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Gotthard Erler, Christine Hehle (Hg.), Emilie Fontane. Dichterfrauen sind immer so | Buchkritik

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Was für ein Leben. Emilie Rouanet kommt am 14. November 1824 im brandenburgischen Beeskow nach einer leidenschaftlichen Affäre ihrer Mutter als deren sechstes Kind zur Welt. Sie wird zu einem Onkel, später zur Adoption freigegeben. Vierzehn trostlose Jahre vergehen, bis der Stiefvater in Berlin 1838 Berta Kinne heiratet, die dem Mädchen verständnisvoll zugewandt ist und ihr liebevoll die Mutter ersetzt, ein Leben lang.

Erste Begegnung Emilies mit Theodor Fontane in Berlin

Im Haus nebenan wohnt der junge Theodor Fontane bei Onkel und Tante. Das erste Mal begegnen sie sich, als Emilie elf, Theodor 15 ist. Ernst aber wird es erst neun Jahre später, als sie sich wiedersehen. Die Verlobung folgt bald, heiraten aber können sie erst 1850, als Fontane endlich ein festes, wenn auch geringes Einkommen hat.
Emilie schenkt sieben Kindern das Leben, drei sterben schnell, Sohn George mit 36 an einer Blinddarmentzündung. Vierundfünfzig herzlich zugewandte Jahre lebt und arbeitet die Frau an der Seite Theodor Fontanes. Gotthard Erler, inzwischen 91, der seit vielen Jahrzehnten Leben und Werk des Dichters ergründet und ediert, ist fasziniert von Emilie.

Ein Leben als Dichterfrau in ärmlichen Verhältnissen

Aus so miesen Verhältnissen stammend wird sie die Frau eines Dichters, der kein Geld verdient, sie hat eine Schwangerschaft nach der anderen, sie haben nie Geld, nur, was er erschreibt, kann man verbrauchen, und sie hat wirklich ein schweres Leben gehabt. Das hat mich fasziniert, dass sie daraus was gemacht hat, mit einer tiefen Zuneigung zu diesem Theodor Fontane verbunden gewesen ist und bei alledem immer wieder die Feder in die Hand genommen hat und immer wieder etwas aufgeschrieben hat.

Quelle: Gotthard Erler

Hauptsächlich sind es Briefe. 3 bis 4000, schätzt Gotthard Erler. Die meisten davon sind unbekannt, 500 aber hat er gelesen, einige davon bereits im Ehebriefwechsel veröffentlicht und nun 150 ausgewählt und zusammen mit Christine Hehle herausgegeben: Eine Offenbarung. Lernt doch der Leser dieser Briefe eine wahrlich beeindruckende Frau kennen. Sie schreibt sechs Jahrzehnte lang Stiefmutter, Mann und Kindern, Freunden und Bekannten und berichtet über ihr Leben in Berlin oder London, über Sommeraufenthalte in Schlesien oder Reisen nach Karlsbad oder Kissingen. Immer sitzt zwischen ihren couragierten, wohlformulierten Zeilen auch Sorge über die stets prekären Verhältnisse der Familie. Besonders der innig geliebten Stiefmutter Berta vertraut sie ihre Not an, wie am 19. April 1860.
Alles trägt sich doch leichter meine Herzensmama, als beständige Nahrungssorgen, zu denen ich bestimmt zu sein scheine; oft wird es mir recht schwer dieselben zu ertragen.

Quelle: Gotthard Erler, Christine Hehle (Hg.), Emilie Fontane. Dichterfrauen sind immer so

Geldnöte haben die Fontanes immer – selbst in der wohl produktivsten Phase des Dichters zwischen dessen sechzigstem und siebzigstem Lebensjahr, in der er an „Effi Briest“ oder „Der Stechlin“ arbeitet. Aber nicht nur er allein ist so fleißig.

Kopistin und Gesprächspartnerin: eine Frau auf Augenhöhe für den Dichter

Sie sei nur noch „Abschreibe-Maschine“, berichtet Emilie einmal ihrem Sohn Theodor. Denn praktisch alles, was Fontane zu Papier bringt, geht sprichwörtlich durch ihre Hände. Nicht nur jetzt, sondern ein ganzes Dichterleben lang. Gut vierzig Bände, tausende dicht beschriebene Blätter voller Korrekturen und Bemerkungen überträgt sie mit kratzenden Federn und schlechter Tinte am Küchentisch unter einer Lichtfunzel. Und greift auch mal inhaltlich ein, wie beim Roman „Graf Petöfy“, zu dem sie am 14.Juni 1883 im Brief an ihren Mann über Figuren und Handlung Stellung nimmt.
F. u. E. können doch nicht gleich in Liebe verfallen? Er wirkt außerdem schemenhaft, man würde nicht begreifen, dass er kam, sah u. siegte. Der Schluss des Kapitel’s, wo er seine Stellung zu ihr in Erwägung zieht [ist] doch fast zu zurecht gemacht u. grußlich.

Quelle: Gotthard Erler, Christine Hehle (Hg.), Emilie Fontane. Dichterfrauen sind immer so

Emilie Fontane war, so legt es diese wunderbare Autobiografie in Briefen nahe, eine Partnerin auf Augenhöhe, eine Frau, die zaghaft lektorierte, frisch und frei berichtete, couragiert austeilte, bildhaft reportierte. Die Ehe- und Dichterfrau war Kopistin und Vorleserin, Gesprächspartnerin, Mutter und Netzwerkerin: rundum potent und patent.
Mir fiel irgendwann mal ein, ob sie nicht in gewisser Weise dem Frauenbild vom alten Dubslav von Stechlin entspricht: „Eine Dame und ein Frauenzimmer, so müssen Weiber sein.“ Das ist Emilie!

Quelle: Gotthard Erler

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Was für ein Leben. Emilie Rouanet kommt am 14. November 1824 im brandenburgischen Beeskow nach einer leidenschaftlichen Affäre ihrer Mutter als deren sechstes Kind zur Welt. Sie wird zu einem Onkel, später zur Adoption freigegeben. Vierzehn trostlose Jahre vergehen, bis der Stiefvater in Berlin 1838 Berta Kinne heiratet, die dem Mädchen verständnisvoll zugewandt ist und ihr liebevoll die Mutter ersetzt, ein Leben lang.

Erste Begegnung Emilies mit Theodor Fontane in Berlin

Im Haus nebenan wohnt der junge Theodor Fontane bei Onkel und Tante. Das erste Mal begegnen sie sich, als Emilie elf, Theodor 15 ist. Ernst aber wird es erst neun Jahre später, als sie sich wiedersehen. Die Verlobung folgt bald, heiraten aber können sie erst 1850, als Fontane endlich ein festes, wenn auch geringes Einkommen hat.
Emilie schenkt sieben Kindern das Leben, drei sterben schnell, Sohn George mit 36 an einer Blinddarmentzündung. Vierundfünfzig herzlich zugewandte Jahre lebt und arbeitet die Frau an der Seite Theodor Fontanes. Gotthard Erler, inzwischen 91, der seit vielen Jahrzehnten Leben und Werk des Dichters ergründet und ediert, ist fasziniert von Emilie.

Ein Leben als Dichterfrau in ärmlichen Verhältnissen

Aus so miesen Verhältnissen stammend wird sie die Frau eines Dichters, der kein Geld verdient, sie hat eine Schwangerschaft nach der anderen, sie haben nie Geld, nur, was er erschreibt, kann man verbrauchen, und sie hat wirklich ein schweres Leben gehabt. Das hat mich fasziniert, dass sie daraus was gemacht hat, mit einer tiefen Zuneigung zu diesem Theodor Fontane verbunden gewesen ist und bei alledem immer wieder die Feder in die Hand genommen hat und immer wieder etwas aufgeschrieben hat.

Quelle: Gotthard Erler

Hauptsächlich sind es Briefe. 3 bis 4000, schätzt Gotthard Erler. Die meisten davon sind unbekannt, 500 aber hat er gelesen, einige davon bereits im Ehebriefwechsel veröffentlicht und nun 150 ausgewählt und zusammen mit Christine Hehle herausgegeben: Eine Offenbarung. Lernt doch der Leser dieser Briefe eine wahrlich beeindruckende Frau kennen. Sie schreibt sechs Jahrzehnte lang Stiefmutter, Mann und Kindern, Freunden und Bekannten und berichtet über ihr Leben in Berlin oder London, über Sommeraufenthalte in Schlesien oder Reisen nach Karlsbad oder Kissingen. Immer sitzt zwischen ihren couragierten, wohlformulierten Zeilen auch Sorge über die stets prekären Verhältnisse der Familie. Besonders der innig geliebten Stiefmutter Berta vertraut sie ihre Not an, wie am 19. April 1860.
Alles trägt sich doch leichter meine Herzensmama, als beständige Nahrungssorgen, zu denen ich bestimmt zu sein scheine; oft wird es mir recht schwer dieselben zu ertragen.

Quelle: Gotthard Erler, Christine Hehle (Hg.), Emilie Fontane. Dichterfrauen sind immer so

Geldnöte haben die Fontanes immer – selbst in der wohl produktivsten Phase des Dichters zwischen dessen sechzigstem und siebzigstem Lebensjahr, in der er an „Effi Briest“ oder „Der Stechlin“ arbeitet. Aber nicht nur er allein ist so fleißig.

Kopistin und Gesprächspartnerin: eine Frau auf Augenhöhe für den Dichter

Sie sei nur noch „Abschreibe-Maschine“, berichtet Emilie einmal ihrem Sohn Theodor. Denn praktisch alles, was Fontane zu Papier bringt, geht sprichwörtlich durch ihre Hände. Nicht nur jetzt, sondern ein ganzes Dichterleben lang. Gut vierzig Bände, tausende dicht beschriebene Blätter voller Korrekturen und Bemerkungen überträgt sie mit kratzenden Federn und schlechter Tinte am Küchentisch unter einer Lichtfunzel. Und greift auch mal inhaltlich ein, wie beim Roman „Graf Petöfy“, zu dem sie am 14.Juni 1883 im Brief an ihren Mann über Figuren und Handlung Stellung nimmt.
F. u. E. können doch nicht gleich in Liebe verfallen? Er wirkt außerdem schemenhaft, man würde nicht begreifen, dass er kam, sah u. siegte. Der Schluss des Kapitel’s, wo er seine Stellung zu ihr in Erwägung zieht [ist] doch fast zu zurecht gemacht u. grußlich.

Quelle: Gotthard Erler, Christine Hehle (Hg.), Emilie Fontane. Dichterfrauen sind immer so

Emilie Fontane war, so legt es diese wunderbare Autobiografie in Briefen nahe, eine Partnerin auf Augenhöhe, eine Frau, die zaghaft lektorierte, frisch und frei berichtete, couragiert austeilte, bildhaft reportierte. Die Ehe- und Dichterfrau war Kopistin und Vorleserin, Gesprächspartnerin, Mutter und Netzwerkerin: rundum potent und patent.
Mir fiel irgendwann mal ein, ob sie nicht in gewisser Weise dem Frauenbild vom alten Dubslav von Stechlin entspricht: „Eine Dame und ein Frauenzimmer, so müssen Weiber sein.“ Das ist Emilie!

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