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Opernkritik – Bizets „Carmen“ in Zürich: Das Populärste ist auch das Schwerste

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Frei von Klischees

Mit Klischees hat Regisseur Andreas Homoki in seiner Züricher „Carmen“ gründlich aufgeräumt: Kein Spanien, keine Bohémienne, keine Schmuggler, keine Stierkampfarena. In Paul Zollers Bühne auf der Bühne wird stattdessen eine Oper gespielt, die George Bizets „Carmen“ sein könnte – zumindest der Musik nach. Im Theaterhintergrund ist die Brandmauer der Opéra Comique dominant, dem Uraufführungsort der Oper. Der Tenor taumelt zur überhetzten Ouvertüre herein und rutscht in die Rolle des Don José. Der Chor repräsentiert die amüsierfreudige Bourgeoisie an Theatergängern um 1875. Und dann kommt Carmen als Superweib mit rotem Haarband und leicht geschürztem Rock. Eher bedrohlich als sexy singt Marina Viotti die Habanera. Die Männer mit Frack und Zylindern liegen ihr zu Füßen, als sei es eine Operette von Léhar.

Zeigefingertheater

Und dann geht der rote, beblümte, geraffte und mit Zierkordeln versehene Theatervorhang auf und zu und hoch und runter. Unzählige Male bis zum Ende. Ein grauer Vorhang im zweiten und ein schwarzer mit Goldborte im letzten Akt ergänzen dieses Zeigefingertheater: Hier wird Oper gespielt. Nach der Pause gibt es im dritten Akt einen Zeitsprung. Das Schmugglermilieu befindet sich im besetzten Paris von 1944. Carmen im Ledermantel und mit links gereckter Faust ist eine Kämpferin an der Widerstandsfront. Im letzten Akt sind wir dann in unserer Gegenwart der Fußball- oder Stierkampfparty vor der Glotze mit Fernsehantenne gelandet.

Schöne Bilder mit Theatervorhängen

Dann wird die mit Konfetti übersäte Bühne geräumt zum finalen Showdown von Carmen und Don José. Hin und her gerissen zwischen seiner Micaela als Krankenschwester, die ihn haben will und Carmen als Freiheitskämpferin, die ihn nicht haben will, kann er nicht anders, als die vergeblich Begehrte niederzustechen. Die Oper ist aus und der Vorhang rauscht hoch. Vielleicht könnte jetzt das Stück beginnen, das „Carmen“ heißt. Das Davor ist wohl eine Hommage an den Theaterort der Uraufführung, was auch immer das nun besagen will. Wer schöne Bilder mit Theatervorhängen und dem leeren Bühnenraum mag, kommt hier absolut auf seine Kosten. Für Liebhaber von Bizets Meisterwerk ist es schwieriger. Friedrich Nietzsche meinte einmal, diese Musik schwitze nicht. Als ob es gelte, den Philosophen zu widerlegen, lässt es Dirigent Gianandrea Noseda ordentlich krachen. Diese „Carmen“ ist eine schweißtreibende Angelegenheit.

Die Sängerinnen und Sänger haben es nicht einfach

Für die Stimmen ist das nicht gerade einfach. Saimir Pirgu präsentiert sich als Don José wie für eine Puccini-Partie und tobt mit heldentenoraler Eifersucht. Die Micaela von Natalia Tanasii ist mächtig und keineswegs eine zartbesaitete Rot-Kreuz-Vertreterin. Lukasz Golinski „wobbelt“ sich durch die Partie des Stierkämpfers Escamillo. Marina Viottis Debüt in der Titelpartie ist eindrücklich, hat aber wenig mit dem raffinierten Changieren zwischen sprechendem Gesang, Sexappeal und Freiheitsruf zu tun. Der Alltagstonfall der gesprochen Dialoge gerät zu einem seltsam theatralischen Französisch. Der Kinderchor ist aber hinreißend.

Keine stringente Interpretation von „Carmen“

Eleganz, lyrische Leichtigkeit und das Gespür für die Mixtur aus romantischem Gefühl, Liedstück, Vaudeville und großer Choroper werden eingeebnet zu einem phonstarken Durchbuchstabieren der Partitur. Ein sattelfest großstädtisches Opernhaus müsste eigentlich eine sowohl szenisch als auch musikalisch stringentere Interpretation hinbekommen, um im Heute zu zeigen, wer oder was „Carmen“ ist. Es zeigt sich: das Populärste ist auch das Schwerste.
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Frei von Klischees

Mit Klischees hat Regisseur Andreas Homoki in seiner Züricher „Carmen“ gründlich aufgeräumt: Kein Spanien, keine Bohémienne, keine Schmuggler, keine Stierkampfarena. In Paul Zollers Bühne auf der Bühne wird stattdessen eine Oper gespielt, die George Bizets „Carmen“ sein könnte – zumindest der Musik nach. Im Theaterhintergrund ist die Brandmauer der Opéra Comique dominant, dem Uraufführungsort der Oper. Der Tenor taumelt zur überhetzten Ouvertüre herein und rutscht in die Rolle des Don José. Der Chor repräsentiert die amüsierfreudige Bourgeoisie an Theatergängern um 1875. Und dann kommt Carmen als Superweib mit rotem Haarband und leicht geschürztem Rock. Eher bedrohlich als sexy singt Marina Viotti die Habanera. Die Männer mit Frack und Zylindern liegen ihr zu Füßen, als sei es eine Operette von Léhar.

Zeigefingertheater

Und dann geht der rote, beblümte, geraffte und mit Zierkordeln versehene Theatervorhang auf und zu und hoch und runter. Unzählige Male bis zum Ende. Ein grauer Vorhang im zweiten und ein schwarzer mit Goldborte im letzten Akt ergänzen dieses Zeigefingertheater: Hier wird Oper gespielt. Nach der Pause gibt es im dritten Akt einen Zeitsprung. Das Schmugglermilieu befindet sich im besetzten Paris von 1944. Carmen im Ledermantel und mit links gereckter Faust ist eine Kämpferin an der Widerstandsfront. Im letzten Akt sind wir dann in unserer Gegenwart der Fußball- oder Stierkampfparty vor der Glotze mit Fernsehantenne gelandet.

Schöne Bilder mit Theatervorhängen

Dann wird die mit Konfetti übersäte Bühne geräumt zum finalen Showdown von Carmen und Don José. Hin und her gerissen zwischen seiner Micaela als Krankenschwester, die ihn haben will und Carmen als Freiheitskämpferin, die ihn nicht haben will, kann er nicht anders, als die vergeblich Begehrte niederzustechen. Die Oper ist aus und der Vorhang rauscht hoch. Vielleicht könnte jetzt das Stück beginnen, das „Carmen“ heißt. Das Davor ist wohl eine Hommage an den Theaterort der Uraufführung, was auch immer das nun besagen will. Wer schöne Bilder mit Theatervorhängen und dem leeren Bühnenraum mag, kommt hier absolut auf seine Kosten. Für Liebhaber von Bizets Meisterwerk ist es schwieriger. Friedrich Nietzsche meinte einmal, diese Musik schwitze nicht. Als ob es gelte, den Philosophen zu widerlegen, lässt es Dirigent Gianandrea Noseda ordentlich krachen. Diese „Carmen“ ist eine schweißtreibende Angelegenheit.

Die Sängerinnen und Sänger haben es nicht einfach

Für die Stimmen ist das nicht gerade einfach. Saimir Pirgu präsentiert sich als Don José wie für eine Puccini-Partie und tobt mit heldentenoraler Eifersucht. Die Micaela von Natalia Tanasii ist mächtig und keineswegs eine zartbesaitete Rot-Kreuz-Vertreterin. Lukasz Golinski „wobbelt“ sich durch die Partie des Stierkämpfers Escamillo. Marina Viottis Debüt in der Titelpartie ist eindrücklich, hat aber wenig mit dem raffinierten Changieren zwischen sprechendem Gesang, Sexappeal und Freiheitsruf zu tun. Der Alltagstonfall der gesprochen Dialoge gerät zu einem seltsam theatralischen Französisch. Der Kinderchor ist aber hinreißend.

Keine stringente Interpretation von „Carmen“

Eleganz, lyrische Leichtigkeit und das Gespür für die Mixtur aus romantischem Gefühl, Liedstück, Vaudeville und großer Choroper werden eingeebnet zu einem phonstarken Durchbuchstabieren der Partitur. Ein sattelfest großstädtisches Opernhaus müsste eigentlich eine sowohl szenisch als auch musikalisch stringentere Interpretation hinbekommen, um im Heute zu zeigen, wer oder was „Carmen“ ist. Es zeigt sich: das Populärste ist auch das Schwerste.
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