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Die römische Legion - Waffe und Integrationsmaschine

23:02
 
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Die Legionen Roms waren Jahrhunderte lang die gefürchtetste Armee der Welt. Doch die Legionäre waren mehr als nur Soldaten. Sie brachten auch kulturellen, technischen und zivilisatorischen Fortschritt. Autor: Robert Grantner (BR 2019)

Credits
Autor dieser Folge: Robert Grantner
Regie: Axel Wostry
Es sprachen: Julia Fischerz, Johannes Hitzelberger
Technik: Ruth-Maria Ostermann
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:
Prof. Dr. Oliver Stoll, Universität Passau

Linktipps:

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Die römischen Legionen. Bis heute eilt ihnen ihr Ruf voraus: die größte Militärmacht, die die Welt je gesehen hat. Eine perfekt abgestimmte Einheit, taktisch flexibel und intensiv ausgebildet für den Kampf. Schlacht um Schlacht ringen sie ihre Gegner nieder, walzen sich förmlich über sie hinweg. Es sind die Legionäre, die das Imperium Romanum überhaupt erst möglich machen und über Jahrhunderte seine Einheit sichern.

Doch für Professor Oliver Stoll von der Universität Passau waren die römischen Legionen weit mehr, als nur das.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Eigenartigerweise sieht man häufig nur das Militärische und die scheinbar perfekte Maschine, die da funktioniert, aber es ist schon so, dass die Soldaten einen großen Teil ihres Lebens nicht im Krieg verbracht haben und dass es da ganz viele eigentlich eher zivile Tätigkeiten gegeben hat, die von ihnen ausgeführt worden sind. Und das ist auch ein gutes Zeichen dafür, wie hoch das Potenzial dieser Militäreinheiten gewesen ist auch als Kulturträger! Oder als Faktor, der zu einer langfristigen Veränderung in den Provinzen beigetragen hat.

ERZÄHLERIN:

Viele Legionäre sind nicht nur Soldaten. Es gibt unter ihnen eine große Anzahl an Spezialisten. Sie sind befreit vom täglichen Militärdienst in den Lagern und zuständig für die unterschiedlichsten Berufe. Der Jurist Tarruntenus Paternus schreibt im zweiten Jahrhundert:

ZITATOR

„Der Status gewisser Leute garantiert ihnen Befreiung von beschwerlichen Tätigkeiten; in diese Kategorie gehören Feldmesser […] Erdarbeiter für den Grabenbau, Hufschmiede, Architekten, Schiffssteuerleute, Schiffbauer […] Glasmacher, Schmiede, […] Bronzearbeiter, Helmmacher, Wagenbauer, Schindelmacher, Schwertschmiede, Wasserbautechniker, […] Klempner, Grobschmiede, Maurer, Kalkbrenner, Holzfäller und Köhler[…]“

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Also die Liste geht unendlich weiter. Man sieht daran, wie vielfältig die Beschäftigungsmöglichkeiten waren. Und das Militär ist in dieser Hinsicht eine Art technische Kaderschmiede gewesen, denn es gab auch Auszubildende, die in diesen Berufen im Militär ausgebildet worden sind.

ERZÄHLERIN:

Das Ergebnis dieser Kaderschmiede ist ein perfekt funktionierendes Imperium, das sich in seiner Hochphase über drei Kontinente erstreckt. Es sind nicht zuletzt die Legionäre, die diesen Siegeszug auch durch ihre technischen Fähigkeiten und durch administrative Tätigkeiten möglich machen. Denn in den einzelnen Provinzen ist dafür relativ wenig ziviles Personal vorhanden. Und so leisten die Soldaten auch Schreibarbeiten, kümmern sich um die innere Sicherheit, oder fungieren als eine Art Wirtschaftspolizei, die Zölle und Tribute erhebt und eintreibt.

Wie weitreichend diese Tätigkeiten sein konnten, zeigen Dienstpläne, die in Form von Papyri erhalten geblieben sind.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Wir haben einen Dienstplan einer Einheit die in Mösia stationiert gewesen ist, Provinz im heutigen Bulgarien. Diese Einheit hat Leute weggeschickt, die in Gallien, also im heutigen Frankreich, Kleidung zu besorgen hatten, oder Pferde. Oder sie waren in Mienen oder Steinbrüchen als Aufsichtspersonal unterwegs. Also eine beträchtliche Menge der Leute waren unterwegs, oder sie mussten Latrinen putzen, oder die Thermenanlage putzen,

oder die Rüstung des Zenturio aufpolieren. Also all das ist in verschiedensten Dienstplänen abzulesen. Und man bekommt einen lebhaften Eindruck, wie das Leben ausgeschaut hat.

ERZÄHLERIN:

Reisen über so weite Strecken sind möglich, weil das Straßennetz im Imperium Romanum auf für uns kaum vorstellbare Art und Weise ausgebaut ist. Mehr als 100.000 Kilometer Straße verbinden abgelegenste Provinzen miteinander und machen einen Austausch in vielerlei Hinsicht möglich. Bei dieser infrastrukturellen Durchdringung der Provinzen spielt das Militär eine entscheidende Rolle.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Als Bauherren sozusagen, denn die Legionen haben im Auftrag der Kaiser Straßen gebaut, aber nicht nur Straßen, sondern alles, was dazu gehört. Also auch Brücken, Aquädukte, also die ganzen technischen Anlagen sind von Legionären gebaut worden.

ERZÄHLERIN:

Dazu ein Zitat von Cassius Dio aus dem Buch „Der Adler Roms - Carnuntum und die Armee der Cäsaren“, herausgegeben vom Archäologischen Museum Carnuntinum:

ZITATOR

„Die Flüsse werden von den Römern ohne große Mühe überblickt, da die Soldaten ständig das Brückenbauen üben wie sonst eine Kriegsmaßnahme, sowohl an der Donau, am Rhein als auch am Euphrat.“

ERZÄHLERIN:

Diese hervorragende Ausbildung der Legionäre bleibt auch den Feinden nicht verborgen.

Um sich dieses enorme technische Wissen anzueignen und für die eigenen Völker nutzbar zu machen, werden immer wieder römische Soldaten gezielt entführt.

Ärzte, Handwerker, Architekten, Bauern – sie alle werden systematisch gejagt, um sie in der eigenen infrastrukturellen Entwicklung zu nutzen.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Römischen Soldaten reisten weit. Sie sind keineswegs stets an einem Ort stationiert, sondern durchlaufen in ihrer Karriere oft viele verschiedene Einsatzgebiete. So wie Lukius Numerius Felix, ein Zenturio, der unter anderem in Regensburg stationiert war. Doch bei weitem nicht nur, wie eine Grabinschrift, die seine Frau ihm zu Ehren setzen ließ, im spanischen Tarragona belegt.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Und dieser Lukius Numerus Felix war eben zuletzt Zenturio in der siebten Legion, das ist die, die in Spanien stationiert war. Aber vorher in Britannien, in Bosra in Syrien, in Mainz und dann eben, als allererster Posten, den er gehabt hat, war er Zenturio in der Legio Tertia Italica, also die dritte italienische Legion. Das ist die Regensburger Hauslegion.

ERZÄHLERIN:

Im Imperium Romanum ist also das Militär der Hauptfaktor für Mobilität und Migration. Und damit verbunden auch für den Austausch unterschiedlichster Kulturen und Völker. In der Provinz Rätien, die große Teile des heutigen Bayern umschloss, sind ca. 12 bis 15 Tausend Mann stationiert.

Während die Legionäre, beispielsweise die, die in Regensburg stehen, größtenteils aus Italien kommen, gilt das für den großen Teil der Hilfstruppen, der sogenannten Auxilien, nicht. Sie kommen oft aus ganz unterschiedlichen Regionen des Imperium Romanum.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Kultureller Schmelztiegel Militär ist auf jeden Fall richtig. Wir haben in Bayern, also Rätien, Truppeneinheiten aus Syrien, Straubing, wir haben Batawa, die aus dem Niederrheingebiet kommen, Daker, die aus dem heutigen Bulgarien kommen – also ein buntes Gemisch von Soldaten, die durch den Militärdienst einerseits so eine gemeinsame Identität bekommen.

ERZÄHLERIN:

Vor Ort kommt es zu einem regen Austausch zwischen den römischen Soldaten, den Hilfstruppen und den Einheimischen. Auch, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft – mit Konsequenzen sogar bis heute. Zum Beispiel in Straubing:

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Da gibt es eine sogenannte Kanatena Kohorte, die ab dem frühen 2. Jahrhundert stationiert gewesen ist. Kanatena ist das heutige Kanawat in Syrien, die sind dort ursprünglich dort rekrutiert worden. Syrische Truppen sind häufig Spezialisten für Bogenschützeneinheiten, manchmal auch beritten. Und die waren in dem Fall eben auch lange Zeit in Straubing stationiert. Sodass man fast davon ausgehen kann, dass der ein oder andere Straubinger syrisches Blut in sich hat.

ERZÄHLERIN:

Und das, obwohl die Soldaten rein militärrechtlich gar nicht in der Lage sind, eine Familie zu gründen. Bis in das dritte Jahrhundert hinein herrscht nämlich ein Heiratsverbot für die normalen Soldaten, d.h. man muss bei einer Dienstzeit von 20-25 Jahren auf eine reguläre Ehe verzichten.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Man konnte natürlich nicht davon ausgehen, dass die 25 Jahre zölibatär leben. Das wäre fern der Realität gewesen, aber die durften eben keine rechtmäßigen Ehen führen, sondern nur Konkubinate. Wo kamen die Frauen her? Zum Teil haben die Männer sie aus ihren Regionen mitgebracht, zum Teil haben sie sie vor Ort kennengelernt und zum Teil sind die Frauen auch mitgezogen aus vorher innegehabten Provinzen.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Um die Kastelle der Römer herum bilden sich schnell große Zivilsiedlungen, wo die Familien der Soldaten lebten, aber auch die einheimische Bevölkerung, mit der ein reger Austausch besteht. Und Soldaten haben Geld. An drei Tagen im Jahr wird ausgezahlt: jeweils 75 Dinare, eine beträchtliche Summe für die damalige Zeit, wobei ein Teil davon als Spareinlage bei der Einheit verbleibt; auch werden Abzüge vom Sold vorgenommen: für Ausrüstung, Essen, religiöse Feste, oder Kleidung. Aber es bleibt genügend übrig, um die Soldaten zu einem Motor für die heimische Wirtschaft zu machen. Langfristig floriert die gesamte Region um das Lager herum. Alleine die Versorgung des Militärs muss gesichert werden – eine Legion benötigte ca. 2500 Tonnen Getreide pro Jahr . Das geht nur mit einer hochmodernen Landwirtschaft und entsprechendem Handelswesen, so Oliver Stoll von der Universität Passau.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Interprovinziell hat da sicherlich ein Handel stattgefunden, aber eben auch über den Limes hinaus! Denn Getreide ist mit Sicherheit auch hier im Donauraum mit den im Vorlimesraum siedelnden Germanen verhandelt worden.

Wir wissen zum Beispiel, dass die Hermanduren, ein romfreundlicher Stamm, über die Donau kommen durfte, um bis nach Augsburg hinein Handel zu betreiben. Und die haben eben auch Getreide und Landwirtschaftsprodukte verkauft.

ERZÄHLERIN:

Der Handel in den Siedlungen um die Kastelle herum beinhaltet auch Waren von weit her. Pfeffer, Kürbisse und sogar Melonen. Rückschlüsse über die Ernährung der Soldaten in den Lagern liefern vor allem Latrinen. Sie sind, im wahrsten Sinne des Wortes, echte Fundgruben. So belegt die Analyse von Ausgrabungsfunden aus einer Latrine im ehemaligen Kastell Alphen aan den Rijn in Holland eine ganz erstaunliche Produktvielfalt, die der Ausscheider zu sich genommen hat.

Bei paläobotanischen Untersuchungen stellt sich heraus, dass der Zenturio – natürlich weitaus wohlhabender als der normale Soldat – unter anderem Oliven, Feigen, Trauben und sogar Pfirsiche gegessen hat. Selbst exotische Südfrüchte werden also über weite Strecken hinweg transportiert.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Natürlich sind auch diese landwirtschaftlichen Produkte Kulturerbe. Man braucht nur an den Wein zu denken, aber auch viele Kräuter, die uns geblieben sind, wie Mangold, Portulak, Dill, Koriander, Sellerie, Walnuss und Esskastanie, Karotten und Pastinaken. Und nicht zu vergessen auch der Spargel beispielsweise, der von den Römer mitgebracht worden ist bzw. hier heimisch gemacht worden ist.

ERZÄHLERIN:

Vergleicht man beispielsweise tierische Knochenfunde aus der Zeit der Römer sowohl mit Funden aus vorrömischer Zeit als auch mit solchen aus dem Mittelalter, dann stellt man fest, dass die Rinder und Pferde der Römer weitaus größer waren.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

In manchen Gegenden ist die Größe römischer Rinder erst wieder mit Einführung der künstlichen Besamung erreicht worden. Und das ist ja bekanntermaßen noch nicht lange her,das man das wieder eingeführt hat.

ERZÄHLERIN:

Neueste Funde aus Regensburg-Großprüfening legen sogar nahe, dass die römischen Soldaten auch den Grundstein für den Siegeszug des bayerischen Bieres gelegt haben könnten. Dort wurde eine Darrenanlage ausgegraben, wo man Spelzgetreide hinbrachte, um es vom Spelz zu trennen und zu rösten. Zusammen mit der gefundenen Brunnenanlage wird das Ganze als die vielleicht erste Brauerei Bayerns interpretiert. Besondere Bierliebhaber waren die Bataver, die in Weißenburg und wohl auch in Passau stationiert waren.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Die tranken nicht so gerne Wein, sondern Bier! Und wir haben auch da Zeugnisse aus England, wo die auch stationiert waren, ein Brief eines Decurio an seinen Kommandanten: bitte schick uns doch Bier! Uns ist das Bier ausgegangen! Und hier haben wir doch relativ zunehmend Belege dafür, dass diese germanischen Einheiten möglicherwiese auch bei uns hier getrunken und produziert haben und vielleicht auch eine Rolle dabei spielen, dass das Bier heute so stark ist in Bayern, wie es heute ebenso ist.

ERZÄHLERIN:

Zeit, um das gebraute Bier oder auch den Wein zu trinken, bleibt den Soldaten relativ wenig. Zwar sind Kampfhandlungen eher die Ausnahme, dafür wird aber umso mehr trainiert und geübt. Die Qualität dieser militärischen Großmacht hängt sicherlich zu einem großen Teil mit ihrer ständigen Aus- und Weiterbildung zusammen. Wer also nicht gerade anderweitigen Dienst zu tun hat, der übt Fechten oder Speerwerfen, baut Übungslager oder tut vor allem eines immer wieder: Marschieren! Marschieren spielt eine große Rolle im römischen Militär. 25km in voller Ausrüstung, d.h. mit 30 bis 40 kg sind keine Seltenheit. Und mindestens zweimal im Monat wird eine große Marschübung durchgeführt. Auch um die neuen Rekruten in den verschiedenen Marschformationen zu schulen und sie damit auf mögliche Einsätze vorzubereiten.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Die römischen Legionäre und Auxiliare waren körperlich fit in der Regel. Natürlich bringt der Dienst Gefahren mit, auch in der Ausbildung kann man sich die Knochen brechen. Es gibt einen Brief aus Ägypten, wo ein Soldat seinem Vater schreibt, er habe sich solange nicht melden können, weil die ganze Einheit eine Fischvergiftung gehabt hätte. Also das gibt es auch. Aber die medizinische Versorgung im Militär war hervorragend, weil die Soldaten ein wertvolles Gut waren. Und in der Antike gab es wohl nirgends so ein gut organisiertes Sanitätswesen wie im römischen Militär. Man kann sagen, dass die ersten Krankenhäuser Europas im Umfeld der römischen Legionslager entstehen.

ERZÄHLERIN:

Viele Arztbestecke aus der Antike sind fast eins zu eins noch heute im Einsatz: Skalpelle, Knochenheber, Knochenhammer oder Venenklemmen. Es geht darum, die wertvollen römischen Soldaten so lange wie möglich dienstfähig zu erhalten. So wird unter Kaiser Augustus das Sanitätswesen fest in die Berufsarmee integriert. Es gibt Ärzte, oft Griechen, aber auch Sanitäter, die die Verwundeten direkt auf dem Feld behandeln können.

ERZÄHLERIN:

Auch auf die Hygiene wird im römischen Militär sehr geachtet. Die Thermenanlagen, die meist ziemlich bald nach Errichtung eines neuen Kastells erbaut werden, spielen dabei eine große Rolle.

Bad Gögging, Wiesbaden oder Baden Baden waren alle einst solche Badeanlagen für die römischen Soldaten. Aber auch Wasserklos tragen dazu bei, dass Infektionskrankheiten eingedämmt werden.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Ein zentrales Thema für die Soldaten des römischen Militärs ist die Religion. Die Einsätze sind gefährlich, nur etwa die Hälfte erlebt nach der Dienstzeit den Veteranenstatus, und so sucht man den Schutz der Götter. Und davon gibt es viele. Nicht nur die berühmten 12 Staatsgottheiten Jupiter, Juno, Minerva, Vesta, Ceres, Diana, Venus, Mars, Mercurius, Neptun, Vulcanus oder Apollo.

Die Religion des römischen Heeres ist ein komplexes Gebilde: Zum einen gibt es die offizielle und streng reglementierte Heeresreligion, mit dem für alle verbindlichen Kaiserkult und den zu verehrenden Staatsgöttern. Daneben gibt es aber auch militärische Kultphänomene, die sich speziell aus den Bedürfnissen der Soldaten entwickelt haben, wie die Verehrung der eigenen Standarte.

Zum anderen gibt es aber auch die erstaunlich vielfältige Privatreligion jedes einzelnen Soldaten. Dazu Oliver Stoll von der Universität Passau.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Jeder Soldat konnte grundsätzlich den Gott verehren, der ihm genehm war, von dem er sich Schutz erhofft hat. Und das hat er auch getan. Das waren zum Teil mitgebrachte Gottheiten aus der Heimat oder einem vorherigen Dienstort. Oder es waren Götter von vor Ort, oder Götter die er an einem besonderen Dienstort brauchte, zum Beispiel die Steinmetze haben gerne Herkules angerufen, weil er der Schutzgott der Steinmetze war. Oder Benefiziarier haben auch gern Jupiter angerufen, oder Merkur, den Gott der Kaufleute.

ERZÄHLERIN:

Diese Religionsfreiheit zeugt von einer großen Toleranz gegenüber anderen Kulturen und deren Bräuchen, Sitten und Kulten. Das Militär ist auch hier wieder ein Kulturträger. So überrascht es nicht, dass sich die Religionen vor Ort in den Provinzen vermischen. Ein Zeugnis dafür wurde bei Ausgrabungen in Regensburg-Ziegetsdorf entdeckt. Der dort gefundene Tempel ist schon in seiner Bauweise eine Besonderheit. Er ist nämlich nicht nach römischer Bauart konzipiert, sondern nach gallorömischer Art. Seine architektonischen Wurzeln liegen also in Frankreich und sind keltisch. Doch nicht nur die Architektur, sondern auch die Ausstattung dieses Tempels zeugt von einer multikulturellen und multireligiösen Nutzung.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Man sieht, wo die Leute überall hergekommen sind, die in so einem Heiligtum diesen Gott verehrt haben. Und dann sieht man, dass da die Soldaten einen Gott verehren, der mit dem Namen Merkur versehen wird, der aber vielleicht bei den Einheimischen ganz anders geheißen hat. Das ist die sogenannte Interpretatio Romana, also die Römer interpretieren auch die einheimischen Götter mit ihren eigenen, um sich eine Vorstellung zu machen. Ob die jetzt richtig ist oder nicht. Also auch die Tempelanlagen, die Kultanlagen sind multikulturelle Schmelztiegel, an denen wir Leute verschiedenster Herkunft fassen können.

ERZÄHLERIN:

Religionskriege, wie wir sie später erleben, sind der Antike fremd. Doch die Toleranz der Römer hat eine klare Grenze:

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Wenn man nicht bereit ist für den Kaiser zu opfern. Das konnten die Römer nicht verstehen, dass man das nicht tut. Also bei allen das einende Element, das von absoluter Bedeutung gewesen ist: der Kaiserkult. Das ist ein Punkt, wo die Toleranz dann aufhört.

ERZÄHLERIN:

Besonders deutlich tritt dieser Konflikt zum Vorschein, als eine neue Religion entsteht, deren Anhänger sich weigern einen anderen Gott als den ihrigen zu ehren: das Christentum.

MUSIK

Etwa dreihundert Jahre nach Christus beginnt der langsame Verfall der römischen Legionen. Es finden sich nicht mehr genügend römische Bürger, die sich als Legionäre rekrutieren lassen, und so sind die Kaiser wie Diokletian oder Konstantin gezwungen ausländische Söldner anzumieten. Der innere Zusammenhalt nimmt ab, bald schon wird das Wort „Barbar“ als Synonym für „Soldat“ benutzt. Zwar sind diese Barbaren auch gute Soldaten, doch sie sind bei weitem nicht so loyal gegenüber Rom wie es die ursprünglichen Legionäre waren. Der Niedergang des Imperiums spiegelt sich auch in seinem Militär: Als Rom eines Tages geplündert wird, sind unter den Eindringlingen auch etliche Barbaren, die Jahre zuvor noch in der römischen Legion gedient haben.

MUSIK

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Die Legionen Roms waren Jahrhunderte lang die gefürchtetste Armee der Welt. Doch die Legionäre waren mehr als nur Soldaten. Sie brachten auch kulturellen, technischen und zivilisatorischen Fortschritt. Autor: Robert Grantner (BR 2019)

Credits
Autor dieser Folge: Robert Grantner
Regie: Axel Wostry
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Technik: Ruth-Maria Ostermann
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:
Prof. Dr. Oliver Stoll, Universität Passau

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ERZÄHLERIN:

Die römischen Legionen. Bis heute eilt ihnen ihr Ruf voraus: die größte Militärmacht, die die Welt je gesehen hat. Eine perfekt abgestimmte Einheit, taktisch flexibel und intensiv ausgebildet für den Kampf. Schlacht um Schlacht ringen sie ihre Gegner nieder, walzen sich förmlich über sie hinweg. Es sind die Legionäre, die das Imperium Romanum überhaupt erst möglich machen und über Jahrhunderte seine Einheit sichern.

Doch für Professor Oliver Stoll von der Universität Passau waren die römischen Legionen weit mehr, als nur das.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Eigenartigerweise sieht man häufig nur das Militärische und die scheinbar perfekte Maschine, die da funktioniert, aber es ist schon so, dass die Soldaten einen großen Teil ihres Lebens nicht im Krieg verbracht haben und dass es da ganz viele eigentlich eher zivile Tätigkeiten gegeben hat, die von ihnen ausgeführt worden sind. Und das ist auch ein gutes Zeichen dafür, wie hoch das Potenzial dieser Militäreinheiten gewesen ist auch als Kulturträger! Oder als Faktor, der zu einer langfristigen Veränderung in den Provinzen beigetragen hat.

ERZÄHLERIN:

Viele Legionäre sind nicht nur Soldaten. Es gibt unter ihnen eine große Anzahl an Spezialisten. Sie sind befreit vom täglichen Militärdienst in den Lagern und zuständig für die unterschiedlichsten Berufe. Der Jurist Tarruntenus Paternus schreibt im zweiten Jahrhundert:

ZITATOR

„Der Status gewisser Leute garantiert ihnen Befreiung von beschwerlichen Tätigkeiten; in diese Kategorie gehören Feldmesser […] Erdarbeiter für den Grabenbau, Hufschmiede, Architekten, Schiffssteuerleute, Schiffbauer […] Glasmacher, Schmiede, […] Bronzearbeiter, Helmmacher, Wagenbauer, Schindelmacher, Schwertschmiede, Wasserbautechniker, […] Klempner, Grobschmiede, Maurer, Kalkbrenner, Holzfäller und Köhler[…]“

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Also die Liste geht unendlich weiter. Man sieht daran, wie vielfältig die Beschäftigungsmöglichkeiten waren. Und das Militär ist in dieser Hinsicht eine Art technische Kaderschmiede gewesen, denn es gab auch Auszubildende, die in diesen Berufen im Militär ausgebildet worden sind.

ERZÄHLERIN:

Das Ergebnis dieser Kaderschmiede ist ein perfekt funktionierendes Imperium, das sich in seiner Hochphase über drei Kontinente erstreckt. Es sind nicht zuletzt die Legionäre, die diesen Siegeszug auch durch ihre technischen Fähigkeiten und durch administrative Tätigkeiten möglich machen. Denn in den einzelnen Provinzen ist dafür relativ wenig ziviles Personal vorhanden. Und so leisten die Soldaten auch Schreibarbeiten, kümmern sich um die innere Sicherheit, oder fungieren als eine Art Wirtschaftspolizei, die Zölle und Tribute erhebt und eintreibt.

Wie weitreichend diese Tätigkeiten sein konnten, zeigen Dienstpläne, die in Form von Papyri erhalten geblieben sind.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Wir haben einen Dienstplan einer Einheit die in Mösia stationiert gewesen ist, Provinz im heutigen Bulgarien. Diese Einheit hat Leute weggeschickt, die in Gallien, also im heutigen Frankreich, Kleidung zu besorgen hatten, oder Pferde. Oder sie waren in Mienen oder Steinbrüchen als Aufsichtspersonal unterwegs. Also eine beträchtliche Menge der Leute waren unterwegs, oder sie mussten Latrinen putzen, oder die Thermenanlage putzen,

oder die Rüstung des Zenturio aufpolieren. Also all das ist in verschiedensten Dienstplänen abzulesen. Und man bekommt einen lebhaften Eindruck, wie das Leben ausgeschaut hat.

ERZÄHLERIN:

Reisen über so weite Strecken sind möglich, weil das Straßennetz im Imperium Romanum auf für uns kaum vorstellbare Art und Weise ausgebaut ist. Mehr als 100.000 Kilometer Straße verbinden abgelegenste Provinzen miteinander und machen einen Austausch in vielerlei Hinsicht möglich. Bei dieser infrastrukturellen Durchdringung der Provinzen spielt das Militär eine entscheidende Rolle.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Als Bauherren sozusagen, denn die Legionen haben im Auftrag der Kaiser Straßen gebaut, aber nicht nur Straßen, sondern alles, was dazu gehört. Also auch Brücken, Aquädukte, also die ganzen technischen Anlagen sind von Legionären gebaut worden.

ERZÄHLERIN:

Dazu ein Zitat von Cassius Dio aus dem Buch „Der Adler Roms - Carnuntum und die Armee der Cäsaren“, herausgegeben vom Archäologischen Museum Carnuntinum:

ZITATOR

„Die Flüsse werden von den Römern ohne große Mühe überblickt, da die Soldaten ständig das Brückenbauen üben wie sonst eine Kriegsmaßnahme, sowohl an der Donau, am Rhein als auch am Euphrat.“

ERZÄHLERIN:

Diese hervorragende Ausbildung der Legionäre bleibt auch den Feinden nicht verborgen.

Um sich dieses enorme technische Wissen anzueignen und für die eigenen Völker nutzbar zu machen, werden immer wieder römische Soldaten gezielt entführt.

Ärzte, Handwerker, Architekten, Bauern – sie alle werden systematisch gejagt, um sie in der eigenen infrastrukturellen Entwicklung zu nutzen.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Römischen Soldaten reisten weit. Sie sind keineswegs stets an einem Ort stationiert, sondern durchlaufen in ihrer Karriere oft viele verschiedene Einsatzgebiete. So wie Lukius Numerius Felix, ein Zenturio, der unter anderem in Regensburg stationiert war. Doch bei weitem nicht nur, wie eine Grabinschrift, die seine Frau ihm zu Ehren setzen ließ, im spanischen Tarragona belegt.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Und dieser Lukius Numerus Felix war eben zuletzt Zenturio in der siebten Legion, das ist die, die in Spanien stationiert war. Aber vorher in Britannien, in Bosra in Syrien, in Mainz und dann eben, als allererster Posten, den er gehabt hat, war er Zenturio in der Legio Tertia Italica, also die dritte italienische Legion. Das ist die Regensburger Hauslegion.

ERZÄHLERIN:

Im Imperium Romanum ist also das Militär der Hauptfaktor für Mobilität und Migration. Und damit verbunden auch für den Austausch unterschiedlichster Kulturen und Völker. In der Provinz Rätien, die große Teile des heutigen Bayern umschloss, sind ca. 12 bis 15 Tausend Mann stationiert.

Während die Legionäre, beispielsweise die, die in Regensburg stehen, größtenteils aus Italien kommen, gilt das für den großen Teil der Hilfstruppen, der sogenannten Auxilien, nicht. Sie kommen oft aus ganz unterschiedlichen Regionen des Imperium Romanum.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Kultureller Schmelztiegel Militär ist auf jeden Fall richtig. Wir haben in Bayern, also Rätien, Truppeneinheiten aus Syrien, Straubing, wir haben Batawa, die aus dem Niederrheingebiet kommen, Daker, die aus dem heutigen Bulgarien kommen – also ein buntes Gemisch von Soldaten, die durch den Militärdienst einerseits so eine gemeinsame Identität bekommen.

ERZÄHLERIN:

Vor Ort kommt es zu einem regen Austausch zwischen den römischen Soldaten, den Hilfstruppen und den Einheimischen. Auch, was die zwischenmenschlichen Beziehungen betrifft – mit Konsequenzen sogar bis heute. Zum Beispiel in Straubing:

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Da gibt es eine sogenannte Kanatena Kohorte, die ab dem frühen 2. Jahrhundert stationiert gewesen ist. Kanatena ist das heutige Kanawat in Syrien, die sind dort ursprünglich dort rekrutiert worden. Syrische Truppen sind häufig Spezialisten für Bogenschützeneinheiten, manchmal auch beritten. Und die waren in dem Fall eben auch lange Zeit in Straubing stationiert. Sodass man fast davon ausgehen kann, dass der ein oder andere Straubinger syrisches Blut in sich hat.

ERZÄHLERIN:

Und das, obwohl die Soldaten rein militärrechtlich gar nicht in der Lage sind, eine Familie zu gründen. Bis in das dritte Jahrhundert hinein herrscht nämlich ein Heiratsverbot für die normalen Soldaten, d.h. man muss bei einer Dienstzeit von 20-25 Jahren auf eine reguläre Ehe verzichten.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Man konnte natürlich nicht davon ausgehen, dass die 25 Jahre zölibatär leben. Das wäre fern der Realität gewesen, aber die durften eben keine rechtmäßigen Ehen führen, sondern nur Konkubinate. Wo kamen die Frauen her? Zum Teil haben die Männer sie aus ihren Regionen mitgebracht, zum Teil haben sie sie vor Ort kennengelernt und zum Teil sind die Frauen auch mitgezogen aus vorher innegehabten Provinzen.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Um die Kastelle der Römer herum bilden sich schnell große Zivilsiedlungen, wo die Familien der Soldaten lebten, aber auch die einheimische Bevölkerung, mit der ein reger Austausch besteht. Und Soldaten haben Geld. An drei Tagen im Jahr wird ausgezahlt: jeweils 75 Dinare, eine beträchtliche Summe für die damalige Zeit, wobei ein Teil davon als Spareinlage bei der Einheit verbleibt; auch werden Abzüge vom Sold vorgenommen: für Ausrüstung, Essen, religiöse Feste, oder Kleidung. Aber es bleibt genügend übrig, um die Soldaten zu einem Motor für die heimische Wirtschaft zu machen. Langfristig floriert die gesamte Region um das Lager herum. Alleine die Versorgung des Militärs muss gesichert werden – eine Legion benötigte ca. 2500 Tonnen Getreide pro Jahr . Das geht nur mit einer hochmodernen Landwirtschaft und entsprechendem Handelswesen, so Oliver Stoll von der Universität Passau.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Interprovinziell hat da sicherlich ein Handel stattgefunden, aber eben auch über den Limes hinaus! Denn Getreide ist mit Sicherheit auch hier im Donauraum mit den im Vorlimesraum siedelnden Germanen verhandelt worden.

Wir wissen zum Beispiel, dass die Hermanduren, ein romfreundlicher Stamm, über die Donau kommen durfte, um bis nach Augsburg hinein Handel zu betreiben. Und die haben eben auch Getreide und Landwirtschaftsprodukte verkauft.

ERZÄHLERIN:

Der Handel in den Siedlungen um die Kastelle herum beinhaltet auch Waren von weit her. Pfeffer, Kürbisse und sogar Melonen. Rückschlüsse über die Ernährung der Soldaten in den Lagern liefern vor allem Latrinen. Sie sind, im wahrsten Sinne des Wortes, echte Fundgruben. So belegt die Analyse von Ausgrabungsfunden aus einer Latrine im ehemaligen Kastell Alphen aan den Rijn in Holland eine ganz erstaunliche Produktvielfalt, die der Ausscheider zu sich genommen hat.

Bei paläobotanischen Untersuchungen stellt sich heraus, dass der Zenturio – natürlich weitaus wohlhabender als der normale Soldat – unter anderem Oliven, Feigen, Trauben und sogar Pfirsiche gegessen hat. Selbst exotische Südfrüchte werden also über weite Strecken hinweg transportiert.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Natürlich sind auch diese landwirtschaftlichen Produkte Kulturerbe. Man braucht nur an den Wein zu denken, aber auch viele Kräuter, die uns geblieben sind, wie Mangold, Portulak, Dill, Koriander, Sellerie, Walnuss und Esskastanie, Karotten und Pastinaken. Und nicht zu vergessen auch der Spargel beispielsweise, der von den Römer mitgebracht worden ist bzw. hier heimisch gemacht worden ist.

ERZÄHLERIN:

Vergleicht man beispielsweise tierische Knochenfunde aus der Zeit der Römer sowohl mit Funden aus vorrömischer Zeit als auch mit solchen aus dem Mittelalter, dann stellt man fest, dass die Rinder und Pferde der Römer weitaus größer waren.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

In manchen Gegenden ist die Größe römischer Rinder erst wieder mit Einführung der künstlichen Besamung erreicht worden. Und das ist ja bekanntermaßen noch nicht lange her,das man das wieder eingeführt hat.

ERZÄHLERIN:

Neueste Funde aus Regensburg-Großprüfening legen sogar nahe, dass die römischen Soldaten auch den Grundstein für den Siegeszug des bayerischen Bieres gelegt haben könnten. Dort wurde eine Darrenanlage ausgegraben, wo man Spelzgetreide hinbrachte, um es vom Spelz zu trennen und zu rösten. Zusammen mit der gefundenen Brunnenanlage wird das Ganze als die vielleicht erste Brauerei Bayerns interpretiert. Besondere Bierliebhaber waren die Bataver, die in Weißenburg und wohl auch in Passau stationiert waren.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Die tranken nicht so gerne Wein, sondern Bier! Und wir haben auch da Zeugnisse aus England, wo die auch stationiert waren, ein Brief eines Decurio an seinen Kommandanten: bitte schick uns doch Bier! Uns ist das Bier ausgegangen! Und hier haben wir doch relativ zunehmend Belege dafür, dass diese germanischen Einheiten möglicherwiese auch bei uns hier getrunken und produziert haben und vielleicht auch eine Rolle dabei spielen, dass das Bier heute so stark ist in Bayern, wie es heute ebenso ist.

ERZÄHLERIN:

Zeit, um das gebraute Bier oder auch den Wein zu trinken, bleibt den Soldaten relativ wenig. Zwar sind Kampfhandlungen eher die Ausnahme, dafür wird aber umso mehr trainiert und geübt. Die Qualität dieser militärischen Großmacht hängt sicherlich zu einem großen Teil mit ihrer ständigen Aus- und Weiterbildung zusammen. Wer also nicht gerade anderweitigen Dienst zu tun hat, der übt Fechten oder Speerwerfen, baut Übungslager oder tut vor allem eines immer wieder: Marschieren! Marschieren spielt eine große Rolle im römischen Militär. 25km in voller Ausrüstung, d.h. mit 30 bis 40 kg sind keine Seltenheit. Und mindestens zweimal im Monat wird eine große Marschübung durchgeführt. Auch um die neuen Rekruten in den verschiedenen Marschformationen zu schulen und sie damit auf mögliche Einsätze vorzubereiten.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Die römischen Legionäre und Auxiliare waren körperlich fit in der Regel. Natürlich bringt der Dienst Gefahren mit, auch in der Ausbildung kann man sich die Knochen brechen. Es gibt einen Brief aus Ägypten, wo ein Soldat seinem Vater schreibt, er habe sich solange nicht melden können, weil die ganze Einheit eine Fischvergiftung gehabt hätte. Also das gibt es auch. Aber die medizinische Versorgung im Militär war hervorragend, weil die Soldaten ein wertvolles Gut waren. Und in der Antike gab es wohl nirgends so ein gut organisiertes Sanitätswesen wie im römischen Militär. Man kann sagen, dass die ersten Krankenhäuser Europas im Umfeld der römischen Legionslager entstehen.

ERZÄHLERIN:

Viele Arztbestecke aus der Antike sind fast eins zu eins noch heute im Einsatz: Skalpelle, Knochenheber, Knochenhammer oder Venenklemmen. Es geht darum, die wertvollen römischen Soldaten so lange wie möglich dienstfähig zu erhalten. So wird unter Kaiser Augustus das Sanitätswesen fest in die Berufsarmee integriert. Es gibt Ärzte, oft Griechen, aber auch Sanitäter, die die Verwundeten direkt auf dem Feld behandeln können.

ERZÄHLERIN:

Auch auf die Hygiene wird im römischen Militär sehr geachtet. Die Thermenanlagen, die meist ziemlich bald nach Errichtung eines neuen Kastells erbaut werden, spielen dabei eine große Rolle.

Bad Gögging, Wiesbaden oder Baden Baden waren alle einst solche Badeanlagen für die römischen Soldaten. Aber auch Wasserklos tragen dazu bei, dass Infektionskrankheiten eingedämmt werden.

MUSIK

ERZÄHLERIN:

Ein zentrales Thema für die Soldaten des römischen Militärs ist die Religion. Die Einsätze sind gefährlich, nur etwa die Hälfte erlebt nach der Dienstzeit den Veteranenstatus, und so sucht man den Schutz der Götter. Und davon gibt es viele. Nicht nur die berühmten 12 Staatsgottheiten Jupiter, Juno, Minerva, Vesta, Ceres, Diana, Venus, Mars, Mercurius, Neptun, Vulcanus oder Apollo.

Die Religion des römischen Heeres ist ein komplexes Gebilde: Zum einen gibt es die offizielle und streng reglementierte Heeresreligion, mit dem für alle verbindlichen Kaiserkult und den zu verehrenden Staatsgöttern. Daneben gibt es aber auch militärische Kultphänomene, die sich speziell aus den Bedürfnissen der Soldaten entwickelt haben, wie die Verehrung der eigenen Standarte.

Zum anderen gibt es aber auch die erstaunlich vielfältige Privatreligion jedes einzelnen Soldaten. Dazu Oliver Stoll von der Universität Passau.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Jeder Soldat konnte grundsätzlich den Gott verehren, der ihm genehm war, von dem er sich Schutz erhofft hat. Und das hat er auch getan. Das waren zum Teil mitgebrachte Gottheiten aus der Heimat oder einem vorherigen Dienstort. Oder es waren Götter von vor Ort, oder Götter die er an einem besonderen Dienstort brauchte, zum Beispiel die Steinmetze haben gerne Herkules angerufen, weil er der Schutzgott der Steinmetze war. Oder Benefiziarier haben auch gern Jupiter angerufen, oder Merkur, den Gott der Kaufleute.

ERZÄHLERIN:

Diese Religionsfreiheit zeugt von einer großen Toleranz gegenüber anderen Kulturen und deren Bräuchen, Sitten und Kulten. Das Militär ist auch hier wieder ein Kulturträger. So überrascht es nicht, dass sich die Religionen vor Ort in den Provinzen vermischen. Ein Zeugnis dafür wurde bei Ausgrabungen in Regensburg-Ziegetsdorf entdeckt. Der dort gefundene Tempel ist schon in seiner Bauweise eine Besonderheit. Er ist nämlich nicht nach römischer Bauart konzipiert, sondern nach gallorömischer Art. Seine architektonischen Wurzeln liegen also in Frankreich und sind keltisch. Doch nicht nur die Architektur, sondern auch die Ausstattung dieses Tempels zeugt von einer multikulturellen und multireligiösen Nutzung.

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Man sieht, wo die Leute überall hergekommen sind, die in so einem Heiligtum diesen Gott verehrt haben. Und dann sieht man, dass da die Soldaten einen Gott verehren, der mit dem Namen Merkur versehen wird, der aber vielleicht bei den Einheimischen ganz anders geheißen hat. Das ist die sogenannte Interpretatio Romana, also die Römer interpretieren auch die einheimischen Götter mit ihren eigenen, um sich eine Vorstellung zu machen. Ob die jetzt richtig ist oder nicht. Also auch die Tempelanlagen, die Kultanlagen sind multikulturelle Schmelztiegel, an denen wir Leute verschiedenster Herkunft fassen können.

ERZÄHLERIN:

Religionskriege, wie wir sie später erleben, sind der Antike fremd. Doch die Toleranz der Römer hat eine klare Grenze:

O-Ton Prof. Oliver Stoll

Wenn man nicht bereit ist für den Kaiser zu opfern. Das konnten die Römer nicht verstehen, dass man das nicht tut. Also bei allen das einende Element, das von absoluter Bedeutung gewesen ist: der Kaiserkult. Das ist ein Punkt, wo die Toleranz dann aufhört.

ERZÄHLERIN:

Besonders deutlich tritt dieser Konflikt zum Vorschein, als eine neue Religion entsteht, deren Anhänger sich weigern einen anderen Gott als den ihrigen zu ehren: das Christentum.

MUSIK

Etwa dreihundert Jahre nach Christus beginnt der langsame Verfall der römischen Legionen. Es finden sich nicht mehr genügend römische Bürger, die sich als Legionäre rekrutieren lassen, und so sind die Kaiser wie Diokletian oder Konstantin gezwungen ausländische Söldner anzumieten. Der innere Zusammenhalt nimmt ab, bald schon wird das Wort „Barbar“ als Synonym für „Soldat“ benutzt. Zwar sind diese Barbaren auch gute Soldaten, doch sie sind bei weitem nicht so loyal gegenüber Rom wie es die ursprünglichen Legionäre waren. Der Niedergang des Imperiums spiegelt sich auch in seinem Militär: Als Rom eines Tages geplündert wird, sind unter den Eindringlingen auch etliche Barbaren, die Jahre zuvor noch in der römischen Legion gedient haben.

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