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Das Fenster - Geschichte mit Durchblick

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Fenster gelten als Auge eines Hauses. Sie schaffen eine Verbindung zwischen innen und außen, ermöglichen Aus- und Einblicke. Durch die Jahrhunderte haben sie ihre Form stetig gewandelt, genauso wie das Leben in den Räumen hinter den Fenstern Veränderungen unterlag. Autorin: Susanne Hofmann

Credits
Autor/in dieser Folge: Susanne Hofmann
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Johannes Hitzelberger, Rahel Comtesse, Stefan Merki, Gudrun Skupin
Technik: Adele Meßmer
Redaktion: Nicole Ruchlak

Im Interview:
Dr. Wenderoth, Fachreferent für Bautechnik am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege;
Dr. Barbara Perfahl, Wohnpsychologin

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO Fenster wird geöffnet

Musik 1: Belises et ses amants - M0010658011 – 50 sek

ZITATOR

Der Plan, das neue Rathaus nicht viereckig, sondern dreieckig zu bauen, stammte vom Schweinehirten. „Die Idee wird Schilda berühmter machen als Pisa mit seinem schiefen Turm!“, sagte er.

ERZÄHLERIN

Und so machten sich die Schildbürger an die Arbeit, errichteten drei Mauern und setzten ein Dach darauf. Bei der feierlichen Einweihung wollten die Bürger voller Stolz das neue Gebäude erkunden.

ZITATOR

Doch sie waren noch nicht auf der Treppe, da purzelten sie auch schon durcheinander und schimpften wie die Rohrspatzen. Da erst dämmerte es den Schildbürgern: „In unserem Rathaus ist es finster!“ Sie hatten doch tatsächlich die Fenster vergessen.

ATMO FENSTER zu + ATMO Fenster putzen

ERZÄHLERIN

Was für uns heute ein, inzwischen sprichwörtlicher, Schildbürgerstreich ist, war für unsere Vorfahren über viele Jahrtausende noch Normalität: Gebäude ohne Fenster: Finster, muffig, höhlenartig muss sich das angefühlt haben. Und dann, irgendwann, kam das Fenster.

Musik 2: Glass house - Z8024816105 – 58 sek

ERZÄHLER

Fenster – von lateinisch fenestra – bezeichnet eine Maueröffnung in einem Haus zur Belichtung und Belüftung von Innenräumen. Seit dem 8. Jahrhundert gehört das Wort Fenster zum deutschen Wortschatz. Wohnen ohne Fenster ist für uns unvorstellbar. Das bloße Dach über dem Kopf reicht nach heutigen Begriffen höchstens zum Hausen aus, nicht aber, um sich auch zuhause zu fühlen. Die österreichische Wohnpsychologin Dr. Barbara Perfahl befasst sich seit vielen Jahren mit Architektur und damit, wie Räume – und Fenster - wirken.

1. ZUSPIELUNG Perfahl 1:35

„Fenster spielen beim Wohnen und beim Einrichten eine ganz große Rolle und vor allem bei der Frage, wie wohl sich Menschen in Räumen fühlen. Ursprünglich sind Fenster ja einfach in Häuser geschnitten worden, sozusagen um Licht rein und ganz zu Beginn den Rauch rauszulassen. Und einen Sicherheitsaspekt hatte das auch noch. Man hat sich aus dem Haus heraus verteidigt, durch Fensterschlitze zum Beispiel. Aber im heutigen Wohnen spielt es eine ganz große Rolle: Die meisten Menschen suchen beim Wohnen Licht, je heller Wohnungen sind, desto wertiger und angenehmer werden sie wahrgenommen.“

Musik 4: Liz on top of the world – C1345190009 – 35 Sek

ERZÄHLER

Die Villa mit Panoramafenstern und entsprechend lichtdurchfluteten Räumen ist für viele der Inbegriff luxuriösen Wohnens. Idealerweise befindet sich das Haus in unbebauter Umgebung und erlaubt den Blick ins Grüne. Dass wir das als angenehm empfinden, hängt womöglich damit zusammen, so Wohnpsychologin Barbara Perfahl,

2. ZUSPIELUNG Perfahl 3:45

„dass der Mensch in unseren Breitengraden seit etwa 16 Generationen erst überwiegend sich in gebauten Räumen aufhält. Also das heißt, vor wenigen hundert Jahren war unser Lebensraum eigentlich das Draußen. … an und für sich sind wir als Menschen Geschöpfe des Draußen, darauf sind wir auch programmiert. Und deshalb suchen wir das auch im Drinnen.“

ERZÄHLERIN

Fenster schaffen eine Verbindung zwischen innen und außen. Sie schirmen uns – zumindest in ihrer heutigen Form mithilfe von isolierenden Glasscheiben – vor widrigem Wetter und ungemütlichen Temperaturen ab und gewähren zugleich einen Blick ins Freie. Barbara Perfahl:

3. ZUSPIELUNG Perfahl 4.42

„Wir wollen uns die Natur auch reinholen. … Wir können uns besser konzentrieren, wenn wir einen Arbeitsplatz an einem Fenster haben, von dem aus wir ins Grüne schauen können, als wenn wir einen Arbeitsplatz haben, wo wir nicht so ein Fenster haben.“

ERZÄHLER

Der Schutz vor der Natur bei gleichzeitig größtmöglicher Nähe zur Natur scheint ein natürliches Bedürfnis zu sein. Die meisten von uns suchen in unserer Wohnung oder unserem Haus auch Erholung.

4. ZUSPIELUNG Perfahl 6.56

„Das heißt, wir brauchen diesen sicheren Rückzugsraum, um unsere Akkus wieder aufzuladen, um zur Ruhe zu kommen, um wieder aufzutanken. Und da brauchen wir es angenehm, gemütlich, schön. Und da gehört eben Licht, Helligkeit dazu, aber auch die Möglichkeit, zum Beispiel rauszugucken ins Grüne oder in den Himmel oder einfach an die Straße lang, also das zu steuern zu können, wie viel vom Außen ich sehe, das ist schon ein Aspekt auch von diesem Erholtseinkönnen.“

ERZÄHLERIN

Licht hebt die Stimmung, stärkt das Immunsystem, und wir brauchen es in vielerlei Hinsicht, zunächst einmal aus einem ganz praktischen Grund: Damit wir sehen, was wir tun.

5. ZUSPIELUNG Perfahl 2:40

„Wir haben ja jetzt ganz tolles, künstliches Licht, aber vor ein paar hundert Jahren hatten wir funzelige Kerzen gehabt und dort seine Arbeit verrichtet. Aber wir brauchen natürlich als Menschen auch Licht zur Steuerung unserer Körperfunktionen, Tag-Nacht-Rhythmus, Vitamin D-Bildung und solche Dinge, also wir brauchen Licht, um gesund zu bleiben. Und jetzt kann man in die Natur rausgehen, da hat man dann die Sonne, hat das Licht, aber man wollte schon relativ früh, im Grunde in dem Moment, wo man sich Häuser gebaut hat, das Licht möglichst auch drin haben.“

ERZÄHLER

Doch der Blick zurück in die Vergangenheit zeigt: Fenster, die diese Funktion erfüllen, gibt es menschheitsgeschichtlich gesehen noch gar nicht so lange.

Musik 4: Mystique – 9808636386977– 35 sek

ERZÄHLERIN

Als sich vor 10-12.000 Jahren erste Gemeinschaften an einem Ort niederließen und begannen, Häuser aus Stein zu bauen, war das noch eine finstere Angelegenheit. Denn Fenster besaßen diese ersten Häuser noch nicht. Maximal hatte man kleine Löcher in der Wand oder im Dach, um den Rauch des Feuers entweichen lassen zu können, an dem man sich wärmte und Essen kochte. Unpraktische Nebenwirkung: Auch kalte Luft und Feuchtigkeit drangen durch die Löcher ungehindert ins Innere.

Musik aus

ERZÄHLER

Später behalf man sich mit in Öl getauchten Tierhäuten, die man vor die Lüftungsschlitze hängte. So wurden Wind und Regen abgewehrt und es schimmerte zumindest eine Ahnung von Licht hindurch. In Gebrauch kamen außerdem Holzläden vor den Maueröffnungen, die man öffnen und schließen konnte. Die Wohnpsychologin Barbara Perfahl:

6. ZUSPIELUNG Perfahl 5:59

„Wir brauchen … ein Territorium, das uns gehört, wo keine Fremden reinkommen können, wo wir auch aber Schutz vor Einblicken zum Beispiel haben, also Privatsphäre gehört da ja auch dazu. Das heißt Fenster wären vor dem Sicherheitsaspekt betrachtet, eigentlich kleiner, besser: Je kleiner, desto weniger kann man reingucken.“

Musik 5: Historic Secrets (b) – Z8026923127 - 44 Sek

ERZÄHLERIN

Im meist heißen und trockenen Ägypten rund 1100 Jahre vor Christus wollte man sich vor allem vor der sengenden Hitze der Sonne schützen. Die Häuser der alten Ägypter muss man sich als einfache rechteckige Kästen vorstellen, erbaut aus Lehmziegeln. Der Wohnbereich, in dem man sich meistens aufhielt, befand sich ganz im Inneren des Hauses, umringt von kleineren Kammern. Man versuchte dadurch, die Hitze von draußen mit mehreren Mauern abzuschirmen. Diese Häuser nennt man auch Schneckenhäuser. Sie öffneten sich für gewöhnlich auf einen Hof, der oft überdacht war und auf dem man die meisten Arbeiten verrichtete.

Musik aus

ERZÄHLER

Zur Belüftung des Hauses dienten Schlitzfenster. Sie befanden sich ganz oben in den Räumen auf der sonnenabgewandten Seite. Ebenso wie die Eingangstüren, die sich in der Regel nach Norden öffneten, um den kühlenden Nordwind einzulassen. Vor den Schlitzfenstern wurden zum Teil auch Vorhänge aus Papyrus befestigt. Diese sollten ebenfalls vor der Sonneneinstrahlung schützen. Auch dünn geschliffene Scheiben aus Alabaster sind verbürgt. Alabaster, eine Art Gips, wirkt aufgrund seiner weißen Farbe und seiner transparenten Beschaffenheit ähnlich wie Milchglas. Im Inneren der Häuser herrschte also Dämmerlicht. Auch reich verzierte Fenstergitter aus Sandstein, die man zum Schutz der Privatsphäre anbrachte, verdunkelten die Räume.

Weil sich die Häuser trotzdem im Laufe des Tages aufheizten, bespritzten die Menschen ihre Böden mit Wasser, das in Krügen dafür bereitstand. Die Verdunstung sorgte für ein wenig Kühlung. Abkühlung suchten auch die alten Römer in der Antike. Wie sie lebten, interessierte schon den Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe:

Musik 6: Dr. Mabus – C1433570010– 1:05 Minuten

ZITATOR (Goethe)

Neapel, den 13. März 1787

Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteres.

ERZÄHLERIN

Goethe auf seiner Italienischen Reise nach dem Besuch der antiken Stadt Pompeij am Golf von Neapel. Sie wurde 79 vor Christus nach dem Ausbruch des Vesuvs verschüttet und blieb unter der Vulkanasche großenteils erhalten. Pompeji ist also ein Glücksfall für Archäologen. Die Stadt bietet einen Einblick in den Alltag und die Wohnverhältnisse der Menschen damals.

Goethe war fasziniert:

ZITATOR (Goethe)

Pompeji setzt jedermann wegen seiner Enge und Kleinheit in Verwunderung. Schmale Straßen, obgleich grade und an der Seite mit Schrittplatten versehen, kleine Häuser ohne Fenster, aus den Höfen und offenen Galerien die Zimmer nur durch die Türen erleuchtet.

ERZÄHLER

Nicht alle Häuser der alten Römer waren fensterlos. Insbesondere die Häuser wohlhabender Bewohner hatten Fenster zum Garten oder zum Hof hin, noch ohne Verglasung allerdings. Viele Häuser erhielten ihr Licht von oben, durch eine Dachöffnung. Die großen Stadthäuser besaßen aber auch Fenster zur Straße.

Straßenatmo/Stimmengewirr/Wagengeräusche

ERZÄHLERIN

Die Stadt Rom war zur Kaiserzeit eine pulsierende Metropole mit über einer Million Einwohnern und aufgrund des steten Zuzugs bald hoffnungslos übervölkert. Die meisten Menschen lebten in winzigen Wohnungen oder Zimmern in mehrstöckigen Häuserblocks. Darin war es stickig und beengt, wie der Dichter Martial im 1. Jahrhundert nach Christus in etlichen Epigrammen beklagte.

ZITATOR Martial

„Ich lebe in einer kleinen Zelle, mit nur einem Fenster, das nicht einmal richtig passt. Boreas selbst, der Nordwind, möchte hier nicht hausen.“

ERZÄHLER

Das Leben spielte sich großenteils vor der Haustür ab, in Geschäften, Lokalen und öffentlichen Bädern. Nach Hause kamen die Römer vor allem zum Schlafen. Der Lärm, der von der Straße an die Fenster drang, muss beträchtlich gewesen sein: Wagen rumpelten über das Pflaster, Menschenmassen drängten sich durch die Gassen, Händler priesen ihre Ware an, Viehtreiber brüllten und Lehrer unterrichteten im Freien lautstark ihre Schüler. Ruhe in der Stadt zu finden – ein Ding der Unmöglichkeit, urteilte der römische Satirenschreiber Juvenal:

ZITATOR Juvenal

„Fragst du, woran hier die Mehrzahl dahinstirbt? Mangel des Schlafes Ist’s; denn welche gemiethete Wohnung lässt hier die Ruh zu? Nur der Reiche und Vornehme kann des Schlafes sich freuen; Das ist die Quelle der Krankheit; das Rasseln der Karren und Wagen In dem engen Gewirre der Gassen, das Fluchen und Schimpfen, das der Fuhrmann erhebt, wenn sein Vieh muss stehen.“

Straßenatmos weg + Fenster zu + Atmo Regen prasselt gegen Fenster

ERZÄHLERIN

Lärmreduzierendes Fensterglas entwickelten die Römer kurz nach Christi Geburt. Eine bahnbrechende Erfindung: Dank Glasscheibe können nun Wind und Wetter nach draußen verbannt werden, während das Licht ins Gebäude gelassen wird. Das Fensterglas kommt gerade rechtzeitig für die Eroberungsfeldzüge der Römer über die Alpen in den kühleren Norden. Nur dank Glasfenstern waren auch andere zivilisatorische Exporte der Römer in kältere Regionen überhaupt sinnvoll nutzbar – beispielsweise Fußbodenheizungen oder Thermen.

Atmo Therme + Wassergeplätscher…

ERZÄHLER

Hier, in ihren Badeanlagen, setzten die Römer wohl ihre ersten Glasfenster ein. Und zwar nach Süd-Westen ausgerichtet, so dass die Becken zu den Badezeiten zwischen Mittag und Abend die volle Sonne abbekamen und sich die Räume dadurch aufheizen konnten. Eines der ältesten erhaltenen verglasten Fenster stammt aus der Forumstherme in Pompeji: Eine etwa handtellergroße runde Scheibe in einem Bronzerahmen.

ERZÄHLERIN

Fensterglas, das noch über viele Jahrhunderte ein Luxusgut war, wurde nur in öffentlichen Gebäuden und in den Palästen der Reichen eingebaut. Die frühen Fensterscheiben muss man sich auch noch recht klein vorstellen, sie maßen in der Regel höchstens 20 mal 30 Zentimeter. Außerdem war das Glas matt, uneben und noch lange nicht so durchsichtig, wie wir es heute kennen. Hergestellt wurde es aus einer Mischung von Buchenholzasche und Sand, die man bei rund 1500 Grad Celsius miteinander verschmolz. Vermutlich wurde dieses frühe Fensterglas geblasen, aus der Glaskugel ein Zylinder geformt, welcher schließlich geteilt und ausgerollt wurde. Die Reste wurden wieder eingeschmolzen. Ein äußerst aufwändiger Prozess.

Musik 7: Virgo Virginum – ZD000100106 – 41 Sek

ERZÄHLER

Aus der Not des kleinen Formats machte man in der Gotik, also ab Mitte des 13. Jahrhunderts, eine Tugend. Man färbte das Glas bunt – unter anderem unter Beifügung von geringen Mengen Gold und Chrom – und setzte es mittels Bleifassungen zu Bildern zusammen. In den gotischen Kathedralen prangen seither prächtige, vielfarbige Glasfenster. Eines der größten ziert die Kathedrale von Metz: Es misst 6.500 Quadratmeter, ist also fast so groß wie ein Fußballfeld, und zeigt unter anderem verschiedene Marienbildnisse.

Atmo – Tür knarzt – Archiv

7. ZUSPIELUNG 1.20 Thomas Wenderoth

„Hier stehen wir in einem unserer Haupträume. Sie sehen, wenn Sie jetzt um sich schauen, auf der rechten Seite eben eine große Anzahl von Fenstern…Die kommen aus dem gesamten bayerischen Bereich.“

ERZÄHLERIN

Der Denkmalschützer Dr. Thomas Wenderoth, Fachreferent für Bautechnik am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, überblickt eine Sammlung von rund 200 historischen Fenstern, verstaut unter dem Dach des ehemaligen Klosters Thierhaupten. Sie alle haben einen hölzernen Rahmen, die meisten besitzen Glasscheiben, viele davon mehrmals unterteilt. Auch Butzenscheiben sind dabei sowie runde oder sechseckige Fensterscheiben.

ERZÄHLER

Das älteste Fenster im Fundus stammt aus einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert – ein übermannsgroßer klobiger Holzrahmen, oben gerundet – und ohne Fensterglas. Ein derart altes Fenster ist eine Rarität, die meisten Fenster aus der Zeit wurden entsorgt. Denn im 15. Jahrhundert führte ein Innovationsschub in der Glasproduktion dazu, dass Glas erschwinglicher wurde. Und mit der Verfügbarkeit stiegen die Ansprüche. Man brach größere Öffnungen in die Fassaden, die alten glaslosen oder kleinen Fenster wurden ersetzt und verschwanden meist spurlos.

8. ZUSPIELUNG 3.26 Thomas Wenderoth

„Also man kann rundweg sagen: Ab 1500 ist das Glas allgemein gebräuchlich - egal, ob wir jetzt eine ländliche, bäuerliche Situation haben oder einen herrschaftlichen Bau, und je nach Gattung und Geldbeutel des Bauherrn finden wir natürlich früher Glasfenster und bei ärmeren Personenkreisen eben später.“

Musik 8: Gespenstische Nacht – C1525250125 – 51 Sek

ERZÄHLERIN

Bis 1500 besaßen die meisten Wohnhäuser hierzulande also keine Glasfenster, sondern Wandöffnungen, die mit hölzernen Fensterläden, Leder oder Tüchern verschlossen wurden. Diese Fenster dienten vor allem der Lüftung. Das war wohl auch nötig, schließlich lebten Mensch und Vieh über viele Jahrhunderte unter einem Dach, wie die Archäologin Imma Kilian in der „Geschichte des Wohnens“ schreibt:

ZITATORIN

„Stallgeruch, Essensdämpfe, Rauch, Kälte, Dunkelheit und Enge waren tägliche, gemeinsame Erfahrungen, die alle Hofbewohner verbunden haben, die aber auch zu Gereiztheit und Streit geführt haben werden.“

ERZÄHLER

Die Lüftungsfunktion lässt sich übrigens noch am englischen Wort für Fenster ablesen: Window. Es setzt sich aus „wind“ und dem altenglischen Wort für „eye“ zusammen, zu Deutsch Windauge.

Unsere Vorfahren hatten die Wahl: Licht oder Wärme in der Stube. Thomas Wenderoth

9. ZUSPIELUNG Wenderoth 7:45

„Das was sicher nicht komfortabel. Aber wenn man es nicht anders gewohnt ist und weiß, im Winter ist es kalt, und im Winter ist es eben nicht nur kalt draußen, sondern auch in meinem Haus nicht warm - man kannte es dann auch nicht anders.“

ERZÄHLERIN

Das Leben der Menschen im Mittelalter richtete sich vor allem nach der Natur, dem Lauf der Jahreszeiten, dem Sonnenauf- und -untergang. Es spielte sich überwiegend im Freien ab. Wohnpsychologin Barbara Perfahl:

10. ZUSPIELUNG 15:21

„Man hat ja auch das Draußen suchen müssen, um arbeiten zu können, weil man ja für ganz viele Arbeiten einfach Licht braucht, ne. Dann ist man eben bei fast jeder Witterung auch draußen gewesen. Und in den Wintermonaten waren halt bestimmte Arbeiten aber auch nicht möglich. Also wenn Sie an die Landwirtschaft denken, bäuerliches Leben, das hat sich natürlich in der hellen Jahreszeit abgespielt, und in den finsteren Monaten ist man dann aber drinnen gewesen und hat sozusagen das, was man sich erwirtschaftet hat, verarbeitet.“

ERZÄHLER

Im Laufe der Jahrhunderte verbesserte sich die Glasqualität zusehends – die Produktion wurde industrialisiert, Glas immer transparenter, und technische Fortschritte erlaubten, immer größere Scheiben herzustellen. Dennoch blieben Fenster eine Geldfrage. Wer betucht war, setzte auf große Fenster für seine Repräsentationsräume. Sie dienten auch dazu, nach außen hin zu zeigen, wer man war. In einigen Ländern Europas führten die Herrschenden Ende des 17. Jahrhunderts eine Fenstersteuer ein – sie hatte angeblich zur Folge, dass Hausbesitzer zum Teil Fenster

zumauerten oder möglichst fensterarme Häuser bauten, um weniger Abgaben zahlen zu müssen. Andererseits suchten sich reiche Familien gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie ihre Häuser mit möglichst vielen Fenstern versahen.

Musik 9: Georgiana – C1345190006 – 47 Sek

ERZÄHLERIN

Fenster entwickelten sich zu einem prägenden Gestaltungselement in der Architektur. Sie dienten dazu, Fassaden und Innenräume zu gliedern. Man setzte zur Unterteilung der Scheiben beispielsweise Sprossenfenster ein. Was ursprünglich einmal dazu gedient hatte, kleine und damit günstigere Scheiben zu einer großen Glasfläche zusammenzusetzen, hatte später rein ästhetische Gründe.

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte man das sogenannte Winterfenster – eine zusätzliche Scheibe, die man in der kalten Jahreszeit mithilfe von Haken in die Fensterrahmen einfügte. Thomas Wenderoth:

11. ZUSPIELUNG Wenderoth 16:43

„Beim Einfachfenster mit einer einfachen Scheibe, da hat man im Winter Kondensat, und wenn es sehr kalt wird, eben dann die sogenannten Eisblumen am Fenster, weil das Kondensat, das sich auf der Scheibe sammelt, eben dann gefriert. …Und es war auch unseren Vorfahren schon ganz schnell deutlich und klar, dass, wenn ich eine zweite Fenster-Ebene einbaue, ich so ein Pufferraum bekomme zwischen diesen zwei Fensterebenen und eben die Innenseite meines Fensters dann nicht mehr null Grad hat, sondern dann doch plus fünf, sechs Grad und ich damit wenig Schwitzwasser habe und vor allen Dingen auch keine Eisblumen.“

ERZÄHLER

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es einen weiteren großen Sprung in der Technik der Flachglasproduktion. Ein neuartiges Verfahren erlaubte die Herstellung gleichmäßiger, hauchdünner und vollkommen transparenter Glasplatten. Damit handelte man sich allerdings wieder einen Nachteil ein: Die glasklaren Scheiben gewährten auch Einblicke von draußen, gegen die man sich wiederum mit Gardinen, Rollläden oder Fensterläden schützte.

Atmo Fenster öffnen

Musik 10: Belises et ses amants – siehe M1 – 1:00 Minute

ZITATOR

„Sie besprachen, wie man Licht ins Rathaus hineinschaffen konnte. Erst nach dem fünften Glas Bier sagte der Hufschmied nachdenklich: „Wir sollten das Licht wie Wasser hineintragen!“ „Hurra!“, riefen alle begeistert.

Am nächsten Tag schaufelten die Schildbürger den Sonnenschein in Eimer und Kessel, Kannen und Töpfe. Andre hielten Kartoffelsäcke ins Sonnenlicht, banden dann die Säcke schnell zu und schleppten sie ins Rathaus. Dort banden sie die Säcke auf, schütteten das Licht ins Dunkel und rannten wieder auf den Markt hinaus, wo sie die leeren Säcke wieder vollschaufelten. So machten sie es bis zum Sonnenuntergang. Aber im Rathaus war es noch dunkel wie am Tag zuvor. Da liefen alle traurig wieder ins Freie.“

ATMO Fenster schließen + Fenster putzen

ERZÄHLERIN

Der Schildbürgerstreich und der Blick auf die Geschichte der Fenster zeigen: Gäbe es keine Fenster – man müsste sie erfinden.

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Das Fenster - Geschichte mit Durchblick

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Fenster gelten als Auge eines Hauses. Sie schaffen eine Verbindung zwischen innen und außen, ermöglichen Aus- und Einblicke. Durch die Jahrhunderte haben sie ihre Form stetig gewandelt, genauso wie das Leben in den Räumen hinter den Fenstern Veränderungen unterlag. Autorin: Susanne Hofmann

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Autor/in dieser Folge: Susanne Hofmann
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Johannes Hitzelberger, Rahel Comtesse, Stefan Merki, Gudrun Skupin
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ATMO Fenster wird geöffnet

Musik 1: Belises et ses amants - M0010658011 – 50 sek

ZITATOR

Der Plan, das neue Rathaus nicht viereckig, sondern dreieckig zu bauen, stammte vom Schweinehirten. „Die Idee wird Schilda berühmter machen als Pisa mit seinem schiefen Turm!“, sagte er.

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Und so machten sich die Schildbürger an die Arbeit, errichteten drei Mauern und setzten ein Dach darauf. Bei der feierlichen Einweihung wollten die Bürger voller Stolz das neue Gebäude erkunden.

ZITATOR

Doch sie waren noch nicht auf der Treppe, da purzelten sie auch schon durcheinander und schimpften wie die Rohrspatzen. Da erst dämmerte es den Schildbürgern: „In unserem Rathaus ist es finster!“ Sie hatten doch tatsächlich die Fenster vergessen.

ATMO FENSTER zu + ATMO Fenster putzen

ERZÄHLERIN

Was für uns heute ein, inzwischen sprichwörtlicher, Schildbürgerstreich ist, war für unsere Vorfahren über viele Jahrtausende noch Normalität: Gebäude ohne Fenster: Finster, muffig, höhlenartig muss sich das angefühlt haben. Und dann, irgendwann, kam das Fenster.

Musik 2: Glass house - Z8024816105 – 58 sek

ERZÄHLER

Fenster – von lateinisch fenestra – bezeichnet eine Maueröffnung in einem Haus zur Belichtung und Belüftung von Innenräumen. Seit dem 8. Jahrhundert gehört das Wort Fenster zum deutschen Wortschatz. Wohnen ohne Fenster ist für uns unvorstellbar. Das bloße Dach über dem Kopf reicht nach heutigen Begriffen höchstens zum Hausen aus, nicht aber, um sich auch zuhause zu fühlen. Die österreichische Wohnpsychologin Dr. Barbara Perfahl befasst sich seit vielen Jahren mit Architektur und damit, wie Räume – und Fenster - wirken.

1. ZUSPIELUNG Perfahl 1:35

„Fenster spielen beim Wohnen und beim Einrichten eine ganz große Rolle und vor allem bei der Frage, wie wohl sich Menschen in Räumen fühlen. Ursprünglich sind Fenster ja einfach in Häuser geschnitten worden, sozusagen um Licht rein und ganz zu Beginn den Rauch rauszulassen. Und einen Sicherheitsaspekt hatte das auch noch. Man hat sich aus dem Haus heraus verteidigt, durch Fensterschlitze zum Beispiel. Aber im heutigen Wohnen spielt es eine ganz große Rolle: Die meisten Menschen suchen beim Wohnen Licht, je heller Wohnungen sind, desto wertiger und angenehmer werden sie wahrgenommen.“

Musik 4: Liz on top of the world – C1345190009 – 35 Sek

ERZÄHLER

Die Villa mit Panoramafenstern und entsprechend lichtdurchfluteten Räumen ist für viele der Inbegriff luxuriösen Wohnens. Idealerweise befindet sich das Haus in unbebauter Umgebung und erlaubt den Blick ins Grüne. Dass wir das als angenehm empfinden, hängt womöglich damit zusammen, so Wohnpsychologin Barbara Perfahl,

2. ZUSPIELUNG Perfahl 3:45

„dass der Mensch in unseren Breitengraden seit etwa 16 Generationen erst überwiegend sich in gebauten Räumen aufhält. Also das heißt, vor wenigen hundert Jahren war unser Lebensraum eigentlich das Draußen. … an und für sich sind wir als Menschen Geschöpfe des Draußen, darauf sind wir auch programmiert. Und deshalb suchen wir das auch im Drinnen.“

ERZÄHLERIN

Fenster schaffen eine Verbindung zwischen innen und außen. Sie schirmen uns – zumindest in ihrer heutigen Form mithilfe von isolierenden Glasscheiben – vor widrigem Wetter und ungemütlichen Temperaturen ab und gewähren zugleich einen Blick ins Freie. Barbara Perfahl:

3. ZUSPIELUNG Perfahl 4.42

„Wir wollen uns die Natur auch reinholen. … Wir können uns besser konzentrieren, wenn wir einen Arbeitsplatz an einem Fenster haben, von dem aus wir ins Grüne schauen können, als wenn wir einen Arbeitsplatz haben, wo wir nicht so ein Fenster haben.“

ERZÄHLER

Der Schutz vor der Natur bei gleichzeitig größtmöglicher Nähe zur Natur scheint ein natürliches Bedürfnis zu sein. Die meisten von uns suchen in unserer Wohnung oder unserem Haus auch Erholung.

4. ZUSPIELUNG Perfahl 6.56

„Das heißt, wir brauchen diesen sicheren Rückzugsraum, um unsere Akkus wieder aufzuladen, um zur Ruhe zu kommen, um wieder aufzutanken. Und da brauchen wir es angenehm, gemütlich, schön. Und da gehört eben Licht, Helligkeit dazu, aber auch die Möglichkeit, zum Beispiel rauszugucken ins Grüne oder in den Himmel oder einfach an die Straße lang, also das zu steuern zu können, wie viel vom Außen ich sehe, das ist schon ein Aspekt auch von diesem Erholtseinkönnen.“

ERZÄHLERIN

Licht hebt die Stimmung, stärkt das Immunsystem, und wir brauchen es in vielerlei Hinsicht, zunächst einmal aus einem ganz praktischen Grund: Damit wir sehen, was wir tun.

5. ZUSPIELUNG Perfahl 2:40

„Wir haben ja jetzt ganz tolles, künstliches Licht, aber vor ein paar hundert Jahren hatten wir funzelige Kerzen gehabt und dort seine Arbeit verrichtet. Aber wir brauchen natürlich als Menschen auch Licht zur Steuerung unserer Körperfunktionen, Tag-Nacht-Rhythmus, Vitamin D-Bildung und solche Dinge, also wir brauchen Licht, um gesund zu bleiben. Und jetzt kann man in die Natur rausgehen, da hat man dann die Sonne, hat das Licht, aber man wollte schon relativ früh, im Grunde in dem Moment, wo man sich Häuser gebaut hat, das Licht möglichst auch drin haben.“

ERZÄHLER

Doch der Blick zurück in die Vergangenheit zeigt: Fenster, die diese Funktion erfüllen, gibt es menschheitsgeschichtlich gesehen noch gar nicht so lange.

Musik 4: Mystique – 9808636386977– 35 sek

ERZÄHLERIN

Als sich vor 10-12.000 Jahren erste Gemeinschaften an einem Ort niederließen und begannen, Häuser aus Stein zu bauen, war das noch eine finstere Angelegenheit. Denn Fenster besaßen diese ersten Häuser noch nicht. Maximal hatte man kleine Löcher in der Wand oder im Dach, um den Rauch des Feuers entweichen lassen zu können, an dem man sich wärmte und Essen kochte. Unpraktische Nebenwirkung: Auch kalte Luft und Feuchtigkeit drangen durch die Löcher ungehindert ins Innere.

Musik aus

ERZÄHLER

Später behalf man sich mit in Öl getauchten Tierhäuten, die man vor die Lüftungsschlitze hängte. So wurden Wind und Regen abgewehrt und es schimmerte zumindest eine Ahnung von Licht hindurch. In Gebrauch kamen außerdem Holzläden vor den Maueröffnungen, die man öffnen und schließen konnte. Die Wohnpsychologin Barbara Perfahl:

6. ZUSPIELUNG Perfahl 5:59

„Wir brauchen … ein Territorium, das uns gehört, wo keine Fremden reinkommen können, wo wir auch aber Schutz vor Einblicken zum Beispiel haben, also Privatsphäre gehört da ja auch dazu. Das heißt Fenster wären vor dem Sicherheitsaspekt betrachtet, eigentlich kleiner, besser: Je kleiner, desto weniger kann man reingucken.“

Musik 5: Historic Secrets (b) – Z8026923127 - 44 Sek

ERZÄHLERIN

Im meist heißen und trockenen Ägypten rund 1100 Jahre vor Christus wollte man sich vor allem vor der sengenden Hitze der Sonne schützen. Die Häuser der alten Ägypter muss man sich als einfache rechteckige Kästen vorstellen, erbaut aus Lehmziegeln. Der Wohnbereich, in dem man sich meistens aufhielt, befand sich ganz im Inneren des Hauses, umringt von kleineren Kammern. Man versuchte dadurch, die Hitze von draußen mit mehreren Mauern abzuschirmen. Diese Häuser nennt man auch Schneckenhäuser. Sie öffneten sich für gewöhnlich auf einen Hof, der oft überdacht war und auf dem man die meisten Arbeiten verrichtete.

Musik aus

ERZÄHLER

Zur Belüftung des Hauses dienten Schlitzfenster. Sie befanden sich ganz oben in den Räumen auf der sonnenabgewandten Seite. Ebenso wie die Eingangstüren, die sich in der Regel nach Norden öffneten, um den kühlenden Nordwind einzulassen. Vor den Schlitzfenstern wurden zum Teil auch Vorhänge aus Papyrus befestigt. Diese sollten ebenfalls vor der Sonneneinstrahlung schützen. Auch dünn geschliffene Scheiben aus Alabaster sind verbürgt. Alabaster, eine Art Gips, wirkt aufgrund seiner weißen Farbe und seiner transparenten Beschaffenheit ähnlich wie Milchglas. Im Inneren der Häuser herrschte also Dämmerlicht. Auch reich verzierte Fenstergitter aus Sandstein, die man zum Schutz der Privatsphäre anbrachte, verdunkelten die Räume.

Weil sich die Häuser trotzdem im Laufe des Tages aufheizten, bespritzten die Menschen ihre Böden mit Wasser, das in Krügen dafür bereitstand. Die Verdunstung sorgte für ein wenig Kühlung. Abkühlung suchten auch die alten Römer in der Antike. Wie sie lebten, interessierte schon den Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe:

Musik 6: Dr. Mabus – C1433570010– 1:05 Minuten

ZITATOR (Goethe)

Neapel, den 13. März 1787

Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte. Ich weiß nicht leicht etwas Interessanteres.

ERZÄHLERIN

Goethe auf seiner Italienischen Reise nach dem Besuch der antiken Stadt Pompeij am Golf von Neapel. Sie wurde 79 vor Christus nach dem Ausbruch des Vesuvs verschüttet und blieb unter der Vulkanasche großenteils erhalten. Pompeji ist also ein Glücksfall für Archäologen. Die Stadt bietet einen Einblick in den Alltag und die Wohnverhältnisse der Menschen damals.

Goethe war fasziniert:

ZITATOR (Goethe)

Pompeji setzt jedermann wegen seiner Enge und Kleinheit in Verwunderung. Schmale Straßen, obgleich grade und an der Seite mit Schrittplatten versehen, kleine Häuser ohne Fenster, aus den Höfen und offenen Galerien die Zimmer nur durch die Türen erleuchtet.

ERZÄHLER

Nicht alle Häuser der alten Römer waren fensterlos. Insbesondere die Häuser wohlhabender Bewohner hatten Fenster zum Garten oder zum Hof hin, noch ohne Verglasung allerdings. Viele Häuser erhielten ihr Licht von oben, durch eine Dachöffnung. Die großen Stadthäuser besaßen aber auch Fenster zur Straße.

Straßenatmo/Stimmengewirr/Wagengeräusche

ERZÄHLERIN

Die Stadt Rom war zur Kaiserzeit eine pulsierende Metropole mit über einer Million Einwohnern und aufgrund des steten Zuzugs bald hoffnungslos übervölkert. Die meisten Menschen lebten in winzigen Wohnungen oder Zimmern in mehrstöckigen Häuserblocks. Darin war es stickig und beengt, wie der Dichter Martial im 1. Jahrhundert nach Christus in etlichen Epigrammen beklagte.

ZITATOR Martial

„Ich lebe in einer kleinen Zelle, mit nur einem Fenster, das nicht einmal richtig passt. Boreas selbst, der Nordwind, möchte hier nicht hausen.“

ERZÄHLER

Das Leben spielte sich großenteils vor der Haustür ab, in Geschäften, Lokalen und öffentlichen Bädern. Nach Hause kamen die Römer vor allem zum Schlafen. Der Lärm, der von der Straße an die Fenster drang, muss beträchtlich gewesen sein: Wagen rumpelten über das Pflaster, Menschenmassen drängten sich durch die Gassen, Händler priesen ihre Ware an, Viehtreiber brüllten und Lehrer unterrichteten im Freien lautstark ihre Schüler. Ruhe in der Stadt zu finden – ein Ding der Unmöglichkeit, urteilte der römische Satirenschreiber Juvenal:

ZITATOR Juvenal

„Fragst du, woran hier die Mehrzahl dahinstirbt? Mangel des Schlafes Ist’s; denn welche gemiethete Wohnung lässt hier die Ruh zu? Nur der Reiche und Vornehme kann des Schlafes sich freuen; Das ist die Quelle der Krankheit; das Rasseln der Karren und Wagen In dem engen Gewirre der Gassen, das Fluchen und Schimpfen, das der Fuhrmann erhebt, wenn sein Vieh muss stehen.“

Straßenatmos weg + Fenster zu + Atmo Regen prasselt gegen Fenster

ERZÄHLERIN

Lärmreduzierendes Fensterglas entwickelten die Römer kurz nach Christi Geburt. Eine bahnbrechende Erfindung: Dank Glasscheibe können nun Wind und Wetter nach draußen verbannt werden, während das Licht ins Gebäude gelassen wird. Das Fensterglas kommt gerade rechtzeitig für die Eroberungsfeldzüge der Römer über die Alpen in den kühleren Norden. Nur dank Glasfenstern waren auch andere zivilisatorische Exporte der Römer in kältere Regionen überhaupt sinnvoll nutzbar – beispielsweise Fußbodenheizungen oder Thermen.

Atmo Therme + Wassergeplätscher…

ERZÄHLER

Hier, in ihren Badeanlagen, setzten die Römer wohl ihre ersten Glasfenster ein. Und zwar nach Süd-Westen ausgerichtet, so dass die Becken zu den Badezeiten zwischen Mittag und Abend die volle Sonne abbekamen und sich die Räume dadurch aufheizen konnten. Eines der ältesten erhaltenen verglasten Fenster stammt aus der Forumstherme in Pompeji: Eine etwa handtellergroße runde Scheibe in einem Bronzerahmen.

ERZÄHLERIN

Fensterglas, das noch über viele Jahrhunderte ein Luxusgut war, wurde nur in öffentlichen Gebäuden und in den Palästen der Reichen eingebaut. Die frühen Fensterscheiben muss man sich auch noch recht klein vorstellen, sie maßen in der Regel höchstens 20 mal 30 Zentimeter. Außerdem war das Glas matt, uneben und noch lange nicht so durchsichtig, wie wir es heute kennen. Hergestellt wurde es aus einer Mischung von Buchenholzasche und Sand, die man bei rund 1500 Grad Celsius miteinander verschmolz. Vermutlich wurde dieses frühe Fensterglas geblasen, aus der Glaskugel ein Zylinder geformt, welcher schließlich geteilt und ausgerollt wurde. Die Reste wurden wieder eingeschmolzen. Ein äußerst aufwändiger Prozess.

Musik 7: Virgo Virginum – ZD000100106 – 41 Sek

ERZÄHLER

Aus der Not des kleinen Formats machte man in der Gotik, also ab Mitte des 13. Jahrhunderts, eine Tugend. Man färbte das Glas bunt – unter anderem unter Beifügung von geringen Mengen Gold und Chrom – und setzte es mittels Bleifassungen zu Bildern zusammen. In den gotischen Kathedralen prangen seither prächtige, vielfarbige Glasfenster. Eines der größten ziert die Kathedrale von Metz: Es misst 6.500 Quadratmeter, ist also fast so groß wie ein Fußballfeld, und zeigt unter anderem verschiedene Marienbildnisse.

Atmo – Tür knarzt – Archiv

7. ZUSPIELUNG 1.20 Thomas Wenderoth

„Hier stehen wir in einem unserer Haupträume. Sie sehen, wenn Sie jetzt um sich schauen, auf der rechten Seite eben eine große Anzahl von Fenstern…Die kommen aus dem gesamten bayerischen Bereich.“

ERZÄHLERIN

Der Denkmalschützer Dr. Thomas Wenderoth, Fachreferent für Bautechnik am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, überblickt eine Sammlung von rund 200 historischen Fenstern, verstaut unter dem Dach des ehemaligen Klosters Thierhaupten. Sie alle haben einen hölzernen Rahmen, die meisten besitzen Glasscheiben, viele davon mehrmals unterteilt. Auch Butzenscheiben sind dabei sowie runde oder sechseckige Fensterscheiben.

ERZÄHLER

Das älteste Fenster im Fundus stammt aus einer Kirche aus dem 12. Jahrhundert – ein übermannsgroßer klobiger Holzrahmen, oben gerundet – und ohne Fensterglas. Ein derart altes Fenster ist eine Rarität, die meisten Fenster aus der Zeit wurden entsorgt. Denn im 15. Jahrhundert führte ein Innovationsschub in der Glasproduktion dazu, dass Glas erschwinglicher wurde. Und mit der Verfügbarkeit stiegen die Ansprüche. Man brach größere Öffnungen in die Fassaden, die alten glaslosen oder kleinen Fenster wurden ersetzt und verschwanden meist spurlos.

8. ZUSPIELUNG 3.26 Thomas Wenderoth

„Also man kann rundweg sagen: Ab 1500 ist das Glas allgemein gebräuchlich - egal, ob wir jetzt eine ländliche, bäuerliche Situation haben oder einen herrschaftlichen Bau, und je nach Gattung und Geldbeutel des Bauherrn finden wir natürlich früher Glasfenster und bei ärmeren Personenkreisen eben später.“

Musik 8: Gespenstische Nacht – C1525250125 – 51 Sek

ERZÄHLERIN

Bis 1500 besaßen die meisten Wohnhäuser hierzulande also keine Glasfenster, sondern Wandöffnungen, die mit hölzernen Fensterläden, Leder oder Tüchern verschlossen wurden. Diese Fenster dienten vor allem der Lüftung. Das war wohl auch nötig, schließlich lebten Mensch und Vieh über viele Jahrhunderte unter einem Dach, wie die Archäologin Imma Kilian in der „Geschichte des Wohnens“ schreibt:

ZITATORIN

„Stallgeruch, Essensdämpfe, Rauch, Kälte, Dunkelheit und Enge waren tägliche, gemeinsame Erfahrungen, die alle Hofbewohner verbunden haben, die aber auch zu Gereiztheit und Streit geführt haben werden.“

ERZÄHLER

Die Lüftungsfunktion lässt sich übrigens noch am englischen Wort für Fenster ablesen: Window. Es setzt sich aus „wind“ und dem altenglischen Wort für „eye“ zusammen, zu Deutsch Windauge.

Unsere Vorfahren hatten die Wahl: Licht oder Wärme in der Stube. Thomas Wenderoth

9. ZUSPIELUNG Wenderoth 7:45

„Das was sicher nicht komfortabel. Aber wenn man es nicht anders gewohnt ist und weiß, im Winter ist es kalt, und im Winter ist es eben nicht nur kalt draußen, sondern auch in meinem Haus nicht warm - man kannte es dann auch nicht anders.“

ERZÄHLERIN

Das Leben der Menschen im Mittelalter richtete sich vor allem nach der Natur, dem Lauf der Jahreszeiten, dem Sonnenauf- und -untergang. Es spielte sich überwiegend im Freien ab. Wohnpsychologin Barbara Perfahl:

10. ZUSPIELUNG 15:21

„Man hat ja auch das Draußen suchen müssen, um arbeiten zu können, weil man ja für ganz viele Arbeiten einfach Licht braucht, ne. Dann ist man eben bei fast jeder Witterung auch draußen gewesen. Und in den Wintermonaten waren halt bestimmte Arbeiten aber auch nicht möglich. Also wenn Sie an die Landwirtschaft denken, bäuerliches Leben, das hat sich natürlich in der hellen Jahreszeit abgespielt, und in den finsteren Monaten ist man dann aber drinnen gewesen und hat sozusagen das, was man sich erwirtschaftet hat, verarbeitet.“

ERZÄHLER

Im Laufe der Jahrhunderte verbesserte sich die Glasqualität zusehends – die Produktion wurde industrialisiert, Glas immer transparenter, und technische Fortschritte erlaubten, immer größere Scheiben herzustellen. Dennoch blieben Fenster eine Geldfrage. Wer betucht war, setzte auf große Fenster für seine Repräsentationsräume. Sie dienten auch dazu, nach außen hin zu zeigen, wer man war. In einigen Ländern Europas führten die Herrschenden Ende des 17. Jahrhunderts eine Fenstersteuer ein – sie hatte angeblich zur Folge, dass Hausbesitzer zum Teil Fenster

zumauerten oder möglichst fensterarme Häuser bauten, um weniger Abgaben zahlen zu müssen. Andererseits suchten sich reiche Familien gegenseitig zu übertrumpfen, indem sie ihre Häuser mit möglichst vielen Fenstern versahen.

Musik 9: Georgiana – C1345190006 – 47 Sek

ERZÄHLERIN

Fenster entwickelten sich zu einem prägenden Gestaltungselement in der Architektur. Sie dienten dazu, Fassaden und Innenräume zu gliedern. Man setzte zur Unterteilung der Scheiben beispielsweise Sprossenfenster ein. Was ursprünglich einmal dazu gedient hatte, kleine und damit günstigere Scheiben zu einer großen Glasfläche zusammenzusetzen, hatte später rein ästhetische Gründe.

Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte man das sogenannte Winterfenster – eine zusätzliche Scheibe, die man in der kalten Jahreszeit mithilfe von Haken in die Fensterrahmen einfügte. Thomas Wenderoth:

11. ZUSPIELUNG Wenderoth 16:43

„Beim Einfachfenster mit einer einfachen Scheibe, da hat man im Winter Kondensat, und wenn es sehr kalt wird, eben dann die sogenannten Eisblumen am Fenster, weil das Kondensat, das sich auf der Scheibe sammelt, eben dann gefriert. …Und es war auch unseren Vorfahren schon ganz schnell deutlich und klar, dass, wenn ich eine zweite Fenster-Ebene einbaue, ich so ein Pufferraum bekomme zwischen diesen zwei Fensterebenen und eben die Innenseite meines Fensters dann nicht mehr null Grad hat, sondern dann doch plus fünf, sechs Grad und ich damit wenig Schwitzwasser habe und vor allen Dingen auch keine Eisblumen.“

ERZÄHLER

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es einen weiteren großen Sprung in der Technik der Flachglasproduktion. Ein neuartiges Verfahren erlaubte die Herstellung gleichmäßiger, hauchdünner und vollkommen transparenter Glasplatten. Damit handelte man sich allerdings wieder einen Nachteil ein: Die glasklaren Scheiben gewährten auch Einblicke von draußen, gegen die man sich wiederum mit Gardinen, Rollläden oder Fensterläden schützte.

Atmo Fenster öffnen

Musik 10: Belises et ses amants – siehe M1 – 1:00 Minute

ZITATOR

„Sie besprachen, wie man Licht ins Rathaus hineinschaffen konnte. Erst nach dem fünften Glas Bier sagte der Hufschmied nachdenklich: „Wir sollten das Licht wie Wasser hineintragen!“ „Hurra!“, riefen alle begeistert.

Am nächsten Tag schaufelten die Schildbürger den Sonnenschein in Eimer und Kessel, Kannen und Töpfe. Andre hielten Kartoffelsäcke ins Sonnenlicht, banden dann die Säcke schnell zu und schleppten sie ins Rathaus. Dort banden sie die Säcke auf, schütteten das Licht ins Dunkel und rannten wieder auf den Markt hinaus, wo sie die leeren Säcke wieder vollschaufelten. So machten sie es bis zum Sonnenuntergang. Aber im Rathaus war es noch dunkel wie am Tag zuvor. Da liefen alle traurig wieder ins Freie.“

ATMO Fenster schließen + Fenster putzen

ERZÄHLERIN

Der Schildbürgerstreich und der Blick auf die Geschichte der Fenster zeigen: Gäbe es keine Fenster – man müsste sie erfinden.

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