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Höhenluft - Ganz schön gut, ganz schön schlecht

22:36
 
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Eine Höhenkrankheit kann Bergsteigern das Leben kosten. Ein Höhentraining kann Sportlern Rekorde und Medaillen bescheren. Für den Menschen ist das Leben in der Höhe in jedem Fall extrem. (BR 2021) Autor: Bernd-Uwe Gutknecht

Credits
Autor dieser Folge: Bernd-Uwe Gutknecht
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Johannes Hitzelberger, Rahel Comtesse, Jennifer Güzel
Technik: Robin Auld
Redaktion: Matthias Eggert

Im Interview:
Prof. Dr. Simon Schäfer, leitender Oberarzt an der Münchner Uniklinik in Großhadern;
Dr. Wolfgang Schaffert, HöhenmedizinerFlavio Mannhardt, Sportwissenschaftler, Betreiber des Hypoxicum;
Eva-Maria Sperger, Ultratrail-Läuferin;
Reinhold Messner, Alpinist;
Uwe Hartmann, Lauf-Trainer;
Gesa Felicitas Krause, Hindernisläuferin

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK 1 Resource scarcity

Sprecher:

9900 Meter! So hoch fliegen normalerweise nur Flugzeuge. 9900 Meter zeigte am 14. Februar 2007 das GPS einer im Chiemgau lebenden polnischen Gleitschirmfliegerin an: Ewa Wisnierska war bei einem Trainingsflug in Australien in eine Cumulonimbus-Wolke geraten und in eine Höhe gezogen worden, wo minus 50 Grad Kälte herrschen. Die Profi-Sportlerin verlor das Bewusstsein, überlebte an ihrem Gleitschirm hängend wie durch ein Wunder. Vermutlich ist noch nie ein Mensch ohne künstlichen Sauerstoff in diese Höhe gekommen:

Zusp. 1 Collage Eva (bereits gemischt): 0‘49

MUSIK „Ich bin irgendwann aufgewacht. Und dann merkte ich, dass ich die Bremsen gar nicht mehr in den Händen halte, sondern dass die Bremsschlaufen über mir hängen, mit Eiszapfen, alles war vereist. Und dann dachte ich: zum Glück fliegt er geradeaus. Und dann bin ich irgendwann unten aus der Wolke raus. Dann kam die Erleichterung und ich habe gedacht: es könnte gut ausgehen!“ -

Sprecher

9900 Meter! Zum Vergleich: der Mount Everest misst 8848 Meter. Überlebt hat die Gleitschirmfliegerin vermutlich aufgrund ihres überdurchschnittlichen Trainingszustandes. Sie hatte direkt vor dem Höhenflug ein mehrwöchiges Höhentraining absolviert!

MUSIK 2 Microelements 0‘34

ATMO 1 0’10 Läuferin

Sprecherin:

Ein Höhentraining, wie es viele Profisportler, aber auch Amateure, in ihre Trainingsroutine einbauen.

In den letzten Jahren haben Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Höhenluft gewonnen. Und kommerzielle Anbieter drängen etwa mit Höhenzelten für den Hausgebrauch auf den Markt. Was ist dran an der vielbeschworenen Höhenluft? Wem nutzt sie, wann schadet sie?

Musik 3 Medical insights 0‘48

Auf 1500 bis 2500 Metern Höhe werden die besten Trainingseffekte erzielt, sagen Sportmediziner. Wird in diesen Höhenlagen gelaufen, geradelt oder geschwommen, muss der Körper mit weniger Sauerstoff auskommen, gewöhnt sich nach einigen Tagen daran und kann dann in niederen Gegenden einen förmlichen Sauerstoff-Schub und damit eine Leistungssteigerung erleben.

ATMO 2 Wandern 0‘28

Sprecher:

Nicht nur extreme Alpinisten im Himalaya oder in den Anden, auch Hobby-Wanderer in den Alpen fühlen sich magisch angezogen von den Tafeln auf den Gipfeln, auf denen „3000 Meter“ oder mehr steht, wie hier in den Hohen Tauern:

Zusp. 4 Tauern Teil 1:

„Bergheil, super gemacht! 3006 Meter!“

MUSIK 3 hochziehen

Zusp. 5 Stressreaktion:

„Dabei schaltet der Körper auf eine Stressreaktion um, das ist für ihn ja lebensbedrohlich.“

Sprecherin

Dr. Wolfgang Schaffert aus dem oberbayerischen Siegsdorf ist Höhenmediziner und selbst begeisterter Alpinist.

Zusp. 5

„Das Dumme ist nur, dass wir in der Entwicklungsgeschichte keine Fühler für den Sauerstoffmangel entwickelt haben. Wir spüren ihn eigentlich nicht. Es kommt ab einer Seehöhe von 2500 Metern zu einem deutlichen Absinken der Sauerstoffsättigung im Blut. Es nimmt die Atemtätigkeit deutlich zu, es nimmt der Pulsschlag zu und es kommt zu einem Zusammenziehen der Unterhaut-Venen, so dass das Blut aus den Beinen zu der Lunge hin verlagert wird.“

Sprecherin

Seine Erfahrung als Expeditionsarzt zeigt: vielen Bergsteigern sind die physiologischen Gefahren der Höhenkrankheit gar nicht bewusst. Und das betrifft Alle: Trainierte und Untrainierte, Raucher und Nichtraucher, Alt und Jung:

Zusp. 6 Bewusstlosigkeit:

„Wenn wir auf Höhenlagen über 4000 Metern gehen, kann es schon zu ausgeprägten Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, der zentral-nervösen Funktionen kommen. Und die Zeit bis zum Eintreten einer Bewusstlosigkeit ist abhängig von der individuellen Konstitution. Aber viele Versuche sagen, dass ab 5500 Metern bei Manchen schon die Bewusstlosigkeit auftritt.“

Sprecher:

Schon ab 2500 Metern über Meereshöhe merkt der Mensch, dass er eigentlich ein Flachländer ist. Die Luft wird dünner, das Atmen fällt zunehmend schwerer, die Muskeln werden immer weniger durchblutet. Über 3000 Meter kommt es bei rund einem Drittel der Bergsteiger bereits zu ersten Anzeichen einer leichten Höhenkrankheit: Schwindel und Kopfschmerzen.

Sprecherin:

Da gilt es, den Organismus langsam an die Höhe anzupassen. Durch eine allmähliche Akklimatisierung vermehren sich die roten Blutkörperchen und halten so den Sauerstoff-Transport, z.B. zum Gehirn, aufrecht. Bei zu schnellem Aufstieg dagegen droht die Höhenkrankheit in vollem Ausmaß:

Musik 4 Secret proofs 0‘42

Sprecher:

Die erheblich verminderte Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit in Verbindung mit der zunehmenden Kälte können zu Atemnot, Austrocknen, Gleichgewichtsstörungen oder Lähmungserscheinungen führen. Das Risiko für ein Höhenlungenödem wächst. Expeditionen auf den Mount Everest werden dennoch angeboten wie Butterfahrten.

Eine Tendenz, die auch dem wohl erfahrensten und erfolgreichsten Bergsteiger der Welt missfällt. Reinhold Messner: der Südtiroler bestieg 1980 als erster Mensch den mit 8848 Metern höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, ohne Sauerstoffmaske:

Zusp. 8 Messner Everest:

„Die Medizin und die Physiologie war dann der Meinung, 8500 Meter ist das Ende, höher kann man nicht steigen, denn dann käme nicht mehr genug Sauerstoff zum Blutzucker und dann hat man keine Kraft mehr. Und weil eben die Wissenschaftler im Vorfeld so eindeutig sich festgelegt haben, das ist nicht möglich, haben wir natürlich eine große Rückantwort vom Volk gekriegt. Die haben gesagt: ah, es ist trotzdem möglich. Inzwischen sind viele, na ja, einige Leute ohne Sauerstoff raufgestiegen. Der Everest ist mehr oder weniger die Grenze, viel höher ging`s nicht mehr. Und man muss sich vorstellen, dass es dann unendlich langsam wird, weil wir nur noch ein, zwei Schritte machen können und dann brauchen wir viele viele Atemzüge, hyperventilieren da oben. Und wenn man ohne Maske steigt, dann fährt diese ganz kalte Luft – minus 40 Grad hatten wir am Gipfel – in die Lungen und das tut auch weh. Also wenn junge Leute heute sagen, weil es Mode ist, auf die Frage warum? Weil es Spaß macht! Dann muss ich nur lächeln, es macht nicht Spaß!“

MUSIK 5 Disturbing factors 0‘37

Sprecherin:

Die Höhenkrankheit resultiert aus einer Hypoxie, also der Minderversorgung des Körpers oder einzelner Körperteile bzw. Organe mit Sauerstoff. Gemessen wird das durch den Sauerstoff-Partialdruck pO2 im Blut. Oftmals sind Extremitäten-Arterien beeinträchtigt, sie können komplett verschließen, Beine oder Arme können dadurch absterben. Leidet der gesamte Organismus unter Sauerstoffmangel, dann sprechen Mediziner von einer Anoxie.

Sprecher:

Ob und wie stark ein Mensch auf eine Hypoxie reagiert, hängt von seinen Genen ab. Professor Dr. Simon Schäfer vom Klinikum der Universität München in Großhadern forscht seit Jahren über die genbedingte Hypoxie-Toleranz:

Zusp. 10 Veranlagung:

„Zunächst muss man wissen, dass sich der menschliche Körper den Luxus leistet, permanent für das Auftreten eines Sauerstoffmangels vorbereitet zu sein. Unser Körper, jede einzelne Zelle, produziert rund um die Uhr Substanzen nur für den Fall des Sauerstoffmangels. Aber wie stark das ist, das ist von Person zu Person unterschiedlich. Das heißt, es gibt genetische Varianten, Veranlagungen, die dazu führen, dass dieses System, das uns bei Sauerstoffmangel hilft, unterschiedlich stark ausgeprägt ist.“

Sprecherin:

Die Wissenschaftler sprechen von der „hypoxisch-inflammatorischen Gen-Regulation“. Dabei untersuchen sie, wie sich der Körper an Sauerstoffmangel anpassen und damit verbundene Entzündungserkrankungen bekämpfen kann.

Sprecher:

Eine erstaunliche Erkenntnis von Professor Schäfer und seinem Team: nicht nur bei Bewohnern von Höhenlagen wie in Peru oder in Nepal gibt es gute genetische Bedingungen für eine entsprechende Adaptierung, sondern auch bei uns:

Zusp. 11 Sherpas:

„Ein relevanter Anteil der Bevölkerung in Europa hat auch diese genetischen Varianten, die wir von den Sherpas her kennen und die den Sherpas helfen, eben in großer Höhe sportliche Leistungen erbringen zu können. Und je nachdem, ob eine Person eine oder mehrere dieser genetischen Varianten hat, ermöglicht es auch uns Europäern, besser einen akuten Sauerstoffmangel zu tolerieren.“

Sprecherin:

Das heißt vereinfacht: unsere Gene sagen unseren Organen, vor allem der Lunge, wie sie mit Sauerstoffmangel umgehen sollen:

Zusp. 12 Ödem:

„Eine klassische Komplikation des Höhenbergsteigens ist das Lungenödem, d.h. das Versagen der Lunge. Das entsteht dadurch, dass sich die Lungengefäße ganz stark zusammenziehen und dann Wasser in die Lunge austritt und der Bergsteiger eben nicht mehr atmen kann. Wenn nur ein klein wenig, eine einzelne Stelle der Erbinformation so oder so ausfällt, dann funktioniert die Substanz, das Protein, das dazu führt, dass sich die Gefäße in der Lunge zusammenziehen, sehr stark oder weniger stark. Und das führt am Ende dazu, ob jemand in der Höhe Atemprobleme bekommt oder nicht.“

ATMO 3 Hypoxie 0‘52

Sprecherin:

Mit einem speziellen Hypoxie-Training kann man auch im Flachland seine genetischen Voraussetzungen etwas verbessern:

Zusp. 13 Hypoxie:

„Hypoxietraining beruht auf dem Höhentraining, das man so kennt von den Profis, die ins Höhentrainingslager fahren. Das Hypoxietraining bei uns sieht so aus, dass man in simulierter Höhe trainiert.“

Sprecher:

Flavio Mannhardt ist Sportwissenschaftler und betreibt in München das Hypoxicum, ein Fitness-und Gesundheits-Studio, das auf Höhentraining spezialisiert ist. Hier, auf rund 500 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, beträgt der Anteil an Sauerstoff in der Luft etwa 21 Prozent. In 2500 Metern Höhe liegt der Wert bei 15,5 Prozent.

Zusp. 14 Höhenraum:

„Wir sind auf 500 Meter München, aber die Kunden sind gerade z.B. auf 2500 Metern. Das Ganze kann man durch sogenannte normobare Hypoxie möglich machen. Was heißt normobare Hypoxie? Wir verändern den Sauerstoffgehalt da drin. Am Berg ist es ja so, dass man hypobare Hypoxie hat, d.h. dass sich der Luftdruck da verändert, ein geringerer Luftdruck bedeutet, dass wir auch einen geringeren Sauerstoff-Partialdruck haben und dadurch kommt weniger Sauerstoff in der Lunge an. Und das simulieren wir im Höhenraum.“

Zusp. 15 Sensor:

„In dem Raum befindet sich ein Sensor, der misst die Gase darin, vor allem den Sauerstoffgehalt und das passiert dann ganz automatisch, er reguliert die Höhe, indem er eine von einem Generator produzierte Höhenluft in den Raum speist. Das ist ein Riesengenerator. Der entzieht der normalen Luft diesen Sauerstoff und wir geben z.B. ein 2500 Meter, dann weiß der ganz genau: ich darf nur noch 15,5 Prozent Sauerstoff in diesen Raum lassen.“

ATMO 4 Laufband 0‘25

Sprecher:

Das Studio besteht aus mehreren Kammern, in denen Laufbänder und Fitnessräder stehen. Die kleinen Räume sind luftdicht verschlossen, so dass die gewünschten Höhen-Einstellungen konserviert werden. Auf einem der Laufbänder trainiert die Hobby-Triathletin Britta. Die Raumluft entspricht gerade einer Höhe von...

Zusp. 16 Triathletin:

„2500…um mich für einen Triathlon vorzubereiten, Mitteldistanz…also ich finde, die Ausdauerleistung steigt enorm. Es ist natürlich sehr anstrengend, wenn man sich vorstellt, dass das eine Abkürzung ist, was Viele meinen – das ist es nicht! Sondern es ist wirklich wahnsinnig anstrengend, hier zu trainieren, aber man hat echt den Vorteil, also man wird nicht schneller im Training, aber ausdauernder.“

ATMO 5 Laufband 0‘3

Zusp. 17 entspannter:

„Also es ist eine Anpassungssache, die Adaption braucht ungefähr 48 Stunden, habe ich immer so den Eindruck. Am Tag danach, wenn es ein richtig heftiges Training war, hat man teilweise ein bisschen Konzentrationsstörung, am Anfang, hinterher vermindert sich das. Und ansonsten kann man besser schlafen meiner Meinung nach, man fühlt sich entspannter.“

ATMO 5 Laufband 0‘14

Sprecherin:

Regelmäßige Bewegung in der Unterdruck-Kammer, das kann auch nur im lockeren Walking-Tempo sein, schult den Organismus im Umgang mit weniger Sauerstoff, was Sportwissenschaftler wie Flavio Mannhardt als Superkompensation bezeichnen:

Zusp. 18 Superkompensation:

„Unsere Zellen sind darauf programmiert, mit ca. 21 Prozent Sauerstoff zu arbeiten. Sie bekommen jetzt aber nur noch 15,5 Prozent. Und dieser Reiz bringt den Körper dann zu einer sogenannten Superkompensation. Im Höhentraining nennt sich das eine Adaption oder eine Akklimatisierung, wenn man das über einen längeren Zeitraum macht.“

Sprecher:

Damit der Trainingsaufwand auch die gewünschten Effekte erzielt, werden die Sauerstoff-Werte der Trainierenden laufend überprüft:

Zusp. 19 Kontrolle:

„Das Ganze misst man mit einem sogenannten Pulsoximeter am Finger. Wir kontrollieren dann, ob wir noch im grünen Bereich sind und vor allem, ob wir in einem effektiven Bereich sind. Da gibt`s Sauerstoff-Sättigungen im Blut, die optimal sind für Höhentraining und wenn das der Fall ist, dann wissen wir, ok, das Training ist gerade effektiv.“

MUSIK 6 Network access 1‘23

Sprecher:

Ein Hypoxie-Trainingsblock geht über fünf Wochen und zwei Stufen

Zusp. 20 erste Stufe:

„Die erste Stufe, das ist eine Verbesserung des cardiovaskulären Systems nach ca. zwei bis drei Wochen Höhentraining. Was passiert da vor allem? Das Herz-Minuten-Volumen vergrößert sich, d.h. unser Herz kann zur selben Zeit mehr Blut durch den Körper pumpen. Es kommt zu einer sogenannten Vasodilatation, die Blutgefäße weiten sich, hier passt dann auch mehr Blut durch. Und es kommt zu einer Kapillarisierung, vor allem in der Muskulatur, also es entstehen neue Blutgefäße, die den Muskel ausreichend mit Sauerstoff versorgen, aber auch mit Nährstoffen. Auch eine Regeneration ist dann schneller.“

MUSIK 6 kurz hochziehen

Zusp. 21 zweite Stufe:

„Und die zweite Stufe, die kann man so nach vier bis fünf Wochen Training erwarten. Und zwar schüttet der Körper dann vermehrt ein bestimmtes Hormon aus, das kennen die meisten vom Doping: Erythropoetin, kurz EPO. Und wenn wir mehr EPO im Blut haben, dann bildet der Körper mehr rote Blutkörperchen. Und die transportieren den Sauerstoff durch das Blut, unser Blut kann mehr Sauerstoff aufnehmen und das ist dann der push, der boost, wie wir es nennen, den man dann wirklich spürt nach vier bis fünf Wochen Training.“

Sprecherin:

Neben dem subjektiven Gefühl vieler Sportler belegen auch wissenschaftliche Studien den Sinn eines Hypoxie-Trainings, wie Professor Schäfer von der Münchner Uniklinik bestätigt:

Zusp. 22 Daten:

„Es gibt Daten dazu, dass der Gipfelerfolg verbessert wird, es gibt Daten dazu, dass der Kreislauf, der Sauerstoffabfall im Blut trainiert werden kann. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Höhentraining aus verschiedenen Gründen hilfreich ist für Personen, die in die Höhe wollen. Man gewöhnt sich daran, wie man sich in der Höhe bewegt, wie man in der Höhe atmen muss. Und der Körper erinnert, wie es sich in der Höhe anfühlt.“

ATMO 3 nochmal 0‘29

Sprecherin:

Mittlerweile gibt es auch „Hypoxie-Training to go“. Weil selbst das Schlafen in simulierter Höhe die Adaption verbessert, legen sich Höhensportler nachts in ein Höhenzelt, trainieren aber im Flachland, nach der bewährten Methode „sleep high, train low“, also in der Höhe schlafen, in niedrigen Lagen trainieren.

Zusp. 23 Schlafzelt:

„Also ich habe ein Zelt, mein Partner ist zum Glück auch dabei und der schläft auch mit im Zelt, d.h. wir haben auf unserer Matratze dieses Höhenzelt draufstehen, mit Generator angeschlossen, da haben wir mittlerweile unseren eigenen zuhause, und dann schlafen wir einfach ein paar Wochen da drinnen.“

MUSIK 7 Production process (red.) 0‘50

Sprecher:

Eva-Maria Sperger ist eine der weltbesten Ultratrail-Läuferinnen und arbeitet in München als Psychologin sowie Psycho-Therapeutin.

Zusp. 24 Monterosa:

„Das Monterosa Skyrace, was ein Wettkampf ist, der bis auf 4500 Höhenmeter hochgeht, also richtig über den Gletscher und dafür war es ganz besonders wichtig, sich mit dem Höhentraining darauf vorzubereiten. Ich glaube, wenn ich das nicht gemacht hätte, dann wäre der Wettkampf sicher gar nicht möglich gewesen, dass man sich so schnell am Gletscher bewegt. Auch im Nachhinein hat mir der Wettkampf überhaupt nicht viel ausgemacht.“

MUSIK 7 hochziehen

Zusp. 28 Eva-Maria:

„Vor den Wettkämpfen war es so, dass ich eine Kombination gemacht habe, dass ich immer wieder im Hypoxicum in der Höhenkammer trainiert habe, auf dem Fahrrad oder auch auf dem Laufband, dass ich dann Passiv-Training gemacht habe, was so viel heißt, dass man sich künstlich auf eine Höhe von vielleicht 5500 Höhenmeter begibt und dann immer wieder in Fünf-Minuten-Intervallen auf dieser Höhe ist und beides kombiniert.“

MUSIK 8 New beginning 0‘19

Sprecherin:

Aber nicht nur Sportler, sondern auch Patienten profitieren von Hypoxie-Training, wie Sportwissenschaftler Flavio Mannhardt erklärt. Die „dünne Luft“ fördert Leistung bzw. die Erneuerung der mikroskopisch kleinen Kraftwerke des Menschen, der Mitochondrien:

Zusp. 29 Mitochondrien:

„Mitochondrien sind u.a. auch zuständig für einen guten Fettstoffwechsel, der Grundumsatz erhöht sich dadurch, die Leute können mehr essen ohne zuzunehmen. Der kalorische Verbrauch in der Höhe ist höher, das Hormon Leptin spielt auch eine Rolle. Leptin ist ein Appetitzügler, es kommen Kunden, die haben Heißhungerattacken, die versuchen es, damit zu zügeln. Und Höhentraining hat auch eine diuretische Wirkung: es gibt Menschen, die haben viele Wassereinlagerungen und durch diese diuretische Wirkung versuchen wir, Giftstoffe, Wassereinlagerungen auszuspülen.“

Sprecherin:

Der Hypoxie-Experte Mannhardt empfiehlt die Therapie auch für die Regeneration nach Verletzungen und aufgrund seiner Wirkungen auf gewisse Hormone auch für psychische Beschwerden:

Zusp. 30 Gesundheit:

„Man weiß, dass Höhenluft glücklich macht, Dopamine werden vermehrt ausgeschüttet. Wir haben manchmal Patienten da, die von Ärzten geschickt werden, die z.B. Depressionen haben, keine Lust mehr haben, harte Medikamente zu nehmen. Dann haben wir auch – die meisten denken da gar nicht daran – aber es gibt ein Hormon, das heißt Melatonin, das ist unser Schlafhormon, wir haben auch Leute da, die Probleme haben mit Schlaf, und diese erhöhte Melatoninproduktion, die ist auch wissenschaftlich erweisen.“

Sprecherin:

Von einer Wunderwaffe im Kampf gegen typische Zivilisationskrankheiten zu sprechen, ist sicher überzogen. Aber auch Professor Schäfer, der in Großhadern über Hypoxie forscht, ist von den Vorteilen überzeugt:

Zusp. 31 Krankheiten:

„Es gibt gute Daten, dass Personen, die zuckerkrank sind, unter Hypoxietraining diese Erkrankung verringern oder den Fortschritt der Erkrankung aufhalten können. Man muss es sich so vorstellen, dass dies hypoxisch inflammatorischen Gene Tausende unterschiedliche Substanzen, Mechanismen ein-und ausschalten können. Und deswegen ein kontinuierliches Training unter Sauerstoffmangel Einfluss auf verschiedene chronische Erkrankungen haben kann. Zuckerkrankheit, Übergewicht oder Bluthochdruck.“

MUSIK 9 C1589890106 Delicate information (red.) 0‘38

Sprecher:

Egal ob Patient, Athlet: oder Wanderer: Luftveränderung, also Sauerstoff-Veränderung tut gut. Die dünne Luft kann für den menschlichen Organismus wie eine Frischzellenkur wirken. In gemäßigter Höhe wie hier in den Hohen Tauern kommt zum Jungbrunnen dann noch das Gipfelglück dazu:

Zusp. 4 Tauern gesamt:

„Bergheil, super gemacht! 3006 Meter! – heroben auf 3000 Meter zu sein ist ein tolles Gefühl.

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Eine Höhenkrankheit kann Bergsteigern das Leben kosten. Ein Höhentraining kann Sportlern Rekorde und Medaillen bescheren. Für den Menschen ist das Leben in der Höhe in jedem Fall extrem. (BR 2021) Autor: Bernd-Uwe Gutknecht

Credits
Autor dieser Folge: Bernd-Uwe Gutknecht
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Johannes Hitzelberger, Rahel Comtesse, Jennifer Güzel
Technik: Robin Auld
Redaktion: Matthias Eggert

Im Interview:
Prof. Dr. Simon Schäfer, leitender Oberarzt an der Münchner Uniklinik in Großhadern;
Dr. Wolfgang Schaffert, HöhenmedizinerFlavio Mannhardt, Sportwissenschaftler, Betreiber des Hypoxicum;
Eva-Maria Sperger, Ultratrail-Läuferin;
Reinhold Messner, Alpinist;
Uwe Hartmann, Lauf-Trainer;
Gesa Felicitas Krause, Hindernisläuferin

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK 1 Resource scarcity

Sprecher:

9900 Meter! So hoch fliegen normalerweise nur Flugzeuge. 9900 Meter zeigte am 14. Februar 2007 das GPS einer im Chiemgau lebenden polnischen Gleitschirmfliegerin an: Ewa Wisnierska war bei einem Trainingsflug in Australien in eine Cumulonimbus-Wolke geraten und in eine Höhe gezogen worden, wo minus 50 Grad Kälte herrschen. Die Profi-Sportlerin verlor das Bewusstsein, überlebte an ihrem Gleitschirm hängend wie durch ein Wunder. Vermutlich ist noch nie ein Mensch ohne künstlichen Sauerstoff in diese Höhe gekommen:

Zusp. 1 Collage Eva (bereits gemischt): 0‘49

MUSIK „Ich bin irgendwann aufgewacht. Und dann merkte ich, dass ich die Bremsen gar nicht mehr in den Händen halte, sondern dass die Bremsschlaufen über mir hängen, mit Eiszapfen, alles war vereist. Und dann dachte ich: zum Glück fliegt er geradeaus. Und dann bin ich irgendwann unten aus der Wolke raus. Dann kam die Erleichterung und ich habe gedacht: es könnte gut ausgehen!“ -

Sprecher

9900 Meter! Zum Vergleich: der Mount Everest misst 8848 Meter. Überlebt hat die Gleitschirmfliegerin vermutlich aufgrund ihres überdurchschnittlichen Trainingszustandes. Sie hatte direkt vor dem Höhenflug ein mehrwöchiges Höhentraining absolviert!

MUSIK 2 Microelements 0‘34

ATMO 1 0’10 Läuferin

Sprecherin:

Ein Höhentraining, wie es viele Profisportler, aber auch Amateure, in ihre Trainingsroutine einbauen.

In den letzten Jahren haben Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Höhenluft gewonnen. Und kommerzielle Anbieter drängen etwa mit Höhenzelten für den Hausgebrauch auf den Markt. Was ist dran an der vielbeschworenen Höhenluft? Wem nutzt sie, wann schadet sie?

Musik 3 Medical insights 0‘48

Auf 1500 bis 2500 Metern Höhe werden die besten Trainingseffekte erzielt, sagen Sportmediziner. Wird in diesen Höhenlagen gelaufen, geradelt oder geschwommen, muss der Körper mit weniger Sauerstoff auskommen, gewöhnt sich nach einigen Tagen daran und kann dann in niederen Gegenden einen förmlichen Sauerstoff-Schub und damit eine Leistungssteigerung erleben.

ATMO 2 Wandern 0‘28

Sprecher:

Nicht nur extreme Alpinisten im Himalaya oder in den Anden, auch Hobby-Wanderer in den Alpen fühlen sich magisch angezogen von den Tafeln auf den Gipfeln, auf denen „3000 Meter“ oder mehr steht, wie hier in den Hohen Tauern:

Zusp. 4 Tauern Teil 1:

„Bergheil, super gemacht! 3006 Meter!“

MUSIK 3 hochziehen

Zusp. 5 Stressreaktion:

„Dabei schaltet der Körper auf eine Stressreaktion um, das ist für ihn ja lebensbedrohlich.“

Sprecherin

Dr. Wolfgang Schaffert aus dem oberbayerischen Siegsdorf ist Höhenmediziner und selbst begeisterter Alpinist.

Zusp. 5

„Das Dumme ist nur, dass wir in der Entwicklungsgeschichte keine Fühler für den Sauerstoffmangel entwickelt haben. Wir spüren ihn eigentlich nicht. Es kommt ab einer Seehöhe von 2500 Metern zu einem deutlichen Absinken der Sauerstoffsättigung im Blut. Es nimmt die Atemtätigkeit deutlich zu, es nimmt der Pulsschlag zu und es kommt zu einem Zusammenziehen der Unterhaut-Venen, so dass das Blut aus den Beinen zu der Lunge hin verlagert wird.“

Sprecherin

Seine Erfahrung als Expeditionsarzt zeigt: vielen Bergsteigern sind die physiologischen Gefahren der Höhenkrankheit gar nicht bewusst. Und das betrifft Alle: Trainierte und Untrainierte, Raucher und Nichtraucher, Alt und Jung:

Zusp. 6 Bewusstlosigkeit:

„Wenn wir auf Höhenlagen über 4000 Metern gehen, kann es schon zu ausgeprägten Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, der zentral-nervösen Funktionen kommen. Und die Zeit bis zum Eintreten einer Bewusstlosigkeit ist abhängig von der individuellen Konstitution. Aber viele Versuche sagen, dass ab 5500 Metern bei Manchen schon die Bewusstlosigkeit auftritt.“

Sprecher:

Schon ab 2500 Metern über Meereshöhe merkt der Mensch, dass er eigentlich ein Flachländer ist. Die Luft wird dünner, das Atmen fällt zunehmend schwerer, die Muskeln werden immer weniger durchblutet. Über 3000 Meter kommt es bei rund einem Drittel der Bergsteiger bereits zu ersten Anzeichen einer leichten Höhenkrankheit: Schwindel und Kopfschmerzen.

Sprecherin:

Da gilt es, den Organismus langsam an die Höhe anzupassen. Durch eine allmähliche Akklimatisierung vermehren sich die roten Blutkörperchen und halten so den Sauerstoff-Transport, z.B. zum Gehirn, aufrecht. Bei zu schnellem Aufstieg dagegen droht die Höhenkrankheit in vollem Ausmaß:

Musik 4 Secret proofs 0‘42

Sprecher:

Die erheblich verminderte Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit in Verbindung mit der zunehmenden Kälte können zu Atemnot, Austrocknen, Gleichgewichtsstörungen oder Lähmungserscheinungen führen. Das Risiko für ein Höhenlungenödem wächst. Expeditionen auf den Mount Everest werden dennoch angeboten wie Butterfahrten.

Eine Tendenz, die auch dem wohl erfahrensten und erfolgreichsten Bergsteiger der Welt missfällt. Reinhold Messner: der Südtiroler bestieg 1980 als erster Mensch den mit 8848 Metern höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, ohne Sauerstoffmaske:

Zusp. 8 Messner Everest:

„Die Medizin und die Physiologie war dann der Meinung, 8500 Meter ist das Ende, höher kann man nicht steigen, denn dann käme nicht mehr genug Sauerstoff zum Blutzucker und dann hat man keine Kraft mehr. Und weil eben die Wissenschaftler im Vorfeld so eindeutig sich festgelegt haben, das ist nicht möglich, haben wir natürlich eine große Rückantwort vom Volk gekriegt. Die haben gesagt: ah, es ist trotzdem möglich. Inzwischen sind viele, na ja, einige Leute ohne Sauerstoff raufgestiegen. Der Everest ist mehr oder weniger die Grenze, viel höher ging`s nicht mehr. Und man muss sich vorstellen, dass es dann unendlich langsam wird, weil wir nur noch ein, zwei Schritte machen können und dann brauchen wir viele viele Atemzüge, hyperventilieren da oben. Und wenn man ohne Maske steigt, dann fährt diese ganz kalte Luft – minus 40 Grad hatten wir am Gipfel – in die Lungen und das tut auch weh. Also wenn junge Leute heute sagen, weil es Mode ist, auf die Frage warum? Weil es Spaß macht! Dann muss ich nur lächeln, es macht nicht Spaß!“

MUSIK 5 Disturbing factors 0‘37

Sprecherin:

Die Höhenkrankheit resultiert aus einer Hypoxie, also der Minderversorgung des Körpers oder einzelner Körperteile bzw. Organe mit Sauerstoff. Gemessen wird das durch den Sauerstoff-Partialdruck pO2 im Blut. Oftmals sind Extremitäten-Arterien beeinträchtigt, sie können komplett verschließen, Beine oder Arme können dadurch absterben. Leidet der gesamte Organismus unter Sauerstoffmangel, dann sprechen Mediziner von einer Anoxie.

Sprecher:

Ob und wie stark ein Mensch auf eine Hypoxie reagiert, hängt von seinen Genen ab. Professor Dr. Simon Schäfer vom Klinikum der Universität München in Großhadern forscht seit Jahren über die genbedingte Hypoxie-Toleranz:

Zusp. 10 Veranlagung:

„Zunächst muss man wissen, dass sich der menschliche Körper den Luxus leistet, permanent für das Auftreten eines Sauerstoffmangels vorbereitet zu sein. Unser Körper, jede einzelne Zelle, produziert rund um die Uhr Substanzen nur für den Fall des Sauerstoffmangels. Aber wie stark das ist, das ist von Person zu Person unterschiedlich. Das heißt, es gibt genetische Varianten, Veranlagungen, die dazu führen, dass dieses System, das uns bei Sauerstoffmangel hilft, unterschiedlich stark ausgeprägt ist.“

Sprecherin:

Die Wissenschaftler sprechen von der „hypoxisch-inflammatorischen Gen-Regulation“. Dabei untersuchen sie, wie sich der Körper an Sauerstoffmangel anpassen und damit verbundene Entzündungserkrankungen bekämpfen kann.

Sprecher:

Eine erstaunliche Erkenntnis von Professor Schäfer und seinem Team: nicht nur bei Bewohnern von Höhenlagen wie in Peru oder in Nepal gibt es gute genetische Bedingungen für eine entsprechende Adaptierung, sondern auch bei uns:

Zusp. 11 Sherpas:

„Ein relevanter Anteil der Bevölkerung in Europa hat auch diese genetischen Varianten, die wir von den Sherpas her kennen und die den Sherpas helfen, eben in großer Höhe sportliche Leistungen erbringen zu können. Und je nachdem, ob eine Person eine oder mehrere dieser genetischen Varianten hat, ermöglicht es auch uns Europäern, besser einen akuten Sauerstoffmangel zu tolerieren.“

Sprecherin:

Das heißt vereinfacht: unsere Gene sagen unseren Organen, vor allem der Lunge, wie sie mit Sauerstoffmangel umgehen sollen:

Zusp. 12 Ödem:

„Eine klassische Komplikation des Höhenbergsteigens ist das Lungenödem, d.h. das Versagen der Lunge. Das entsteht dadurch, dass sich die Lungengefäße ganz stark zusammenziehen und dann Wasser in die Lunge austritt und der Bergsteiger eben nicht mehr atmen kann. Wenn nur ein klein wenig, eine einzelne Stelle der Erbinformation so oder so ausfällt, dann funktioniert die Substanz, das Protein, das dazu führt, dass sich die Gefäße in der Lunge zusammenziehen, sehr stark oder weniger stark. Und das führt am Ende dazu, ob jemand in der Höhe Atemprobleme bekommt oder nicht.“

ATMO 3 Hypoxie 0‘52

Sprecherin:

Mit einem speziellen Hypoxie-Training kann man auch im Flachland seine genetischen Voraussetzungen etwas verbessern:

Zusp. 13 Hypoxie:

„Hypoxietraining beruht auf dem Höhentraining, das man so kennt von den Profis, die ins Höhentrainingslager fahren. Das Hypoxietraining bei uns sieht so aus, dass man in simulierter Höhe trainiert.“

Sprecher:

Flavio Mannhardt ist Sportwissenschaftler und betreibt in München das Hypoxicum, ein Fitness-und Gesundheits-Studio, das auf Höhentraining spezialisiert ist. Hier, auf rund 500 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, beträgt der Anteil an Sauerstoff in der Luft etwa 21 Prozent. In 2500 Metern Höhe liegt der Wert bei 15,5 Prozent.

Zusp. 14 Höhenraum:

„Wir sind auf 500 Meter München, aber die Kunden sind gerade z.B. auf 2500 Metern. Das Ganze kann man durch sogenannte normobare Hypoxie möglich machen. Was heißt normobare Hypoxie? Wir verändern den Sauerstoffgehalt da drin. Am Berg ist es ja so, dass man hypobare Hypoxie hat, d.h. dass sich der Luftdruck da verändert, ein geringerer Luftdruck bedeutet, dass wir auch einen geringeren Sauerstoff-Partialdruck haben und dadurch kommt weniger Sauerstoff in der Lunge an. Und das simulieren wir im Höhenraum.“

Zusp. 15 Sensor:

„In dem Raum befindet sich ein Sensor, der misst die Gase darin, vor allem den Sauerstoffgehalt und das passiert dann ganz automatisch, er reguliert die Höhe, indem er eine von einem Generator produzierte Höhenluft in den Raum speist. Das ist ein Riesengenerator. Der entzieht der normalen Luft diesen Sauerstoff und wir geben z.B. ein 2500 Meter, dann weiß der ganz genau: ich darf nur noch 15,5 Prozent Sauerstoff in diesen Raum lassen.“

ATMO 4 Laufband 0‘25

Sprecher:

Das Studio besteht aus mehreren Kammern, in denen Laufbänder und Fitnessräder stehen. Die kleinen Räume sind luftdicht verschlossen, so dass die gewünschten Höhen-Einstellungen konserviert werden. Auf einem der Laufbänder trainiert die Hobby-Triathletin Britta. Die Raumluft entspricht gerade einer Höhe von...

Zusp. 16 Triathletin:

„2500…um mich für einen Triathlon vorzubereiten, Mitteldistanz…also ich finde, die Ausdauerleistung steigt enorm. Es ist natürlich sehr anstrengend, wenn man sich vorstellt, dass das eine Abkürzung ist, was Viele meinen – das ist es nicht! Sondern es ist wirklich wahnsinnig anstrengend, hier zu trainieren, aber man hat echt den Vorteil, also man wird nicht schneller im Training, aber ausdauernder.“

ATMO 5 Laufband 0‘3

Zusp. 17 entspannter:

„Also es ist eine Anpassungssache, die Adaption braucht ungefähr 48 Stunden, habe ich immer so den Eindruck. Am Tag danach, wenn es ein richtig heftiges Training war, hat man teilweise ein bisschen Konzentrationsstörung, am Anfang, hinterher vermindert sich das. Und ansonsten kann man besser schlafen meiner Meinung nach, man fühlt sich entspannter.“

ATMO 5 Laufband 0‘14

Sprecherin:

Regelmäßige Bewegung in der Unterdruck-Kammer, das kann auch nur im lockeren Walking-Tempo sein, schult den Organismus im Umgang mit weniger Sauerstoff, was Sportwissenschaftler wie Flavio Mannhardt als Superkompensation bezeichnen:

Zusp. 18 Superkompensation:

„Unsere Zellen sind darauf programmiert, mit ca. 21 Prozent Sauerstoff zu arbeiten. Sie bekommen jetzt aber nur noch 15,5 Prozent. Und dieser Reiz bringt den Körper dann zu einer sogenannten Superkompensation. Im Höhentraining nennt sich das eine Adaption oder eine Akklimatisierung, wenn man das über einen längeren Zeitraum macht.“

Sprecher:

Damit der Trainingsaufwand auch die gewünschten Effekte erzielt, werden die Sauerstoff-Werte der Trainierenden laufend überprüft:

Zusp. 19 Kontrolle:

„Das Ganze misst man mit einem sogenannten Pulsoximeter am Finger. Wir kontrollieren dann, ob wir noch im grünen Bereich sind und vor allem, ob wir in einem effektiven Bereich sind. Da gibt`s Sauerstoff-Sättigungen im Blut, die optimal sind für Höhentraining und wenn das der Fall ist, dann wissen wir, ok, das Training ist gerade effektiv.“

MUSIK 6 Network access 1‘23

Sprecher:

Ein Hypoxie-Trainingsblock geht über fünf Wochen und zwei Stufen

Zusp. 20 erste Stufe:

„Die erste Stufe, das ist eine Verbesserung des cardiovaskulären Systems nach ca. zwei bis drei Wochen Höhentraining. Was passiert da vor allem? Das Herz-Minuten-Volumen vergrößert sich, d.h. unser Herz kann zur selben Zeit mehr Blut durch den Körper pumpen. Es kommt zu einer sogenannten Vasodilatation, die Blutgefäße weiten sich, hier passt dann auch mehr Blut durch. Und es kommt zu einer Kapillarisierung, vor allem in der Muskulatur, also es entstehen neue Blutgefäße, die den Muskel ausreichend mit Sauerstoff versorgen, aber auch mit Nährstoffen. Auch eine Regeneration ist dann schneller.“

MUSIK 6 kurz hochziehen

Zusp. 21 zweite Stufe:

„Und die zweite Stufe, die kann man so nach vier bis fünf Wochen Training erwarten. Und zwar schüttet der Körper dann vermehrt ein bestimmtes Hormon aus, das kennen die meisten vom Doping: Erythropoetin, kurz EPO. Und wenn wir mehr EPO im Blut haben, dann bildet der Körper mehr rote Blutkörperchen. Und die transportieren den Sauerstoff durch das Blut, unser Blut kann mehr Sauerstoff aufnehmen und das ist dann der push, der boost, wie wir es nennen, den man dann wirklich spürt nach vier bis fünf Wochen Training.“

Sprecherin:

Neben dem subjektiven Gefühl vieler Sportler belegen auch wissenschaftliche Studien den Sinn eines Hypoxie-Trainings, wie Professor Schäfer von der Münchner Uniklinik bestätigt:

Zusp. 22 Daten:

„Es gibt Daten dazu, dass der Gipfelerfolg verbessert wird, es gibt Daten dazu, dass der Kreislauf, der Sauerstoffabfall im Blut trainiert werden kann. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Höhentraining aus verschiedenen Gründen hilfreich ist für Personen, die in die Höhe wollen. Man gewöhnt sich daran, wie man sich in der Höhe bewegt, wie man in der Höhe atmen muss. Und der Körper erinnert, wie es sich in der Höhe anfühlt.“

ATMO 3 nochmal 0‘29

Sprecherin:

Mittlerweile gibt es auch „Hypoxie-Training to go“. Weil selbst das Schlafen in simulierter Höhe die Adaption verbessert, legen sich Höhensportler nachts in ein Höhenzelt, trainieren aber im Flachland, nach der bewährten Methode „sleep high, train low“, also in der Höhe schlafen, in niedrigen Lagen trainieren.

Zusp. 23 Schlafzelt:

„Also ich habe ein Zelt, mein Partner ist zum Glück auch dabei und der schläft auch mit im Zelt, d.h. wir haben auf unserer Matratze dieses Höhenzelt draufstehen, mit Generator angeschlossen, da haben wir mittlerweile unseren eigenen zuhause, und dann schlafen wir einfach ein paar Wochen da drinnen.“

MUSIK 7 Production process (red.) 0‘50

Sprecher:

Eva-Maria Sperger ist eine der weltbesten Ultratrail-Läuferinnen und arbeitet in München als Psychologin sowie Psycho-Therapeutin.

Zusp. 24 Monterosa:

„Das Monterosa Skyrace, was ein Wettkampf ist, der bis auf 4500 Höhenmeter hochgeht, also richtig über den Gletscher und dafür war es ganz besonders wichtig, sich mit dem Höhentraining darauf vorzubereiten. Ich glaube, wenn ich das nicht gemacht hätte, dann wäre der Wettkampf sicher gar nicht möglich gewesen, dass man sich so schnell am Gletscher bewegt. Auch im Nachhinein hat mir der Wettkampf überhaupt nicht viel ausgemacht.“

MUSIK 7 hochziehen

Zusp. 28 Eva-Maria:

„Vor den Wettkämpfen war es so, dass ich eine Kombination gemacht habe, dass ich immer wieder im Hypoxicum in der Höhenkammer trainiert habe, auf dem Fahrrad oder auch auf dem Laufband, dass ich dann Passiv-Training gemacht habe, was so viel heißt, dass man sich künstlich auf eine Höhe von vielleicht 5500 Höhenmeter begibt und dann immer wieder in Fünf-Minuten-Intervallen auf dieser Höhe ist und beides kombiniert.“

MUSIK 8 New beginning 0‘19

Sprecherin:

Aber nicht nur Sportler, sondern auch Patienten profitieren von Hypoxie-Training, wie Sportwissenschaftler Flavio Mannhardt erklärt. Die „dünne Luft“ fördert Leistung bzw. die Erneuerung der mikroskopisch kleinen Kraftwerke des Menschen, der Mitochondrien:

Zusp. 29 Mitochondrien:

„Mitochondrien sind u.a. auch zuständig für einen guten Fettstoffwechsel, der Grundumsatz erhöht sich dadurch, die Leute können mehr essen ohne zuzunehmen. Der kalorische Verbrauch in der Höhe ist höher, das Hormon Leptin spielt auch eine Rolle. Leptin ist ein Appetitzügler, es kommen Kunden, die haben Heißhungerattacken, die versuchen es, damit zu zügeln. Und Höhentraining hat auch eine diuretische Wirkung: es gibt Menschen, die haben viele Wassereinlagerungen und durch diese diuretische Wirkung versuchen wir, Giftstoffe, Wassereinlagerungen auszuspülen.“

Sprecherin:

Der Hypoxie-Experte Mannhardt empfiehlt die Therapie auch für die Regeneration nach Verletzungen und aufgrund seiner Wirkungen auf gewisse Hormone auch für psychische Beschwerden:

Zusp. 30 Gesundheit:

„Man weiß, dass Höhenluft glücklich macht, Dopamine werden vermehrt ausgeschüttet. Wir haben manchmal Patienten da, die von Ärzten geschickt werden, die z.B. Depressionen haben, keine Lust mehr haben, harte Medikamente zu nehmen. Dann haben wir auch – die meisten denken da gar nicht daran – aber es gibt ein Hormon, das heißt Melatonin, das ist unser Schlafhormon, wir haben auch Leute da, die Probleme haben mit Schlaf, und diese erhöhte Melatoninproduktion, die ist auch wissenschaftlich erweisen.“

Sprecherin:

Von einer Wunderwaffe im Kampf gegen typische Zivilisationskrankheiten zu sprechen, ist sicher überzogen. Aber auch Professor Schäfer, der in Großhadern über Hypoxie forscht, ist von den Vorteilen überzeugt:

Zusp. 31 Krankheiten:

„Es gibt gute Daten, dass Personen, die zuckerkrank sind, unter Hypoxietraining diese Erkrankung verringern oder den Fortschritt der Erkrankung aufhalten können. Man muss es sich so vorstellen, dass dies hypoxisch inflammatorischen Gene Tausende unterschiedliche Substanzen, Mechanismen ein-und ausschalten können. Und deswegen ein kontinuierliches Training unter Sauerstoffmangel Einfluss auf verschiedene chronische Erkrankungen haben kann. Zuckerkrankheit, Übergewicht oder Bluthochdruck.“

MUSIK 9 C1589890106 Delicate information (red.) 0‘38

Sprecher:

Egal ob Patient, Athlet: oder Wanderer: Luftveränderung, also Sauerstoff-Veränderung tut gut. Die dünne Luft kann für den menschlichen Organismus wie eine Frischzellenkur wirken. In gemäßigter Höhe wie hier in den Hohen Tauern kommt zum Jungbrunnen dann noch das Gipfelglück dazu:

Zusp. 4 Tauern gesamt:

„Bergheil, super gemacht! 3006 Meter! – heroben auf 3000 Meter zu sein ist ein tolles Gefühl.

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