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Der alternativlose Merz – ist die K-Frage wirklich schon entschieden?
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Es sieht zurzeit so aus, als käme Deutschland vom Regen in die Traufe. Während sicher ein Großteil der Bevölkerung – und auch unserer Leser – froh darüber ist, dass die bleierne und erratische Zeit der Ampel nun Geschichte ist, wird auch immer deutlicher, dass sämtliche realistisch infrage kommenden Alternativen mindestens genauso schlimm sind. Dabei sollte man die Geschichte jedoch nicht durch Fantasielosigkeit beleidigen. Auch wenn es derzeit kaum einer aussprechen mag – felsenfest sicher ist es keinesfalls, dass der polarisierende Sauerländer Merz Ende Februar Kanzler Scholz beerben wird. Andererseits sollte man die Wahlkampfstärke des „Scholzomaten“ auch nicht überschätzen. Wir werden durch die Neuwahlen eine neue Regierung bekommen. Die Politik wird sich jedoch aller Voraussicht nach nur marginal ändern. Und genau das ist es wohl auch, was die Wähler allen Unkenrufen zum Trotz wollen. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Der Sommer 2005 war für die SPD eine einzige Katastrophe. Konnte sich Rot-Grün unter Schröder 2002 noch dank Oderflut in Gummistiefeln und Deutschlands Weigerung, der „Koalition der Willigen“ im Irak Truppen zu stellen, denkbar knapp über die Ziellinie retten und abermals die Regierung stellen, vermasselte nun die Agendapolitik die Umfragewerte. Nachdem die SPD Ende Mai auch noch ihr Stammland NRW mit Pauken und Trompeten an die CDU verloren hatte, stellte Kanzler Schröder – verfassungsrechtlich übrigens sehr umstritten – die Vertrauensfrage, verlor wie geplant und es kam zu Neuwahlen. Und die liefen dann ganz und gar nicht so, wie die CDU und sämtliche große Medien es sich vorgestellt hatten. Lag die Schröder-SPD Anfang Juli bei der Vertrauenswerten in den Umfragen noch 18 Punkte hinter der CDU (27 Prozent vs. 45 Prozent), konnte Angela Merkel am Ende nur einen einzigen Punkt Vorsprung über die Ziellinie retten. Der Kanzler polterte wie auf Drogen in der Elefantenrunde, es half aber nichts, der Beginn der langen Ära Merkel stand bevor. Dennoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass selbst ein totgesagter Schröder in der kurzen Zeit zwischen Ankündigung und Durchführung der Neuwahlen noch 17 Punkte gegen eine damals noch frische Angela Merkel aufholen konnte.
Dieses Kunststück wiederholte dann – wenn auch in kleinerem Maßstab – sogar der wirklich langweilig und dröge wahlkämpfende Olaf Scholz bei den letzten Bundestagswahlen. Auch wenn dies heute kaum mehr jemand wissen will – Ende Juli 2021 lag die SPD in den Umfragen noch ganze 13 Punkte (16 Prozent vs. 29 Prozent) hinter der CDU. Am Wahlsonntag im September wurden aus den 13 Punkten Rückstand fast zwei Punkte Vorsprung. Was im Sommer wirklich niemand für möglich gehalten hatte, war passiert – Olaf Scholz gewann die Wahlen und wurde Kanzler; und das lag nicht nur an Armin Laschets Lachen während der Flutkatastrophe im Ahrtal.
Mir scheint hier durchaus ein System vorzuliegen. In Umfragen – vor allem dann, wenn gerade die SPD regiert und viele Bürger mit ihr unzufrieden sind – wird die CDU immer gerne als Alternative gesehen. Kommt es dann jedoch tatsächlich zu Wahlen und das Szenario eines CDU-Kanzlers wird real, besinnen sich viele Leute und wählen doch die SPD. Bei einem designierten Kanzler namens Friedrich Merz, der ja die Verkörperung des kaltherzigen Neoliberalismus und der Klassengesellschaft ist, dürfte dieser Effekt besonders groß sein. Die 18 Punkte Vorsprung, die die CDU zurzeit in den Umfragen hat, könnten da schneller schmelzen, als der designierte Kanzler sich jovial mit „Geschichten aus der Mittelschicht“ an die Wähler heranwanzen kann.
Dazu bedürfte es aber einer klitzekleinen Rahmenbedingung: Die SPD müsste einen Wahlkampf betreiben, der zumindest einen Hauch von Esprit hat. Die Themen liegen ja auf der Straße. Man könnte auf das große Thema „Frieden“ setzen – aber da befürchtet man sicher schlechte Presse und Scholz geht als Friedenskanzler auch nicht wirklich durch; sein im Habitus an Gustav Noske erinnernder Kandidaten-Konkurrent Boris Pistorius übrigens noch viel weniger. Dann gäbe es das große Themenfeld „Soziales und Rente“. Hier kann die SPD trotz ihrer politischen Vergangenheit reüssieren – allein schon deshalb, weil der Gegner Friedrich Merz heißt, gegen den selbst das Hayek-Fangirl Alice Weidel irgendwie sozial und menschlich wirkt; und das will was heißen! Aber SPD-Wahlkampf und „Soziales“? Passt das zusammen? Am Ende kommt sicher wieder ein verkniffen dreinschauender Scholz, der irgendwas mit „Respekt“ verkündet, aber weiterreichende inhaltliche Forderungen schon in vorauseilender Feigheit vor dem kommenden Koalitionspartner meidet. Und mal ehrlich – die SPD brillierte in den letzten Jahren ja gerade auf dem Gebiet der Sozialpolitik nicht gerade mit Fortune.
Nun steht der Wahlkampf vor der Tür und es dürfte ohnehin schwer sein, den Cum-Ex-Banker-Freund Scholz als Antipode zu Black-Rock-Merz zu positionieren. Und was macht die SPD? Sie ernennt den ehemaligen Goldman-Sachs-Deutschland-Chef Jörg Kukies zum neuen Finanzminister. Geht es auch noch dümmer? Dieser Einwand hat übrigens nichts mit Kukies selbst zu tun; ich kenne seine Politik zu wenig, um mir da ein Bild machen zu können. Aber die Symbolik zeigt schon, wie wenig die SPD gewillt ist, überhaupt einen Wahlkampf zu betreiben, der über ein hanseatisches verkniffenes Lächeln und Respektbekundungen hinausgeht.
Dennoch lege ich mich hier fest: Bei den Wahlen wird die SPD deutlich stärker abschneiden, als die derzeitigen Umfragen es suggerieren. Selbst eingefleischte Konservative, mit denen ich in der letzten Woche gesprochen haben, wollen keinen Kanzler Merz, und die Bundestagswahlen sind nun mal allen voran Kanzlerwahlen. Scholz kennt man. Man mag ihn nicht wirklich, hält ihn auch nicht gerade für kompetent, aber gerade in Zeiten der sich anbahnenden globalen Megakrisen wirkt der dröge Hanseat als eine Art „Rettungsanker“. Schon Adenauer plakatierte: Keine Experimente! Und Scholz ist die fleischgewordene sichere Kugel, die einen nicht enttäuschen wird, weil man von ihr ohnehin nichts erwartet.
Er ist wie das Schnitzel Wiener Art in den Gasthäusern verlassener Dörfer – man erwartet kein kulinarisches Meisterwerk, aber die Schale mit dem Convenience-Food-Schnitzel wird der „Koch“ schon korrekt warmmachen können, und solange das Frittenfett noch nicht megaranzig ist, wird das alles schon irgendwie genießbar sein. Man setzt sich ja nicht ins „Deutsche Haus“ in Klein-Uschingen und erwartet hier plötzlich ambitionierte Sterne-Küche.
Ob es für Scholz und seine SPD am Ende reicht, 18 Punkte aufzuholen, ist freilich ungewiss. Aber kommt es überhaupt darauf an? Klar ist, dass keine Partei im Februar die absolute Mehrheit holen wird. Es wird also eine Koalition geben und wenn kein Wunder geschieht, also z.B. ein lachender Friedrich Merz mit seinem Privatjet eine Steinmeier-Rede in einem Flutgebiet stört, werden die Mehrheitsverhältnisse nur eine Große Koalition zulassen. Wer diese Koalition nun anführt, ist dabei inhaltlich gar nicht so wichtig. CDU und SPD werden die Politik nach alter Volksparteien-Sitte kartieren, die SPD wird allzu kalte neoliberale Ideen der CDU verhindern, die CDU wird sozialpolitische „Träumereien“ der SPD – die diese ohnehin längst nicht mehr hat, aber das weiß ja die CDU zum Glück nicht – verhindern. Hipp, hipp, hurra! Alles ist besser, als es damals war. Alle sind glücklich, alle sind happy, alle sind froh, nur ein paar Nuancen werden sich verschieben. Ob der Kanzler der kommenden GroKo nun Merz oder Scholz heißt, ist da schon fast beiläufig.
Und der Rest? Die FDP wird hoffentlich in der Versenkung verschwinden, doch als Untoter der deutschen Parteienlandschaft dann in vier Jahren in so noch nie gesehener Stärke zurückkommen – der Wähler vergisst gerne und hat ein ganz schlechtes Langzeitgedächtnis. Problematischer könnte es da für die Grünen aussehen. Ihre Partei hat sich ja inhaltlich ohnehin von grünen Positionen entkernt und ist nur noch ein Habeck-Wahlverein. Ob der in der Opposition punkten kann? Und vor allem: Womit und warum? Vor drei Jahren ernannten die Medien die Grünen noch zur dritten Volkspartei. Davon ist der Habeck-Wahlverein heute meilenweit entfernt und das ist auch gut so! Allein für das Ende einer grünen Regierungsbeteiligung hat sich das ganze Neuwahlen-Spektakel doch schon gelohnt. Dafür – und nur dafür – kann man Christian Lindner auch mal dankbar sein.
Die AfD wird bei den kommenden Wahlen dann aller Voraussicht nach wieder einmal die stärkste Oppositionspartei – diesmal sogar noch stärker. Ob nun 83 oder über 100 farb- und gesichtslose AfD-Trolle im Bundestag sitzen, spielt aber doch eigentlich auch keine Rolle. Da die AfD keine realistische Machtperspektive hat, wird das politische Deutschland hoffentlich schon bald zur Ruhe kommen und die Partei erfolgreich durch Desinteresse und Ignoranz wieder kleinmachen. Bleibt das BSW, für das die vorgezogenen Wahlen – anders als vom BSW selbst immer behauptet – sicher kein Segen sind. Nun muss man in Windeseile auch in Bundesländern Wahllisten aufstellen, in denen man noch gar keine Landesverbände oder Landesverbände mit weniger Mitgliedern als Listenplätzen hat. Zur Erinnerung: Das BSW hat zurzeit gerade mal rund doppelt so viele Mitglieder wie es in Deutschland Wahlkreise für den Bundestag gibt. Es ist der jungen Partei natürlich zu wünschen, dass sie die damit verbundenen Probleme löst – geräuschlos wird dies aber sicher nicht gehen, Ärger ist da vorprogrammiert.
So wird sich die Bundespolitik im März oder April 2025, nachdem sich eine neue Regierung gefunden hat, paradoxerweise gar nicht so sehr von der jetzigen Bundespolitik unterscheiden. Nun könnte man Tucholsky zitieren, der gesagt hat: „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie schon längst verboten.“ Da ist sicher was dran. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir ganz einfach demokratiemüde sind und es den meisten unserer Mitbürger ganz einfach vollkommen egal ist, von wem sie regiert werden? Denken Sie mal darüber nach.
Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.
Titelbild: photocosmos1/shutterstock.com
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Es sieht zurzeit so aus, als käme Deutschland vom Regen in die Traufe. Während sicher ein Großteil der Bevölkerung – und auch unserer Leser – froh darüber ist, dass die bleierne und erratische Zeit der Ampel nun Geschichte ist, wird auch immer deutlicher, dass sämtliche realistisch infrage kommenden Alternativen mindestens genauso schlimm sind. Dabei sollte man die Geschichte jedoch nicht durch Fantasielosigkeit beleidigen. Auch wenn es derzeit kaum einer aussprechen mag – felsenfest sicher ist es keinesfalls, dass der polarisierende Sauerländer Merz Ende Februar Kanzler Scholz beerben wird. Andererseits sollte man die Wahlkampfstärke des „Scholzomaten“ auch nicht überschätzen. Wir werden durch die Neuwahlen eine neue Regierung bekommen. Die Politik wird sich jedoch aller Voraussicht nach nur marginal ändern. Und genau das ist es wohl auch, was die Wähler allen Unkenrufen zum Trotz wollen. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Der Sommer 2005 war für die SPD eine einzige Katastrophe. Konnte sich Rot-Grün unter Schröder 2002 noch dank Oderflut in Gummistiefeln und Deutschlands Weigerung, der „Koalition der Willigen“ im Irak Truppen zu stellen, denkbar knapp über die Ziellinie retten und abermals die Regierung stellen, vermasselte nun die Agendapolitik die Umfragewerte. Nachdem die SPD Ende Mai auch noch ihr Stammland NRW mit Pauken und Trompeten an die CDU verloren hatte, stellte Kanzler Schröder – verfassungsrechtlich übrigens sehr umstritten – die Vertrauensfrage, verlor wie geplant und es kam zu Neuwahlen. Und die liefen dann ganz und gar nicht so, wie die CDU und sämtliche große Medien es sich vorgestellt hatten. Lag die Schröder-SPD Anfang Juli bei der Vertrauenswerten in den Umfragen noch 18 Punkte hinter der CDU (27 Prozent vs. 45 Prozent), konnte Angela Merkel am Ende nur einen einzigen Punkt Vorsprung über die Ziellinie retten. Der Kanzler polterte wie auf Drogen in der Elefantenrunde, es half aber nichts, der Beginn der langen Ära Merkel stand bevor. Dennoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass selbst ein totgesagter Schröder in der kurzen Zeit zwischen Ankündigung und Durchführung der Neuwahlen noch 17 Punkte gegen eine damals noch frische Angela Merkel aufholen konnte.
Dieses Kunststück wiederholte dann – wenn auch in kleinerem Maßstab – sogar der wirklich langweilig und dröge wahlkämpfende Olaf Scholz bei den letzten Bundestagswahlen. Auch wenn dies heute kaum mehr jemand wissen will – Ende Juli 2021 lag die SPD in den Umfragen noch ganze 13 Punkte (16 Prozent vs. 29 Prozent) hinter der CDU. Am Wahlsonntag im September wurden aus den 13 Punkten Rückstand fast zwei Punkte Vorsprung. Was im Sommer wirklich niemand für möglich gehalten hatte, war passiert – Olaf Scholz gewann die Wahlen und wurde Kanzler; und das lag nicht nur an Armin Laschets Lachen während der Flutkatastrophe im Ahrtal.
Mir scheint hier durchaus ein System vorzuliegen. In Umfragen – vor allem dann, wenn gerade die SPD regiert und viele Bürger mit ihr unzufrieden sind – wird die CDU immer gerne als Alternative gesehen. Kommt es dann jedoch tatsächlich zu Wahlen und das Szenario eines CDU-Kanzlers wird real, besinnen sich viele Leute und wählen doch die SPD. Bei einem designierten Kanzler namens Friedrich Merz, der ja die Verkörperung des kaltherzigen Neoliberalismus und der Klassengesellschaft ist, dürfte dieser Effekt besonders groß sein. Die 18 Punkte Vorsprung, die die CDU zurzeit in den Umfragen hat, könnten da schneller schmelzen, als der designierte Kanzler sich jovial mit „Geschichten aus der Mittelschicht“ an die Wähler heranwanzen kann.
Dazu bedürfte es aber einer klitzekleinen Rahmenbedingung: Die SPD müsste einen Wahlkampf betreiben, der zumindest einen Hauch von Esprit hat. Die Themen liegen ja auf der Straße. Man könnte auf das große Thema „Frieden“ setzen – aber da befürchtet man sicher schlechte Presse und Scholz geht als Friedenskanzler auch nicht wirklich durch; sein im Habitus an Gustav Noske erinnernder Kandidaten-Konkurrent Boris Pistorius übrigens noch viel weniger. Dann gäbe es das große Themenfeld „Soziales und Rente“. Hier kann die SPD trotz ihrer politischen Vergangenheit reüssieren – allein schon deshalb, weil der Gegner Friedrich Merz heißt, gegen den selbst das Hayek-Fangirl Alice Weidel irgendwie sozial und menschlich wirkt; und das will was heißen! Aber SPD-Wahlkampf und „Soziales“? Passt das zusammen? Am Ende kommt sicher wieder ein verkniffen dreinschauender Scholz, der irgendwas mit „Respekt“ verkündet, aber weiterreichende inhaltliche Forderungen schon in vorauseilender Feigheit vor dem kommenden Koalitionspartner meidet. Und mal ehrlich – die SPD brillierte in den letzten Jahren ja gerade auf dem Gebiet der Sozialpolitik nicht gerade mit Fortune.
Nun steht der Wahlkampf vor der Tür und es dürfte ohnehin schwer sein, den Cum-Ex-Banker-Freund Scholz als Antipode zu Black-Rock-Merz zu positionieren. Und was macht die SPD? Sie ernennt den ehemaligen Goldman-Sachs-Deutschland-Chef Jörg Kukies zum neuen Finanzminister. Geht es auch noch dümmer? Dieser Einwand hat übrigens nichts mit Kukies selbst zu tun; ich kenne seine Politik zu wenig, um mir da ein Bild machen zu können. Aber die Symbolik zeigt schon, wie wenig die SPD gewillt ist, überhaupt einen Wahlkampf zu betreiben, der über ein hanseatisches verkniffenes Lächeln und Respektbekundungen hinausgeht.
Dennoch lege ich mich hier fest: Bei den Wahlen wird die SPD deutlich stärker abschneiden, als die derzeitigen Umfragen es suggerieren. Selbst eingefleischte Konservative, mit denen ich in der letzten Woche gesprochen haben, wollen keinen Kanzler Merz, und die Bundestagswahlen sind nun mal allen voran Kanzlerwahlen. Scholz kennt man. Man mag ihn nicht wirklich, hält ihn auch nicht gerade für kompetent, aber gerade in Zeiten der sich anbahnenden globalen Megakrisen wirkt der dröge Hanseat als eine Art „Rettungsanker“. Schon Adenauer plakatierte: Keine Experimente! Und Scholz ist die fleischgewordene sichere Kugel, die einen nicht enttäuschen wird, weil man von ihr ohnehin nichts erwartet.
Er ist wie das Schnitzel Wiener Art in den Gasthäusern verlassener Dörfer – man erwartet kein kulinarisches Meisterwerk, aber die Schale mit dem Convenience-Food-Schnitzel wird der „Koch“ schon korrekt warmmachen können, und solange das Frittenfett noch nicht megaranzig ist, wird das alles schon irgendwie genießbar sein. Man setzt sich ja nicht ins „Deutsche Haus“ in Klein-Uschingen und erwartet hier plötzlich ambitionierte Sterne-Küche.
Ob es für Scholz und seine SPD am Ende reicht, 18 Punkte aufzuholen, ist freilich ungewiss. Aber kommt es überhaupt darauf an? Klar ist, dass keine Partei im Februar die absolute Mehrheit holen wird. Es wird also eine Koalition geben und wenn kein Wunder geschieht, also z.B. ein lachender Friedrich Merz mit seinem Privatjet eine Steinmeier-Rede in einem Flutgebiet stört, werden die Mehrheitsverhältnisse nur eine Große Koalition zulassen. Wer diese Koalition nun anführt, ist dabei inhaltlich gar nicht so wichtig. CDU und SPD werden die Politik nach alter Volksparteien-Sitte kartieren, die SPD wird allzu kalte neoliberale Ideen der CDU verhindern, die CDU wird sozialpolitische „Träumereien“ der SPD – die diese ohnehin längst nicht mehr hat, aber das weiß ja die CDU zum Glück nicht – verhindern. Hipp, hipp, hurra! Alles ist besser, als es damals war. Alle sind glücklich, alle sind happy, alle sind froh, nur ein paar Nuancen werden sich verschieben. Ob der Kanzler der kommenden GroKo nun Merz oder Scholz heißt, ist da schon fast beiläufig.
Und der Rest? Die FDP wird hoffentlich in der Versenkung verschwinden, doch als Untoter der deutschen Parteienlandschaft dann in vier Jahren in so noch nie gesehener Stärke zurückkommen – der Wähler vergisst gerne und hat ein ganz schlechtes Langzeitgedächtnis. Problematischer könnte es da für die Grünen aussehen. Ihre Partei hat sich ja inhaltlich ohnehin von grünen Positionen entkernt und ist nur noch ein Habeck-Wahlverein. Ob der in der Opposition punkten kann? Und vor allem: Womit und warum? Vor drei Jahren ernannten die Medien die Grünen noch zur dritten Volkspartei. Davon ist der Habeck-Wahlverein heute meilenweit entfernt und das ist auch gut so! Allein für das Ende einer grünen Regierungsbeteiligung hat sich das ganze Neuwahlen-Spektakel doch schon gelohnt. Dafür – und nur dafür – kann man Christian Lindner auch mal dankbar sein.
Die AfD wird bei den kommenden Wahlen dann aller Voraussicht nach wieder einmal die stärkste Oppositionspartei – diesmal sogar noch stärker. Ob nun 83 oder über 100 farb- und gesichtslose AfD-Trolle im Bundestag sitzen, spielt aber doch eigentlich auch keine Rolle. Da die AfD keine realistische Machtperspektive hat, wird das politische Deutschland hoffentlich schon bald zur Ruhe kommen und die Partei erfolgreich durch Desinteresse und Ignoranz wieder kleinmachen. Bleibt das BSW, für das die vorgezogenen Wahlen – anders als vom BSW selbst immer behauptet – sicher kein Segen sind. Nun muss man in Windeseile auch in Bundesländern Wahllisten aufstellen, in denen man noch gar keine Landesverbände oder Landesverbände mit weniger Mitgliedern als Listenplätzen hat. Zur Erinnerung: Das BSW hat zurzeit gerade mal rund doppelt so viele Mitglieder wie es in Deutschland Wahlkreise für den Bundestag gibt. Es ist der jungen Partei natürlich zu wünschen, dass sie die damit verbundenen Probleme löst – geräuschlos wird dies aber sicher nicht gehen, Ärger ist da vorprogrammiert.
So wird sich die Bundespolitik im März oder April 2025, nachdem sich eine neue Regierung gefunden hat, paradoxerweise gar nicht so sehr von der jetzigen Bundespolitik unterscheiden. Nun könnte man Tucholsky zitieren, der gesagt hat: „Wenn Wahlen etwas ändern würden, dann wären sie schon längst verboten.“ Da ist sicher was dran. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir ganz einfach demokratiemüde sind und es den meisten unserer Mitbürger ganz einfach vollkommen egal ist, von wem sie regiert werden? Denken Sie mal darüber nach.
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Titelbild: photocosmos1/shutterstock.com
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