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VERSUNKENE ORTE - Pompeji, die konservierte Stadt

22:04
 
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Die antike Stadt Pompeji gilt als eines der größten archäologischen Projekte der Welt. 79 nach Christus ist sie beim Ausbruch des Vesuvs untergegangen, doch seit nun fast schon 300 Jahren wird sie Stück für Stück wieder ausgegraben, regelmäßig gibt es spektakuläre Funde. Dabei müssen die bereits von der Asche befreiten Gebäude allerdings nicht nur erforscht, sondern auch ständig konserviert und bewacht werden. Von Michael Stang (BR 2023)

Credits
Autor: Michael Stang
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Frank Manhold, Maren Ulrich, Andreas Neumann
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Silvia Bertesago, Mattia Buondonno, Paolo Mighetto, Valeria Moretti, Alessandro Russo, Gabriel Zuchtriegel

Linktipps:
Deutschlandfunk Kultur (2023): Was Pompeji über uns erzählt
Lange wollte man aus Pompeji nur schöne Statuen und erotische Wohnzimmerbilder sehen. Gabriel Zuchtriegel, Direktor der Welterbestätte, plädiert für eine „mitfühlende Archäologie“ – und will auch die Schicksale Verschütteter ans Licht bringen.
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Planet Wissen (2023): Vulkane – So bedrohlich sind sie wirklich
Millionen von Menschen leben mit der Gefahr eines plötzlichen Vulkanausbruchs quasi vor der Haustür. Und einer der gefährlichsten Vulkane der Welt liegt gar nicht weit weg: das Gebiet um den Vesuv mit den phlegräischen Feldern in Italien. Wie bedrohlich sind die feuerspeienden Berge für die Menschen, die in ihrer unmittelbaren Nähe leben? JETZT ANSEHEN

ZDFinfo (2020): Pompeji – Protokoll einer Katastrophe
Innerhalb von 48 Stunden begräbt der Ascheregen des Vesuvs die römische Stadt Pompeji unter sich. Der Vulkanausbruch sorgt vor fast 2000 Jahren für ein Inferno. Zum Film geht es HIER.

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend.
Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:

TC 00:15 – Intro

TC 01:43 – Verschüttet seit 2.000 Jahren

TC 05:11 – Ein antiker Schnellimbiss

TC 08:01 – Ort des Experimentierens

TC 12:15 – Noch lange nicht am Ende

TC 17:29 – Das Problem mit den Grabräubern

TC 21:27 – Outro

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 – Intro
Regie: Musik

O-Ton 1 (Buondonno): What you can see [...]

OVERVOICE männlich

Was Sie hier sehen können, ist eine besondere Situation. Diese zwei Menschen sind offenbar zusammen gestorben. Der eine war wahrscheinlich ein Sklave, der andere sein Herr.
[…] that was the master.

Sprecher:
Pompeji ist nicht nur Touristenmagnet, sondern auch Hotspot der archäologischen Forschung. Bei Ausgrabungen tauchen auch heute noch sensationelle Funde auf. Die größte Herausforderung für die Verantwortlichen ist jedoch, die weltberühmte antike Stadt dauerhaft zu erhalten.

O-Ton 2: (Zuchtriegel): Wir sind in einer sehr speziellen Phase. Es sind über 10.000 Räume, teils mit Fresken, antiken Fresken, die seit den Ausgrabungen, die im 18 Jahrhundert beginnen, Wind und Wetter ausgesetzt sind.

Sprecher:
Starke Regenfälle haben in den vergangenen Jahren mehrfach die Mauern unterspült, lange Trockenphasen den Zerfall der Fresken beschleunigt. In Pompeji haben die Restaurierungsfachleute so viel Arbeit wie nie zuvor.

O-Ton 3 (Bertesago): We can see already […]
OVERVOICE weiblich

Wir können die Auswirkungen des Klimawandels in Pompeji bereits heute schon sehen, weil wir in den letzten Jahren heftigere meteorologische Phänomene hatten.
[…] more violent meteorological phenomena.

Musik aus
TC 01:43 – Verschüttet seit 2.000 Jahren
Sprecher:
Ein sonniger Tag. Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt besichtigen den riesigen Archäologiepark, der unweit der Stadt Neapel am Fuß des Vesuvs liegt. Pompeji ist ein Freiluft-Museum und Forschungsstätte zugleich, eine der beliebtesten Reiseziele Italiens. Die Denkmalschützer haben großartige Arbeit geleistet: Vom drohenden Verfall der antiken Häuser, Mauern und Fresken merken die internationalen Gäste wenig. Denn der Aufwand ist groß, um Touristen heute zu zeigen, wie die Menschen vor 2.000 Jahren hier lebten – bis der Vesuv ausbrach und die Stadt unter Asche und Staub begrub.

O-Ton 4 (Bertesago): I think for an archaeologist […]

OVERVOICE weiblich
Ich denke, für eine Archäologin ist das eine sehr interessante Arbeit an einem so wichtigen Ort, nicht nur für uns oder die italienische Geschichte und Archäologie, sondern unsere Arbeit ist tatsächlich weltberühmt.
[…] famous all-over the world.
Sprecher:
Archäologin Silvia Bertesago hat schon als Studentin in Pompeji gearbeitet. Heute ist sie eine der verantwortlichen Forscherinnen des Archäologieparks. Abseits der Touristenströme steht sie auf einer Anhöhe, ein kleiner, grasbewachsener Hügel – unberührt seit 2.000 Jahren.

O-Ton 5 (Bertesago): So here we are in a part not yet […]

OVERVOICE weiblich
Hier sind wir in einem Bereich, der noch nicht ausgegraben ist. Um uns herum können wir aber viele bereits ausgegrabene Gebäude Pompejis sehen, die sich auf einer tieferen Ebene befinden. Wir stehen hier etwas höher, denn genau unter uns gibt es einen Teil der Stadt, der noch nicht ausgegraben ist. Das wird aber in den nächsten Monaten geschehen.
[…] excavated in the next months.

Sprecher:
Pompeji war eine antike Metropole, die exakten Ausmaße der Stadt sind im Detail bis heute nicht abschließend geklärt. Immer wieder müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entscheiden, wo es sich lohnt, als nächstes auszugraben. Auch das gehört zum Denkmalschutz: Was wird freigelegt und was nicht? Die Archäologin ist sich sicher, dass sie hier bedeutende Funde machen wird.

O-Ton 6 (Bertesago): And we can imagine on the basis […]

OVERVOICE weiblich
Wir können uns auf der Grundlage der Struktur vorstellen, dass wir einige wichtige, bedeutende Häuser ausgraben werden. Aber wir werden erst mehr Informationen bekommen, wenn wir mit den Ausgrabungen beginnen. Dabei werden wir auch neue Prospektionstechnologien verwenden, moderne Instrumente wie Georadar, mit denen wir noch vor dem ersten Spatenstich tief in den Boden blicken können.
[…] like Georadar and we can see deeper.

Sprecher:
Die Ausgrabung wird präzise geplant und von hochspezialisierten Teams durchgeführt. Archäologinnen und Geologen, Botanikerinnen und Anthropologen können schnell und flexibel auf neue Funde reagieren.

O-Ton 7 (Bertesago): We don't know exactly […]
OVERVOICE weiblich
Wir wissen nicht genau, was wir finden werden, aber wir erwarten Räume mit Fresken, eingestürzten Dächern, eine durch den Ausbruch zerstörte Architektur. Das sind immer sehr unterschiedliche Situationen und es gibt diverse Arten von Zerstörung und Zerfall. Und so müssen wir auf der Grundlage dessen, was wir finden, auf unterschiedliche Weise vorgehen.
[…] on the bases of what we will find.

TC 05:11 – Ein antiker Schnellimbiss
Sprecher: Vielleicht haben sie wieder Glück und machen einen Sensationsfund wie mit dem antiken Schnellimbiss, der Ende 2020 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Bilder vom am Tresen aufgemalten Hahn und zwei abstürzenden Enten schafften es am 26. Dezember in die ARD-Tagesschau. Internationale Medien berichteten über den aufgemalten Wachhund und die Nahrungsreste, die in der Nähe des Tresens gefunden wurden. Sie lassen Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner von Pompeji zu. Fastfood gab es also damals schon. Das antike Take-Away ist mittlerweile zu besichtigen, erzählt Touristenführer Mattia Buondonno. Er zeigt auf eine dicke Glasscheibe, die den Sensationsfund schützt:

O-Ton 8 (Buondonno): That was found just three years ago.

Sprecher:
Das Schnellrestaurant besteht aus einem L-förmigen Steintresen mit runden Aussparungen, „Thermopolium“ genannt, in die die alten Römer die Amphoren mit dem warmen Essen stellten. An der Vorderseite sind die in den Speisen enthaltenen Tiere in prächtigen Farben aufgemalt.

O-Ton 9 (Buondonno): So, this is the famous last […]

OVERVOICE männlich
Und das hier ist der berühmte letzte Gemäldefund mit dem Hahn, hier wurde auch Entenfleisch gefunden und dort sieht man sogar die Ente und man kann einige Originalinschriften und Graffiti sehen.
[…] some original inscription, some graffiti.

Sprecher:
Und diese besagen nichts Nettes.

O-Ton 10 (Buondonno): You can see some original […]

OVERVOICE männlich
Diese Beschreibung hier lautet: „NICIA CINAEDE CACATOR.“ Nicia ist ein griechischer Name, wahrscheinlich war es der Name des Meisters. Jemand war offenbar neidisch auf dem Imbissbetreiber und dieser jemand schrieb: Nicia, du hinterlässt überall Scheiße.
[… ]NICIA, you are leaving shit everywhere.
Sprecher:
Mattia Buondonno gehört zum „Inventar“ von Pompeji. Seit 30 Jahren führt er Menschen aus aller Welt durch diese besondere Stadt. Schon als kleiner Junge, als sein Vater hier an Mosaiken gearbeitet hat, habe er die Touristen beobachtet und mit ihnen gesprochen. Mittlerweile hat er viel Erfahrung im Umgang mit ihnen gesammelt und weiß, dass die antike Stätte Pompeji für die meisten ein gewaltiges Erlebnis ist.

O-Ton 11 (Buondonno): I guided so many celebrities, […]

OVERVOICE männlich
Ich habe so viele Prominente herumgeführt, Bill Clinton, Leonardo DiCaprio sogar zweimal, ich habe Bradley Cooper geführt, Meryl Streep, Nobelpreisträger. Und dann, wenn diese Menschen in Pompeji sind, wirken sie alle wie staunende Grundschüler, weil diese Kultur so großartig, so beeindruckend ist, dass sie sich sehr, sehr klein fühlen.
[…] that they are very, very little, little people.

Musik
TC 08:01 – Ort des Experimentierens
Sprecher:
Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 verschüttete und zerstörte eine lebendige Metropole binnen weniger Stunden. 18.000 Menschen konnten fliehen, rund 2.000 starben. Eine Katastrophe in der Antike, für die Wissenschaft ein Glücksfall. Pompeji war immer attraktiv für die Ausgräber, hier hätten sie stets mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden gearbeitet, erzählt Gabriel Zuchtriegel. Der deutsch-italienische Archäologe hat im Frühjahr 2021 seine Stelle als Direktor des Archäologieparks angetreten.

O-Ton 12 (Zuchtriegel):
Natürlich versuchen wir alle diese neuen Möglichkeiten zu nutzen. Auf der anderen Seite war Pompeji immer schon ein Ort des Experimentierens, wo man also auch neue Grabungstechniken und neue Konservierungsmethoden ausprobiert hat. Und wo also schon im 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert sehr innovative Menschen gewirkt haben und auch dadurch Anstöße gegeben haben, das ganze Fach über Pompeji hinaus.

Sprecher:
Die ersten Archäologen begannen im 18. Jahrhundert, die Stadt Pompeji auszugraben. Dazu gehörten luxuriöse Villen inklusive Bereiche für Sklaven, das Heiligtum des Apollo, der Jupitertempel, eine Gladiatorenschule, eine Badeanstalt, oder auch eine Bäckerei – das alles muss geschützt und restauriert werden.

O-Ton 13 (Zuchtriegel):
Die Mauern sind relativ dünn, aus Bruchstein meist oder Ziegel und Mörtel. Und jetzt kann man sich ja mal vorstellen, was aus unseren Häusern in 2.000 Jahren wird, aus dem Beton oder was eben das Material ist und sich dann ausrechnen, was es braucht eben an ja wirklich ständigen periodischen Instandhaltungsmaßnahmen, um das vor dem Verfall zu schützen.

Sprecher:
Eine beständige Arbeit, denn in Pompeji müssen hunderte Gebäude geschützt werden. Gabriel Zuchtriegel erinnert an eine Phase, in der zu sehr gespart wurde - mit fatalen Folgen:

O-Ton 14 (Zuchtriegel):
Wenn man sich dieses Bild mal vorstellen möchte, also Pompeji, ein Flugzeug, das immer tiefer absinkt durch fehlende Instandhaltung, fehlende Restaurierungsarbeiten und dann ab einem gewissen Moment, weil sie fast am Boden zerschellt. Und es kommt dann zu diesem dramatischen Ereignis 2010, dass ein antikes Gebäude tatsächlich einstürzt während eines Unwetters.

Sprecher:
Am 6. November 2010 stürzte ein Haus der Gladiatoren-Schule ein, einige Tage später gab eine Mauer am so genannten „Haus des Moralisten" nach. Wind und Wetter hatten ihr zugesetzt, sie war nicht ausreichend vor diesen Bedingungen geschützt, die im Zuge des Klimawandels stärker werden.

O-Ton 15 (Zuchtriegel):
Und das hat natürlich, es sind über die ganze Presse gegangen, nicht nur in Italien, sondern weltweit, sehr große Besorgnis berechtigterweise hervorgerufen und auch dem Bild Pompejis natürlich sehr, sehr geschadet.

Sprecher:
2012 stieß der damalige Ministerpräsident Mario Monti das „Große Pompeji-Projekt“ an, um die Stadt vor dem - erneuten - Untergang zu retten. 105 Millionen Euro flossen in neue Strukturen und Konservierungsmaßnahmen.

O-Ton 16 (Zuchtriegel):
Und danach dieser große Einsatz, also man versucht dieses Flugzeug wieder hochzuziehen und investiert sehr viel Geld, sehr viel Personal, Ressourcen auch. Und das klappt. Es wird zum Erfolg, und das Flugzeug steigt und steigt. Das Bild Pompejis in der Presse und überhaupt in der öffentlichen Wahrnehmung verändert sich wieder komplett, wird sehr positiv. Und jetzt ist die Frage: was ist eigentlich die richtige Flughöhe für dieses Flugzeug?

Sprecher:
Geld sei nicht mehr das große Problem, so Zuchtriegel, daran änderte auch die Corona-Pandemie nicht viel, als Einnahmen durch den Tourismus einbrachen. Denn Pompeji wird vom italienischen Staat und der Europäischen Union finanziert.

Atmo: Schritte, Wind
TC 12:15 – Noch lange nicht am Ende
Sprecher:
Majestätisch thront die „Insula Occidentalis“ auf einer Anhöhe, von hier oben konnten reiche Villenbesitzer den Golf von Neapel sehen. Zwei der herrschaftlichen Gebäude gehörten Marcus Fabius Rufus und Maius Castricius, hier liegen auch das „Haus des goldenen Armreifs“ und die Bibliothek.

Atmo: Schritte, Baustellentür

Sprecher:
Alessandro Russo läuft über Bohlen, die auf dem staubigen Boden liegen. Die Baustelle ist die derzeit größte Ausgrabung in Pompeji.

O-Ton 17 (Russo): This is the House of Library […]

OVERVOICE männlich
Das ist das Haus der Bibliothek, weil es hier einen Raum mit Möbeln gab, wo damals die Papyri lagen. Aus diesem Grund heißt es eben das Haus der Bibliothek. Den Namen des damaligen Hausbesitzers kennen wir aber nicht.
[…] the name of the real owner of the house.

Sprecher:
Der Archäologe geht zwei Räume weiter zu einem Baugerüst, das in die Tiefe führt.

O-Ton 18 (Russo): The other excavation […] (Klappe auf)

OVERVOICE männlich
Die andere Ausgrabung, mit der wir jetzt begonnen haben, findet eine Etage tiefer statt … Ich zeige es ihnen. […] show you

Sprecher:
Zwei Leitern später steht Alessandro Russo in einem großen Raum, der einmal ein geräumiges Esszimmer war, mit Blick auf das Meer. Reste des gewaltigen Tisches hätten sie ausgegraben und viele spannende Sachen entdeckt. Der Archäologe bleibt vor einer Wand stehen und zieht vorsichtig eine Folie beiseite. Zu sehen ist der neueste Fund, erst tags zuvor freigelegt.

O-Ton 19 (Russo): We make the excavation from this level […]
OVERVOICE männlich

Wir graben von dieser Ebene bis ganz nach hinten zum Ende. Dort befindet sich auch ein neues Mosaik. Und die Fresken hier an der Wand, die wir noch nicht ganz kennen - sie sind vollständig und unberührt.
[…] is complete, it’s untouched

Sprecher:
Paolo Mighetto, der die Ausgrabungen und Konservierungsmaßnahmen dieser Stätte leitet, gesellt sich dazu.

O-Ton 20 (Mighetto): The restoration of a very complex site […]

OVERVOICE männlich
Die Restaurierung dieses Ortes ist äußert komplex, weil wir die Entwicklungsphasen der Stadt, inklusive der antiken dramatischen Ereignisse, erhalten wollen.
[…] phases of the city, ancient City drama.
Sprecher:
Mighetto ist fasziniert von der vielfältigen Geschichte Pompejis. Die Stadt hat mehr Katastrophen erlebt als „nur“ den berühmten Vulkanausbruch.

O-Ton 21 (Mighetto): Because the Pompeii was subject to the […]

OVERVOICE männlich
Pompeji war 62 nach Christus einem Erdbeben ausgesetzt, zuvor hatte es zahlreiche kleine Beben gegeben. Und dann der Vesuvausbruch natürlich, im Jahr 79. Hinzukommen die ganzen Ausgrabungen im 18. und 19.Jahrhundert, als unterirdische Tunnel unter dem Gebäude gegraben wurden. Und überall die Asche und vulkanisches Material. Und schließlich sind hier während des Zweiten Weltkriegs zwei Bomben eingeschlagen. Unser Ziel ist es, all die Zeichen der Zerstörung zu bewahren.
[…] the signs of this destruction.

Sprecher:
Pompeji ist ein Ort für die Öffentlichkeit, sagt Direktor Gabriel Zuchtriegel immer wieder - auch weil die Archäologischen Stätten von Pompeji und Herculaneum seit 1997 zum UNESCO Welterbe gehören. Deswegen sei es ihm und seinem Team wichtig, dass sie Pompeji immer als einen Ort präsentieren, an dem die Forschung weitergeht, an dem ständig neue Erkenntnisse gewonnen werden, sei es durch neue Ausgrabungen oder neue Analysen. Und an diesem Prozess müsse die Öffentlichkeit teilhaben.

O-Ton 28 (Zuchtriegel):
Die Frage, warum überhaupt Archäologie betrieben wird, warum die Gemeinschaft, der Staat, auch teilweise private Sponsoren darin investieren sollen, lässt sich eigentlich nur beantworten, indem man sagt: Wir geben natürlich auch etwas zurück an die Gesellschaft. Und zwar teilen wir unser Wissen und unsere Erkenntnisse und andere auch unsere neuen Perspektiven auf die Antike, den Menschen mit. Es ist einfach, dass es aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn macht, einen archäologischen Park zu betreiben, wenn nicht für ein Publikum. Wir machen das ja nicht nur für einen kleinen Gelehrtenzirkel.
Sprecher:
Durch die Corona-Pandemie sei der Archäologiepark Pompeji gut gekommen, sagt Zuchtriegel, er sei froh, dass wieder mehr Touristen kämen. Ob die Zahl von drei oder vier Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr wieder erreicht werden könne wie früher, sei aber im Moment noch nicht absehbar. Bei der Frage, ob künftig noch große Funde zu erwarten sind, lacht Gabriel Zuchtriegel.

O-Ton 30 (Zuchtriegel): Ja, also in der Archäologie ist es so, dass man eigentlich immer nicht das findet, was man sich erwartet, manchmal auch erhofft, sondern manchmal mehr, manchmal weniger, meistens irgendetwas anderes. Und das gehört irgendwie dazu. Also die Freude ist auch die, dass man ständig überrascht wird.

Musik
TC 17:29 – Das Problem mit den Grabräubern
Sprecher:
Pompeji steht mittlerweile gut da. Der Denkmalschutz schützt die Stätte immer besser vor Wind, Starkregen, Trockenheit, den Folgen der Klimakrise. Archäologische Forschungsfragen werden mit modernsten Methoden beantwortet, Geld fließt vom italienischen Staat und der EU, die Touristen kommen wieder. Wären da nicht die illegalen Raubgräber, wäre alles gut in Pompeji.

O-Ton 31 (Bertesago): There are problems with illegal excavations […]

OVERVOICE weiblich
Es gibt Probleme mit illegalen Ausgrabungen, also Raubgrabungen und illegalem Handel von archäologischen Objekten.
[…] traffic of archaeological things, objects.

Sprecher:
Klagt die Archäologin Silvia Bertesago. Raubgräberei war nicht nur ein Problem der Vergangenheit, sondern ist es auch in der Gegenwart. 2021 wurde der Fund einer reich verzierten Kutsche bekannt. Das Gefährt war nur knapp dem Raub durch Plünderer entgangen, die in den letzten Jahren Dutzende Tunnel in die noch unerforschten Teile Pompejis gegraben hatten. Zwei solcher Tunnel führten unmittelbar an der Kutsche vorbei. Auch Gabriel Zuchtriegel ist angesichts der kriminellen Energie fassungslos.

O-Ton 32 (Zuchtriegel):
Die Schäden sind enorm, die dadurch entstehen. Und es ist wirklich ein globales Phänomen, das auch ökonomisch für die organisierte Kriminalität einen ganz wichtigen Sektor leider darstellt.

Sprecher:
Die kriminelle Energie, die hinter den illegalen Ausgrabungen steckt, sei offenbar bei manchen Menschen sehr hoch, zudem gebe es regelrechte Bestellungen und damit einen lukrativen Markt, so der Direktor des Archäologieparks:

O-Ton 33 (Zuchtriegel):
Es gibt leider nach wie vor Leute - hauptsächlich im Ausland, also viele Spuren führen dann über die Schweiz oder andere Länder, in die USA und in andere Kontinente, also das ist wirklich ein weltweites Phänomen - die kaufen nach wie vor diese Objekte, ohne sich über die Herkunft wirklich sorgfältig zu informieren oder auch, teils wohl mehr oder weniger wissend, dass es aus illegalen Grabungen kommt. Das sind teils private Sammler, aber manchmal leider auch immer noch Institutionen, Museen.

Sprecher:
Natürlich sei das alles verboten, betont Gabriel Zuchtriegel, die Gesetzeslage sei eindeutig. Man darf nichts mitnehmen, auch keine kleinen, scheinbar unbedeutenden Fragmente wie etwa Keramikscherben.

O-Ton 34 (Zuchtriegel):
Es ist ein Problem, nicht innerhalb des Parks, Gottseidank. Das ist alles sehr gut überwacht, mehr als 500 Videokameras und natürlich einen ständigen Wachdienst.

Sprecher:
Damit der Archäologiepark noch sicherer wird, gibt es seit 2021 das „Smart@POMPEI-Projekt“. Zu ihm gehört „Spot“, ein gelber Roboterhund, mit langen Beinen und einem schwarzen Rechteck als Kopf. Er kann sich sicher in unwegsamem Gelände bewegen und durch enge Schächte und illegal gegrabene Tunnel laufen. Mit einer Kamera filmt er alles. „Spot“ kann Raubgräber aufspüren und möglicherweise zu ihrer Verhaftung beitragen, er kann aber auch bröselnde Mauern erkennen, so dass schnell Konservierungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Archäologiepark Pompeji sei darüber hinaus durch neue Technologien wie Wärmebildkameras, Sensoren und Drohnen geschützt.
O-Ton 35 (Zuchtriegel):
Das heißt, da muss man eben aktiv werden, das irgendwie mit Dächern schützen, aber eben auch mit ständigen Instandhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Und vor allem, man muss es auch kontinuierlich ja überwachen, um einfach zu wissen, was passiert eigentlich in Real Time in der Ausgrabungsstätte.

Musik
TC 21:27 – Outro


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Die antike Stadt Pompeji gilt als eines der größten archäologischen Projekte der Welt. 79 nach Christus ist sie beim Ausbruch des Vesuvs untergegangen, doch seit nun fast schon 300 Jahren wird sie Stück für Stück wieder ausgegraben, regelmäßig gibt es spektakuläre Funde. Dabei müssen die bereits von der Asche befreiten Gebäude allerdings nicht nur erforscht, sondern auch ständig konserviert und bewacht werden. Von Michael Stang (BR 2023)

Credits
Autor: Michael Stang
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Frank Manhold, Maren Ulrich, Andreas Neumann
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Silvia Bertesago, Mattia Buondonno, Paolo Mighetto, Valeria Moretti, Alessandro Russo, Gabriel Zuchtriegel

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Deutschlandfunk Kultur (2023): Was Pompeji über uns erzählt
Lange wollte man aus Pompeji nur schöne Statuen und erotische Wohnzimmerbilder sehen. Gabriel Zuchtriegel, Direktor der Welterbestätte, plädiert für eine „mitfühlende Archäologie“ – und will auch die Schicksale Verschütteter ans Licht bringen.
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Millionen von Menschen leben mit der Gefahr eines plötzlichen Vulkanausbruchs quasi vor der Haustür. Und einer der gefährlichsten Vulkane der Welt liegt gar nicht weit weg: das Gebiet um den Vesuv mit den phlegräischen Feldern in Italien. Wie bedrohlich sind die feuerspeienden Berge für die Menschen, die in ihrer unmittelbaren Nähe leben? JETZT ANSEHEN

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Innerhalb von 48 Stunden begräbt der Ascheregen des Vesuvs die römische Stadt Pompeji unter sich. Der Vulkanausbruch sorgt vor fast 2000 Jahren für ein Inferno. Zum Film geht es HIER.

Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
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Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:

TC 00:15 – Intro

TC 01:43 – Verschüttet seit 2.000 Jahren

TC 05:11 – Ein antiker Schnellimbiss

TC 08:01 – Ort des Experimentierens

TC 12:15 – Noch lange nicht am Ende

TC 17:29 – Das Problem mit den Grabräubern

TC 21:27 – Outro

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 – Intro
Regie: Musik

O-Ton 1 (Buondonno): What you can see [...]

OVERVOICE männlich

Was Sie hier sehen können, ist eine besondere Situation. Diese zwei Menschen sind offenbar zusammen gestorben. Der eine war wahrscheinlich ein Sklave, der andere sein Herr.
[…] that was the master.

Sprecher:
Pompeji ist nicht nur Touristenmagnet, sondern auch Hotspot der archäologischen Forschung. Bei Ausgrabungen tauchen auch heute noch sensationelle Funde auf. Die größte Herausforderung für die Verantwortlichen ist jedoch, die weltberühmte antike Stadt dauerhaft zu erhalten.

O-Ton 2: (Zuchtriegel): Wir sind in einer sehr speziellen Phase. Es sind über 10.000 Räume, teils mit Fresken, antiken Fresken, die seit den Ausgrabungen, die im 18 Jahrhundert beginnen, Wind und Wetter ausgesetzt sind.

Sprecher:
Starke Regenfälle haben in den vergangenen Jahren mehrfach die Mauern unterspült, lange Trockenphasen den Zerfall der Fresken beschleunigt. In Pompeji haben die Restaurierungsfachleute so viel Arbeit wie nie zuvor.

O-Ton 3 (Bertesago): We can see already […]
OVERVOICE weiblich

Wir können die Auswirkungen des Klimawandels in Pompeji bereits heute schon sehen, weil wir in den letzten Jahren heftigere meteorologische Phänomene hatten.
[…] more violent meteorological phenomena.

Musik aus
TC 01:43 – Verschüttet seit 2.000 Jahren
Sprecher:
Ein sonniger Tag. Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt besichtigen den riesigen Archäologiepark, der unweit der Stadt Neapel am Fuß des Vesuvs liegt. Pompeji ist ein Freiluft-Museum und Forschungsstätte zugleich, eine der beliebtesten Reiseziele Italiens. Die Denkmalschützer haben großartige Arbeit geleistet: Vom drohenden Verfall der antiken Häuser, Mauern und Fresken merken die internationalen Gäste wenig. Denn der Aufwand ist groß, um Touristen heute zu zeigen, wie die Menschen vor 2.000 Jahren hier lebten – bis der Vesuv ausbrach und die Stadt unter Asche und Staub begrub.

O-Ton 4 (Bertesago): I think for an archaeologist […]

OVERVOICE weiblich
Ich denke, für eine Archäologin ist das eine sehr interessante Arbeit an einem so wichtigen Ort, nicht nur für uns oder die italienische Geschichte und Archäologie, sondern unsere Arbeit ist tatsächlich weltberühmt.
[…] famous all-over the world.
Sprecher:
Archäologin Silvia Bertesago hat schon als Studentin in Pompeji gearbeitet. Heute ist sie eine der verantwortlichen Forscherinnen des Archäologieparks. Abseits der Touristenströme steht sie auf einer Anhöhe, ein kleiner, grasbewachsener Hügel – unberührt seit 2.000 Jahren.

O-Ton 5 (Bertesago): So here we are in a part not yet […]

OVERVOICE weiblich
Hier sind wir in einem Bereich, der noch nicht ausgegraben ist. Um uns herum können wir aber viele bereits ausgegrabene Gebäude Pompejis sehen, die sich auf einer tieferen Ebene befinden. Wir stehen hier etwas höher, denn genau unter uns gibt es einen Teil der Stadt, der noch nicht ausgegraben ist. Das wird aber in den nächsten Monaten geschehen.
[…] excavated in the next months.

Sprecher:
Pompeji war eine antike Metropole, die exakten Ausmaße der Stadt sind im Detail bis heute nicht abschließend geklärt. Immer wieder müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entscheiden, wo es sich lohnt, als nächstes auszugraben. Auch das gehört zum Denkmalschutz: Was wird freigelegt und was nicht? Die Archäologin ist sich sicher, dass sie hier bedeutende Funde machen wird.

O-Ton 6 (Bertesago): And we can imagine on the basis […]

OVERVOICE weiblich
Wir können uns auf der Grundlage der Struktur vorstellen, dass wir einige wichtige, bedeutende Häuser ausgraben werden. Aber wir werden erst mehr Informationen bekommen, wenn wir mit den Ausgrabungen beginnen. Dabei werden wir auch neue Prospektionstechnologien verwenden, moderne Instrumente wie Georadar, mit denen wir noch vor dem ersten Spatenstich tief in den Boden blicken können.
[…] like Georadar and we can see deeper.

Sprecher:
Die Ausgrabung wird präzise geplant und von hochspezialisierten Teams durchgeführt. Archäologinnen und Geologen, Botanikerinnen und Anthropologen können schnell und flexibel auf neue Funde reagieren.

O-Ton 7 (Bertesago): We don't know exactly […]
OVERVOICE weiblich
Wir wissen nicht genau, was wir finden werden, aber wir erwarten Räume mit Fresken, eingestürzten Dächern, eine durch den Ausbruch zerstörte Architektur. Das sind immer sehr unterschiedliche Situationen und es gibt diverse Arten von Zerstörung und Zerfall. Und so müssen wir auf der Grundlage dessen, was wir finden, auf unterschiedliche Weise vorgehen.
[…] on the bases of what we will find.

TC 05:11 – Ein antiker Schnellimbiss
Sprecher: Vielleicht haben sie wieder Glück und machen einen Sensationsfund wie mit dem antiken Schnellimbiss, der Ende 2020 der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Bilder vom am Tresen aufgemalten Hahn und zwei abstürzenden Enten schafften es am 26. Dezember in die ARD-Tagesschau. Internationale Medien berichteten über den aufgemalten Wachhund und die Nahrungsreste, die in der Nähe des Tresens gefunden wurden. Sie lassen Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten der Bewohner von Pompeji zu. Fastfood gab es also damals schon. Das antike Take-Away ist mittlerweile zu besichtigen, erzählt Touristenführer Mattia Buondonno. Er zeigt auf eine dicke Glasscheibe, die den Sensationsfund schützt:

O-Ton 8 (Buondonno): That was found just three years ago.

Sprecher:
Das Schnellrestaurant besteht aus einem L-förmigen Steintresen mit runden Aussparungen, „Thermopolium“ genannt, in die die alten Römer die Amphoren mit dem warmen Essen stellten. An der Vorderseite sind die in den Speisen enthaltenen Tiere in prächtigen Farben aufgemalt.

O-Ton 9 (Buondonno): So, this is the famous last […]

OVERVOICE männlich
Und das hier ist der berühmte letzte Gemäldefund mit dem Hahn, hier wurde auch Entenfleisch gefunden und dort sieht man sogar die Ente und man kann einige Originalinschriften und Graffiti sehen.
[…] some original inscription, some graffiti.

Sprecher:
Und diese besagen nichts Nettes.

O-Ton 10 (Buondonno): You can see some original […]

OVERVOICE männlich
Diese Beschreibung hier lautet: „NICIA CINAEDE CACATOR.“ Nicia ist ein griechischer Name, wahrscheinlich war es der Name des Meisters. Jemand war offenbar neidisch auf dem Imbissbetreiber und dieser jemand schrieb: Nicia, du hinterlässt überall Scheiße.
[… ]NICIA, you are leaving shit everywhere.
Sprecher:
Mattia Buondonno gehört zum „Inventar“ von Pompeji. Seit 30 Jahren führt er Menschen aus aller Welt durch diese besondere Stadt. Schon als kleiner Junge, als sein Vater hier an Mosaiken gearbeitet hat, habe er die Touristen beobachtet und mit ihnen gesprochen. Mittlerweile hat er viel Erfahrung im Umgang mit ihnen gesammelt und weiß, dass die antike Stätte Pompeji für die meisten ein gewaltiges Erlebnis ist.

O-Ton 11 (Buondonno): I guided so many celebrities, […]

OVERVOICE männlich
Ich habe so viele Prominente herumgeführt, Bill Clinton, Leonardo DiCaprio sogar zweimal, ich habe Bradley Cooper geführt, Meryl Streep, Nobelpreisträger. Und dann, wenn diese Menschen in Pompeji sind, wirken sie alle wie staunende Grundschüler, weil diese Kultur so großartig, so beeindruckend ist, dass sie sich sehr, sehr klein fühlen.
[…] that they are very, very little, little people.

Musik
TC 08:01 – Ort des Experimentierens
Sprecher:
Der Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 verschüttete und zerstörte eine lebendige Metropole binnen weniger Stunden. 18.000 Menschen konnten fliehen, rund 2.000 starben. Eine Katastrophe in der Antike, für die Wissenschaft ein Glücksfall. Pompeji war immer attraktiv für die Ausgräber, hier hätten sie stets mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden gearbeitet, erzählt Gabriel Zuchtriegel. Der deutsch-italienische Archäologe hat im Frühjahr 2021 seine Stelle als Direktor des Archäologieparks angetreten.

O-Ton 12 (Zuchtriegel):
Natürlich versuchen wir alle diese neuen Möglichkeiten zu nutzen. Auf der anderen Seite war Pompeji immer schon ein Ort des Experimentierens, wo man also auch neue Grabungstechniken und neue Konservierungsmethoden ausprobiert hat. Und wo also schon im 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert sehr innovative Menschen gewirkt haben und auch dadurch Anstöße gegeben haben, das ganze Fach über Pompeji hinaus.

Sprecher:
Die ersten Archäologen begannen im 18. Jahrhundert, die Stadt Pompeji auszugraben. Dazu gehörten luxuriöse Villen inklusive Bereiche für Sklaven, das Heiligtum des Apollo, der Jupitertempel, eine Gladiatorenschule, eine Badeanstalt, oder auch eine Bäckerei – das alles muss geschützt und restauriert werden.

O-Ton 13 (Zuchtriegel):
Die Mauern sind relativ dünn, aus Bruchstein meist oder Ziegel und Mörtel. Und jetzt kann man sich ja mal vorstellen, was aus unseren Häusern in 2.000 Jahren wird, aus dem Beton oder was eben das Material ist und sich dann ausrechnen, was es braucht eben an ja wirklich ständigen periodischen Instandhaltungsmaßnahmen, um das vor dem Verfall zu schützen.

Sprecher:
Eine beständige Arbeit, denn in Pompeji müssen hunderte Gebäude geschützt werden. Gabriel Zuchtriegel erinnert an eine Phase, in der zu sehr gespart wurde - mit fatalen Folgen:

O-Ton 14 (Zuchtriegel):
Wenn man sich dieses Bild mal vorstellen möchte, also Pompeji, ein Flugzeug, das immer tiefer absinkt durch fehlende Instandhaltung, fehlende Restaurierungsarbeiten und dann ab einem gewissen Moment, weil sie fast am Boden zerschellt. Und es kommt dann zu diesem dramatischen Ereignis 2010, dass ein antikes Gebäude tatsächlich einstürzt während eines Unwetters.

Sprecher:
Am 6. November 2010 stürzte ein Haus der Gladiatoren-Schule ein, einige Tage später gab eine Mauer am so genannten „Haus des Moralisten" nach. Wind und Wetter hatten ihr zugesetzt, sie war nicht ausreichend vor diesen Bedingungen geschützt, die im Zuge des Klimawandels stärker werden.

O-Ton 15 (Zuchtriegel):
Und das hat natürlich, es sind über die ganze Presse gegangen, nicht nur in Italien, sondern weltweit, sehr große Besorgnis berechtigterweise hervorgerufen und auch dem Bild Pompejis natürlich sehr, sehr geschadet.

Sprecher:
2012 stieß der damalige Ministerpräsident Mario Monti das „Große Pompeji-Projekt“ an, um die Stadt vor dem - erneuten - Untergang zu retten. 105 Millionen Euro flossen in neue Strukturen und Konservierungsmaßnahmen.

O-Ton 16 (Zuchtriegel):
Und danach dieser große Einsatz, also man versucht dieses Flugzeug wieder hochzuziehen und investiert sehr viel Geld, sehr viel Personal, Ressourcen auch. Und das klappt. Es wird zum Erfolg, und das Flugzeug steigt und steigt. Das Bild Pompejis in der Presse und überhaupt in der öffentlichen Wahrnehmung verändert sich wieder komplett, wird sehr positiv. Und jetzt ist die Frage: was ist eigentlich die richtige Flughöhe für dieses Flugzeug?

Sprecher:
Geld sei nicht mehr das große Problem, so Zuchtriegel, daran änderte auch die Corona-Pandemie nicht viel, als Einnahmen durch den Tourismus einbrachen. Denn Pompeji wird vom italienischen Staat und der Europäischen Union finanziert.

Atmo: Schritte, Wind
TC 12:15 – Noch lange nicht am Ende
Sprecher:
Majestätisch thront die „Insula Occidentalis“ auf einer Anhöhe, von hier oben konnten reiche Villenbesitzer den Golf von Neapel sehen. Zwei der herrschaftlichen Gebäude gehörten Marcus Fabius Rufus und Maius Castricius, hier liegen auch das „Haus des goldenen Armreifs“ und die Bibliothek.

Atmo: Schritte, Baustellentür

Sprecher:
Alessandro Russo läuft über Bohlen, die auf dem staubigen Boden liegen. Die Baustelle ist die derzeit größte Ausgrabung in Pompeji.

O-Ton 17 (Russo): This is the House of Library […]

OVERVOICE männlich
Das ist das Haus der Bibliothek, weil es hier einen Raum mit Möbeln gab, wo damals die Papyri lagen. Aus diesem Grund heißt es eben das Haus der Bibliothek. Den Namen des damaligen Hausbesitzers kennen wir aber nicht.
[…] the name of the real owner of the house.

Sprecher:
Der Archäologe geht zwei Räume weiter zu einem Baugerüst, das in die Tiefe führt.

O-Ton 18 (Russo): The other excavation […] (Klappe auf)

OVERVOICE männlich
Die andere Ausgrabung, mit der wir jetzt begonnen haben, findet eine Etage tiefer statt … Ich zeige es ihnen. […] show you

Sprecher:
Zwei Leitern später steht Alessandro Russo in einem großen Raum, der einmal ein geräumiges Esszimmer war, mit Blick auf das Meer. Reste des gewaltigen Tisches hätten sie ausgegraben und viele spannende Sachen entdeckt. Der Archäologe bleibt vor einer Wand stehen und zieht vorsichtig eine Folie beiseite. Zu sehen ist der neueste Fund, erst tags zuvor freigelegt.

O-Ton 19 (Russo): We make the excavation from this level […]
OVERVOICE männlich

Wir graben von dieser Ebene bis ganz nach hinten zum Ende. Dort befindet sich auch ein neues Mosaik. Und die Fresken hier an der Wand, die wir noch nicht ganz kennen - sie sind vollständig und unberührt.
[…] is complete, it’s untouched

Sprecher:
Paolo Mighetto, der die Ausgrabungen und Konservierungsmaßnahmen dieser Stätte leitet, gesellt sich dazu.

O-Ton 20 (Mighetto): The restoration of a very complex site […]

OVERVOICE männlich
Die Restaurierung dieses Ortes ist äußert komplex, weil wir die Entwicklungsphasen der Stadt, inklusive der antiken dramatischen Ereignisse, erhalten wollen.
[…] phases of the city, ancient City drama.
Sprecher:
Mighetto ist fasziniert von der vielfältigen Geschichte Pompejis. Die Stadt hat mehr Katastrophen erlebt als „nur“ den berühmten Vulkanausbruch.

O-Ton 21 (Mighetto): Because the Pompeii was subject to the […]

OVERVOICE männlich
Pompeji war 62 nach Christus einem Erdbeben ausgesetzt, zuvor hatte es zahlreiche kleine Beben gegeben. Und dann der Vesuvausbruch natürlich, im Jahr 79. Hinzukommen die ganzen Ausgrabungen im 18. und 19.Jahrhundert, als unterirdische Tunnel unter dem Gebäude gegraben wurden. Und überall die Asche und vulkanisches Material. Und schließlich sind hier während des Zweiten Weltkriegs zwei Bomben eingeschlagen. Unser Ziel ist es, all die Zeichen der Zerstörung zu bewahren.
[…] the signs of this destruction.

Sprecher:
Pompeji ist ein Ort für die Öffentlichkeit, sagt Direktor Gabriel Zuchtriegel immer wieder - auch weil die Archäologischen Stätten von Pompeji und Herculaneum seit 1997 zum UNESCO Welterbe gehören. Deswegen sei es ihm und seinem Team wichtig, dass sie Pompeji immer als einen Ort präsentieren, an dem die Forschung weitergeht, an dem ständig neue Erkenntnisse gewonnen werden, sei es durch neue Ausgrabungen oder neue Analysen. Und an diesem Prozess müsse die Öffentlichkeit teilhaben.

O-Ton 28 (Zuchtriegel):
Die Frage, warum überhaupt Archäologie betrieben wird, warum die Gemeinschaft, der Staat, auch teilweise private Sponsoren darin investieren sollen, lässt sich eigentlich nur beantworten, indem man sagt: Wir geben natürlich auch etwas zurück an die Gesellschaft. Und zwar teilen wir unser Wissen und unsere Erkenntnisse und andere auch unsere neuen Perspektiven auf die Antike, den Menschen mit. Es ist einfach, dass es aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn macht, einen archäologischen Park zu betreiben, wenn nicht für ein Publikum. Wir machen das ja nicht nur für einen kleinen Gelehrtenzirkel.
Sprecher:
Durch die Corona-Pandemie sei der Archäologiepark Pompeji gut gekommen, sagt Zuchtriegel, er sei froh, dass wieder mehr Touristen kämen. Ob die Zahl von drei oder vier Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr wieder erreicht werden könne wie früher, sei aber im Moment noch nicht absehbar. Bei der Frage, ob künftig noch große Funde zu erwarten sind, lacht Gabriel Zuchtriegel.

O-Ton 30 (Zuchtriegel): Ja, also in der Archäologie ist es so, dass man eigentlich immer nicht das findet, was man sich erwartet, manchmal auch erhofft, sondern manchmal mehr, manchmal weniger, meistens irgendetwas anderes. Und das gehört irgendwie dazu. Also die Freude ist auch die, dass man ständig überrascht wird.

Musik
TC 17:29 – Das Problem mit den Grabräubern
Sprecher:
Pompeji steht mittlerweile gut da. Der Denkmalschutz schützt die Stätte immer besser vor Wind, Starkregen, Trockenheit, den Folgen der Klimakrise. Archäologische Forschungsfragen werden mit modernsten Methoden beantwortet, Geld fließt vom italienischen Staat und der EU, die Touristen kommen wieder. Wären da nicht die illegalen Raubgräber, wäre alles gut in Pompeji.

O-Ton 31 (Bertesago): There are problems with illegal excavations […]

OVERVOICE weiblich
Es gibt Probleme mit illegalen Ausgrabungen, also Raubgrabungen und illegalem Handel von archäologischen Objekten.
[…] traffic of archaeological things, objects.

Sprecher:
Klagt die Archäologin Silvia Bertesago. Raubgräberei war nicht nur ein Problem der Vergangenheit, sondern ist es auch in der Gegenwart. 2021 wurde der Fund einer reich verzierten Kutsche bekannt. Das Gefährt war nur knapp dem Raub durch Plünderer entgangen, die in den letzten Jahren Dutzende Tunnel in die noch unerforschten Teile Pompejis gegraben hatten. Zwei solcher Tunnel führten unmittelbar an der Kutsche vorbei. Auch Gabriel Zuchtriegel ist angesichts der kriminellen Energie fassungslos.

O-Ton 32 (Zuchtriegel):
Die Schäden sind enorm, die dadurch entstehen. Und es ist wirklich ein globales Phänomen, das auch ökonomisch für die organisierte Kriminalität einen ganz wichtigen Sektor leider darstellt.

Sprecher:
Die kriminelle Energie, die hinter den illegalen Ausgrabungen steckt, sei offenbar bei manchen Menschen sehr hoch, zudem gebe es regelrechte Bestellungen und damit einen lukrativen Markt, so der Direktor des Archäologieparks:

O-Ton 33 (Zuchtriegel):
Es gibt leider nach wie vor Leute - hauptsächlich im Ausland, also viele Spuren führen dann über die Schweiz oder andere Länder, in die USA und in andere Kontinente, also das ist wirklich ein weltweites Phänomen - die kaufen nach wie vor diese Objekte, ohne sich über die Herkunft wirklich sorgfältig zu informieren oder auch, teils wohl mehr oder weniger wissend, dass es aus illegalen Grabungen kommt. Das sind teils private Sammler, aber manchmal leider auch immer noch Institutionen, Museen.

Sprecher:
Natürlich sei das alles verboten, betont Gabriel Zuchtriegel, die Gesetzeslage sei eindeutig. Man darf nichts mitnehmen, auch keine kleinen, scheinbar unbedeutenden Fragmente wie etwa Keramikscherben.

O-Ton 34 (Zuchtriegel):
Es ist ein Problem, nicht innerhalb des Parks, Gottseidank. Das ist alles sehr gut überwacht, mehr als 500 Videokameras und natürlich einen ständigen Wachdienst.

Sprecher:
Damit der Archäologiepark noch sicherer wird, gibt es seit 2021 das „Smart@POMPEI-Projekt“. Zu ihm gehört „Spot“, ein gelber Roboterhund, mit langen Beinen und einem schwarzen Rechteck als Kopf. Er kann sich sicher in unwegsamem Gelände bewegen und durch enge Schächte und illegal gegrabene Tunnel laufen. Mit einer Kamera filmt er alles. „Spot“ kann Raubgräber aufspüren und möglicherweise zu ihrer Verhaftung beitragen, er kann aber auch bröselnde Mauern erkennen, so dass schnell Konservierungsmaßnahmen eingeleitet werden können. Der Archäologiepark Pompeji sei darüber hinaus durch neue Technologien wie Wärmebildkameras, Sensoren und Drohnen geschützt.
O-Ton 35 (Zuchtriegel):
Das heißt, da muss man eben aktiv werden, das irgendwie mit Dächern schützen, aber eben auch mit ständigen Instandhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen. Und vor allem, man muss es auch kontinuierlich ja überwachen, um einfach zu wissen, was passiert eigentlich in Real Time in der Ausgrabungsstätte.

Musik
TC 21:27 – Outro


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