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HITLER IN LANDSBERG - Festungshaft nach Skandalprozess

22:24
 
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Nur 13 Monate dauerte Hitlers Haft in Landsberg nach dem Putschversuch vom November 1923. Dank einer Justiz, die den gescheiterten Putschisten und Hochverräter auffällig schont und einer Gefängnisleitung, die mit Hitler sympathisiert, kann Hitler seine Position als selbsternannter Führer der rechtsextremen Kräfte festigen. Während der Haft genießt er Privilegien und beginnt damit, den ersten Teil seines Buches "Mein Kampf" zu schreiben. Von Thies Marsen (BR 2015)

Credits
Autor: Thies Marsen
Regie: Axel Wostry
Es sprachen: Katja Amberger, Werner Härtler, Axel Wostry
Technik: Siglinde Hermann
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Peter Fleischmann, Manfred Deiler, Erich Kuby
Gesprächspartner:
Prof. Dr. Peter Fleischmann
Lehrstuhl für Bayerische und Fränkische Landesgeschichte
https://www.geschichte.phil.fau.de/person/fleischmann-peter/#sprungmarke2
Manfred Deiler
Hier ein Nachruf auf den im November 2023 Verstorbenen:
https://www.kz-gedenkstaette-dachau.de/nachrichten/manfred-deiler-1952-2023/
Linktipps:
ARD alpha (2023): Hitler vor Gericht
1924 fand vor dem Volksgericht München einer der folgenschwersten Prozesse der deutschen, ja der Weltgeschichte statt: der Hitler-Ludendorff-Prozess. Der Film in der ARD Mediathek zeichnet in aufwendigen Spielszenen den Prozessverlauf nach. JETZT ANSEHEN

Alles Geschichte (2023): Der Hitlerputsch – Anfang vom Ende der Demokratie
München, 9. November 1923. Vor der Münchner Feldherrnhalle scheitert Adolf Hitlers Putschversuch kläglich. Doch die Folgen sollten sich als drastisch erweisen - für Deutschland und die Welt. JETZT ANHÖREN

ZDF (2023): Hitlers Macht – Der Aufsteiger
"Der Aufsteiger" heißt die erste Folge der dreiteiligen ZDF-Dokumentation "Hitlers Macht", die das ZDF 90 Jahre nach Hitlers Regierungsübernahme am 30. Januar 1933 zeigt. Zum Film geht es HIER.

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Alles Geschichte
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 – Intro
TC 02:35 – Der Eindruck von Journalist Erich Kuby
TC 04:10 – Ein fragwürdiger Gerichtsprozess
TC 07:24 – Sonderrechte in der Festungshaft
TC 11:07 – Die braune Schaltzentrale der NSDAP
TC 14:31 – Vorzeitige Entlassung wegen „guter Führung“
TC 17:57 – Der Ruf von Landsberg
TC 22:02 - Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 – Intro

ERZÄHLERIN
Das Vergangene ist vergangen, was geschehen ist, ist geschehen. Für Historiker ist die Frage, ‚Was wäre, wenn?‘ deshalb meist müßig. Doch genau diese Frage drängt sich selten so auf wie im Fall des Hitlerputsches von 1923 und dessen Folgen.

ERZÄHLER
Was wäre geschehen, wenn die bayerische Justiz damals nach Recht und Gesetz gehandelt hätte? Wenn Hitler eine angemessene Strafe erhalten hätte? Wenn man ihn daran gehindert hätte, von seiner Zelle aus die nationalsozialistische Bewegung neu aufzubauen? Was wäre der Menschheit dann eventuell alles erspart geblieben?

ATMO Schuss

ERZÄHLERIN
Mit einem Pistolenschuss beginnt es. Abgefeuert am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller. Gustav Ritter von Kahr, seit wenigen Wochen Generalkommissar für den Freistaat Bayern, will vor dem überfüllten Saal sein Regierungsprogramm vorstellen, als ein bewaffneter Stoßtrupp hereinstürmt, angeführt von einem gescheiterten Kunstmaler, Kriegsveteranen und Reichswehrspitzel: Adolf Hitler. Er schießt mit seiner Pistole in die Decke und erklärt die Reichsregierung für abgesetzt. Am nächsten Morgen stürmen Putschisten die Sitzung des Münchner Stadtrats und nehmen Bürgermeister und Stadträte der SPD fest, sie verhaften jüdische Münchner, verwüsten die Redaktion der SPD-Zeitung und stehlen kistenweise Inflationsgeld – 14.605 Billionen Reichsmark. 2.000 bewaffnete Männer marschieren schließlich Richtung Feldherrnhalle. Doch sie werden von der Landespolizei gestoppt. Ein kurzes Feuergefecht, dann ist der Putsch niedergeschlagen.
ERZÄHLER
Die Bilanz: 20 Tote – vier Polizisten, 15 Putschisten und ein Passant. Die Liste der Verbrechen der Putschisten ist lang: Mord, Totschlag, Hochverrat, Landfriedensbruch, Geiselnahme, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Raub.

ERZÄHLERIN
Hitler flieht nach Uffing am Staffelsee, in die Villa seines Förderers Ernst Hanfstaengl. Zwei Tage später wird er dort aufgespürt. Die Polizisten treffen ihn im Schlafanzug an, den linken Arm in einer Binde, denn er hat sich im Tumult vor der Feldherrnhalle den Arm ausgekugelt.

TC 02:35 – Der Eindruck von Journalist Erich Kuby

ERZÄHLER
Überhaupt ist er in einem jämmerlichen Zustand, erinnert sich der inzwischen verstorbene Journalist Erich Kuby. Kuby ist 13 Jahre alt, als er Hitler zum ersten Mal erlebt. Kurz vor dem Putsch nimmt ihn seine Tante mit in den Cirkus Krone, wo Hitler seit 1921 regelmäßig auftritt und die Massen begeistert. Nun, nach dem gescheiterten Aufstand, begegnet Kuby Hitler zum zweiten Mal, diesmal in Weilheim. Denn der Gefangenentransport mit Hitler macht im dortigen Bezirksamt kurz Station, wo ein Schutzhaftbefehl ausgestellt wird.

O-Ton Erich Kuby
Der Bezirksamtmann hieß Feigel, und nomen est omen, der wollte mit diesem berühmten Herrn Hitler nicht allein sein und hat zu meinen Vater, der ein angesehener Deutsch-Nationaler in diesem Dorf war, gesagt, kommen Sie doch. Und mein Vater sagte zu mir: Komm mit. Und da habe ich eben Hitler erlebt in einem Zimmer des Landratsamtes oder Bezirksamtes hieß man das damals. Der Hitler wurde ja verhaftet von einem Polizeioffizier oder so was Ähnliches, der sich übrigens merkwürdigerweise mit Hitler duzte. Aber ich habe mir doch den Hitler sehr angesehen, denn es war ja derselbe Mann, den ich im Cirkus Krone in der völligen Pracht seiner Reden gehört hatte, und davon war nichts mehr übrig. Er saß bleich und der Hitler wurde dann nach Landsberg in die Festung da gebracht.
TC 04:10 – Ein fragwürdiger Gerichtsprozess

ERZÄHLERIN
Am 11. November 1923 um halb elf Uhr nachts wird Hitler in die Haftanstalt Landsberg eingeliefert, zunächst als sogenannter Schutzhäftling, erst zwei Tage später wird er offiziell in Untersuchungshaft genommen.

ERZÄHLER
Hitler rechnet fest mit seiner Abschiebung nach Österreich oder gar der Hinrichtung, dem Amtsarzt erklärt er, dass er sich am liebsten erschießen würde. Doch er wird schnell wieder aufgepäppelt, sagt der Historiker Peter Fleischmann, Verfasser einer Quellenedition zu Hitlers Haftzeit:

O-Ton Peter Fleischmann
Es hat ihn der Amtsarzt damals untersucht unmittelbar nach der Einlieferung. Hitler, der war 1,75 groß und hatte ein Gewicht von 72 Kilo glaube ich. Und er hat dann in den nächsten Tagen das Essen verweigert, also er war psychisch völlig demoralisiert, und erst Dietrich Eckart, sein Vertrauter, sein Mentor, und Anton Drexler scheinen ihn dann bewegt zu haben, also jetzt werd‘ wieder vernünftig und esse was. Und am Ende der Haftzeit, also ein Jahr später, kommt er fast gemästet wieder raus. Da wiegt er 78 Kilo.

ERZÄHLERIN
Der junge Staatsanwalt Hans Ehard, nach 1945 erster frei gewählter bayerischer Ministerpräsident, übernimmt die Ermittlungen gegen die Putschisten. Er vernimmt Hitler am 13. Dezember 1923 in seiner Zelle:

ZITATOR
Er war nicht dazu zu bringen, auf eine klare unzweideutige Frage eine klare, einfache und kurze Antwort zu geben. Mit großer Zähigkeit hält er endlose politische Vorträge.

ERZÄHLERIN
Zwei Monate später, am 26. Februar 1924, beginnt der Prozess gegen den „ledigen Schriftsteller Adolf Hitler“ – vor dem Volksgerichtshof in München, obwohl für einen Hochverräter eigentlich der Leipziger Reichsgerichtshof zuständig wäre. Doch Bayern will Hitler nicht ausliefern und die Reichsregierung scheut einen offenen Konflikt.

ERZÄHLER
Das Verfahren ist eine Farce. Richter Georg Neithardt sympathisiert offen mit den Verschwörern, er lässt den stundenlangen Monologen Hitlers freien Lauf. Bei den Beratungen des Gerichts ist stets ein Vertreter des Justizministeriums anwesend, der direkt Einfluss nimmt – zugunsten Hitlers.

ERZÄHLERIN
Am 1. April 1924 fällt das Urteil: fünf Jahre Festungshaft. Obwohl Hitler wegen Landfriedensbruch bereits vorbestraft ist und noch unter Bewährung steht, wird ihm schon bei der Urteilsverkündung eine Haftentlassung nach sechs Monaten in Aussicht gestellt. Das Gericht wertet als strafmildernd:

ZITATOR
...dass die Angeklagten bei ihrem Tun von rein vaterländischem Geiste und dem edelsten selbstlosen Willen geleitet waren.

ERZÄHLER
Die vier ermordeten Polizisten werden in dem Urteil gar nicht erwähnt, der schwerbewaffnete Marsch zur Feldherrnhalle wird als „unglücklich verlaufener Propagandazug“ bezeichnet, der Raub der Banknoten als „Beschlagnahmung“. Für den Münchner Rechtshistoriker Otto Gritschneder ist klar:

ZITATOR
Gegen die Richter des in vieler Hinsicht erstaunlich verfehlten Hochverrats-Urteils gegen Hitler vom 1. April 1924 muss der Vorwurf der Rechtsbeugung in aller Form erhoben werden.
TC 07:24 – Sonderrechte in der Festungshaft

ERZÄHLERIN
Hitler wird zurück nach Landsberg gebracht – nun als Festungshäftling:

O-Ton Peter Fleischmann
Festungshaft ist eine Art Ehrenhaft. Die Festungshäftlinge, die mussten mit Herr angesprochen werden, die hatten keinen Arbeitszwang, die durften mit Besteck und vom Teller essen, also nicht aus dem Blechnapf, die konnten sich selber zum Teil selber verköstigen. Sie konnten Besuch empfangen in größerem Umfang, sie konnten Korrespondenz schreiben, sie konnten lesen, mussten nicht arbeiten.

ERZÄHLERIN
Die Putschisten werden in einem eigenen Trakt untergebracht, Hitler erhält eine Einzelzelle. In der eigens eingerichteten Festungsstube, einem Gemeinschaftsraum für die Putschisten, wird eine große eingeschmuggelte Hakenkreuzfahne aufgehängt.

ERZÄHLER
Die Festungshäftlinge dürfen Alkohol trinken. Hitler, so lässt es sich anhand der Einkaufslisten nachvollziehen, konsumiert täglich ein bis zwei Flaschen Bier. Selten gehen die Putschisten nüchtern ins Bett. Bedient werden sie von anderen Gefangenen, erzählt der Lokalhistoriker Manfred Deiler von der Bürgervereinigung „Landsberg im 20. Jahrhundert“:

O-Ton Manfred Deiler
Die haben die Toiletten geputzt, die haben die Böden gewischt und die haben sie bedient. Das war eine Vorzugstätigkeit für einen Haftgefangenen, dass er die Putschisten bedienen durfte.

ERZÄHLERIN
Zur gleichen Zeit gibt es in Bayern übrigens auch linke Festungshäftlinge, wie die Schriftsteller Erich Mühsam und Ernst Toller, die 1919 an der Münchner Räterepublik beteiligt waren und deshalb nun im schwäbischen Niederschönenfeld einsitzen.

ERZÄHLER
Sie werden regelrecht terrorisiert mit Bett- und Hofentzug, der Verweigerung ärztlicher Betreuung, mit Zensur und Schikane. Die braunen Putschisten dagegen werden vom Landsberger Gefängnisdirektor Otto Leybold geradezu gehätschelt, so der Historiker Peter Fleischmann:

O-Ton Peter Fleischmann
Das kann man nachweisen anhand der Besuchszeiten. Hitler hätte maximal sechs Stunden pro Woche Besuch empfangen dürfen. De facto hat er bis zu zehn, elf Stunden pro Woche Hof gehalten oder Hof halten dürfen. Und das hat Leybold gegenüber der Staatsanwaltschaft verborgen. Es gibt ja die Listen der Besucher Hitlers, circa 350 Personen, die wurden an die Staatsanwaltschaft München mitgeteilt. Was aber nicht mitgeteilt wurde: Dass die Besuchszeiten unverhältnismäßig ausgeweitet worden sind. Also normalerweise musste immer ein Wachtmeister mit anwesend sein, wenn Hitler Besuch empfangen hat. Es sind aber in sehr großem Umfang auch oft – Besprechungen haben stattgefunden, da heißt es dann: ohne Aufsicht. Also man war unter sich und hat dann zwei, drei, vier Stunden lang konferiert.

ERZÄHLERIN
Besonders groß ist der Andrang am 20. April 1924, Hitlers 35. Geburtstag. 21 Gratulanten verzeichnet das Besucherbuch allein an diesem Tag. Unter den Hitler-Verehrern sind viele Frauen:

O-Ton Peter Fleischmann
Auffällig immer zum Monatsanfang: Hermine Hoffmann, das berühmte Hitlermuttel, eine Studiendirektorenwitwe aus München, die ihm meines Erachtens immer Geld gebracht hat. Sie hat Hitler unter ihre Fittiche genommen, Manieren beigebracht, wie man in der Gesellschaft sich bewegt usw., also die kam sehr häufig. Dann junge Frauen auch – das ist eine einfache Korrespondentin aus Nürnberg und die schreibt: Sie hat Hitler mal im Circus Krone reden hören, die war dann entbrannt förmlich und diente sich ihm als Sekretärin an. Aber Hitler hat sie dann nach fünf Minuten wieder weggeschickt, wie so manche Verehrerinnen, mit denen er bloß kurz sprechen wollte.
TC 11:07 – Die braune Schaltzentrale der NSDAP

ERZÄHLERIN
Denn Hitler hat andere Prioritäten. Er versucht aus dem Gefängnis heraus weiter die Fäden zu ziehen – insbesondere vor den Reichstagswahlen im Mai 1924. Die NSDAP ist seit dem Putschversuch verboten, doch die Nationalsozialisten verbünden sich mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei. Hitler nimmt von seiner Zelle aus direkt Einfluss auf die Kandidatenliste.

ERZÄHLER
Die NSDAP-Tarnliste schafft es auf immerhin 6,5 Prozent, zahlreiche Nationalsozialisten, wie der spätere Innenminister Wilhelm Frick oder SA-Führer Ernst Röhm werden in den Reichstag gewählt – sogar einer der Landsberger Häftlinge: der Offizier Hermann Kriebel, auch wenn der sein Mandat nicht antreten kann.

O-Ton Manfred Deiler
Sie haben das Ganze in eine Art braune Schaltzentrale umgestaltet, wenn man das Besucherbuch sieht, so stellt man fest, das ist ein „Who is Who“ der späteren Größen des Nationalsozialismus. Da müsste man mal kurz einmal das Besucherbuch vielleicht zitieren und die Liste mal rausnehmen: Zum Beispiel gleich einmal am 12. April 1924 fällt mir also in die Augen General Ludendorff, Streicher, das ist der Julius Streicher, der Röhm, Dr. Kraus, praktischer Arzt, Landsberg – das war der erste Bürgermeister nach der Machtübernahme Hitlers. Und die haben sich alle dort schon 1924 mit Hitler getroffen.

ERZÄHLERIN
Trotzdem werden die Nazis die Festungshaft später als Martyrium verklären – so etwa Hitlers Mithäftling Julius Schaub 1933:

ZITATOR
Von Zeit zu Zeit wurde die Eintönigkeit unterbrochen durch das Laden der Gewehre beim Ablösen der Wache oder durch das Klappern der Schlüssel, wenn der Aufseher seine Runde macht. Und in dieser Welteinsamkeit, abgeschlossen von der übrigen Menschheit, nur umgeben von seinen getreuen Mitkämpfern und Mitgefangenen, schuf der Führer sein großes Werk „Mein Kampf“.
ERZÄHLERIN
Wie genau in Landsberg der erste Teil von „Mein Kampf“ entstand, ist unklar. Sicher ist: Hitler hat regelmäßig Vorträge im Gefängnis gehalten.

O-Ton Manfred Deiler
Es gibt ein Foto vom Besucherraum, da steht eine Tafel, heute würde man Flipchart sagen. Also es haben tatsächlich Diskussionen oder auch Monologe von Adolf Hitler stattgefunden. Es gibt ja auch Theorien, dass die Erstfassung von „Mein Kampf“ eine Aneinanderreihung von Reden ist, also dass es tatsächlich Reden sind, die Adolf Hitler gehalten hat im Gefängnis und die von anderen mitgeschrieben wurden.

ERZÄHLER
Die Gefängnisleitung muss gewusst haben, was im Festungstrakt vor sich geht, sagt Manfred Deiler von der Bürgervereinigung „Landsberg im 20. Jahrhundert“. Trotzdem lassen die Wachmannschaften Hitler und seine Leute gewähren:

O-Ton Manfred Deiler
Sie haben z. B. auch den Auftrag gehabt, die Papierkörbe zu sichten, weil sie wussten, es wird geschrieben, aber dann, nach Sichtung, das Material aus den Papierkörben zu verbrennen. D. h. also, es war allen Beteiligten klar, dass dort etwas entsteht, was das nationalsozialistische zukünftige Parteiprogramm wird. Meine Frage ist: Wie kann es sein, wenn eine Gefängnisleitung weiß, dass solche Schriften entstehen, dass das an der Zensur vorbei kann.

ERZÄHLER
Wie ungehindert die Putschisten vom Gefängnis aus mit der Außenwelt kommunizieren, wird im September 1924 offenbar – kurz bevor Hitler vorzeitig entlassen werden soll.
TC 14:31 – Vorzeitige Entlassung wegen „guter Führung“

O-Ton Peter Fleischmann
Dann passiert diese Kassiberaffäre: Der Sohn eines Mithäftlings, Kriebel, der war bei seinem Vater in Landsberg in Besuch Ende September, und nimmt einige Briefe an sich, acht Stück, von Kriebel, Weber und einen von Hitler und kommt in München in eine Polizeikontrolle. Dann entdeckt man bei dem jungen Mann Briefe, die aus Landsberg von den Putschisten, von den Festungshäftlingen stammen und die offensichtlich nicht der sehr weitmaschigen Zensur unterworfen waren. Und die Staatsanwaltschaft, der hat man es letztlich zu verdanken, dass sie sofort Veto eingelegt haben, dass Hitler zum Ende September, Anfang Oktober, wie vorgesehen, aus der Festungshaft frühzeitig entlassen wird.

ERZÄHLERIN
Die Haftentlassung wird allerdings nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Hitler hat offensichtlich mächtige Gönner im bayerischen Justizministerium. Auch Gefängnisdirektor Leybold bescheinigt ihm „gute Führung“. Von seiner Zelle aus schmiedet Hitler detaillierte Zukunftspläne:

O-Ton Peter Fleischmann
Das ist dieser berühmte Brief an Werlin, Mercedesvertreter in München in der Schellingstraße. Da schreibt dann Hitler Ende September, ja also er interessiert sich für diesen Mercedes 11-40, aber es gibt noch einen anderen, einen größeren, der ist stärker motorisiert, der hat aber 300 Umdrehungen mehr, ist das nicht schädlich für den Motor? Und Werlin soll sich in Mannheim erkundigen, ob es den noch gibt, den 11-40er, er möchte aber graue Speichenräder haben. Ja, da schlägt wieder der Größenwahn Hitlers durch. Er schreibt auch, er hat zur Zeit kein Einkommen, aber er wird bald etwas veröffentlichen und da wird er dann liquide sein und wird auch dieses Auto bezahlen können. Wobei man sich vor Augen halten muss: Der Wert eines großen Wagens in dieser Zeit entsprach dem Wert eines Einfamilienhauses.

ERZÄHLERIN
Am 20. Dezember 1924 um 12 Uhr 15 wird Hitler entlassen – genau 3 Jahre, 333 Tage, 21 Stunden und 50 Minuten vor dem eigentlichen Strafende. Im Benz verlässt er die Stadt – am Landsberger Bayertor posiert er noch für ein Abschiedsfoto.

ERZÄHLER
Bei seiner Ankunft in Landsberg im November 1923 war Hitler ein Häuflein Elend, bei seiner Entlassung im Dezember 1924 strotzt er wieder vor Selbstvertrauen. Acht Jahre später, im Januar 1933, wird er die Macht in Deutschland übernehmen, auf legalem Wege.

O-Ton Peter Fleischmann
Hitler ist bis 1924 ein Stück, ein Teil der bayerischen Geschichte, aber ab dem 20. Dezember ‘24, der Haftentlassung, der frühzeitigen Entlassung in die Freiheit und der Wiedergewinnung seiner politischen Möglichkeiten, wird Hitler zu einer Person letztlich der deutschen Geschichte. Hier ist er gefördert worden und hier hat man ihn mit Samthandschuhen angefasst.

ERZÄHLER
Das sieht Hitler übrigens genauso.

O-Ton Adolf Hitler
Und so ist denn der größte Zusammenbruch in der Geschichte der Partei eigentlich der Beginn des größten Aufbruchs geworden.

MUSIK: 71217190 102 (00‘20‘‘)
TC 17:57 – Der Ruf von Landsberg

ERZÄHLERIN
Knapp zehn Jahre nach seiner Haftentlassung kehrt Hitler nach Landsberg zurück. Der einstige Häftling ist nun Reichskanzler.

O-Ton Manfred Deiler
Hitler kam 1934 am 8. Oktober (MUSIK ENDE) das erste Mal unangemeldet zu der Festungszelle mit ehemaligen Mitgefangenen und hat die nochmal angeschaut. Er ist anschließend in die Innenstadt gefahren, hat dieses Café Deible besucht. Und der Landsberger Stadtrat hat das mitbekommen natürlich, hat dann versucht, schnell aus Schuljugendlichen ein Spalier mit Fähnchen am Straßenrand zu bilden und wollte zum Café Deible, um dort die Ehrenbürgerurkunde zu übergeben, aber Hitler war schon weg.

ERZÄHLER
Schon bald entdeckt man in Landsberg das touristische Potential von Hitlers Festungshaft. Seine einstige Zelle wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, mit täglichen Öffnungszeiten, erzählt Lokalhistoriker Manfred Deiler:

O-Ton Manfred Deiler
Man hat dann speziell mit „Kraft durch Freude“, ich sag jetzt einmal ganz locker: dem Reiseunternehmen der NSDAP, schon ‘34/‘35 Besuchergruppen mit Sonderzügen mit 2.000 Personen, die Besucher für die Hitlerzelle gebracht haben. Und es ist damals dann Landsberg der Slogan gewesen: die Stadt des Führers, Landsberg – der Geburtsort der Ideen des Nationalsozialismus‘, Landsberg – die Hitlerstadt. Also in dieser Form war das Marketingkonzept.

ERZÄHLER
Auch die Reichsleitung des NSDAP und insbesondere Reichsjugendführer Baldur von Schirach erkennen den Propagandawert der Hitlerzelle – sie wollen Landsberg zum Wallfahrtsort der Hitler-Jugend machen.

O-Ton Manfred Deiler
Man hat beschlossen, 1937 das erste Mal im Abschluss an die Kundgebung am Reichsparteitag in Nürnberg, die Leute mit einem Sternmarsch über München nach Landsberg zu bringen, also Leute ist gemeint: Die Abordnungen der deutschen Jugend.

ATMO Marschgeräusche

O-Ton Reporter
Das Erlebnis des Reichsparteitages in einem übervollen Herzen geht es nun zur letzten Station des langen Marsches, nach Landsberg, der Festung in der Adolf Hitler gefangen war.

ATMO Glockenläuten

O-Ton Manfred Deiler
Dort sind sie dann im Gefängnishof empfangen worden vor der Führerzelle und dort hat ihr dann Baldur von Schirach stellvertretend für die Abordnungen zu Hause das Buch „Mein Kampf“ ausgehändigt.

ATMO Fanfaren

O-Ton Manfred Deiler
Es gab dann damals 1937 erstmals eine Abschlusskundgebung am Hauptplatz in Landsberg, mit Fackeln und Fahnen und da hat Baldur von Schirach dann geprägt: Landsberg ist nun die Stadt der deutschen Jugend, und ab dem Zeitpunkt sollte das regelmäßig jedes Jahr wiederholt werden.Der bayerische Justizminister wollte die gesamte Haftanstalt Landsberg dem Führer als Geschenk machen, da sollte die größte Jugendherberge Deutschlands draus werden. Es gab eine zweite Idee, es sollte ein Aufmarschstadion entstehen, das Stadion der Jugend. Es existiert ein Modell. Da wäre vom Bahnhof weg eine große Aufmarschallee entstanden. Man kann sich das Vorstellen dieses Modell ähnlich wie das Reichsparteitags-Gelände in Nürnberg.

ERZÄHLERIN
Der Zweite Weltkrieg lässt alle Planungen zur Makulatur werden. Nach dem Krieg übernimmt die US-Army für einige Jahre das Gefängnis. Der Trakt mit der Hitlerzelle wird abgerissen, nie mehr soll hier eine Pilgerstätte entstehen. Stattdessen inhaftieren die Amerikaner in Landsberg über 1.500 NS-Kriegsverbrecher. Fast 300 von ihnen werden dort hingerichtet – darunter Massenmörder wie KZ-Kommandanten oder Einsatzgruppenführer.

ERZÄHLER
An dem Ort, an dem Hitler seine verbrecherische Ideologie entwickelte und ungehindert zu Papier bringen konnte, werden nun diejenigen gerichtet, die diese Ideen in die Tat umgesetzt, die schrecklichste Menschheitsverbrechen verübt haben – Verbrechen, die es vielleicht nie gegeben hätte, wenn... ja, wenn die bayerische Justiz als es drauf ankam nach Recht und Gesetz gehandelt hätte.
TC 22:02 - Outro

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Autor: Thies Marsen
Regie: Axel Wostry
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Technik: Siglinde Hermann
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Im Interview: Dr. Peter Fleischmann, Manfred Deiler, Erich Kuby
Gesprächspartner:
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Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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Das Vergangene ist vergangen, was geschehen ist, ist geschehen. Für Historiker ist die Frage, ‚Was wäre, wenn?‘ deshalb meist müßig. Doch genau diese Frage drängt sich selten so auf wie im Fall des Hitlerputsches von 1923 und dessen Folgen.

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Was wäre geschehen, wenn die bayerische Justiz damals nach Recht und Gesetz gehandelt hätte? Wenn Hitler eine angemessene Strafe erhalten hätte? Wenn man ihn daran gehindert hätte, von seiner Zelle aus die nationalsozialistische Bewegung neu aufzubauen? Was wäre der Menschheit dann eventuell alles erspart geblieben?

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Mit einem Pistolenschuss beginnt es. Abgefeuert am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller. Gustav Ritter von Kahr, seit wenigen Wochen Generalkommissar für den Freistaat Bayern, will vor dem überfüllten Saal sein Regierungsprogramm vorstellen, als ein bewaffneter Stoßtrupp hereinstürmt, angeführt von einem gescheiterten Kunstmaler, Kriegsveteranen und Reichswehrspitzel: Adolf Hitler. Er schießt mit seiner Pistole in die Decke und erklärt die Reichsregierung für abgesetzt. Am nächsten Morgen stürmen Putschisten die Sitzung des Münchner Stadtrats und nehmen Bürgermeister und Stadträte der SPD fest, sie verhaften jüdische Münchner, verwüsten die Redaktion der SPD-Zeitung und stehlen kistenweise Inflationsgeld – 14.605 Billionen Reichsmark. 2.000 bewaffnete Männer marschieren schließlich Richtung Feldherrnhalle. Doch sie werden von der Landespolizei gestoppt. Ein kurzes Feuergefecht, dann ist der Putsch niedergeschlagen.
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Die Bilanz: 20 Tote – vier Polizisten, 15 Putschisten und ein Passant. Die Liste der Verbrechen der Putschisten ist lang: Mord, Totschlag, Hochverrat, Landfriedensbruch, Geiselnahme, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Raub.

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Hitler flieht nach Uffing am Staffelsee, in die Villa seines Förderers Ernst Hanfstaengl. Zwei Tage später wird er dort aufgespürt. Die Polizisten treffen ihn im Schlafanzug an, den linken Arm in einer Binde, denn er hat sich im Tumult vor der Feldherrnhalle den Arm ausgekugelt.

TC 02:35 – Der Eindruck von Journalist Erich Kuby

ERZÄHLER
Überhaupt ist er in einem jämmerlichen Zustand, erinnert sich der inzwischen verstorbene Journalist Erich Kuby. Kuby ist 13 Jahre alt, als er Hitler zum ersten Mal erlebt. Kurz vor dem Putsch nimmt ihn seine Tante mit in den Cirkus Krone, wo Hitler seit 1921 regelmäßig auftritt und die Massen begeistert. Nun, nach dem gescheiterten Aufstand, begegnet Kuby Hitler zum zweiten Mal, diesmal in Weilheim. Denn der Gefangenentransport mit Hitler macht im dortigen Bezirksamt kurz Station, wo ein Schutzhaftbefehl ausgestellt wird.

O-Ton Erich Kuby
Der Bezirksamtmann hieß Feigel, und nomen est omen, der wollte mit diesem berühmten Herrn Hitler nicht allein sein und hat zu meinen Vater, der ein angesehener Deutsch-Nationaler in diesem Dorf war, gesagt, kommen Sie doch. Und mein Vater sagte zu mir: Komm mit. Und da habe ich eben Hitler erlebt in einem Zimmer des Landratsamtes oder Bezirksamtes hieß man das damals. Der Hitler wurde ja verhaftet von einem Polizeioffizier oder so was Ähnliches, der sich übrigens merkwürdigerweise mit Hitler duzte. Aber ich habe mir doch den Hitler sehr angesehen, denn es war ja derselbe Mann, den ich im Cirkus Krone in der völligen Pracht seiner Reden gehört hatte, und davon war nichts mehr übrig. Er saß bleich und der Hitler wurde dann nach Landsberg in die Festung da gebracht.
TC 04:10 – Ein fragwürdiger Gerichtsprozess

ERZÄHLERIN
Am 11. November 1923 um halb elf Uhr nachts wird Hitler in die Haftanstalt Landsberg eingeliefert, zunächst als sogenannter Schutzhäftling, erst zwei Tage später wird er offiziell in Untersuchungshaft genommen.

ERZÄHLER
Hitler rechnet fest mit seiner Abschiebung nach Österreich oder gar der Hinrichtung, dem Amtsarzt erklärt er, dass er sich am liebsten erschießen würde. Doch er wird schnell wieder aufgepäppelt, sagt der Historiker Peter Fleischmann, Verfasser einer Quellenedition zu Hitlers Haftzeit:

O-Ton Peter Fleischmann
Es hat ihn der Amtsarzt damals untersucht unmittelbar nach der Einlieferung. Hitler, der war 1,75 groß und hatte ein Gewicht von 72 Kilo glaube ich. Und er hat dann in den nächsten Tagen das Essen verweigert, also er war psychisch völlig demoralisiert, und erst Dietrich Eckart, sein Vertrauter, sein Mentor, und Anton Drexler scheinen ihn dann bewegt zu haben, also jetzt werd‘ wieder vernünftig und esse was. Und am Ende der Haftzeit, also ein Jahr später, kommt er fast gemästet wieder raus. Da wiegt er 78 Kilo.

ERZÄHLERIN
Der junge Staatsanwalt Hans Ehard, nach 1945 erster frei gewählter bayerischer Ministerpräsident, übernimmt die Ermittlungen gegen die Putschisten. Er vernimmt Hitler am 13. Dezember 1923 in seiner Zelle:

ZITATOR
Er war nicht dazu zu bringen, auf eine klare unzweideutige Frage eine klare, einfache und kurze Antwort zu geben. Mit großer Zähigkeit hält er endlose politische Vorträge.

ERZÄHLERIN
Zwei Monate später, am 26. Februar 1924, beginnt der Prozess gegen den „ledigen Schriftsteller Adolf Hitler“ – vor dem Volksgerichtshof in München, obwohl für einen Hochverräter eigentlich der Leipziger Reichsgerichtshof zuständig wäre. Doch Bayern will Hitler nicht ausliefern und die Reichsregierung scheut einen offenen Konflikt.

ERZÄHLER
Das Verfahren ist eine Farce. Richter Georg Neithardt sympathisiert offen mit den Verschwörern, er lässt den stundenlangen Monologen Hitlers freien Lauf. Bei den Beratungen des Gerichts ist stets ein Vertreter des Justizministeriums anwesend, der direkt Einfluss nimmt – zugunsten Hitlers.

ERZÄHLERIN
Am 1. April 1924 fällt das Urteil: fünf Jahre Festungshaft. Obwohl Hitler wegen Landfriedensbruch bereits vorbestraft ist und noch unter Bewährung steht, wird ihm schon bei der Urteilsverkündung eine Haftentlassung nach sechs Monaten in Aussicht gestellt. Das Gericht wertet als strafmildernd:

ZITATOR
...dass die Angeklagten bei ihrem Tun von rein vaterländischem Geiste und dem edelsten selbstlosen Willen geleitet waren.

ERZÄHLER
Die vier ermordeten Polizisten werden in dem Urteil gar nicht erwähnt, der schwerbewaffnete Marsch zur Feldherrnhalle wird als „unglücklich verlaufener Propagandazug“ bezeichnet, der Raub der Banknoten als „Beschlagnahmung“. Für den Münchner Rechtshistoriker Otto Gritschneder ist klar:

ZITATOR
Gegen die Richter des in vieler Hinsicht erstaunlich verfehlten Hochverrats-Urteils gegen Hitler vom 1. April 1924 muss der Vorwurf der Rechtsbeugung in aller Form erhoben werden.
TC 07:24 – Sonderrechte in der Festungshaft

ERZÄHLERIN
Hitler wird zurück nach Landsberg gebracht – nun als Festungshäftling:

O-Ton Peter Fleischmann
Festungshaft ist eine Art Ehrenhaft. Die Festungshäftlinge, die mussten mit Herr angesprochen werden, die hatten keinen Arbeitszwang, die durften mit Besteck und vom Teller essen, also nicht aus dem Blechnapf, die konnten sich selber zum Teil selber verköstigen. Sie konnten Besuch empfangen in größerem Umfang, sie konnten Korrespondenz schreiben, sie konnten lesen, mussten nicht arbeiten.

ERZÄHLERIN
Die Putschisten werden in einem eigenen Trakt untergebracht, Hitler erhält eine Einzelzelle. In der eigens eingerichteten Festungsstube, einem Gemeinschaftsraum für die Putschisten, wird eine große eingeschmuggelte Hakenkreuzfahne aufgehängt.

ERZÄHLER
Die Festungshäftlinge dürfen Alkohol trinken. Hitler, so lässt es sich anhand der Einkaufslisten nachvollziehen, konsumiert täglich ein bis zwei Flaschen Bier. Selten gehen die Putschisten nüchtern ins Bett. Bedient werden sie von anderen Gefangenen, erzählt der Lokalhistoriker Manfred Deiler von der Bürgervereinigung „Landsberg im 20. Jahrhundert“:

O-Ton Manfred Deiler
Die haben die Toiletten geputzt, die haben die Böden gewischt und die haben sie bedient. Das war eine Vorzugstätigkeit für einen Haftgefangenen, dass er die Putschisten bedienen durfte.

ERZÄHLERIN
Zur gleichen Zeit gibt es in Bayern übrigens auch linke Festungshäftlinge, wie die Schriftsteller Erich Mühsam und Ernst Toller, die 1919 an der Münchner Räterepublik beteiligt waren und deshalb nun im schwäbischen Niederschönenfeld einsitzen.

ERZÄHLER
Sie werden regelrecht terrorisiert mit Bett- und Hofentzug, der Verweigerung ärztlicher Betreuung, mit Zensur und Schikane. Die braunen Putschisten dagegen werden vom Landsberger Gefängnisdirektor Otto Leybold geradezu gehätschelt, so der Historiker Peter Fleischmann:

O-Ton Peter Fleischmann
Das kann man nachweisen anhand der Besuchszeiten. Hitler hätte maximal sechs Stunden pro Woche Besuch empfangen dürfen. De facto hat er bis zu zehn, elf Stunden pro Woche Hof gehalten oder Hof halten dürfen. Und das hat Leybold gegenüber der Staatsanwaltschaft verborgen. Es gibt ja die Listen der Besucher Hitlers, circa 350 Personen, die wurden an die Staatsanwaltschaft München mitgeteilt. Was aber nicht mitgeteilt wurde: Dass die Besuchszeiten unverhältnismäßig ausgeweitet worden sind. Also normalerweise musste immer ein Wachtmeister mit anwesend sein, wenn Hitler Besuch empfangen hat. Es sind aber in sehr großem Umfang auch oft – Besprechungen haben stattgefunden, da heißt es dann: ohne Aufsicht. Also man war unter sich und hat dann zwei, drei, vier Stunden lang konferiert.

ERZÄHLERIN
Besonders groß ist der Andrang am 20. April 1924, Hitlers 35. Geburtstag. 21 Gratulanten verzeichnet das Besucherbuch allein an diesem Tag. Unter den Hitler-Verehrern sind viele Frauen:

O-Ton Peter Fleischmann
Auffällig immer zum Monatsanfang: Hermine Hoffmann, das berühmte Hitlermuttel, eine Studiendirektorenwitwe aus München, die ihm meines Erachtens immer Geld gebracht hat. Sie hat Hitler unter ihre Fittiche genommen, Manieren beigebracht, wie man in der Gesellschaft sich bewegt usw., also die kam sehr häufig. Dann junge Frauen auch – das ist eine einfache Korrespondentin aus Nürnberg und die schreibt: Sie hat Hitler mal im Circus Krone reden hören, die war dann entbrannt förmlich und diente sich ihm als Sekretärin an. Aber Hitler hat sie dann nach fünf Minuten wieder weggeschickt, wie so manche Verehrerinnen, mit denen er bloß kurz sprechen wollte.
TC 11:07 – Die braune Schaltzentrale der NSDAP

ERZÄHLERIN
Denn Hitler hat andere Prioritäten. Er versucht aus dem Gefängnis heraus weiter die Fäden zu ziehen – insbesondere vor den Reichstagswahlen im Mai 1924. Die NSDAP ist seit dem Putschversuch verboten, doch die Nationalsozialisten verbünden sich mit der Deutschvölkischen Freiheitspartei. Hitler nimmt von seiner Zelle aus direkt Einfluss auf die Kandidatenliste.

ERZÄHLER
Die NSDAP-Tarnliste schafft es auf immerhin 6,5 Prozent, zahlreiche Nationalsozialisten, wie der spätere Innenminister Wilhelm Frick oder SA-Führer Ernst Röhm werden in den Reichstag gewählt – sogar einer der Landsberger Häftlinge: der Offizier Hermann Kriebel, auch wenn der sein Mandat nicht antreten kann.

O-Ton Manfred Deiler
Sie haben das Ganze in eine Art braune Schaltzentrale umgestaltet, wenn man das Besucherbuch sieht, so stellt man fest, das ist ein „Who is Who“ der späteren Größen des Nationalsozialismus. Da müsste man mal kurz einmal das Besucherbuch vielleicht zitieren und die Liste mal rausnehmen: Zum Beispiel gleich einmal am 12. April 1924 fällt mir also in die Augen General Ludendorff, Streicher, das ist der Julius Streicher, der Röhm, Dr. Kraus, praktischer Arzt, Landsberg – das war der erste Bürgermeister nach der Machtübernahme Hitlers. Und die haben sich alle dort schon 1924 mit Hitler getroffen.

ERZÄHLERIN
Trotzdem werden die Nazis die Festungshaft später als Martyrium verklären – so etwa Hitlers Mithäftling Julius Schaub 1933:

ZITATOR
Von Zeit zu Zeit wurde die Eintönigkeit unterbrochen durch das Laden der Gewehre beim Ablösen der Wache oder durch das Klappern der Schlüssel, wenn der Aufseher seine Runde macht. Und in dieser Welteinsamkeit, abgeschlossen von der übrigen Menschheit, nur umgeben von seinen getreuen Mitkämpfern und Mitgefangenen, schuf der Führer sein großes Werk „Mein Kampf“.
ERZÄHLERIN
Wie genau in Landsberg der erste Teil von „Mein Kampf“ entstand, ist unklar. Sicher ist: Hitler hat regelmäßig Vorträge im Gefängnis gehalten.

O-Ton Manfred Deiler
Es gibt ein Foto vom Besucherraum, da steht eine Tafel, heute würde man Flipchart sagen. Also es haben tatsächlich Diskussionen oder auch Monologe von Adolf Hitler stattgefunden. Es gibt ja auch Theorien, dass die Erstfassung von „Mein Kampf“ eine Aneinanderreihung von Reden ist, also dass es tatsächlich Reden sind, die Adolf Hitler gehalten hat im Gefängnis und die von anderen mitgeschrieben wurden.

ERZÄHLER
Die Gefängnisleitung muss gewusst haben, was im Festungstrakt vor sich geht, sagt Manfred Deiler von der Bürgervereinigung „Landsberg im 20. Jahrhundert“. Trotzdem lassen die Wachmannschaften Hitler und seine Leute gewähren:

O-Ton Manfred Deiler
Sie haben z. B. auch den Auftrag gehabt, die Papierkörbe zu sichten, weil sie wussten, es wird geschrieben, aber dann, nach Sichtung, das Material aus den Papierkörben zu verbrennen. D. h. also, es war allen Beteiligten klar, dass dort etwas entsteht, was das nationalsozialistische zukünftige Parteiprogramm wird. Meine Frage ist: Wie kann es sein, wenn eine Gefängnisleitung weiß, dass solche Schriften entstehen, dass das an der Zensur vorbei kann.

ERZÄHLER
Wie ungehindert die Putschisten vom Gefängnis aus mit der Außenwelt kommunizieren, wird im September 1924 offenbar – kurz bevor Hitler vorzeitig entlassen werden soll.
TC 14:31 – Vorzeitige Entlassung wegen „guter Führung“

O-Ton Peter Fleischmann
Dann passiert diese Kassiberaffäre: Der Sohn eines Mithäftlings, Kriebel, der war bei seinem Vater in Landsberg in Besuch Ende September, und nimmt einige Briefe an sich, acht Stück, von Kriebel, Weber und einen von Hitler und kommt in München in eine Polizeikontrolle. Dann entdeckt man bei dem jungen Mann Briefe, die aus Landsberg von den Putschisten, von den Festungshäftlingen stammen und die offensichtlich nicht der sehr weitmaschigen Zensur unterworfen waren. Und die Staatsanwaltschaft, der hat man es letztlich zu verdanken, dass sie sofort Veto eingelegt haben, dass Hitler zum Ende September, Anfang Oktober, wie vorgesehen, aus der Festungshaft frühzeitig entlassen wird.

ERZÄHLERIN
Die Haftentlassung wird allerdings nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Hitler hat offensichtlich mächtige Gönner im bayerischen Justizministerium. Auch Gefängnisdirektor Leybold bescheinigt ihm „gute Führung“. Von seiner Zelle aus schmiedet Hitler detaillierte Zukunftspläne:

O-Ton Peter Fleischmann
Das ist dieser berühmte Brief an Werlin, Mercedesvertreter in München in der Schellingstraße. Da schreibt dann Hitler Ende September, ja also er interessiert sich für diesen Mercedes 11-40, aber es gibt noch einen anderen, einen größeren, der ist stärker motorisiert, der hat aber 300 Umdrehungen mehr, ist das nicht schädlich für den Motor? Und Werlin soll sich in Mannheim erkundigen, ob es den noch gibt, den 11-40er, er möchte aber graue Speichenräder haben. Ja, da schlägt wieder der Größenwahn Hitlers durch. Er schreibt auch, er hat zur Zeit kein Einkommen, aber er wird bald etwas veröffentlichen und da wird er dann liquide sein und wird auch dieses Auto bezahlen können. Wobei man sich vor Augen halten muss: Der Wert eines großen Wagens in dieser Zeit entsprach dem Wert eines Einfamilienhauses.

ERZÄHLERIN
Am 20. Dezember 1924 um 12 Uhr 15 wird Hitler entlassen – genau 3 Jahre, 333 Tage, 21 Stunden und 50 Minuten vor dem eigentlichen Strafende. Im Benz verlässt er die Stadt – am Landsberger Bayertor posiert er noch für ein Abschiedsfoto.

ERZÄHLER
Bei seiner Ankunft in Landsberg im November 1923 war Hitler ein Häuflein Elend, bei seiner Entlassung im Dezember 1924 strotzt er wieder vor Selbstvertrauen. Acht Jahre später, im Januar 1933, wird er die Macht in Deutschland übernehmen, auf legalem Wege.

O-Ton Peter Fleischmann
Hitler ist bis 1924 ein Stück, ein Teil der bayerischen Geschichte, aber ab dem 20. Dezember ‘24, der Haftentlassung, der frühzeitigen Entlassung in die Freiheit und der Wiedergewinnung seiner politischen Möglichkeiten, wird Hitler zu einer Person letztlich der deutschen Geschichte. Hier ist er gefördert worden und hier hat man ihn mit Samthandschuhen angefasst.

ERZÄHLER
Das sieht Hitler übrigens genauso.

O-Ton Adolf Hitler
Und so ist denn der größte Zusammenbruch in der Geschichte der Partei eigentlich der Beginn des größten Aufbruchs geworden.

MUSIK: 71217190 102 (00‘20‘‘)
TC 17:57 – Der Ruf von Landsberg

ERZÄHLERIN
Knapp zehn Jahre nach seiner Haftentlassung kehrt Hitler nach Landsberg zurück. Der einstige Häftling ist nun Reichskanzler.

O-Ton Manfred Deiler
Hitler kam 1934 am 8. Oktober (MUSIK ENDE) das erste Mal unangemeldet zu der Festungszelle mit ehemaligen Mitgefangenen und hat die nochmal angeschaut. Er ist anschließend in die Innenstadt gefahren, hat dieses Café Deible besucht. Und der Landsberger Stadtrat hat das mitbekommen natürlich, hat dann versucht, schnell aus Schuljugendlichen ein Spalier mit Fähnchen am Straßenrand zu bilden und wollte zum Café Deible, um dort die Ehrenbürgerurkunde zu übergeben, aber Hitler war schon weg.

ERZÄHLER
Schon bald entdeckt man in Landsberg das touristische Potential von Hitlers Festungshaft. Seine einstige Zelle wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, mit täglichen Öffnungszeiten, erzählt Lokalhistoriker Manfred Deiler:

O-Ton Manfred Deiler
Man hat dann speziell mit „Kraft durch Freude“, ich sag jetzt einmal ganz locker: dem Reiseunternehmen der NSDAP, schon ‘34/‘35 Besuchergruppen mit Sonderzügen mit 2.000 Personen, die Besucher für die Hitlerzelle gebracht haben. Und es ist damals dann Landsberg der Slogan gewesen: die Stadt des Führers, Landsberg – der Geburtsort der Ideen des Nationalsozialismus‘, Landsberg – die Hitlerstadt. Also in dieser Form war das Marketingkonzept.

ERZÄHLER
Auch die Reichsleitung des NSDAP und insbesondere Reichsjugendführer Baldur von Schirach erkennen den Propagandawert der Hitlerzelle – sie wollen Landsberg zum Wallfahrtsort der Hitler-Jugend machen.

O-Ton Manfred Deiler
Man hat beschlossen, 1937 das erste Mal im Abschluss an die Kundgebung am Reichsparteitag in Nürnberg, die Leute mit einem Sternmarsch über München nach Landsberg zu bringen, also Leute ist gemeint: Die Abordnungen der deutschen Jugend.

ATMO Marschgeräusche

O-Ton Reporter
Das Erlebnis des Reichsparteitages in einem übervollen Herzen geht es nun zur letzten Station des langen Marsches, nach Landsberg, der Festung in der Adolf Hitler gefangen war.

ATMO Glockenläuten

O-Ton Manfred Deiler
Dort sind sie dann im Gefängnishof empfangen worden vor der Führerzelle und dort hat ihr dann Baldur von Schirach stellvertretend für die Abordnungen zu Hause das Buch „Mein Kampf“ ausgehändigt.

ATMO Fanfaren

O-Ton Manfred Deiler
Es gab dann damals 1937 erstmals eine Abschlusskundgebung am Hauptplatz in Landsberg, mit Fackeln und Fahnen und da hat Baldur von Schirach dann geprägt: Landsberg ist nun die Stadt der deutschen Jugend, und ab dem Zeitpunkt sollte das regelmäßig jedes Jahr wiederholt werden.Der bayerische Justizminister wollte die gesamte Haftanstalt Landsberg dem Führer als Geschenk machen, da sollte die größte Jugendherberge Deutschlands draus werden. Es gab eine zweite Idee, es sollte ein Aufmarschstadion entstehen, das Stadion der Jugend. Es existiert ein Modell. Da wäre vom Bahnhof weg eine große Aufmarschallee entstanden. Man kann sich das Vorstellen dieses Modell ähnlich wie das Reichsparteitags-Gelände in Nürnberg.

ERZÄHLERIN
Der Zweite Weltkrieg lässt alle Planungen zur Makulatur werden. Nach dem Krieg übernimmt die US-Army für einige Jahre das Gefängnis. Der Trakt mit der Hitlerzelle wird abgerissen, nie mehr soll hier eine Pilgerstätte entstehen. Stattdessen inhaftieren die Amerikaner in Landsberg über 1.500 NS-Kriegsverbrecher. Fast 300 von ihnen werden dort hingerichtet – darunter Massenmörder wie KZ-Kommandanten oder Einsatzgruppenführer.

ERZÄHLER
An dem Ort, an dem Hitler seine verbrecherische Ideologie entwickelte und ungehindert zu Papier bringen konnte, werden nun diejenigen gerichtet, die diese Ideen in die Tat umgesetzt, die schrecklichste Menschheitsverbrechen verübt haben – Verbrechen, die es vielleicht nie gegeben hätte, wenn... ja, wenn die bayerische Justiz als es drauf ankam nach Recht und Gesetz gehandelt hätte.
TC 22:02 - Outro

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