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FRÜHE WELTREISENDE – Der Indienfahrer Balthasar Sprenger

23:22
 
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Im Jahr 1505 segelt der Gewürzkäufer Balthasar Sprenger an die indische Malabarküste. Seine Reise mit der portugiesischen Indienflotte ist die früheste deutsche Meerfahrt dahin, wo der heißbegehrte Pfeffer wächst. Von Simon Demmelhuber (BR 2022)

Credits
Autor: Simon Demmelhuber
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Irina Wanka, Christian Baumann, Stefan Wilkening
Technik: Regina Staerke
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Maximilian Kalus

Linktipps:
WDR (2012): Bartholomeu Dias bricht zum Kap der Guten Hoffnung auf
Seine Reise ist so geheim, dass bis heute niemand genau weiß, wie sie verlaufen ist: Im August 1487 sticht der Portugiese Bartolomeu Dias mit zwei Karavellen und einem Versorgungsschiff in See. Sein Ziel: die Umschiffung Afrikas und die Entdeckung eines Seewegs nach Indien, denn der verspricht reiche Gewinne im Gewürzhandel. JETZT ANHÖREN

Deutschlandfunk (2022): Vasco da Gama, das Kap der Guten Hoffnung und der Seeweg nach Indien
Vor mehr als 500 Jahren umsegelte der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama das Kap der Guten Hoffnung – und entdeckte den Seeweg nach Indien. Für die Portugiesen war es der Beginn eines goldenen Zeitalters, in dem sie den Seehandel mit Indien dominierten. JETZT ANHÖREN

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 - Intro
TC 02:08 – Portugiesische Waagnisse
TC 04:21 – Kupfer regiert die Welt
TC 08:42 – Der bayerische Seefahrer
TC 12:12 – Eine blutige Spur
TC 14:53 – Teile und herrsche
TC 19:19 - Heimreise
TC 22:40 – Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

TC 00:15 - Intro

MUSIK

ERZÄHLERIN
Indien! …

ERZÄHLER
… wo Pfeffer, Kurkuma, Kardamon, Nelken, Zimt gedeihen, wo kostbare Harze, Hölzer und Arzneien wachsen, wo Rubine, Smaragde, Diamanten, Perlen, Gold in Fülle überfließen.

ERZÄHLERIN
In der Antike schaffen Karawanen den verschwenderischen Reichtum des Orients aus den Tiefen Arabiens, aus China, Persien, Indien zu den Umschlagplätzen am östlichen Mittelmeer und in die Zentren der Alten Welt. Ab dem 10. Jahrhundert bringen vorwiegend italienische Großimporteure die Ware von Alexandria per Schiff nach Venedig und Genua, wo sie Käufer aus allen Winkeln Europas findet.

ERZÄHLERIN
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts sperrt das Osmanische Reich die uralten Handelsstraßen. Die neue Großmacht hat Konstantinopel erobert, beherrscht Anatolien und den Balkan, rückt über Syrien gegen Ägypten vor und kontrolliert nun den Zugang zum Orient. Mit weitreichenden Folgen, wie der Wirtschaftshistoriker Maximilian Kalus erklärt:

O-TON KALUS 1
Die Osmanen wollen die Christen von den asiatischen Gewürzen gewissermaßen komplett abschneiden. Das gelingt auch eine Weile, bis sie merken, dass dieser Handel verdammt lukrativ ist und sie deswegen selber mitmachen.

ERZÄHLERIN
Auch im Mittelmeer versucht das Osmanische Reich, die abendländische Konkurrenz aus dem Geschäft zu drängen. Die Sicherung der Warenströme und Profite lässt den europäischen Großimporteuren nur eine Chance: Sie müssen neue Lieferwege erschließen und selbst in Asien einkaufen.

ERZÄHLER
Aber wie? Die Landroute fällt aus. Bleibt nur der Seeweg. Doch niemand weiß, ob und wo ein Weg um Afrika herum nach Osten führt.
TC 02:08 – Portugiesische Waagnisse

MUSIK

ERZÄHLERIN
Die Portugiesen wagen es trotzdem. Seit 1418 rüstet die Krone zahllose Expeditionen aus, die sich Fahrt um Fahrt an der Küste Westafrikas vortasten. Eine zentrale Behörde trägt den ständig erweiterten Wissensschatz über Küsten, Winde, Strömungen, Gezeiten, Untiefen, Ankergründe zusammen, der Portugals Goldenes Zeitalter befeuert.

ERZÄHLER
Wozu die Mühe? Warum steckt ein kleines Land wie Portugal so viel Geld und Ausdauer in beschwerliche Entdeckungsfahrten mit unsicherem Ausgang? Aus Wissbegier und Missionierungseifer? Maximilian Kalus hat die Strukturen und Akteure des Orienthandels der frühen Neuzeit erforscht und hält ein anderes Motiv für ausschlaggebend:

O-TON KALUS 2
Natürlich werden religiöse Gründe vorgeschoben, da geht es immer auch um Christianisierung. Aber am Ende des Tages geht es um den schnöden Mammon. Am Ende geht es um Gewinn.

ERZÄHLER
Anders gesagt: Die Beseitigung des italienischen, osmanischen und asiatischen Zwischenhandels im Gewürz- und Orientgeschäft ist portugiesische Staatsräson.

O-TON KALUS 3
Das ist ein klassischer Verdrängungswettbewerb: Wenn ich das selber mache, greife ich den Gewinn ab, egal wie teuer das am Ende in Europa ist. Ich schöpfe hundert Prozent ab, und das ist der Deal, den die Portugiesen versuchen.

MUSIK

ERZÄHLERIN
1488 ist das Ziel zum Greifen nah: Bartholomeu Dias umfährt das Kap der Guten Hoffnung und stößt in den Indischen Ozean vor. Nur zehn Jahre später landet Vasco da Gama an der Malabarküste: Der erste Europäer hat Indien auf dem Seeweg um Afrika erreicht und kehrt mit Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer, Harz, Weihrauch, Duft- und Farbstoffen reich beladen heim.

ERZÄHLER
Die Welt hat sich für immer verändert: Die alten Monopole sind gebrochen, das Tor zur indischen Schatzkammer ist aufgestoßen, der direkte Zugriff auf die Schätze Indiens verheißt fantastische Renditen.
TC 04:21 – Kupfer regiert die Welt

ERZÄHLERIN
Auch den Augsburger und Nürnberger Kaufherrn ist die Tragweite des Durchbruchs auf Anhieb klar: Die Zentren des Orienthandels werden sich von Venedig, Genua oder Alexandria nach Lissabon und nach Antwerpen verlagern, wo Portugal die Gewürzimporte vermarktet. Wer im Geschäft bleiben will, muss dort präsent sein und investieren.

O-TON KALUS 4
Die Eliten der Reichsstädte, die europaweit Handel treiben, wissen genau, wo die Musik spielt, deswegen ist anzunehmen, dass sie diese Chancen wittern. Gerade die Welser gehen da ziemlich forsch voran.

ERZÄHLERIN
Heute würde man die Augsburger Welser vermutlich als Early Mover bezeichnen. Schon 1502 gründen sie eine Niederlassung in Lissabon, wenig später ziehen mit den Fuggern weitere Handelshäuser nach. Und vermutlich sind es auch die risikobereiten Welser, die ab 1503 das Projekt einer deutschen Handelsfahrt nach Indien vorantreiben.

ERZÄHLER
Direktimporte aus Asien? Die ganze Lieferkette in einer Hand? Das klingt interessant, setzt aber einen Vertrag mit König Manuel von Portugal voraus. Zum Glück stehen die Chancen dafür gut. Denn die Deutschen haben zwei Dinge, die Manuel fehlen: Geld und Kupfer!

ERZÄHLERIN
Portugal schickt seit 1498 alljährlich Handelsschiffe nach Indien, deren Finanzierung schwer auf der Staatskasse lastet. Vor allem der militärische Geleitschutz blutet die Ressourcen aus. König Manuel braucht also Fremdkapital, das er über ein beiderseits profitables Beteiligungsmodell einwirbt: Der Investor zahlt die Ausrüstung, den Unterhalt und die Heuer der portugiesischen Besatzung eines oder mehrerer Schiffe, dafür kann er frei in Indien einkaufen. Einen Teil der Rückfracht behält die Krone, den Rest der Geldgeber.

ERZÄHLER
Aber Manuel hat noch ein zweites Problem: Indien besitzt keine eigenen Kupferminen. Das Metall ist begehrt, muss aber importiert werden und entwickelt sich so zum wichtigsten Tauschgut des Gewürzgeschäfts.

O-TON KALUS 5
Die Formel ist einfach: ohne Kupfer kein Pfeffer. Kupfer ist im Grunde das wichtigste Metall, Kupfer braucht man in wahnsinnigen Mengen für Dächer, für Alltagsgegenstände, alles Mögliche im Haushalt wird aus Kupfer hergestellt. Später werden auch die Rümpfe von Schiffen mit Kupfer beschlagen, Geschütze sind aus Kupfer […].

ERZÄHLER
In großen Mengen liefern können das begehrte Metall nur Augsburger und Nürnberger Handelsgesellschaften, allen voran die Fugger. Maximilian Kalus:

O-TON KALUS 6
Die Leute, die auf dem Kupfer hocken, sind im Grunde die oberdeutschen Kaufleute. Die haben fast die absolute Marktmacht. Die drei deutschsprachigen Reviere, nämlich Tirol, Neusohl und Mansfeld sind die größten Kupferabbaugebiete, und die Leute, die im Montanwesen tätig sind, sind genau die Leute, die dann im Pfefferhandel tätig sind.

ERZÄHLER
Um mit der Investitionslücke zugleich seine Kupferlücke zu schließen, kommt Manuel den Deutschen entgegen. Er gewährt ihnen beträchtliche Handelsvorteile in Portugal und fordert einen vergleichsweise geringen Kronanteil von 30 Prozent auf die in Indien geladene Ware.

MUSIK

ERZÄHLERIN
1504 ist der Vertrag unter Dach und Fach. Ein Konsortium, dem die Augsburger Handelsgesellschaften der Welser, Fugger, Gossembrot und Höchstetter sowie die Nürnberger Firmen Imhoff und Hirschvogel angehören, bringt 65.000 Dukaten für drei Handelsschiffe auf. Ein Drittel der Summe, die etwa 7 Millionen Euro entspricht, tragen die Welser, den Rest die Mitgesellschafter.

ATMO

ERZÄHLERIN
25. März 1505: 20 Schiffe der siebten königlichen Indienflotte lichten im Hafen von Lissabon die Anker. Das Oberkommando hat Dom Francisco de Almeida, dem 1500 Soldaten, 200 schwere und 100 leichte Geschütze sowie ein Tross von Segelmachern, Zimmerleuten, Handwerkern, Geschützgießern, Beamten und Einkäufern unterstehen.
TC 08:42 – Der bayerische Seefahrer

MUSIK

ERZÄHLER
Und: ein junger Mann, der an diesem Tag auf einer der drei deutschen Schiffe zur Reise seines Lebens aufbricht.

ZITATOR
Ich, Balthasar Sprenger aus Fils in Tirol, ein Bestellter der Welser zu Augspurg!

ERZÄHLERIN
Balthasar Sprenger, von dem wir kaum mehr als den Namen wissen, wird für seine Auftraggeber 15 Monate auf See und fünf Monate in Indien zubringen. Er wird 42.000 Kilometer zurücklegen, wird unbekannte Tiere, Pflanzen und Merkwürdigkeiten bestaunen, wird in Seenot und Todesangst geraten, wird beten, bangen, hungern, dürsten und bisweilen an der Heimkehr verzagen.

ERZÄHLER
Er wird aber auch mit verstörender Selbstverständlichkeit an Gewaltexzessen, Kriegsgräueln, brutalen Plünderungen und Brandschatzungen teilhaben. Er wird auf Menschen treffen, deren Fremdheit sein Begreifen überfordert. Er wird sehen, ohne zu verstehen, und urteilen, ohne zu prüfen. Nur eines wird er nicht tun: Er wird nie, wird mit keinem Wort, keinem Gedanken an der Überlegenheit des christlichen Abendlands und seinem Vorrecht auf alle Schätze dieser Erde zweifeln.

ERZÄHLERIN
Nach vier Wochen auf See legt die Flotte erstmals eine lange Pause an der Küste des heutigen Senegal ein. Hier leben Wolofstämme, die sich mit den Europäern arrangiert haben. Viele Wolofhändler sprechen genug Portugiesisch, um Frischwasser und Proviant gegen Werkzeug oder Schmuck zu tauschen.

ERZÄHLER
Die Rast vor der Kapumfahrung ist dringend nötig. Navigationsfehler, Stürme, Strömungen und Havarien haben die Flotte zerstreut. Ohne sichere Sammelplätze wären die Nachzügler verloren. Außerdem sind selbst die modernen portugiesischen Naos, Karacken und Karavellen schwimmende Dauerbaustellen. Marodes Tauwerk und gerissene Segel müssen geflickt, gesplitterte Masten, gebrochene Anker und Steuerruder erneuert, Lecks gestopft und faulende Planken ausgetauscht werden.

ATMO

ERZÄHLERIN
Dann wird es ernst. Die Umsegelung der Südspitze Afrikas entfesselt alle Schrecken des Meeres: Wolkenbrüche, gewaltige Strömungen, Fallböen und unberechenbare Winde zersprengen den Verband, drücken und schieben die Schiffe gegen Klippen und Riffe. Zwei später wiedergefundene Schiffe gehen verloren, für die übrigen öffnet sich nach schweren Tagen der Indische Ozean.

MUSIK

ERZÄHLER
Bislang liefert Sprengers Bericht erwartbare Entdeckerexotik: Wasser, Wellen, tanzende Horizonte, fremde Sterne, wundersame Tiere und Pflanzen, schwarze Menschen mit ‚seltsamen‘ Kleidern, Haaren und anstößiger Nacktheit. An der ostafrikanischen Küste kippt das launige Seestück.

ERZÄHLERIN
Acht Schiffe ankern vor Kilwa, der Hauptstadt des gleichnamigen Swahili-Sultanats. Der reiche Handelshafen herrscht über den heute tansanischen Teil der Küste Ostafrikas. 1502 unterstellt Vasco da Gama das Sultanat der Herrschaft Portugals und verhängte einen jährlichen Tribut. Dass Kilwa diese Abgabe und den Vasallenstatus seither ungestraft verweigert, schwächt die Autorität Portugals.

ERZÄHLER
Höchste Zeit, ein warnendes Exempel zu statuieren!
TC 12:12 – Eine blutige Spur

MUSIK

ERZÄHLERIN
Am Morgen des 24. Juli 1505 künden Kanonenschüsse ein blutiges Lehrstück an. 500 Bewaffnete stürmen den Palast des Sultans, der inzwischen geflohen ist und die Stadt einer so raub- wie mordlustigen Soldateska überlässt. Balthasar Sprenger ist, unklar ob als Zeuge oder Täter, in den Überfall verwickelt.

ZITATOR
Da fuhren wir hin mit ganzer Macht zu der Stadt und schossen etlich Heiden tot, plünderten und fanden große Schätze von Gold, Silber, Perlen, Edelsteine sowie kostbare Kleidung.

ERZÄHLER
Von Skrupeln keine Spur. Auch als Generalkapitän Almeida kurz danach das feindliche Mombasa belagern, angreifen, plündern und bis auf den Grund niederbrennen lässt, billigt Sprenger die zügellose Gewalt. Was hier geschieht, ist Ausfluss der Gewissheit, gemeinsam einer überlegenen christlichen Zivilisation anzugehören, die einen universalen Herrschaftsanspruch begründet.

MUSIK

ZITATOR
Durch Gottes Vorsehung blieb mancher Heide tot. Wir eroberten und besetzen die Stadt mit großem Frohlocken, dankten dem Allmächtigen und begannen zu plündern und fanden unsagbar große Reichtümer. Amen!

ERZÄHLER
Die siebte Indienarmada von 1505 bis 1506 unter Francisco de Almeida ist keine Entdeckungs- und noch nicht einmal vorrangig eine Handelsfahrt. Sie ist eine brutale Inkasso- und Strafaktion. Die Demonstration militärischer Macht soll Widerstände brechen, Aufwiegler züchtigen, Nachahmer schrecken und allen zeigen, wer an den afrikanischen Küsten und im Indischen Ozean künftig das Sagen hat.

ERZÄHLERIN
Dabei verzichtet Portugal trotz massiver Militärpräsenz auf die Eroberung geschlossener Herrschaftsräume. Die expansive Strategie setzt vorerst auf die Sicherung des Seewegs und der Logistikkette durch befestigte Faktoreien, die den Armadas als Brückenkopf, als Waren- und Ausrüstungslager, als Nachrichtenbörse, Herberge und Servicezentrum dienen. Welche Mittel der Generalkapitän einsetzt, um seine Ziele zu erreichen, ist ihm überlassen: Er kann Freundschafts- und Bündnisverträge schließen, notfalls aber auch Gewalt anwenden.

O-TON-KALUS 7
In Westafrika gibt es hochentwickelte Kulturen und Königshäuser, da müssen sich die Portugiesen mit den Eliten arrangieren.
TC 14:53 – Teile und herrsche

ERZÄHLER
Malindi ist der letzte ostafrikanische Halt vor der Überfahrt nach Indien. Im geschützten Hafen des muslimischen Stadtstaats kann die Armada gesichert ankern, Vorräte auffrischen, Schäden ausbessern, auf vermisste Schiffe warten. Dafür sorgt ein Beistandsvertrag auf Gegenseitigkeit: Der König gewährt das Aufenthaltsrecht, Portugal verspricht Schutz vor dem aggressiven Nachbarn Mombasa. Entsprechend freudig nimmt man die Nachricht vom Untergang des Rivalen auf.

ZITATOR
Der Kunig was zufrieden, dass wir die Stadt gründlich verwüstet, ausgeraubt und eingeäschert haben.

ATMO

ERZÄHLERIN
Ende August stechen 15 überholte, bestens proviantierte Schiffe in See. Nach 16 Tagen und 4000 Kilometern über offenes Meer ist die Passage geschafft. Die Flotte steuert zunächst die menschenleere Insel Angediva vor der Malabarküste an. Während die Nachzügler eintreffen, errichten Bautrupps ein Fort nebst Kirche aus mitgebrachten Fertigbauteilen. Ende Oktober steht die Festung. Almeida stellt 80 Mann und zwei Schiffe zu ihrer Bewachung ab und nimmt Kurs auf die Malabarküste.

MUSIK

ERZÄHLER
Im Südwesten des indischen Subkontinents treffen die Portugiesen auf eine verwirrende Vielzahl meist muslimisch, bisweilen hinduistisch geprägter Königreiche, Fürstentümer und Stadtstaaten. Unter allen Hafen- und Handelsstädten, in denen indische, tamilische, arabische, chinesische und jüdische Kaufleute mehr oder minder friedlich zusammenleben, ist keine berühmter, keine größer, reicher und wichtiger als Calicut.

ERZÄHLERIN
In Calicut, der Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs, war auch Vasco da Gama bei seiner ersten Ankunft gelandet. Der Zamorin, der Herrscher der muslimischen Erbmonarchie, hatte die Portugiesen freundlich empfangen. Aber die Duldung währte nicht lange. Die Neuankömmlinge treten derart aggressiv und herrisch auf, dass sie zuletzt einen vollständigen Boykott seitens der eingesessenen Händler provozieren. Als sich schließlich niemand mehr bereitfindet, ihnen Ware zu verkaufen, weichen die Portugiesen auf andere Handelsplätze aus.

ERZÄHLER
Divide et impera – teile und herrsche! Ein Spiel beginnt, das die Portugiesen meisterhaft beherrschen: Wie in Afrika nutzen sie regionale Rivalitäten und Sezessionsbestrebungen für ihre Zwecke. Die Strategie geht auch diesmal auf: Weil Calicut die Vorherrschaft an der Malabarküste anstrebt und dabei nicht zimperlich vorgeht, sind die Portugiesen in den benachbarten Königreichen Cochin und Cannanore hoch willkommen. Für ein Beistandsversprechen gegen Calicut gewähren die Rajas nicht nur ungehinderten Zugang zu ihren Häfen und Märkten. Sie gestatten den Bau von Faktoreien und Festungen, akzeptieren die Dauerpräsenz bewaffneter Soldaten und erkennen die Oberherrschaft König Manuels an.

ERZÄHLERIN
Calicut hält still, solange die Armada in Indien weilt. Kehrt sie mit dem Wintermonsun nach Portugal zurück, hagelt es Angriffe gegen die nun schutzlosen Nachbarn. Ein halbes Jahr später trifft die nächste Flotte mit dem Sommermonsun an der Malabarküste ein und führt sofort harte Strafexpeditionen durch. Das Hin und Her wechselseitiger Provokationen und Rachefeldzüge eskaliert: Calicut zerstört portugiesische Niederlassungen und befehdet Parteigänger Portugals. Die Portugiesen kapern und plündern muslimische Handelsschiffe, beschießen arabische Faktoreien, überfallen und verwüsten mit Calicut verbündete Städte.

MUSIK

ERZÄHLER
So stehen die Dinge, als Balthasar Sprenger am 26. Oktober 1505 in Cannanore erstmals indischen Festlandsboden betritt. Er landet in einem Gebiet schwelender Konflikte, die er nicht durchschaut, und nimmt selbst dann ungerührt an Kriegshandlungen teil, wenn Almeida im Namen des portugiesischen Königs und abendländischer Handelsinteressen auf Unbewaffnete schießen und ihre Häuser niederbrennen lässt.

O-TON KALUS 8
Sie wollen sich etablieren im Indischen Ozean. Es war klar, dass sie den gesamten Handel kontrollieren wollten. Es ist der Beginn dessen, was wir später als Globalisierung bezeichnen, dessen, was letztlich im Kolonialismus endet.
TC 19:19 - Heimreise

ERZÄHLERIN
Was Balthasar Sprenger miterlebt, ist die Gründung des Estato da India. Dieses vorkoloniale Gebilde, das Francisco de Almeida als erster der auf drei Jahre bestellten Vizekönige regiert, ist kein geschlossenes Herrschaftsgebiet. Das wäre zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowohl verwaltungs- und militärlogistisch wie demografisch nicht zu stemmen. Die Herrschaft des Vizekönigs erstreckt sich über kleine, unverbundene Flächen mit portugiesischen Faktoreien, Festungen, Kirchen, Verwaltungs- und Wohngebäuden. Zum Schutz der Exklave bleiben erstmals zehn bemannte Schiffe in Indien zurück. Die dauerhaft stationierte Seemacht soll verbündete Städte und Häfen verteidigen, Passierzölle eintreiben, Piraten bekämpfen und den muslimischen Handelsverkehr stören.

ERZÄHLER
Während Almeida sein Regiment als Vizekönig aufnimmt, beginnen die Kaufleute in Cochin und Cannanore mit dem Wareneinkauf und der Verladung. Ob Sprenger selbst handelt, in welcher Funktion er auftritt und wie das Geschäft abläuft, verschweigt der Bericht. Wir wissen nur, dass sich die drei Schiffe der oberdeutschen Kaufherren bis Ende Dezember mit Perlen, Edelsteinen, Ingwer, Zimt, Aloe, Schellack Kampfer, Gummi, kostbaren Harzen und rund 130 Tonnen Pfeffer füllen.

ATMO

ERZÄHLERIN
Dann drängt die Zeit: Die gestaffelt abreisenden Heimkehrer müssen den Wintermonsun erwischen. Ein erstes Geschwader läuft am 2. Januar aus, die Leonarda, auf der Sprenger fährt, setzt am 21. Januar 1506 Segel in Richtung Lissabon, die dritte Abteilung folgt Anfang Februar.

MUSIK

ERZÄHLER
Die Heimreise dauert zehn Monate und ist ein Fiasko. Schiffbrüche, Gegenwinde, Stürme, Flauten verzögern die Überfahrt. 123 Seefahrer sterben an Hunger, Durst und Fieber. 20 Monate nach seiner Ausfahrt macht Sprengers Schiff in Lissabon die Leinen fest.

ZITATOR
Am 15. November setzen wir Anker vor der Stadt und hatten do mit diese Reis in dem Namen Gottes vollbracht und geendet.

MUSIK

ERZÄHLER
Abgeschlossen ist die Reise damit noch nicht. Zumindest nicht für die süddeutschen Handelsgesellschaften.

ERZÄHLERIN
König Manuel möchte verhindern, dass ein plötzliches Überangebot an Gewürzen und Orientwaren die Preise ruiniert. Also lässt er die Fracht der Deutschen beschlagnahmen und einlagern. Erst nach vier Jahren können die Fugger, Welser, Gossembrot, Imhof und Hirschvogel die Herausgabe vor Gericht erstreiten.

ERZÄHLER
Am Ende tröstet ein stattlicher Reingewinn von 150 bis 175 Prozent wohl über manchen Ärger hinweg.

ERZÄHLERIN
Und Balthasar Sprenger?

ERZÄHLER
Er kehrt nach Augsburg zurück, verfasst einen Reisebericht, der 1509 als illustrierte Merfart zu viln onerkanten Inseln und Kunigreichen im Druck erscheint. Wie es dem Chronisten der ersten deutschen Indienfahrt danach ergeht, ist ungewiss. Seine Spur verliert sich wie ein Ruderschlag im Ozean.
TC 22:40 – Outro

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Credits
Autor: Simon Demmelhuber
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Seine Reise ist so geheim, dass bis heute niemand genau weiß, wie sie verlaufen ist: Im August 1487 sticht der Portugiese Bartolomeu Dias mit zwei Karavellen und einem Versorgungsschiff in See. Sein Ziel: die Umschiffung Afrikas und die Entdeckung eines Seewegs nach Indien, denn der verspricht reiche Gewinne im Gewürzhandel. JETZT ANHÖREN

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DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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MUSIK

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Indien! …

ERZÄHLER
… wo Pfeffer, Kurkuma, Kardamon, Nelken, Zimt gedeihen, wo kostbare Harze, Hölzer und Arzneien wachsen, wo Rubine, Smaragde, Diamanten, Perlen, Gold in Fülle überfließen.

ERZÄHLERIN
In der Antike schaffen Karawanen den verschwenderischen Reichtum des Orients aus den Tiefen Arabiens, aus China, Persien, Indien zu den Umschlagplätzen am östlichen Mittelmeer und in die Zentren der Alten Welt. Ab dem 10. Jahrhundert bringen vorwiegend italienische Großimporteure die Ware von Alexandria per Schiff nach Venedig und Genua, wo sie Käufer aus allen Winkeln Europas findet.

ERZÄHLERIN
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts sperrt das Osmanische Reich die uralten Handelsstraßen. Die neue Großmacht hat Konstantinopel erobert, beherrscht Anatolien und den Balkan, rückt über Syrien gegen Ägypten vor und kontrolliert nun den Zugang zum Orient. Mit weitreichenden Folgen, wie der Wirtschaftshistoriker Maximilian Kalus erklärt:

O-TON KALUS 1
Die Osmanen wollen die Christen von den asiatischen Gewürzen gewissermaßen komplett abschneiden. Das gelingt auch eine Weile, bis sie merken, dass dieser Handel verdammt lukrativ ist und sie deswegen selber mitmachen.

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Auch im Mittelmeer versucht das Osmanische Reich, die abendländische Konkurrenz aus dem Geschäft zu drängen. Die Sicherung der Warenströme und Profite lässt den europäischen Großimporteuren nur eine Chance: Sie müssen neue Lieferwege erschließen und selbst in Asien einkaufen.

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Aber wie? Die Landroute fällt aus. Bleibt nur der Seeweg. Doch niemand weiß, ob und wo ein Weg um Afrika herum nach Osten führt.
TC 02:08 – Portugiesische Waagnisse

MUSIK

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Die Portugiesen wagen es trotzdem. Seit 1418 rüstet die Krone zahllose Expeditionen aus, die sich Fahrt um Fahrt an der Küste Westafrikas vortasten. Eine zentrale Behörde trägt den ständig erweiterten Wissensschatz über Küsten, Winde, Strömungen, Gezeiten, Untiefen, Ankergründe zusammen, der Portugals Goldenes Zeitalter befeuert.

ERZÄHLER
Wozu die Mühe? Warum steckt ein kleines Land wie Portugal so viel Geld und Ausdauer in beschwerliche Entdeckungsfahrten mit unsicherem Ausgang? Aus Wissbegier und Missionierungseifer? Maximilian Kalus hat die Strukturen und Akteure des Orienthandels der frühen Neuzeit erforscht und hält ein anderes Motiv für ausschlaggebend:

O-TON KALUS 2
Natürlich werden religiöse Gründe vorgeschoben, da geht es immer auch um Christianisierung. Aber am Ende des Tages geht es um den schnöden Mammon. Am Ende geht es um Gewinn.

ERZÄHLER
Anders gesagt: Die Beseitigung des italienischen, osmanischen und asiatischen Zwischenhandels im Gewürz- und Orientgeschäft ist portugiesische Staatsräson.

O-TON KALUS 3
Das ist ein klassischer Verdrängungswettbewerb: Wenn ich das selber mache, greife ich den Gewinn ab, egal wie teuer das am Ende in Europa ist. Ich schöpfe hundert Prozent ab, und das ist der Deal, den die Portugiesen versuchen.

MUSIK

ERZÄHLERIN
1488 ist das Ziel zum Greifen nah: Bartholomeu Dias umfährt das Kap der Guten Hoffnung und stößt in den Indischen Ozean vor. Nur zehn Jahre später landet Vasco da Gama an der Malabarküste: Der erste Europäer hat Indien auf dem Seeweg um Afrika erreicht und kehrt mit Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer, Harz, Weihrauch, Duft- und Farbstoffen reich beladen heim.

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Die Welt hat sich für immer verändert: Die alten Monopole sind gebrochen, das Tor zur indischen Schatzkammer ist aufgestoßen, der direkte Zugriff auf die Schätze Indiens verheißt fantastische Renditen.
TC 04:21 – Kupfer regiert die Welt

ERZÄHLERIN
Auch den Augsburger und Nürnberger Kaufherrn ist die Tragweite des Durchbruchs auf Anhieb klar: Die Zentren des Orienthandels werden sich von Venedig, Genua oder Alexandria nach Lissabon und nach Antwerpen verlagern, wo Portugal die Gewürzimporte vermarktet. Wer im Geschäft bleiben will, muss dort präsent sein und investieren.

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Die Eliten der Reichsstädte, die europaweit Handel treiben, wissen genau, wo die Musik spielt, deswegen ist anzunehmen, dass sie diese Chancen wittern. Gerade die Welser gehen da ziemlich forsch voran.

ERZÄHLERIN
Heute würde man die Augsburger Welser vermutlich als Early Mover bezeichnen. Schon 1502 gründen sie eine Niederlassung in Lissabon, wenig später ziehen mit den Fuggern weitere Handelshäuser nach. Und vermutlich sind es auch die risikobereiten Welser, die ab 1503 das Projekt einer deutschen Handelsfahrt nach Indien vorantreiben.

ERZÄHLER
Direktimporte aus Asien? Die ganze Lieferkette in einer Hand? Das klingt interessant, setzt aber einen Vertrag mit König Manuel von Portugal voraus. Zum Glück stehen die Chancen dafür gut. Denn die Deutschen haben zwei Dinge, die Manuel fehlen: Geld und Kupfer!

ERZÄHLERIN
Portugal schickt seit 1498 alljährlich Handelsschiffe nach Indien, deren Finanzierung schwer auf der Staatskasse lastet. Vor allem der militärische Geleitschutz blutet die Ressourcen aus. König Manuel braucht also Fremdkapital, das er über ein beiderseits profitables Beteiligungsmodell einwirbt: Der Investor zahlt die Ausrüstung, den Unterhalt und die Heuer der portugiesischen Besatzung eines oder mehrerer Schiffe, dafür kann er frei in Indien einkaufen. Einen Teil der Rückfracht behält die Krone, den Rest der Geldgeber.

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Aber Manuel hat noch ein zweites Problem: Indien besitzt keine eigenen Kupferminen. Das Metall ist begehrt, muss aber importiert werden und entwickelt sich so zum wichtigsten Tauschgut des Gewürzgeschäfts.

O-TON KALUS 5
Die Formel ist einfach: ohne Kupfer kein Pfeffer. Kupfer ist im Grunde das wichtigste Metall, Kupfer braucht man in wahnsinnigen Mengen für Dächer, für Alltagsgegenstände, alles Mögliche im Haushalt wird aus Kupfer hergestellt. Später werden auch die Rümpfe von Schiffen mit Kupfer beschlagen, Geschütze sind aus Kupfer […].

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In großen Mengen liefern können das begehrte Metall nur Augsburger und Nürnberger Handelsgesellschaften, allen voran die Fugger. Maximilian Kalus:

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Die Leute, die auf dem Kupfer hocken, sind im Grunde die oberdeutschen Kaufleute. Die haben fast die absolute Marktmacht. Die drei deutschsprachigen Reviere, nämlich Tirol, Neusohl und Mansfeld sind die größten Kupferabbaugebiete, und die Leute, die im Montanwesen tätig sind, sind genau die Leute, die dann im Pfefferhandel tätig sind.

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Um mit der Investitionslücke zugleich seine Kupferlücke zu schließen, kommt Manuel den Deutschen entgegen. Er gewährt ihnen beträchtliche Handelsvorteile in Portugal und fordert einen vergleichsweise geringen Kronanteil von 30 Prozent auf die in Indien geladene Ware.

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1504 ist der Vertrag unter Dach und Fach. Ein Konsortium, dem die Augsburger Handelsgesellschaften der Welser, Fugger, Gossembrot und Höchstetter sowie die Nürnberger Firmen Imhoff und Hirschvogel angehören, bringt 65.000 Dukaten für drei Handelsschiffe auf. Ein Drittel der Summe, die etwa 7 Millionen Euro entspricht, tragen die Welser, den Rest die Mitgesellschafter.

ATMO

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25. März 1505: 20 Schiffe der siebten königlichen Indienflotte lichten im Hafen von Lissabon die Anker. Das Oberkommando hat Dom Francisco de Almeida, dem 1500 Soldaten, 200 schwere und 100 leichte Geschütze sowie ein Tross von Segelmachern, Zimmerleuten, Handwerkern, Geschützgießern, Beamten und Einkäufern unterstehen.
TC 08:42 – Der bayerische Seefahrer

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Und: ein junger Mann, der an diesem Tag auf einer der drei deutschen Schiffe zur Reise seines Lebens aufbricht.

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Ich, Balthasar Sprenger aus Fils in Tirol, ein Bestellter der Welser zu Augspurg!

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Balthasar Sprenger, von dem wir kaum mehr als den Namen wissen, wird für seine Auftraggeber 15 Monate auf See und fünf Monate in Indien zubringen. Er wird 42.000 Kilometer zurücklegen, wird unbekannte Tiere, Pflanzen und Merkwürdigkeiten bestaunen, wird in Seenot und Todesangst geraten, wird beten, bangen, hungern, dürsten und bisweilen an der Heimkehr verzagen.

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Er wird aber auch mit verstörender Selbstverständlichkeit an Gewaltexzessen, Kriegsgräueln, brutalen Plünderungen und Brandschatzungen teilhaben. Er wird auf Menschen treffen, deren Fremdheit sein Begreifen überfordert. Er wird sehen, ohne zu verstehen, und urteilen, ohne zu prüfen. Nur eines wird er nicht tun: Er wird nie, wird mit keinem Wort, keinem Gedanken an der Überlegenheit des christlichen Abendlands und seinem Vorrecht auf alle Schätze dieser Erde zweifeln.

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Nach vier Wochen auf See legt die Flotte erstmals eine lange Pause an der Küste des heutigen Senegal ein. Hier leben Wolofstämme, die sich mit den Europäern arrangiert haben. Viele Wolofhändler sprechen genug Portugiesisch, um Frischwasser und Proviant gegen Werkzeug oder Schmuck zu tauschen.

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Die Rast vor der Kapumfahrung ist dringend nötig. Navigationsfehler, Stürme, Strömungen und Havarien haben die Flotte zerstreut. Ohne sichere Sammelplätze wären die Nachzügler verloren. Außerdem sind selbst die modernen portugiesischen Naos, Karacken und Karavellen schwimmende Dauerbaustellen. Marodes Tauwerk und gerissene Segel müssen geflickt, gesplitterte Masten, gebrochene Anker und Steuerruder erneuert, Lecks gestopft und faulende Planken ausgetauscht werden.

ATMO

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Dann wird es ernst. Die Umsegelung der Südspitze Afrikas entfesselt alle Schrecken des Meeres: Wolkenbrüche, gewaltige Strömungen, Fallböen und unberechenbare Winde zersprengen den Verband, drücken und schieben die Schiffe gegen Klippen und Riffe. Zwei später wiedergefundene Schiffe gehen verloren, für die übrigen öffnet sich nach schweren Tagen der Indische Ozean.

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Bislang liefert Sprengers Bericht erwartbare Entdeckerexotik: Wasser, Wellen, tanzende Horizonte, fremde Sterne, wundersame Tiere und Pflanzen, schwarze Menschen mit ‚seltsamen‘ Kleidern, Haaren und anstößiger Nacktheit. An der ostafrikanischen Küste kippt das launige Seestück.

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Acht Schiffe ankern vor Kilwa, der Hauptstadt des gleichnamigen Swahili-Sultanats. Der reiche Handelshafen herrscht über den heute tansanischen Teil der Küste Ostafrikas. 1502 unterstellt Vasco da Gama das Sultanat der Herrschaft Portugals und verhängte einen jährlichen Tribut. Dass Kilwa diese Abgabe und den Vasallenstatus seither ungestraft verweigert, schwächt die Autorität Portugals.

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Höchste Zeit, ein warnendes Exempel zu statuieren!
TC 12:12 – Eine blutige Spur

MUSIK

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Am Morgen des 24. Juli 1505 künden Kanonenschüsse ein blutiges Lehrstück an. 500 Bewaffnete stürmen den Palast des Sultans, der inzwischen geflohen ist und die Stadt einer so raub- wie mordlustigen Soldateska überlässt. Balthasar Sprenger ist, unklar ob als Zeuge oder Täter, in den Überfall verwickelt.

ZITATOR
Da fuhren wir hin mit ganzer Macht zu der Stadt und schossen etlich Heiden tot, plünderten und fanden große Schätze von Gold, Silber, Perlen, Edelsteine sowie kostbare Kleidung.

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Von Skrupeln keine Spur. Auch als Generalkapitän Almeida kurz danach das feindliche Mombasa belagern, angreifen, plündern und bis auf den Grund niederbrennen lässt, billigt Sprenger die zügellose Gewalt. Was hier geschieht, ist Ausfluss der Gewissheit, gemeinsam einer überlegenen christlichen Zivilisation anzugehören, die einen universalen Herrschaftsanspruch begründet.

MUSIK

ZITATOR
Durch Gottes Vorsehung blieb mancher Heide tot. Wir eroberten und besetzen die Stadt mit großem Frohlocken, dankten dem Allmächtigen und begannen zu plündern und fanden unsagbar große Reichtümer. Amen!

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Die siebte Indienarmada von 1505 bis 1506 unter Francisco de Almeida ist keine Entdeckungs- und noch nicht einmal vorrangig eine Handelsfahrt. Sie ist eine brutale Inkasso- und Strafaktion. Die Demonstration militärischer Macht soll Widerstände brechen, Aufwiegler züchtigen, Nachahmer schrecken und allen zeigen, wer an den afrikanischen Küsten und im Indischen Ozean künftig das Sagen hat.

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Dabei verzichtet Portugal trotz massiver Militärpräsenz auf die Eroberung geschlossener Herrschaftsräume. Die expansive Strategie setzt vorerst auf die Sicherung des Seewegs und der Logistikkette durch befestigte Faktoreien, die den Armadas als Brückenkopf, als Waren- und Ausrüstungslager, als Nachrichtenbörse, Herberge und Servicezentrum dienen. Welche Mittel der Generalkapitän einsetzt, um seine Ziele zu erreichen, ist ihm überlassen: Er kann Freundschafts- und Bündnisverträge schließen, notfalls aber auch Gewalt anwenden.

O-TON-KALUS 7
In Westafrika gibt es hochentwickelte Kulturen und Königshäuser, da müssen sich die Portugiesen mit den Eliten arrangieren.
TC 14:53 – Teile und herrsche

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Malindi ist der letzte ostafrikanische Halt vor der Überfahrt nach Indien. Im geschützten Hafen des muslimischen Stadtstaats kann die Armada gesichert ankern, Vorräte auffrischen, Schäden ausbessern, auf vermisste Schiffe warten. Dafür sorgt ein Beistandsvertrag auf Gegenseitigkeit: Der König gewährt das Aufenthaltsrecht, Portugal verspricht Schutz vor dem aggressiven Nachbarn Mombasa. Entsprechend freudig nimmt man die Nachricht vom Untergang des Rivalen auf.

ZITATOR
Der Kunig was zufrieden, dass wir die Stadt gründlich verwüstet, ausgeraubt und eingeäschert haben.

ATMO

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Ende August stechen 15 überholte, bestens proviantierte Schiffe in See. Nach 16 Tagen und 4000 Kilometern über offenes Meer ist die Passage geschafft. Die Flotte steuert zunächst die menschenleere Insel Angediva vor der Malabarküste an. Während die Nachzügler eintreffen, errichten Bautrupps ein Fort nebst Kirche aus mitgebrachten Fertigbauteilen. Ende Oktober steht die Festung. Almeida stellt 80 Mann und zwei Schiffe zu ihrer Bewachung ab und nimmt Kurs auf die Malabarküste.

MUSIK

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Im Südwesten des indischen Subkontinents treffen die Portugiesen auf eine verwirrende Vielzahl meist muslimisch, bisweilen hinduistisch geprägter Königreiche, Fürstentümer und Stadtstaaten. Unter allen Hafen- und Handelsstädten, in denen indische, tamilische, arabische, chinesische und jüdische Kaufleute mehr oder minder friedlich zusammenleben, ist keine berühmter, keine größer, reicher und wichtiger als Calicut.

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In Calicut, der Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs, war auch Vasco da Gama bei seiner ersten Ankunft gelandet. Der Zamorin, der Herrscher der muslimischen Erbmonarchie, hatte die Portugiesen freundlich empfangen. Aber die Duldung währte nicht lange. Die Neuankömmlinge treten derart aggressiv und herrisch auf, dass sie zuletzt einen vollständigen Boykott seitens der eingesessenen Händler provozieren. Als sich schließlich niemand mehr bereitfindet, ihnen Ware zu verkaufen, weichen die Portugiesen auf andere Handelsplätze aus.

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Divide et impera – teile und herrsche! Ein Spiel beginnt, das die Portugiesen meisterhaft beherrschen: Wie in Afrika nutzen sie regionale Rivalitäten und Sezessionsbestrebungen für ihre Zwecke. Die Strategie geht auch diesmal auf: Weil Calicut die Vorherrschaft an der Malabarküste anstrebt und dabei nicht zimperlich vorgeht, sind die Portugiesen in den benachbarten Königreichen Cochin und Cannanore hoch willkommen. Für ein Beistandsversprechen gegen Calicut gewähren die Rajas nicht nur ungehinderten Zugang zu ihren Häfen und Märkten. Sie gestatten den Bau von Faktoreien und Festungen, akzeptieren die Dauerpräsenz bewaffneter Soldaten und erkennen die Oberherrschaft König Manuels an.

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Calicut hält still, solange die Armada in Indien weilt. Kehrt sie mit dem Wintermonsun nach Portugal zurück, hagelt es Angriffe gegen die nun schutzlosen Nachbarn. Ein halbes Jahr später trifft die nächste Flotte mit dem Sommermonsun an der Malabarküste ein und führt sofort harte Strafexpeditionen durch. Das Hin und Her wechselseitiger Provokationen und Rachefeldzüge eskaliert: Calicut zerstört portugiesische Niederlassungen und befehdet Parteigänger Portugals. Die Portugiesen kapern und plündern muslimische Handelsschiffe, beschießen arabische Faktoreien, überfallen und verwüsten mit Calicut verbündete Städte.

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So stehen die Dinge, als Balthasar Sprenger am 26. Oktober 1505 in Cannanore erstmals indischen Festlandsboden betritt. Er landet in einem Gebiet schwelender Konflikte, die er nicht durchschaut, und nimmt selbst dann ungerührt an Kriegshandlungen teil, wenn Almeida im Namen des portugiesischen Königs und abendländischer Handelsinteressen auf Unbewaffnete schießen und ihre Häuser niederbrennen lässt.

O-TON KALUS 8
Sie wollen sich etablieren im Indischen Ozean. Es war klar, dass sie den gesamten Handel kontrollieren wollten. Es ist der Beginn dessen, was wir später als Globalisierung bezeichnen, dessen, was letztlich im Kolonialismus endet.
TC 19:19 - Heimreise

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Was Balthasar Sprenger miterlebt, ist die Gründung des Estato da India. Dieses vorkoloniale Gebilde, das Francisco de Almeida als erster der auf drei Jahre bestellten Vizekönige regiert, ist kein geschlossenes Herrschaftsgebiet. Das wäre zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowohl verwaltungs- und militärlogistisch wie demografisch nicht zu stemmen. Die Herrschaft des Vizekönigs erstreckt sich über kleine, unverbundene Flächen mit portugiesischen Faktoreien, Festungen, Kirchen, Verwaltungs- und Wohngebäuden. Zum Schutz der Exklave bleiben erstmals zehn bemannte Schiffe in Indien zurück. Die dauerhaft stationierte Seemacht soll verbündete Städte und Häfen verteidigen, Passierzölle eintreiben, Piraten bekämpfen und den muslimischen Handelsverkehr stören.

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Während Almeida sein Regiment als Vizekönig aufnimmt, beginnen die Kaufleute in Cochin und Cannanore mit dem Wareneinkauf und der Verladung. Ob Sprenger selbst handelt, in welcher Funktion er auftritt und wie das Geschäft abläuft, verschweigt der Bericht. Wir wissen nur, dass sich die drei Schiffe der oberdeutschen Kaufherren bis Ende Dezember mit Perlen, Edelsteinen, Ingwer, Zimt, Aloe, Schellack Kampfer, Gummi, kostbaren Harzen und rund 130 Tonnen Pfeffer füllen.

ATMO

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Dann drängt die Zeit: Die gestaffelt abreisenden Heimkehrer müssen den Wintermonsun erwischen. Ein erstes Geschwader läuft am 2. Januar aus, die Leonarda, auf der Sprenger fährt, setzt am 21. Januar 1506 Segel in Richtung Lissabon, die dritte Abteilung folgt Anfang Februar.

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Die Heimreise dauert zehn Monate und ist ein Fiasko. Schiffbrüche, Gegenwinde, Stürme, Flauten verzögern die Überfahrt. 123 Seefahrer sterben an Hunger, Durst und Fieber. 20 Monate nach seiner Ausfahrt macht Sprengers Schiff in Lissabon die Leinen fest.

ZITATOR
Am 15. November setzen wir Anker vor der Stadt und hatten do mit diese Reis in dem Namen Gottes vollbracht und geendet.

MUSIK

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Abgeschlossen ist die Reise damit noch nicht. Zumindest nicht für die süddeutschen Handelsgesellschaften.

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König Manuel möchte verhindern, dass ein plötzliches Überangebot an Gewürzen und Orientwaren die Preise ruiniert. Also lässt er die Fracht der Deutschen beschlagnahmen und einlagern. Erst nach vier Jahren können die Fugger, Welser, Gossembrot, Imhof und Hirschvogel die Herausgabe vor Gericht erstreiten.

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Am Ende tröstet ein stattlicher Reingewinn von 150 bis 175 Prozent wohl über manchen Ärger hinweg.

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Und Balthasar Sprenger?

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Er kehrt nach Augsburg zurück, verfasst einen Reisebericht, der 1509 als illustrierte Merfart zu viln onerkanten Inseln und Kunigreichen im Druck erscheint. Wie es dem Chronisten der ersten deutschen Indienfahrt danach ergeht, ist ungewiss. Seine Spur verliert sich wie ein Ruderschlag im Ozean.
TC 22:40 – Outro

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