Ob Wochenende oder nicht, hier finden Sie immer die Stimmung eines entspannten Samstagnachmittags. Endlich Zeit für Dinge, für die sonst keine Zeit bleibt: Besuche bei Kunstschaffenden, Schriftsteller*innen und Musiker*innen, Literatur zum Lesen und Hören, DVDs und Blu-rays, Mode und Design, neue CDs vom Klassikmarkt. Das gibt es alles hier zum Nachhören, wann immer Sie möchten. Zur ARD Audiothek: https://www.ardaudiothek.de/sendung/swr2-am-samstagnachmittag/10001581/
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Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
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Manage episode 448448703 series 176123
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Das Glutnest, aus dem in „Ein ganz normaler Bürger“ ein regelrechter Flächenbrand wird, hat einen Namen. Er lautet Aufstiegswille:
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Du wirst deinen Weg gehen, so wahr mir Gott helfe. Und du fängst da an, wo ich nach dreißig Dienstjahren aufhöre … mit gerade mal zwanzig. Ein junger Mann, der etwas werden will, denkt nur an sein Fortkommen, an sonst nichts, sollen die anderen sich den Strick nehmen!So spricht der kurz vor der Rente stehende Giovanni Vivaldi mit seinem Sohn Mario, der im Rom der 1970erJahre im gleichen Ministerium wie sein Vater eine Prüfung vor sich hat. Sie soll Mario für eine höhere Beamtenlaufbahn qualifizieren und ihm damit den sozialen Aufstieg und das Entkommen aus der kleinbürgerlichen Enge seiner Verhältnisse ermöglichen. Damit Mario der Aufstieg gelingt, legt sich Giovanni mächtig ins Zeug, konkurrieren schließlich 12.000 Bewerber um 2.000 Plätze. Er tritt auf Einladung seines Vorgesetzten, Dottor Spaziani, der Freimauerloge bei und macht sich dort erst einmal lächerlich. Doch durch diese Mitgliedschaft gelingt es ihm, sich die Fragen und Antworten für die Prüfung seines Sohnes schon vorab zu erschleichen:Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
‚Hier habe ich die Abschrift der Prüfungsaufgabe‘, raunte Dottor Spaziani und blickte sich misstrauisch um. Wie von einem Magneten in seinem Bauch angezogen, schnellte Giovanni nach vorn, packte die Hände des Vorgesetzten und bedeckte sie mit ungestümen Küssen. Er wollte sie gar nicht mehr loslassen und schwitzte und stöhnte. Zwischen Schmatzern, Speichelfluss und Seufzern stieß er ein Dutzend ‚Danke‘ hervor.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
Ein verzweifelter Kriecher
Man könnte Giovanni einen Kriecher nennen. Oder einen Verzweifelten. Der Aufstieg des Sohnes scheint aber beschlossene Sache zu sein. Doch am Tag der Prüfung geschieht ein Unglück. Vater und Sohn durchqueren eine Straße, in der ein Raubüberfall stattfindet:Ein Wimpernschlag und zugleich eine Ewigkeit. Bevor Mario noch »Mamma« sagen konnte, war er schon tot. Einen Augenblick oder hundert Jahre zuvor der gellende Schrei einer Frau, wie er nur im höchsten Falsett möglich ist. Aus dem Hosenbein des Jungen floss Blut wie aus einem Wasserhahn. Die tödlichen Schüsse stammten aus Feuerwaffen.Von diesem Moment an, so stellt Ceramis atmosphärischer dichter Roman es dar, ist Giovannis Schicksal endgültig besiegelt. Es geht unerbittlich nur noch in eine Richtung: bergab.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
Die Enge der Verhältnisse
Indem Cerami die Handlung einbettet in die bleierne Atmosphäre im Rom der 1970er-Jahre, an der sich auch Pier Paolo Pasolini abarbeitete, gewinnt das traurige Schicksal Giovannis parabelhafte Züge. Durch die bildhafte Sprache hinterlässt „Ein ganz normaler Bürger“ einen tiefen Leseeindruck.Sofort erkannten die beiden den Sonntag wieder: an den heruntergelassenen, mit Schmierfett geölten Rollgittern der Läden, an den Wohnhäusern mit ihren zu hohnlächelnden Mäulern aufgerissenen Toren, an den entlang der Bürgersteige geparkten Autos gleich einbalsamierten Hunden, an den menschenleeren Straßenbahnen – lahme, verschreckte Raupen – und schließlich an der einen, die ganze Stadt durchquerenden Häuserkette, die sich überallhin verzweigte wie Haarbüschel auf einem grindigen Kopf.Schilderungen wie diese von Giovannis und Marios Rückkehr von einer Angeltour am Rand der Stadt sind typisch für Ceramis Roman, der in seiner Klarheit und Genauigkeit von den ersten Seiten an so packend ist, dass man ihn kaum zur Seite legen, dass man erfahren möchte, welch traurigen Weg dieser ganz normale Bürger, eingezwängt in die Enge der Verhältnisse, gehen muss.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
1217 Episoden
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Du wirst deinen Weg gehen, so wahr mir Gott helfe. Und du fängst da an, wo ich nach dreißig Dienstjahren aufhöre … mit gerade mal zwanzig. Ein junger Mann, der etwas werden will, denkt nur an sein Fortkommen, an sonst nichts, sollen die anderen sich den Strick nehmen!So spricht der kurz vor der Rente stehende Giovanni Vivaldi mit seinem Sohn Mario, der im Rom der 1970erJahre im gleichen Ministerium wie sein Vater eine Prüfung vor sich hat. Sie soll Mario für eine höhere Beamtenlaufbahn qualifizieren und ihm damit den sozialen Aufstieg und das Entkommen aus der kleinbürgerlichen Enge seiner Verhältnisse ermöglichen. Damit Mario der Aufstieg gelingt, legt sich Giovanni mächtig ins Zeug, konkurrieren schließlich 12.000 Bewerber um 2.000 Plätze. Er tritt auf Einladung seines Vorgesetzten, Dottor Spaziani, der Freimauerloge bei und macht sich dort erst einmal lächerlich. Doch durch diese Mitgliedschaft gelingt es ihm, sich die Fragen und Antworten für die Prüfung seines Sohnes schon vorab zu erschleichen:Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
‚Hier habe ich die Abschrift der Prüfungsaufgabe‘, raunte Dottor Spaziani und blickte sich misstrauisch um. Wie von einem Magneten in seinem Bauch angezogen, schnellte Giovanni nach vorn, packte die Hände des Vorgesetzten und bedeckte sie mit ungestümen Küssen. Er wollte sie gar nicht mehr loslassen und schwitzte und stöhnte. Zwischen Schmatzern, Speichelfluss und Seufzern stieß er ein Dutzend ‚Danke‘ hervor.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
Ein verzweifelter Kriecher
Man könnte Giovanni einen Kriecher nennen. Oder einen Verzweifelten. Der Aufstieg des Sohnes scheint aber beschlossene Sache zu sein. Doch am Tag der Prüfung geschieht ein Unglück. Vater und Sohn durchqueren eine Straße, in der ein Raubüberfall stattfindet:Ein Wimpernschlag und zugleich eine Ewigkeit. Bevor Mario noch »Mamma« sagen konnte, war er schon tot. Einen Augenblick oder hundert Jahre zuvor der gellende Schrei einer Frau, wie er nur im höchsten Falsett möglich ist. Aus dem Hosenbein des Jungen floss Blut wie aus einem Wasserhahn. Die tödlichen Schüsse stammten aus Feuerwaffen.Von diesem Moment an, so stellt Ceramis atmosphärischer dichter Roman es dar, ist Giovannis Schicksal endgültig besiegelt. Es geht unerbittlich nur noch in eine Richtung: bergab.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
Die Enge der Verhältnisse
Indem Cerami die Handlung einbettet in die bleierne Atmosphäre im Rom der 1970er-Jahre, an der sich auch Pier Paolo Pasolini abarbeitete, gewinnt das traurige Schicksal Giovannis parabelhafte Züge. Durch die bildhafte Sprache hinterlässt „Ein ganz normaler Bürger“ einen tiefen Leseeindruck.Sofort erkannten die beiden den Sonntag wieder: an den heruntergelassenen, mit Schmierfett geölten Rollgittern der Läden, an den Wohnhäusern mit ihren zu hohnlächelnden Mäulern aufgerissenen Toren, an den entlang der Bürgersteige geparkten Autos gleich einbalsamierten Hunden, an den menschenleeren Straßenbahnen – lahme, verschreckte Raupen – und schließlich an der einen, die ganze Stadt durchquerenden Häuserkette, die sich überallhin verzweigte wie Haarbüschel auf einem grindigen Kopf.Schilderungen wie diese von Giovannis und Marios Rückkehr von einer Angeltour am Rand der Stadt sind typisch für Ceramis Roman, der in seiner Klarheit und Genauigkeit von den ersten Seiten an so packend ist, dass man ihn kaum zur Seite legen, dass man erfahren möchte, welch traurigen Weg dieser ganz normale Bürger, eingezwängt in die Enge der Verhältnisse, gehen muss.Quelle: Vincenzo Cerami – Ein ganz normaler Bürger
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