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Regierungssprecher zu Kanzler-Ausruf „Slava Ukraini!“: „Kontext hat sich massiv gewandelt“

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Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 11. Juni seine Rede anlässlich der sogenannten „Ukraine Recovery Conference“ und des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit der umstrittenen Grußformel „Slava Ukraini“ abgeschlossen. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die dem Innenministerium untersteht, wurde dieser Slogan erstmals im April 1941 als offizieller politischer Gruß von der allgemein als faschistisch und fanatisch antisemitisch eingeordneten „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ unter Stepan Bandera eingeführt. Die NachDenkSeiten wollten auf der Bundespressekonferenz vom Regierungssprecher wissen, aus welcher Motivation heraus sich der Bundeskanzler entschlossen hatte, ausgerechnet diese historisch so konnotierte Grußformel zu nutzen. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Wir bauen die Ukraine wieder auf –-stärker, freier und wohlhabender als zuvor. Dabei können Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern, die heute in unseren Ländern leben, lebendige Brücken sein, Frauen und Männer, die die Sprache des anderen Landes sprechen, die heute hier in Unternehmen arbeiten, die vielleicht schon morgen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen. „It’s in the people!“ Willkommen in Berlin! „Slava Ukraini!“

Mit diesen Worten schloss Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rede auf der „Ukraine Recovery Conference“ in Berlin am 11. Juni ab. Insbesondere die Verbindung von „Willkommen in Berlin! Slava Ukraini“ sollte aber bei historisch halbwegs bewanderten Zeitgenossen einen eher schalen Beigeschmack hinterlassen. Denn die Grußformel „Slava Ukraini“, im Deutschen übersetzt als „Ruhm der Ukraine“ oder auch „Ehre der Ukraine“ bzw. „Hoch lebe die Ukraine“, ist historisch eindeutig konnotiert. Die Bundeszentrale für politische Bildung verortet den Gruß in einer Veröffentlichung zum Thema wie folgt:

(…) Anfang April 1941 faschisierte sich die OUN-B weiter und leistete dadurch einen Beitrag zur Gestaltung des europäischen Faschismusdiskurses. Sie führte unter anderem den Gruß „Ehre der Ukraine! – Ehre den Helden!“ (Slawa Ukrajini – Herojam Slawa) ein, diskutierte die Gesundheit der ukrainischen Rasse und verdammte die Juden als Stütze der Sowjetunion.

(…) Insgesamt ermordete die OUN-B zwischen 70.000 und 100.000 Polen und zwang viele weitere dazu, ihre Lebensorte zu verlassen.

(…) Am 30. Juni 1941 begannen in Lemberg antijüdische Ausschreitungen, die die OUN-B mit den deutschen Truppen in einen zwei Tage dauernden Pogrom verwandelte. Ähnliche Pogrome, die von nationalen Feierlichkeiten begleitet wurden, fanden in vielen ostgalizischen und wolhynischen Orten statt. Bandera wurde als der Führer des ukrainischen Staates gefeiert. (…) Die „Säuberung“ der Ukraine von Juden, Polen, Russen und anderen „Feinden“ der Organisation war ein zentraler Bestandteil seiner Ziele.“

Diese historische Einordnung von der bpb, dass der Gruß „Slava Ukraini“ nachweislich von der OUN-B und explizit als offizieller faschistischer Gruß der Organisation eingeführt wurde, wirft ein doch recht bezeichnendes Licht auf die aktuelle politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. Ein nachweislich 1941 von einer mit dem Hitler-Regime kollaborierenden faschistisch und militant anti-semitischen Bewegung etablierter Gruß, der zudem lauthals als Schlachtruf bei den Juden-Pogromen erschallte, wird vom Bundeskanzler und zahlreichen anderen Regierungsvertretern genutzt, um vorgeblich „Solidarität“ mit der Ukraine in ihrem „Kampf für Freiheit und Demokratie“ zum Ausdruck zu bringen.

Die aufgezeigte historische Verankerung und Konnotation des Slogans verneint Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der BPK auch gar nicht. Dafür ist wohl auch die Quellenlage zu umfassend. Er greift daher zu einem rhetorischen Taschenspielertrick, indem er erklärt:

„Ich weiß, dass es die alte historische Konnotation auch gegeben hat, aber da hat sich der Kontext doch massiv gewandelt.“

Es erübrigt sich fast, darauf hinzuweisen, dass es dem Regierungssprecher bei ähnlich historisch konnotierten Sprüchen, die von deutschen, kroatischen, italienischen oder spanischen Faschisten zwischen den 1930er und 1940er Jahren eingeführt worden sind, mitnichten in den Sinn käme, davon zu sprechen, dass sich der Kontext doch angeblich massiv gewandelt hätte. „Gewandelt“ hat sich wohl eher das Geschichtsverständnis eines Teils der ukrainischen Gesellschaft. Denn wirklich Popularität erhielt dieser Ruf erst im Zuge der Maidan-Revolte, wo er von den bekannten rechtsnationalistischen Kräften verbreitet wurde. Seit 2018 ist der OUN-B-Slogan von 1941 „Slava Ukrajini – Herojam Slava“ der offizielle Schlachtruf der ukrainischen Armee.

Interessant ist, wie kritisch selbst heute extrem einseitig ausgerichtete Osteuropa-Experten wie Andreas Umland die Nutzung dieses Slogans auf dem Maidan noch vor 10 Jahren bewerteten. In einem Artikel mit dem Titel „Wie die Verbreitung von banderitischen Slogans und Symbolen die ukrainische Nationenbildung untergräbt“ führte er detailliert aus, dass „Slava Ukraini“ von rechtsextremen Gruppen wie Swoboda, Rechter Sektor, Kongress der ukrainischen Nationalisten und der Ukrainischen Plattform Sobor bewusst (und erfolgreich) in die Maidan-Bewegung getragen wurde:

„Gleichzeitig ist es “Svoboda” und einigen kleineren, ähnlich orientierten Gruppen jedoch gelungen, eine Reihe eigener, spezifisch ethno-nationalistischer Themen, Symbole und Slogans in die gesamte Protestbewegung einzubringen. Dies betrifft vor allem die rot-schwarze Blut-und-Boden-Fahne der Ukrainischen Aufständischen Armee, die heute sichtbarer ist als während der Proteste von 1990 und 2004, und den Schlachtruf der OUN “Ruhm der Ukraine! – Ruhm den Helden!” Der Podiumsmoderator des Euromaidan, Jewhen Nyschtschuk, ein ansonsten wenig bekannter Theaterschauspieler und DJ der Orangenen Revolution von 2004, hat dazu beigetragen, diesen Slogan zum Hauptmotto der Protestbewegung zu machen, welches in den letzten Wochen hunderte Male mantraartig wiederholt wurde.“

So viel zu den Aussagen des Regierungssprechers hinsichtlich des angeblich „massiv gewandelten“ Kontextes von „Slava Ukraini“…

Wortprotokoll von der Regierungspressekonferenz am 12. Juni 2024

Frage Warweg
Herr Hebestreit, der Kanzler hat bei seiner Rede am 11. Juni anlässlich des Besuchs von Selenskyj seine Rede mit „Slava Ukraini!“ abgeschlossen. Das ist jetzt kein völlig unumstrittener Begriff. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung, die ja dem BMI untersteht, wurde dies erstmals als politischer Gruß von der Organisation ukrainischer Nationalisten unter Bandera eingeführt – mit den entsprechenden Konnotationen, die Sie auch kennen. Mich würde interessieren: Aus welcher Motivation heraus hat sich denn der Bundeskanzler entschlossen, angesichts dieses historischen Hintergrunds gerade im Bundestag diesen Gruß so zu formulieren?

Regierungssprecher Hebestreit
Ich bin am Überlegen, ob er das im Bundestag gesagt hat. Ich glaube das nicht. Es war der ukrainische Präsident, der das gestern im Bundestag gesagt hat. Aber der Bundeskanzler hat es gestern bei seiner Rede auf der Wiederaufbaukonferenz gesagt. Er hat es auch schon im Vorfeld immer wieder gesagt. Das erste Mal, an das ich mich erinnern kann, war in Kyjiw, wo er im Juni 2022 zu Besuch war.

Ich glaube, man muss so etwas immer im Kontext sehen. Das ist ein Ruf, der nach dem brutalen russischen Angriffskrieg, dem Überfall auf die Ukraine, diese Würdigung und auch diesen Ruf erhalten hat, der sich an eine freie, demokratische und auch europäische Ukraine wendet. Ich weiß, dass es die alte historische Konnotation auch gegeben hat, aber da hat sich der Kontext doch massiv gewandelt. Allen Versuchen, das jetzt in einen solchen Kontext zu rücken, würde ich auch massiv entgegentreten. Wenn Sie sich in der Welt umschauen, sehen Sie, dass es sehr, sehr viele sind – auch westliche Führerinnen und Führer -, die diesen Ruf benutzen, auch im Angedenken des tapferen Widerstands, den die Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den russischen Aggressor leisten.

Zusatzfrage Warweg
Wenn ich den Herrn Hebestreit richtig verstanden habe, ist diese Definition und Herleitung des Begriffs, wie er von der Bundeszentrale für politische Bildung noch 2017 definiert wurde, nicht mehr aktuell. Plant das BMI denn entsprechend, diesen Artikel als Behörde, der die bpb untersteht, überarbeiten zu lassen?

Funke (BMI)
Die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das politische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu fördern. Dies muss unabhängig und parteiübergreifend erfolgen. Das ist die Aufgabe. Produkte und Bildungsmaßnahmen werden von der Bundeszentrale für politische Bildung entsprechend dieses genannten, originären Auftrags eigenständig konzipiert, beauftragt oder auch durchgeführt. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie sich direkt an die Bundeszentrale für politische Bildung wenden.

Hebestreit
Da möchte ich doch einen Satz ergänzen. Herr Warweg, Sie waren so freundlich, zu sagen, aus welchem Jahr die Publikation stammt. Das ist jetzt sieben Jahre her, und die Welt entwickelt sich weiter. Insoweit würde ich fest davon ausgehen, dass auch die Bundeszentrale für politische Bildung immer wieder aktualisiert, was sie so verbreitet. So ähnlich machen wir das ja auch alle; denn die Welt ändert sich.

Zuruf Warweg
Aber historische Hintergründe bleiben bestehen

Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot Bundespressekonferenz vom 12. Juni 2024

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Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 11. Juni seine Rede anlässlich der sogenannten „Ukraine Recovery Conference“ und des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit der umstrittenen Grußformel „Slava Ukraini“ abgeschlossen. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die dem Innenministerium untersteht, wurde dieser Slogan erstmals im April 1941 als offizieller politischer Gruß von der allgemein als faschistisch und fanatisch antisemitisch eingeordneten „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ unter Stepan Bandera eingeführt. Die NachDenkSeiten wollten auf der Bundespressekonferenz vom Regierungssprecher wissen, aus welcher Motivation heraus sich der Bundeskanzler entschlossen hatte, ausgerechnet diese historisch so konnotierte Grußformel zu nutzen. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Wir bauen die Ukraine wieder auf –-stärker, freier und wohlhabender als zuvor. Dabei können Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainern, die heute in unseren Ländern leben, lebendige Brücken sein, Frauen und Männer, die die Sprache des anderen Landes sprechen, die heute hier in Unternehmen arbeiten, die vielleicht schon morgen eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen. „It’s in the people!“ Willkommen in Berlin! „Slava Ukraini!“

Mit diesen Worten schloss Bundeskanzler Olaf Scholz seine Rede auf der „Ukraine Recovery Conference“ in Berlin am 11. Juni ab. Insbesondere die Verbindung von „Willkommen in Berlin! Slava Ukraini“ sollte aber bei historisch halbwegs bewanderten Zeitgenossen einen eher schalen Beigeschmack hinterlassen. Denn die Grußformel „Slava Ukraini“, im Deutschen übersetzt als „Ruhm der Ukraine“ oder auch „Ehre der Ukraine“ bzw. „Hoch lebe die Ukraine“, ist historisch eindeutig konnotiert. Die Bundeszentrale für politische Bildung verortet den Gruß in einer Veröffentlichung zum Thema wie folgt:

(…) Anfang April 1941 faschisierte sich die OUN-B weiter und leistete dadurch einen Beitrag zur Gestaltung des europäischen Faschismusdiskurses. Sie führte unter anderem den Gruß „Ehre der Ukraine! – Ehre den Helden!“ (Slawa Ukrajini – Herojam Slawa) ein, diskutierte die Gesundheit der ukrainischen Rasse und verdammte die Juden als Stütze der Sowjetunion.

(…) Insgesamt ermordete die OUN-B zwischen 70.000 und 100.000 Polen und zwang viele weitere dazu, ihre Lebensorte zu verlassen.

(…) Am 30. Juni 1941 begannen in Lemberg antijüdische Ausschreitungen, die die OUN-B mit den deutschen Truppen in einen zwei Tage dauernden Pogrom verwandelte. Ähnliche Pogrome, die von nationalen Feierlichkeiten begleitet wurden, fanden in vielen ostgalizischen und wolhynischen Orten statt. Bandera wurde als der Führer des ukrainischen Staates gefeiert. (…) Die „Säuberung“ der Ukraine von Juden, Polen, Russen und anderen „Feinden“ der Organisation war ein zentraler Bestandteil seiner Ziele.“

Diese historische Einordnung von der bpb, dass der Gruß „Slava Ukraini“ nachweislich von der OUN-B und explizit als offizieller faschistischer Gruß der Organisation eingeführt wurde, wirft ein doch recht bezeichnendes Licht auf die aktuelle politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. Ein nachweislich 1941 von einer mit dem Hitler-Regime kollaborierenden faschistisch und militant anti-semitischen Bewegung etablierter Gruß, der zudem lauthals als Schlachtruf bei den Juden-Pogromen erschallte, wird vom Bundeskanzler und zahlreichen anderen Regierungsvertretern genutzt, um vorgeblich „Solidarität“ mit der Ukraine in ihrem „Kampf für Freiheit und Demokratie“ zum Ausdruck zu bringen.

Die aufgezeigte historische Verankerung und Konnotation des Slogans verneint Regierungssprecher Steffen Hebestreit in der BPK auch gar nicht. Dafür ist wohl auch die Quellenlage zu umfassend. Er greift daher zu einem rhetorischen Taschenspielertrick, indem er erklärt:

„Ich weiß, dass es die alte historische Konnotation auch gegeben hat, aber da hat sich der Kontext doch massiv gewandelt.“

Es erübrigt sich fast, darauf hinzuweisen, dass es dem Regierungssprecher bei ähnlich historisch konnotierten Sprüchen, die von deutschen, kroatischen, italienischen oder spanischen Faschisten zwischen den 1930er und 1940er Jahren eingeführt worden sind, mitnichten in den Sinn käme, davon zu sprechen, dass sich der Kontext doch angeblich massiv gewandelt hätte. „Gewandelt“ hat sich wohl eher das Geschichtsverständnis eines Teils der ukrainischen Gesellschaft. Denn wirklich Popularität erhielt dieser Ruf erst im Zuge der Maidan-Revolte, wo er von den bekannten rechtsnationalistischen Kräften verbreitet wurde. Seit 2018 ist der OUN-B-Slogan von 1941 „Slava Ukrajini – Herojam Slava“ der offizielle Schlachtruf der ukrainischen Armee.

Interessant ist, wie kritisch selbst heute extrem einseitig ausgerichtete Osteuropa-Experten wie Andreas Umland die Nutzung dieses Slogans auf dem Maidan noch vor 10 Jahren bewerteten. In einem Artikel mit dem Titel „Wie die Verbreitung von banderitischen Slogans und Symbolen die ukrainische Nationenbildung untergräbt“ führte er detailliert aus, dass „Slava Ukraini“ von rechtsextremen Gruppen wie Swoboda, Rechter Sektor, Kongress der ukrainischen Nationalisten und der Ukrainischen Plattform Sobor bewusst (und erfolgreich) in die Maidan-Bewegung getragen wurde:

„Gleichzeitig ist es “Svoboda” und einigen kleineren, ähnlich orientierten Gruppen jedoch gelungen, eine Reihe eigener, spezifisch ethno-nationalistischer Themen, Symbole und Slogans in die gesamte Protestbewegung einzubringen. Dies betrifft vor allem die rot-schwarze Blut-und-Boden-Fahne der Ukrainischen Aufständischen Armee, die heute sichtbarer ist als während der Proteste von 1990 und 2004, und den Schlachtruf der OUN “Ruhm der Ukraine! – Ruhm den Helden!” Der Podiumsmoderator des Euromaidan, Jewhen Nyschtschuk, ein ansonsten wenig bekannter Theaterschauspieler und DJ der Orangenen Revolution von 2004, hat dazu beigetragen, diesen Slogan zum Hauptmotto der Protestbewegung zu machen, welches in den letzten Wochen hunderte Male mantraartig wiederholt wurde.“

So viel zu den Aussagen des Regierungssprechers hinsichtlich des angeblich „massiv gewandelten“ Kontextes von „Slava Ukraini“…

Wortprotokoll von der Regierungspressekonferenz am 12. Juni 2024

Frage Warweg
Herr Hebestreit, der Kanzler hat bei seiner Rede am 11. Juni anlässlich des Besuchs von Selenskyj seine Rede mit „Slava Ukraini!“ abgeschlossen. Das ist jetzt kein völlig unumstrittener Begriff. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung, die ja dem BMI untersteht, wurde dies erstmals als politischer Gruß von der Organisation ukrainischer Nationalisten unter Bandera eingeführt – mit den entsprechenden Konnotationen, die Sie auch kennen. Mich würde interessieren: Aus welcher Motivation heraus hat sich denn der Bundeskanzler entschlossen, angesichts dieses historischen Hintergrunds gerade im Bundestag diesen Gruß so zu formulieren?

Regierungssprecher Hebestreit
Ich bin am Überlegen, ob er das im Bundestag gesagt hat. Ich glaube das nicht. Es war der ukrainische Präsident, der das gestern im Bundestag gesagt hat. Aber der Bundeskanzler hat es gestern bei seiner Rede auf der Wiederaufbaukonferenz gesagt. Er hat es auch schon im Vorfeld immer wieder gesagt. Das erste Mal, an das ich mich erinnern kann, war in Kyjiw, wo er im Juni 2022 zu Besuch war.

Ich glaube, man muss so etwas immer im Kontext sehen. Das ist ein Ruf, der nach dem brutalen russischen Angriffskrieg, dem Überfall auf die Ukraine, diese Würdigung und auch diesen Ruf erhalten hat, der sich an eine freie, demokratische und auch europäische Ukraine wendet. Ich weiß, dass es die alte historische Konnotation auch gegeben hat, aber da hat sich der Kontext doch massiv gewandelt. Allen Versuchen, das jetzt in einen solchen Kontext zu rücken, würde ich auch massiv entgegentreten. Wenn Sie sich in der Welt umschauen, sehen Sie, dass es sehr, sehr viele sind – auch westliche Führerinnen und Führer -, die diesen Ruf benutzen, auch im Angedenken des tapferen Widerstands, den die Ukrainerinnen und Ukrainer gegen den russischen Aggressor leisten.

Zusatzfrage Warweg
Wenn ich den Herrn Hebestreit richtig verstanden habe, ist diese Definition und Herleitung des Begriffs, wie er von der Bundeszentrale für politische Bildung noch 2017 definiert wurde, nicht mehr aktuell. Plant das BMI denn entsprechend, diesen Artikel als Behörde, der die bpb untersteht, überarbeiten zu lassen?

Funke (BMI)
Die Aufgabe der Bundeszentrale für politische Bildung ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das politische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu fördern. Dies muss unabhängig und parteiübergreifend erfolgen. Das ist die Aufgabe. Produkte und Bildungsmaßnahmen werden von der Bundeszentrale für politische Bildung entsprechend dieses genannten, originären Auftrags eigenständig konzipiert, beauftragt oder auch durchgeführt. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie sich direkt an die Bundeszentrale für politische Bildung wenden.

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Da möchte ich doch einen Satz ergänzen. Herr Warweg, Sie waren so freundlich, zu sagen, aus welchem Jahr die Publikation stammt. Das ist jetzt sieben Jahre her, und die Welt entwickelt sich weiter. Insoweit würde ich fest davon ausgehen, dass auch die Bundeszentrale für politische Bildung immer wieder aktualisiert, was sie so verbreitet. So ähnlich machen wir das ja auch alle; denn die Welt ändert sich.

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