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EINFACH MODE! Wer hat die Hosen an?
Manage episode 426044304 series 2902670
Von Männern in Strumpfhosen zu Frauen im Hosenanzug - jahrhundertelang war die Hose in Europa Symbol von Männlichkeit und Macht, Klassenkonflikten und Geschlechtsunterschieden. Und nicht zuletzt deshalb heiß umstritten: Von der Rolle der Hose in der Französischen Revolution wie im Kampf um die Emanzipation und der Jugendrevolte des 20. Jahrhunderts. Von Ulrike Rückert (BR 2024)
Credits
Autorin: Ulrike Rückert
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Berenike Beschle, Stefan Wilkening, Katja Bürkle
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Nicole Ruchlak
Besonderer Linktipp der Redaktion:
BR: ICONIC – Modegeschichte mit Aminata Belli
Dieser Podcast erzählt in jeder Episode die Geschichte eines ikonischen Kleidungsstück von Kapuzenpulli und Doc Martens zu Fußballshirt, Handtasche und Jeans und den gesellschaftlichen, technologischen und sozialen Umbrüchen, die Modetrends oft begleiten. Aminata Belli nimmt mit in die Geschichte vieler Lieblingsteile. Woher kommt ihre Coolness? Wie schaffen sie es, für große popkulturelle Momente, Subkulturen oder Underdogs zu stehen? JETZT ANHÖREN
Linktipps:
funk (2021): Männer im Rock – Darum irritiert uns das!
Männer in Kleidern oder Röcken - das ist nicht nur ein echter Fashiontrend, sondern auch ein riesiges Aufregerthema. Männer, die im Alltag Röcke tragen sind selten und es erfordert viel Mut. Nur was hält Männer eigentlich davon ab, Sommerkleider zu tragen? Historisch gibt es die strikte Trennung von Männer- und Frauenkleidung noch gar nicht so lange: Im 18. Jahrhundert brachte das aufsteigende Bürgertum neue Moralvorstellungen mit, die strikt zwischen Mann und Frau unterschieden und damit unseren Geschmack mitprägten. Heute sehen Modeexpert:innen darin einen neuen Trend, der sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Die Nachfrage nach gender-neutraler Kleidung, die Geschlechtergrenzen sogar gänzlich überwindet, sei da und das Ganze auch nicht mehr nur ein kurzlebiger Trend, sondern liege an einer tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung. Zum Film geht es HIER.
ARD alpha (2022): Mode und Geschlechterrollen
Für die einen ist sie die schönste Nebensache der Welt, für andere überflüssiger Luxus. Und doch kommt keiner an ihr vorbei: der Mode. Sie ist das ausdruckstärkste und augenfälligste Kommunikationsmittel, über das wir Menschen verfügen. JETZT ANSEHEN
Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:
Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 – Intro
TC 01:34 – Von barbarisch bis populär
TC 07:31 – Die Bedrohung der „Männlichkeit“
TC 10:14 – Andere Zeiten rücken an
TC 14:48 – Das amerikanische Bloomer-Kostüm
TC 17:33 – Eroberung des Sports
TC 19:07 – Wer hat jetzt die Hosen an?
TC 22:00 – Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 – Intro
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Sängerin Esther Ofarim trug edlen schwarzen Samt und Perlenkette, als sie an einem Abend im September 1966 die Bar im Hamburger Grandhotel Atlantic betrat. Ein Angestellter forderte sie auf, die Bar zu verlassen und sich umzuziehen, wenn sie wiederkommen wolle. Der Grund für den Affront: Das todschicke Outfit des Weltstars war – ein Hosenanzug.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Sache schlug Wellen. Einer Reporterin erklärte der Hoteldirektor, man erwarte von den Gästen „vorschriftsmäßige Garderobe“, und sobald die Damenhosen „offiziell anerkannt“ seien, werde man sie selbstverständlich akzeptieren. Die Hamburger Hosenaffäre ist ein Beispiel für das Konfliktpotential in der Geschichte des zweigeteilten Beinkleids.
ZITATOR
Hosen. Sind eine bekannte Kleidung, womit die Manns-Personen den Unter-Leib bedecken.
ERZÄHLERIN
So definiert ein Lexikon aus dem 18. Jahrhundert und erläutert weiterhin:
ZITATOR
„Hosen ihres Mannes hat das Weib.“ Ist ein bekanntes Sprüchwort, so von denen herrschsüchtigen Weibern gesaget wird, welche ihren Männern in allen befehlen und das Regiment über selbige führen wollen.
TC 01:34 – Von barbarisch bis populär
ERZÄHLERIN
Die Geschichte der Hose ist lang. Ötzis Beinlinge aus Fell waren ein Vorläufer. Die ältesten richtigen Hosen, die Archäologen ausgegraben haben, gehörten asiatischen Reiten vor dreitausend Jahren. Germanen und Kelten trugen Hosen, Griechen und Römer allerdings fanden die Dinger barbarisch. Auch ist die Hose nicht von Natur aus männlich, zwischen Indien und Grönland finden sich in der Geschichte der Menschheit viele Völker mit behosten Frauen. Aber im Mittelalter wurde die Hose in Europa zum Symbol von Männlichkeit und von Macht im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Die Redensart von der Frau, die die Hosen anhaben will, war schon im 13. Jahrhundert geläufig, jedoch ging es damals nicht um das Oberbekleidungsstück, das im Deutschen heute Hose heißt. Denn das war auch bei Männern aus der Mode.
MUSIK
ZITATOR
Der Gast schritt an das Bett,
da war ein weißes Gewand für ihn bereitet.
Einen Bruchgürtel von Gold und Seide
zog man darunter.
Rote Hosen aus Scharlach streifte man ihm über.
ERZÄHLERIN
So beschreibt Wolfram von Eschenbach in seinem Roman „Parzival“ um das Jahr 1200 das Outfit eines Ritters bei Hofe. Das Gewand war lang, und „Hosen“ ist das mittelhochdeutsche Wort für Strümpfe oder Beinlinge. Die trugen auch Frauen unterm Kleid. Der „Bruchgürtel“ hielt die Bruch – eine Unterhose.
MUSIK
ERZÄHLERIN:
In Heinrich Wittenwilers Satire „Der Ring“, verfasst rund zweihundert Jahre später, bekommt der Bräutigam bei einer Bauernhochzeit guten Rat:
ZITATOR
Das sag ich dir ganz grad heraus:
Du bist der Herr in deinem Haus!
Wiss’, und trägt dein Weib die Bruch,
Sie wird dein Unglück und dein Fluch
wider Gott und sein Gebot!
Hierzu wirst du der Leute Spott.
ERZÄHLERIN
Die Unterhose machte den Mann. Und der Mann hatte dafür zu sorgen, dass er der Herr im Haus war, wie es auch die Bibel bestimmte. Frauen galten als launisch, eitel, gierig und herrschsüchtig, und hielt man sie nicht unter Kontrolle, geriet die Welt aus den Fugen. So waren französische Schwänke, italienische Novellen und deutsche Fastnachtsspiele bevölkert von Frauen, die – oft ganz handgreiflich – versuchten, ihrem Mann die Hose zu entreißen. Die Geschichten warnten unbotmäßige Frauen vor drastischen Strafen oder führten dem männlichen Publikum vor, welche Demütigungen ihm bei einer Niederlage drohten:
MUSIK
ZITATOR
Die Betten machen, kehren, waschen,
sudeln und prudeln in der Aschen.
ERZÄHLERIN
Eine Revolution in der Männermode nach der Großen Pest im 14. Jahrhundert brachte die Hose als Oberbekleidung zurück. In einer Chronik ist zu lesen:
ZITATOR
Nachdem das Sterben ein Ende hatte, da hob die Welt wieder an zu leben und fröhlich zu sein, und machten die Männer neue Kleidung. Die Röcke waren so eng, dass ein Mann nicht darin schreiten konnte, und waren eine Spanne über die Knie. Danach machten sie die Röcke ganz kurz, eine Spanne über den Gürtel.
ERZÄHLERIN
Die jungen Männer schnitten immer mehr von ihren Gewändern ab, bis nur ein Wams übrigblieb, das kaum noch den Po bedeckte. Das rückte wohlgeformte Beine – Gipfel männlicher Schönheit – in vorteilhaftes Licht, aber zwischen dem Wams und den langen Strümpfen blitzte die Bruch und womöglich blanke Haut hervor. Zur Abhilfe nähte man die Beinlinge hinten zusammen und setzte vorn einen Latz ein. Voilà, die Hose war wieder da, und im Deutschen trug sie nun auch diesen Namen. Von nun an war sie das männliche Kleidungsstück. Und bald in den wunderlichsten Erscheinungen zu sehen.
MUSIK
ZITATOR
Mir kann keiner eine zu abenteuerliche Form eines Kleids aufbringen, denn je seltsamere Kleidung, nach Schnitt von Hosen, Wams und Schuhen, einer aufbringt, je lieber trag ich’s.
ERZÄHLERIN
… bekannte der Augsburger Konrad Schwarz im 16. Jahrhundert, durchaus typisch für den modebewussten Mann der Renaissance. Männer von Adel und nun auch die stolzen Bürger der Städte zeigten nicht nur Figur, sondern auch, wer sie waren und was sie sich leisten konnten. Wie ein Pfau spreizte man das schillernde Gefieder. Nach der Strumpfhosenphase waren Hosen für drei Jahrhunderte mehr oder weniger kurz und meist farbenfroh. Die Hosenwissenschaft kennt Dutzende von Namen für Modestile, die miteinander konkurrierten oder sich abwechselten - eng anliegend oder bauschig weit, kugelig rund ausgepolstert, geschlitzt mit kontrastfarbig herausquellendem Futter, bestickt, mit Bändern und Schleifen verziert. Und das Gemächt verpackt in protzig großen Schamkapseln.
ZITATOR
Und möchte mancher meinen, er sehe einen Kramladen aufgetan, so mit mancherley Farben von Nesteln, Bändeln, Schlüpffen sind sie an Haut und Haaren, an Hosen und Wambs, an Leib und Seel behenket, beschlencket, beknöpfet und beladen.
ERZÄHLERIN
… spottete der Satiriker Johann Michael Moscherosch zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Und dann kam die Rheingrafenhose – die ein Rock war. Ein knielanger, weiter Rock, üppig garniert mit Spitzen, Bänderbüscheln und Schleifen, und darunter schaute eine Pluderhose mit breiten Spitzenvolants heraus. Eine Zeitlang war das der Hit an Europas Fürstenhöfen. Zur selben Zeit sah Samuel Pepys in London Irritierendes:
ZITATOR
In den Gallerien finde ich die Hofdamen in ihrer Reitkleidung, mit Mänteln und Wämsern gerade wie meine, mit Perücken und mit Hüten, so dass, würde nicht ein langer Unterrock unter ihren Männermänteln schleifen, niemand sie für Frauen halten könnte, was ein seltsamer Anblick war und mir nicht gefiel.
TC 07:31 – Die Bedrohung der „Männlichkeit“
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Ordnung der Geschlechter verlangte auch sichtbare Verschiedenheit, was ebenfalls auf biblischem Gebot beruhte:
ZITATOR
Ein Weib soll nicht Mannsgewand tragen und ein Mann soll nicht Weiberkleider antun.
ERZÄHLERIN
Das Verbot galt für beide Geschlechter, doch es ist nicht für beide dasselbe, wenn die Frau dem Mann untergeordnet ist. Der Unterschied besteht darin, so der Schriftsteller Eugen Isolani, dass …
ZITATOR
… die erhabene und herrschende Stellung des Mannes nicht erniedrigt werden solle durch das Weib, das sich als Mann zeigt, und nicht durch die Selbsterniedrigung des sich als Weib gebärdenden Mannes.
ERZÄHLERIN
Wenn Frauen sich Männerkleider aneigneten, sah man die Männermacht bedroht. Das war nicht nur eine Frage der Optik - man hegte den Verdacht, dass die Kleidung Frauen auch ein anderes Selbstgefühl gebe. Im 16. Jahrhundert schrieb der englische Humanist Richard Hyrde:
ZITATOR
Eine Frau soll nicht Männerkleidung verwenden, denn es ließe sie denken, sie hätte den Stolz eines Mannes.
ERZÄHLERIN
Etwas prosaischer bemerkte das Journal des Luxus und der Moden 1802 über die damals aktuellen absatzlosen Frauenschuhe:
ZITATOR
Flache Sohlen geben Sicherheit und Bestimmtheit, der Gang wird selbständiger, und niemand kann läugnen, daß die hohen Hacken jedem Weibe ungesehene Fesseln anlegen, wodurch die Hülfe des Mannes ihm auf jedem Schritte nöthig wurde.
ERZÄHLERIN
Hutformen, Jackenschnitte und Absätze waren eine Sache, doch die Hose blieb ein Tabu. Aber auch dieses wurde oft gebrochen. Viele Frauen reisten in Hosen, weil es bequemer war. Englische Aristokratinnen gingen in Hosen auf die Jagd. Königin Christina von Schweden trug gern Männerkleider. Katharina die Große und Marie Antoinette ritten im Herrensitz in Hosen, Männerrock und Dreispitz, und ließen sich auch so malen. Und was ist mit dieser Anmerkung in einem Lexikon aus den Siebzehnhundertachtzigern gemeint?
ZITATOR
Bisweilen trägt auch das Frauenzimmer, besonders zur Winters=Zeit, Beinkleider, um sich desto besser vor der Kälte zu verwahren; und es wäre zu wünschen, daß sich das Frauenzimmer, der Gesundheit wegen, dieser Tracht mehr bediente.
ERZÄHLERIN
Um 1700 herum hatte die Männerhosenpracht ein Ende. Man trug nun schlichte Kniebundhosen, die fast völlig verschwanden unter langen Jacken mit weiten Schößen. Im Laufe des Jahrhunderts wurde die Silhouette schlanker, die Jacken offen getragen und die Schöße schräg zurückgeschnitten. Man zeigte wieder Bein, in knallengen Hosen. Wer keine muskulöse Adonis-Statur vorweisen konnte, packte gern Polster und Wachsprothesen unter die Hosen.
TC 10:14 – Andere Zeiten rücken an
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Revolution in Frankreich war auch eine Revolution der Hosen. Die radikalsten Umstürzler erklärten die Kniebundhose, die „Culotte“, zum Symbol der aristokratischen Willkürherrschaft, weshalb man sie „Sansculotten“ nannte, „ohne Kniehosen“. Zeichen des republikanischen Geistes sollten die „Pantalons“ sein, lange Hosen. Mit diesen zeigten sich auch einige Revolutionärinnen. Frauen waren überall dabei, sie diskutierten in der Öffentlichkeit mit, gründeten politische Clubs und forderten gleiche Bürgerrechte für ihr Geschlecht. Das ging den Herren dann doch zu weit. Sie verboten den Frauen die Clubs und Versammlungen, und die Männerhosen auch. Da vermeldete das Journal des Luxus und der Moden eine neue Revolution:
MUSIK
ZITATOR
Der Anzug der Damen ist ganz ohne Beyspiel. Sie tragen nemlich, wie die Männer, Pantalons von fleischfarben seidnem Zeuche, und darüber einen Rock von feinstem Mousseline, der an der Seite bis aufs Knie aufgeschürzt, und mit einer Agraffe befestigt wird.
ERZÄHLERIN
Tatsächlich hatten diese Pantalons mit denen der Männer nichts gemein, es waren Leggings aus Trikotstoff - so ziemlich das einzige, was die Pariserinnen noch unter hauchdünnen Kleidern trugen, nachdem sie Korsetts und Unterröcke beiseite geworfen hatten. Dennoch hielt man die offensichtlich für gewagter als die sogenannte „Nuditäten-Mode“ der durchsichtigen Chemisenkleider. Diese Welle überrollte Europa, doch die Pantalons machten nur wenige mit. Die spätere Schriftstellerin Bettina Brentano schrieb an Goethes Mutter:
ZITATORIN
Jetzt raten Sie einmal, was der Schneider für mich macht! Ein paar Hosen? Ja! Vivat! Jetzt kommen andre Zeiten angerückt.
ERZÄHLERIN
Andere Zeiten kamen in der Tat, allerdings brachten sie keine größeren Freiheiten, nicht einmal modische. In der auf göttliches Gebot gegründeten Weltordnung war jedem sein Platz zugewiesen, bestimmt durch Stand und Geschlecht, und man hatte sich dementsprechend zu verhalten. Mit der Aufklärung und der Erschütterung des Ständesystems war diese Ordnung obsolet geworden. Die Unterordnung der Frauen war damit nicht abgeschafft, aber sie brauchte eine neue Begründung. Sie fand sich im Geschlechtscharakter. Frauen und Männer seien, so Wilhelm von Humboldt, von Natur aus völlig verschieden, mit ganz gegensätzlichen Eigenschaften, so dass …
ZITATOR
… vernünftiger Weise auch nicht einmal der Gedanke entstehen kann, den Charakter des einen mit dem des anderen zu vertauschen.
ERZÄHLERIN
Bislang waren Sanftmut, Geduld und Fügsamkeit Verhaltensweisen, die von Frauen erwartet wurden. Nun war es ihre Natur. Benahmen sie sich anders, galten sie nicht mehr als widerspenstig, sondern als unnatürlich, krankhaft. Eine richtige Frau war der liebevolle Engel im Haus und verlangte weder in der Ehe noch in der Gesellschaft gleiche Rechte. Damit war das Thema des Zanks um die Hosen keineswegs aus der künstlerischen Welt geschafft. Die Frau, die die Hosen anhaben will, war im 19. Jahrhundert ein höchst beliebtes Sujet für Karikaturisten. Eine Zeichnung allein wurde über Jahrzehnte in mehreren Ländern mit kleinen Veränderungen immer wieder kopiert: Ein Mann und ein Frau zerren an einer Hose, angefeuert von einem anderen Paar, bei dem er schon der Hose beraubt ist, die sie unter ihrem Rock trägt. Aus den Bildtexten der deutschen Version:
MUSIK
ZITATORIN
Grosser Zank, Zwischen einem Mann und seiner Frau: wer von beyden die Hosen tragen und im Haus die Ober-Herrschaft haben soll.
ZITATOR
Lieber sterbe ich, als meiner Frau die Hosen zu lassen; der Mann soll immer der Herrscher seyn.
ERZÄHLERIN
Dabei lassen sich in den verschiedenen Versionen dieser Karikatur auch die Hosenmoden der Zeit verfolgen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigten sich die Männer in engen Pantalons zu Frack und Weste noch figurbetont und gedämpft farbenfreudig, am Ende steckten sie in der Uniform des dunklen Anzugs. Industrialisierung und Gründerboom verlangten Effizienz statt eitler Selbstpräsentation. Mit den Worten des Ästhetikprofessors Friedrich Theodor Vischer aus dem Jahr 1879:
ZITATOR
Das männliche Kleid soll überhaupt nicht für sich schon etwas sagen, nur der Mann selbst, der darin steckt, mag durch seine Züge, Haltung, Gesicht, Worte und Thaten seine Persönlichkeit geltend machen.
TC 14:48 – Das amerikanische Bloomer-Kostüm
MUSIK
ERZÄHLERIN
Zur Ausstellung des männlichen Erfolgs war die Ehefrau da, in dekorativen Kleidern, in denen man schwerlich arbeiten konnte, selbst wenn man das musste. Um 1850 waren Frauen wieder fest ins Korsett geschnürt und schleppten unter ihren weiten Röcken ein halbes Dutzend steife Unterröcke mit sich herum. Zu dieser Zeit lebte Elizabeth Cady Stanton in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New York. Einige Jahre zuvor hatte sie hier die erste Frauenrechtsversammlung in den Vereinigten Staaten organisiert und radikale Forderungen nach Gleichberechtigung gestellt.
ZITATORIN
Mrs. Miller kam mich besuchen, gekleidet im türkischen Stil – kurzer Rock, weite Hosen aus feinem schwarzem Tuch, ein spanischer Umhang, der bis zum Knie reichte, ein sehr kleidsames Kostüm und überaus geeignet zum Gehen bei jedem Wetter. Meine Kusine zu sehen, wie sie, mit einer Laterne in einer Hand und einem Baby in der andern, mit Leichtigkeit und Anmut die Treppe hinaufstieg, während ich, mit wallenden Gewändern, mich mit Mühe hinaufzog, von Laterne und Baby gar nicht zu reden, überzeugte mich sogleich, dass eine Reform der Frauenkleidung sehr nötig war, und ich legte umgehend einen ähnlichen Anzug an.
ERZÄHLERIN
Ähnliche Kostüme hatten schon andere ausprobiert. Aber Stanton und ihre Freundin Amelia Bloomer, die eine kleine Frauenzeitschrift herausgab, rührten die Trommel dafür. Es wurde bekannt als „Bloomer-Kostüm“, schlug Wellen in den USA und in Europa und löste eine Flut von Karikaturen, bissigen Pressekommentaren und Spottliedern aus. Vermutlich verstanden die Lästermäuler durchaus, dass es Elizabeth Cady Stanton und Amelia Bloomer keineswegs nur um praktischere Kleidung ging.
ZITATORIN
Mir scheint, wenn die Frau völlige Freiheit genösse, würde sie sich genau wie ein Mann anziehen. In männlicher Kleidung könnten wir reisen, durch alle Straßen unserer Städte gehen ohne einen Beschützer, siebenhundert Dollar im Jahr fürs Unterrichten bekommen statt dreihundert und zehn Dollar fürs Nähen eines Mantels statt zwei oder drei, wie wir es jetzt haben.
ERZÄHLERIN
… schrieb Stanton an einen Freund. Einige hundert Frauen in Amerika, über mehrere Staaten verteilt, trugen das Bloomer-Kostüm. Dafür wurden sie auf der Straße begafft, von johlenden Kindern verfolgt und mit Hohn übergossen. Nach zwei, drei Jahren hatten fast alle Frauen entnervt aufgegeben. Die radikalen Suffragetten der Jahrhundertwende vermieden solche Experimente. Sie wollten nicht schrullig wirken und damit andere Frauen abschrecken. Die Hosenfrage war damit nicht gestorben, allerdings tauchte sie nun in einem anderen Bereich wieder auf: als Frauen sich den Sport eroberten.
TC 17:33 – Eroberung des Sports
ZITATORIN
Man redet der Frau ein, daß sie kränklich sei und schwach und daher des männlichen Schutzes bedürfe; denn ahnte sie die ihr angeborne Kraft und Gesundheit, so könnte der souveräne Mensch in ihr erwachen
ERZÄHLERIN
… schrieb die Schriftstellerin Hedwig Dohm 1874. Mediziner warnten eindringlich, dass Sport Frauen zu Mannweibern mache und die Gebärfähigkeit beeinträchtige. Sie sollten sich auf maßvolle Gymnastik und Reigentanz beschränken. Sportbegeisterte Frauen ließen sich damit aber nicht von Hockey, Schwimmen, Skifahren, Rudern, Bergsteigen und Boxen abhalten und mussten dabei Lösungen für die Kleiderfrage finden. In der Turnhalle setzten sich knielange Pluderhosen als Sportdress durch. Ansonsten verwandten Frauen viel Erfindungsgabe darauf, um selbst auf Alpengipfeln nicht in einer Hose gesehen zu werden. Lieber konstruierten sie textile Verwandlungsapparate, wie die Rockhose dieser Bergtouristin:
ZITATORIN
Über der Wäsche trage ich eine Hose, am Knie seitlich geknöpft und durch einige Falten so erweitert, dass ich frei ausschreiten kann. Der fußfreie Rock ist sehr faltig. Ich kann ihn entweder rings mit einem Riemen schürzen, oder ich ziehe ihn an der Stelle empor, welche durch den An- und Abstieg freie Bewegung fordert.
ERZÄHLERIN
Mit dem Fahrrad-Hype um 1900 wurden Frauenbeine in Hosen dann auch öffentlichkeitstauglich. Die Knickerbocker-Trägerinnen riskierten dennoch, von aufgebrachten Passanten mit Matsch beworfen oder in Ausflugslokale nicht eingelassen zu werden.
TC 19:07 – Wer hat jetzt die Hosen an?
MUSIK
ERZÄHLERIN
1907 wollte die Sängerin Claire Waldoff in einem Berliner Kabarett kess in Herrenanzug und Zylinder auftreten, doch da griff die Obrigkeit ein. Sie durfte nur im Kleid auf die Bühne. Ein paar Jahre später später kreierten Pariser Modeschöpfer „Hosenkleider“. Wagemutige Damen flanierten damit durch europäische Metropolen und ernteten Hohn und Spott. In München allerdings blieb man gelassen.
ZITATOR
Die neuen Kostüme, die man bei der Parademusik vor der Residenz, des Nachmittags im Englischen Garten und des Abends im Hoftheater sah, fanden ein aufmerksames Interesse, das sich aber in schicklichen Formen kundgab.
ERZÄHLERIN
Im Ersten Weltkrieg übernahmen Frauen viele bisherige Männerjobs, aber nicht die männlichen Arbeitshosen. Wenn ein Rock ganz unbrauchbar war, wurden von der Männerkleidung verschiedene Modelle eingeführt. So bekamen Streckenläuferinnen bei der Eisenbahn und Arbeiterinnen in der Schwerindustrie des Ruhrgebiets Kniebundhosen. In den Zwanzigerjahren schnitten sich Frauen die Haare und die Röcke ab und Fliegerinnen in Hosen und Lederjacke waren die Idole junger Mädchen. Trotzdem hieß es auch in den Dreißigern kategorisch:
ZITATORIN
Hosen? Nur im Heim, für den Strand und den Sport!
ERZÄHLERIN
Als Marlene Dietrich sich in einem Hosenanzug im Herrenschnitt sehen ließ, verbot ihr Filmstudio ihr das prompt, doch sie hatte schon eine neue Mode gestartet. In den USA brachte Levi’s „Lady Levi“ auf den Markt, die erste Jeans speziell für Frauen. In der Schweiz trat Nelly Diener, Europas erste Stewardess, ihren Dienst an. Ihre selbstkreierte Uniform bestand aus Sakko und Hosenrock. Erst vierzig Jahre später durften die ersten Flugbegleiterinnen wieder Hosen tragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Keilhose und die Capri-Hose erfunden. Als Audrey Hepburn in dem Film “Sabrina” eine schwarze Capri-Hose trug, prophezeite eine Zeitschrift:
MUSIK
ZITATOR
Mehr Frauen als je zuvor werden in diesem Sommer „die Hosen anhaben“, daran besteht kein Zweifel! Glücklicherweise nur im modischen Sinn.
ERZÄHLERIN
In den Sechzigern und Siebzigern waren Hosen aus der Mode für Frauen schon nicht mehr wegzudenken, von den jungen Jeansträgerinnen bis zur Pariser Haute Couture. In der Bundesrepublik kauften Frauen schon mehr Hosen als Röcke. Aber in Büros waren Hosen immer noch tabu, bei offiziellen Anlässen galten sie als unpassend, und Esther Ofarim war nicht die einzige Frau, die wegen ihrer Hose aus einem Restaurant oder Hotel verwiesen wurde. Heute sind Hosen für Frauen kein Thema mehr. Und Männer experimentieren mit Röcken, wenn auch nur eine winzige Minderheit.
TC 22:00 – Outro
353 Episoden
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Credits
Autorin: Ulrike Rückert
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ARD alpha (2022): Mode und Geschlechterrollen
Für die einen ist sie die schönste Nebensache der Welt, für andere überflüssiger Luxus. Und doch kommt keiner an ihr vorbei: der Mode. Sie ist das ausdruckstärkste und augenfälligste Kommunikationsmittel, über das wir Menschen verfügen. JETZT ANSEHEN
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DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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TC 07:31 – Die Bedrohung der „Männlichkeit“
TC 10:14 – Andere Zeiten rücken an
TC 14:48 – Das amerikanische Bloomer-Kostüm
TC 17:33 – Eroberung des Sports
TC 19:07 – Wer hat jetzt die Hosen an?
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MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Sängerin Esther Ofarim trug edlen schwarzen Samt und Perlenkette, als sie an einem Abend im September 1966 die Bar im Hamburger Grandhotel Atlantic betrat. Ein Angestellter forderte sie auf, die Bar zu verlassen und sich umzuziehen, wenn sie wiederkommen wolle. Der Grund für den Affront: Das todschicke Outfit des Weltstars war – ein Hosenanzug.
MUSIK
ERZÄHLERIN
Die Sache schlug Wellen. Einer Reporterin erklärte der Hoteldirektor, man erwarte von den Gästen „vorschriftsmäßige Garderobe“, und sobald die Damenhosen „offiziell anerkannt“ seien, werde man sie selbstverständlich akzeptieren. Die Hamburger Hosenaffäre ist ein Beispiel für das Konfliktpotential in der Geschichte des zweigeteilten Beinkleids.
ZITATOR
Hosen. Sind eine bekannte Kleidung, womit die Manns-Personen den Unter-Leib bedecken.
ERZÄHLERIN
So definiert ein Lexikon aus dem 18. Jahrhundert und erläutert weiterhin:
ZITATOR
„Hosen ihres Mannes hat das Weib.“ Ist ein bekanntes Sprüchwort, so von denen herrschsüchtigen Weibern gesaget wird, welche ihren Männern in allen befehlen und das Regiment über selbige führen wollen.
TC 01:34 – Von barbarisch bis populär
ERZÄHLERIN
Die Geschichte der Hose ist lang. Ötzis Beinlinge aus Fell waren ein Vorläufer. Die ältesten richtigen Hosen, die Archäologen ausgegraben haben, gehörten asiatischen Reiten vor dreitausend Jahren. Germanen und Kelten trugen Hosen, Griechen und Römer allerdings fanden die Dinger barbarisch. Auch ist die Hose nicht von Natur aus männlich, zwischen Indien und Grönland finden sich in der Geschichte der Menschheit viele Völker mit behosten Frauen. Aber im Mittelalter wurde die Hose in Europa zum Symbol von Männlichkeit und von Macht im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Die Redensart von der Frau, die die Hosen anhaben will, war schon im 13. Jahrhundert geläufig, jedoch ging es damals nicht um das Oberbekleidungsstück, das im Deutschen heute Hose heißt. Denn das war auch bei Männern aus der Mode.
MUSIK
ZITATOR
Der Gast schritt an das Bett,
da war ein weißes Gewand für ihn bereitet.
Einen Bruchgürtel von Gold und Seide
zog man darunter.
Rote Hosen aus Scharlach streifte man ihm über.
ERZÄHLERIN
So beschreibt Wolfram von Eschenbach in seinem Roman „Parzival“ um das Jahr 1200 das Outfit eines Ritters bei Hofe. Das Gewand war lang, und „Hosen“ ist das mittelhochdeutsche Wort für Strümpfe oder Beinlinge. Die trugen auch Frauen unterm Kleid. Der „Bruchgürtel“ hielt die Bruch – eine Unterhose.
MUSIK
ERZÄHLERIN:
In Heinrich Wittenwilers Satire „Der Ring“, verfasst rund zweihundert Jahre später, bekommt der Bräutigam bei einer Bauernhochzeit guten Rat:
ZITATOR
Das sag ich dir ganz grad heraus:
Du bist der Herr in deinem Haus!
Wiss’, und trägt dein Weib die Bruch,
Sie wird dein Unglück und dein Fluch
wider Gott und sein Gebot!
Hierzu wirst du der Leute Spott.
ERZÄHLERIN
Die Unterhose machte den Mann. Und der Mann hatte dafür zu sorgen, dass er der Herr im Haus war, wie es auch die Bibel bestimmte. Frauen galten als launisch, eitel, gierig und herrschsüchtig, und hielt man sie nicht unter Kontrolle, geriet die Welt aus den Fugen. So waren französische Schwänke, italienische Novellen und deutsche Fastnachtsspiele bevölkert von Frauen, die – oft ganz handgreiflich – versuchten, ihrem Mann die Hose zu entreißen. Die Geschichten warnten unbotmäßige Frauen vor drastischen Strafen oder führten dem männlichen Publikum vor, welche Demütigungen ihm bei einer Niederlage drohten:
MUSIK
ZITATOR
Die Betten machen, kehren, waschen,
sudeln und prudeln in der Aschen.
ERZÄHLERIN
Eine Revolution in der Männermode nach der Großen Pest im 14. Jahrhundert brachte die Hose als Oberbekleidung zurück. In einer Chronik ist zu lesen:
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Nachdem das Sterben ein Ende hatte, da hob die Welt wieder an zu leben und fröhlich zu sein, und machten die Männer neue Kleidung. Die Röcke waren so eng, dass ein Mann nicht darin schreiten konnte, und waren eine Spanne über die Knie. Danach machten sie die Röcke ganz kurz, eine Spanne über den Gürtel.
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Die jungen Männer schnitten immer mehr von ihren Gewändern ab, bis nur ein Wams übrigblieb, das kaum noch den Po bedeckte. Das rückte wohlgeformte Beine – Gipfel männlicher Schönheit – in vorteilhaftes Licht, aber zwischen dem Wams und den langen Strümpfen blitzte die Bruch und womöglich blanke Haut hervor. Zur Abhilfe nähte man die Beinlinge hinten zusammen und setzte vorn einen Latz ein. Voilà, die Hose war wieder da, und im Deutschen trug sie nun auch diesen Namen. Von nun an war sie das männliche Kleidungsstück. Und bald in den wunderlichsten Erscheinungen zu sehen.
MUSIK
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Mir kann keiner eine zu abenteuerliche Form eines Kleids aufbringen, denn je seltsamere Kleidung, nach Schnitt von Hosen, Wams und Schuhen, einer aufbringt, je lieber trag ich’s.
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… bekannte der Augsburger Konrad Schwarz im 16. Jahrhundert, durchaus typisch für den modebewussten Mann der Renaissance. Männer von Adel und nun auch die stolzen Bürger der Städte zeigten nicht nur Figur, sondern auch, wer sie waren und was sie sich leisten konnten. Wie ein Pfau spreizte man das schillernde Gefieder. Nach der Strumpfhosenphase waren Hosen für drei Jahrhunderte mehr oder weniger kurz und meist farbenfroh. Die Hosenwissenschaft kennt Dutzende von Namen für Modestile, die miteinander konkurrierten oder sich abwechselten - eng anliegend oder bauschig weit, kugelig rund ausgepolstert, geschlitzt mit kontrastfarbig herausquellendem Futter, bestickt, mit Bändern und Schleifen verziert. Und das Gemächt verpackt in protzig großen Schamkapseln.
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Und möchte mancher meinen, er sehe einen Kramladen aufgetan, so mit mancherley Farben von Nesteln, Bändeln, Schlüpffen sind sie an Haut und Haaren, an Hosen und Wambs, an Leib und Seel behenket, beschlencket, beknöpfet und beladen.
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… spottete der Satiriker Johann Michael Moscherosch zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Und dann kam die Rheingrafenhose – die ein Rock war. Ein knielanger, weiter Rock, üppig garniert mit Spitzen, Bänderbüscheln und Schleifen, und darunter schaute eine Pluderhose mit breiten Spitzenvolants heraus. Eine Zeitlang war das der Hit an Europas Fürstenhöfen. Zur selben Zeit sah Samuel Pepys in London Irritierendes:
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In den Gallerien finde ich die Hofdamen in ihrer Reitkleidung, mit Mänteln und Wämsern gerade wie meine, mit Perücken und mit Hüten, so dass, würde nicht ein langer Unterrock unter ihren Männermänteln schleifen, niemand sie für Frauen halten könnte, was ein seltsamer Anblick war und mir nicht gefiel.
TC 07:31 – Die Bedrohung der „Männlichkeit“
MUSIK
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Die Ordnung der Geschlechter verlangte auch sichtbare Verschiedenheit, was ebenfalls auf biblischem Gebot beruhte:
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Ein Weib soll nicht Mannsgewand tragen und ein Mann soll nicht Weiberkleider antun.
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Das Verbot galt für beide Geschlechter, doch es ist nicht für beide dasselbe, wenn die Frau dem Mann untergeordnet ist. Der Unterschied besteht darin, so der Schriftsteller Eugen Isolani, dass …
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… die erhabene und herrschende Stellung des Mannes nicht erniedrigt werden solle durch das Weib, das sich als Mann zeigt, und nicht durch die Selbsterniedrigung des sich als Weib gebärdenden Mannes.
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Wenn Frauen sich Männerkleider aneigneten, sah man die Männermacht bedroht. Das war nicht nur eine Frage der Optik - man hegte den Verdacht, dass die Kleidung Frauen auch ein anderes Selbstgefühl gebe. Im 16. Jahrhundert schrieb der englische Humanist Richard Hyrde:
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Eine Frau soll nicht Männerkleidung verwenden, denn es ließe sie denken, sie hätte den Stolz eines Mannes.
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Etwas prosaischer bemerkte das Journal des Luxus und der Moden 1802 über die damals aktuellen absatzlosen Frauenschuhe:
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Flache Sohlen geben Sicherheit und Bestimmtheit, der Gang wird selbständiger, und niemand kann läugnen, daß die hohen Hacken jedem Weibe ungesehene Fesseln anlegen, wodurch die Hülfe des Mannes ihm auf jedem Schritte nöthig wurde.
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Hutformen, Jackenschnitte und Absätze waren eine Sache, doch die Hose blieb ein Tabu. Aber auch dieses wurde oft gebrochen. Viele Frauen reisten in Hosen, weil es bequemer war. Englische Aristokratinnen gingen in Hosen auf die Jagd. Königin Christina von Schweden trug gern Männerkleider. Katharina die Große und Marie Antoinette ritten im Herrensitz in Hosen, Männerrock und Dreispitz, und ließen sich auch so malen. Und was ist mit dieser Anmerkung in einem Lexikon aus den Siebzehnhundertachtzigern gemeint?
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Bisweilen trägt auch das Frauenzimmer, besonders zur Winters=Zeit, Beinkleider, um sich desto besser vor der Kälte zu verwahren; und es wäre zu wünschen, daß sich das Frauenzimmer, der Gesundheit wegen, dieser Tracht mehr bediente.
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Um 1700 herum hatte die Männerhosenpracht ein Ende. Man trug nun schlichte Kniebundhosen, die fast völlig verschwanden unter langen Jacken mit weiten Schößen. Im Laufe des Jahrhunderts wurde die Silhouette schlanker, die Jacken offen getragen und die Schöße schräg zurückgeschnitten. Man zeigte wieder Bein, in knallengen Hosen. Wer keine muskulöse Adonis-Statur vorweisen konnte, packte gern Polster und Wachsprothesen unter die Hosen.
TC 10:14 – Andere Zeiten rücken an
MUSIK
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Die Revolution in Frankreich war auch eine Revolution der Hosen. Die radikalsten Umstürzler erklärten die Kniebundhose, die „Culotte“, zum Symbol der aristokratischen Willkürherrschaft, weshalb man sie „Sansculotten“ nannte, „ohne Kniehosen“. Zeichen des republikanischen Geistes sollten die „Pantalons“ sein, lange Hosen. Mit diesen zeigten sich auch einige Revolutionärinnen. Frauen waren überall dabei, sie diskutierten in der Öffentlichkeit mit, gründeten politische Clubs und forderten gleiche Bürgerrechte für ihr Geschlecht. Das ging den Herren dann doch zu weit. Sie verboten den Frauen die Clubs und Versammlungen, und die Männerhosen auch. Da vermeldete das Journal des Luxus und der Moden eine neue Revolution:
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Der Anzug der Damen ist ganz ohne Beyspiel. Sie tragen nemlich, wie die Männer, Pantalons von fleischfarben seidnem Zeuche, und darüber einen Rock von feinstem Mousseline, der an der Seite bis aufs Knie aufgeschürzt, und mit einer Agraffe befestigt wird.
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Tatsächlich hatten diese Pantalons mit denen der Männer nichts gemein, es waren Leggings aus Trikotstoff - so ziemlich das einzige, was die Pariserinnen noch unter hauchdünnen Kleidern trugen, nachdem sie Korsetts und Unterröcke beiseite geworfen hatten. Dennoch hielt man die offensichtlich für gewagter als die sogenannte „Nuditäten-Mode“ der durchsichtigen Chemisenkleider. Diese Welle überrollte Europa, doch die Pantalons machten nur wenige mit. Die spätere Schriftstellerin Bettina Brentano schrieb an Goethes Mutter:
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Jetzt raten Sie einmal, was der Schneider für mich macht! Ein paar Hosen? Ja! Vivat! Jetzt kommen andre Zeiten angerückt.
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Andere Zeiten kamen in der Tat, allerdings brachten sie keine größeren Freiheiten, nicht einmal modische. In der auf göttliches Gebot gegründeten Weltordnung war jedem sein Platz zugewiesen, bestimmt durch Stand und Geschlecht, und man hatte sich dementsprechend zu verhalten. Mit der Aufklärung und der Erschütterung des Ständesystems war diese Ordnung obsolet geworden. Die Unterordnung der Frauen war damit nicht abgeschafft, aber sie brauchte eine neue Begründung. Sie fand sich im Geschlechtscharakter. Frauen und Männer seien, so Wilhelm von Humboldt, von Natur aus völlig verschieden, mit ganz gegensätzlichen Eigenschaften, so dass …
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… vernünftiger Weise auch nicht einmal der Gedanke entstehen kann, den Charakter des einen mit dem des anderen zu vertauschen.
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Bislang waren Sanftmut, Geduld und Fügsamkeit Verhaltensweisen, die von Frauen erwartet wurden. Nun war es ihre Natur. Benahmen sie sich anders, galten sie nicht mehr als widerspenstig, sondern als unnatürlich, krankhaft. Eine richtige Frau war der liebevolle Engel im Haus und verlangte weder in der Ehe noch in der Gesellschaft gleiche Rechte. Damit war das Thema des Zanks um die Hosen keineswegs aus der künstlerischen Welt geschafft. Die Frau, die die Hosen anhaben will, war im 19. Jahrhundert ein höchst beliebtes Sujet für Karikaturisten. Eine Zeichnung allein wurde über Jahrzehnte in mehreren Ländern mit kleinen Veränderungen immer wieder kopiert: Ein Mann und ein Frau zerren an einer Hose, angefeuert von einem anderen Paar, bei dem er schon der Hose beraubt ist, die sie unter ihrem Rock trägt. Aus den Bildtexten der deutschen Version:
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Grosser Zank, Zwischen einem Mann und seiner Frau: wer von beyden die Hosen tragen und im Haus die Ober-Herrschaft haben soll.
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Lieber sterbe ich, als meiner Frau die Hosen zu lassen; der Mann soll immer der Herrscher seyn.
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Dabei lassen sich in den verschiedenen Versionen dieser Karikatur auch die Hosenmoden der Zeit verfolgen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigten sich die Männer in engen Pantalons zu Frack und Weste noch figurbetont und gedämpft farbenfreudig, am Ende steckten sie in der Uniform des dunklen Anzugs. Industrialisierung und Gründerboom verlangten Effizienz statt eitler Selbstpräsentation. Mit den Worten des Ästhetikprofessors Friedrich Theodor Vischer aus dem Jahr 1879:
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Das männliche Kleid soll überhaupt nicht für sich schon etwas sagen, nur der Mann selbst, der darin steckt, mag durch seine Züge, Haltung, Gesicht, Worte und Thaten seine Persönlichkeit geltend machen.
TC 14:48 – Das amerikanische Bloomer-Kostüm
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Zur Ausstellung des männlichen Erfolgs war die Ehefrau da, in dekorativen Kleidern, in denen man schwerlich arbeiten konnte, selbst wenn man das musste. Um 1850 waren Frauen wieder fest ins Korsett geschnürt und schleppten unter ihren weiten Röcken ein halbes Dutzend steife Unterröcke mit sich herum. Zu dieser Zeit lebte Elizabeth Cady Stanton in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat New York. Einige Jahre zuvor hatte sie hier die erste Frauenrechtsversammlung in den Vereinigten Staaten organisiert und radikale Forderungen nach Gleichberechtigung gestellt.
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Mrs. Miller kam mich besuchen, gekleidet im türkischen Stil – kurzer Rock, weite Hosen aus feinem schwarzem Tuch, ein spanischer Umhang, der bis zum Knie reichte, ein sehr kleidsames Kostüm und überaus geeignet zum Gehen bei jedem Wetter. Meine Kusine zu sehen, wie sie, mit einer Laterne in einer Hand und einem Baby in der andern, mit Leichtigkeit und Anmut die Treppe hinaufstieg, während ich, mit wallenden Gewändern, mich mit Mühe hinaufzog, von Laterne und Baby gar nicht zu reden, überzeugte mich sogleich, dass eine Reform der Frauenkleidung sehr nötig war, und ich legte umgehend einen ähnlichen Anzug an.
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Ähnliche Kostüme hatten schon andere ausprobiert. Aber Stanton und ihre Freundin Amelia Bloomer, die eine kleine Frauenzeitschrift herausgab, rührten die Trommel dafür. Es wurde bekannt als „Bloomer-Kostüm“, schlug Wellen in den USA und in Europa und löste eine Flut von Karikaturen, bissigen Pressekommentaren und Spottliedern aus. Vermutlich verstanden die Lästermäuler durchaus, dass es Elizabeth Cady Stanton und Amelia Bloomer keineswegs nur um praktischere Kleidung ging.
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Mir scheint, wenn die Frau völlige Freiheit genösse, würde sie sich genau wie ein Mann anziehen. In männlicher Kleidung könnten wir reisen, durch alle Straßen unserer Städte gehen ohne einen Beschützer, siebenhundert Dollar im Jahr fürs Unterrichten bekommen statt dreihundert und zehn Dollar fürs Nähen eines Mantels statt zwei oder drei, wie wir es jetzt haben.
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… schrieb Stanton an einen Freund. Einige hundert Frauen in Amerika, über mehrere Staaten verteilt, trugen das Bloomer-Kostüm. Dafür wurden sie auf der Straße begafft, von johlenden Kindern verfolgt und mit Hohn übergossen. Nach zwei, drei Jahren hatten fast alle Frauen entnervt aufgegeben. Die radikalen Suffragetten der Jahrhundertwende vermieden solche Experimente. Sie wollten nicht schrullig wirken und damit andere Frauen abschrecken. Die Hosenfrage war damit nicht gestorben, allerdings tauchte sie nun in einem anderen Bereich wieder auf: als Frauen sich den Sport eroberten.
TC 17:33 – Eroberung des Sports
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Man redet der Frau ein, daß sie kränklich sei und schwach und daher des männlichen Schutzes bedürfe; denn ahnte sie die ihr angeborne Kraft und Gesundheit, so könnte der souveräne Mensch in ihr erwachen
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… schrieb die Schriftstellerin Hedwig Dohm 1874. Mediziner warnten eindringlich, dass Sport Frauen zu Mannweibern mache und die Gebärfähigkeit beeinträchtige. Sie sollten sich auf maßvolle Gymnastik und Reigentanz beschränken. Sportbegeisterte Frauen ließen sich damit aber nicht von Hockey, Schwimmen, Skifahren, Rudern, Bergsteigen und Boxen abhalten und mussten dabei Lösungen für die Kleiderfrage finden. In der Turnhalle setzten sich knielange Pluderhosen als Sportdress durch. Ansonsten verwandten Frauen viel Erfindungsgabe darauf, um selbst auf Alpengipfeln nicht in einer Hose gesehen zu werden. Lieber konstruierten sie textile Verwandlungsapparate, wie die Rockhose dieser Bergtouristin:
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Über der Wäsche trage ich eine Hose, am Knie seitlich geknöpft und durch einige Falten so erweitert, dass ich frei ausschreiten kann. Der fußfreie Rock ist sehr faltig. Ich kann ihn entweder rings mit einem Riemen schürzen, oder ich ziehe ihn an der Stelle empor, welche durch den An- und Abstieg freie Bewegung fordert.
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Mit dem Fahrrad-Hype um 1900 wurden Frauenbeine in Hosen dann auch öffentlichkeitstauglich. Die Knickerbocker-Trägerinnen riskierten dennoch, von aufgebrachten Passanten mit Matsch beworfen oder in Ausflugslokale nicht eingelassen zu werden.
TC 19:07 – Wer hat jetzt die Hosen an?
MUSIK
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1907 wollte die Sängerin Claire Waldoff in einem Berliner Kabarett kess in Herrenanzug und Zylinder auftreten, doch da griff die Obrigkeit ein. Sie durfte nur im Kleid auf die Bühne. Ein paar Jahre später später kreierten Pariser Modeschöpfer „Hosenkleider“. Wagemutige Damen flanierten damit durch europäische Metropolen und ernteten Hohn und Spott. In München allerdings blieb man gelassen.
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Die neuen Kostüme, die man bei der Parademusik vor der Residenz, des Nachmittags im Englischen Garten und des Abends im Hoftheater sah, fanden ein aufmerksames Interesse, das sich aber in schicklichen Formen kundgab.
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Im Ersten Weltkrieg übernahmen Frauen viele bisherige Männerjobs, aber nicht die männlichen Arbeitshosen. Wenn ein Rock ganz unbrauchbar war, wurden von der Männerkleidung verschiedene Modelle eingeführt. So bekamen Streckenläuferinnen bei der Eisenbahn und Arbeiterinnen in der Schwerindustrie des Ruhrgebiets Kniebundhosen. In den Zwanzigerjahren schnitten sich Frauen die Haare und die Röcke ab und Fliegerinnen in Hosen und Lederjacke waren die Idole junger Mädchen. Trotzdem hieß es auch in den Dreißigern kategorisch:
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Hosen? Nur im Heim, für den Strand und den Sport!
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Als Marlene Dietrich sich in einem Hosenanzug im Herrenschnitt sehen ließ, verbot ihr Filmstudio ihr das prompt, doch sie hatte schon eine neue Mode gestartet. In den USA brachte Levi’s „Lady Levi“ auf den Markt, die erste Jeans speziell für Frauen. In der Schweiz trat Nelly Diener, Europas erste Stewardess, ihren Dienst an. Ihre selbstkreierte Uniform bestand aus Sakko und Hosenrock. Erst vierzig Jahre später durften die ersten Flugbegleiterinnen wieder Hosen tragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Keilhose und die Capri-Hose erfunden. Als Audrey Hepburn in dem Film “Sabrina” eine schwarze Capri-Hose trug, prophezeite eine Zeitschrift:
MUSIK
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Mehr Frauen als je zuvor werden in diesem Sommer „die Hosen anhaben“, daran besteht kein Zweifel! Glücklicherweise nur im modischen Sinn.
ERZÄHLERIN
In den Sechzigern und Siebzigern waren Hosen aus der Mode für Frauen schon nicht mehr wegzudenken, von den jungen Jeansträgerinnen bis zur Pariser Haute Couture. In der Bundesrepublik kauften Frauen schon mehr Hosen als Röcke. Aber in Büros waren Hosen immer noch tabu, bei offiziellen Anlässen galten sie als unpassend, und Esther Ofarim war nicht die einzige Frau, die wegen ihrer Hose aus einem Restaurant oder Hotel verwiesen wurde. Heute sind Hosen für Frauen kein Thema mehr. Und Männer experimentieren mit Röcken, wenn auch nur eine winzige Minderheit.
TC 22:00 – Outro
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