potenziellen Text und damit zur Arbeit werden kann.Es ist Arbeit, die zu sehen, die nicht den Grundtakt vorgeben, die aber mitschwingen müssen, weil sie keine Wahl haben. Es ist Arbeit, sich zu beruhigen, innezuhalten, auf konstruktive Gedanken zu kommen, die zu suchen, die sie haben: die tröstenden Ablenkungen und die guten Ideen.Heike Geißlers Essay „Arbeiten“ ist damit nicht zuletzt auch ein Text über das Schreiben geworden. Das prekäre Privileg der Schriftstellerin, die Beobachtung der Welt zur Arbeit zu haben, verstehen wir nach diesen knapp 115 Seiten besser. Und in einer Welt voller Arbeit ist es vielleicht gerade ihre Aufgabe, auf das hinzuweisen, was sich der Arbeit – noch – entzieht.Quelle: Heike Geißler – Arbeiten
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