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about:web #2 – Was das Internet über dich denkt

34:27
 
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Die zweite Folge des neuen Podcast von Mozilla & ze.tt: über das Internet, Dich & mich!

about:web – der brandneue Podcast von Mozilla und ze.tt

Episode 2 – Was das Internet über dich denkt

Protagonisten: • Wolfgang Kerler – Redaktionsleiter von Wired in Deutschland • Sachar Klein – Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Hypr • Andre Padecken und Sandra Drolshagen – Betreiber des Instagram-Accounts MissyMinzi • Douglas Rushkoff – US-amerikanischer Autor, Dozent und Kolumnist

Skript:

Mae Becker: Ah, der “Is mir egal” Mann. Der ist super. Ewig nicht mehr gehört. Aber immer noch ein guter Beat. Was macht die BVG, die Berliner Verkehrsgesellschaft, eigentlich jetzt? Ah…. ja… da steht es ja gleich… noch ein Video

Jetzt sind sie auf 80er. Auch nicht schlecht. Hmmm hmmm hmmm … Oh Mann, das wird mein Ohrwurm. Das wird mein Ohrwurm der nächsten Wochen. Das weiß ich jetzt schon. Um den zu übertünchen brauch ich jetzt dringend etwas Anderes.

Ach, guck, der „Supergeil“-Typ von Edeka… ach, ja… Liechtenstein. Der war echt super. Supergeil, quasi.

Jaja, ihr kennt das alle. Zu viel Zeit und einen Computer zur Hand und schon ist man in den Weiten des Netzes abgetaucht und macht sich eine gute Zeit. Oft auch, wenn man eigentlich gar keine Zeit hat. Das Internet ist ein Traum für alle, die prokrastinieren wollen. Das heißt, so richtig schön bummeln, und die eigene Zeit etwas anderem widmen, als dem, das man gerade wirklich zu tun hat. Das Internet macht es uns leicht, uns mit super wichtigen Sachen eine gute Zeit zu machen: Wir schauen Katzenvideos an, lustige Gifs oder auch einfach nur anderen Menschen beim Leben zu. Wir versacken auf Suchmaschinen und in Online-Lexika. Aber, wer sind wir für das Internet? Werden alle diese Inhalte eingestellt, um uns zu belustigen? Um uns zu zerstreuen? Und uns zu informieren? Oder warum? Darum soll es in dieser Folge von about:web gehen. Hi, ich bin Mae von ze.tt. Und ich führe euch durch diesen Podcast, präsentiert von Mozilla, den Machern des Browsers Firefox, und Tochter der Non-Profit Organisation Mozilla Foundation. Im Gegensatz zu einigen anderen Tech-Unternehmen, setzt Mozilla euch an erste Stelle und tritt seit 20 Jahren für das Internet ein. Mit so Sachen wie der Multicontainer Erweiterung, die Werbe-Tracker davon abhält, euch von Seite zu Seite, Plattform zu Plattform zu verfolgen. Ich sag das nur jetzt hier schon mal, denn nachdem wir herausgefunden haben werden, was auf der anderen Seite des Webs so gedacht und gemacht wird und mit welcher Motivation, werden ihr wahrscheinlich unbedingt sowas wie die Multicontainer-Erweiterung für euren Browser haben wollen. Trust me. Oder gleich die neueste Version von Firefox, die mit verbesserter Tracking Protection kommt und alles blockt, was euch im Internet verfolgt.

Also: Woher kommen all diese Dinge, die uns im Web begegnen und warum sind sie da? Wer hat da was von - und wer nicht? Ist es etwa gewollt, dass wir wie Anne aus der letzten Folge unsere Hände nicht mehr von unseren Handys und Tastaturen lassen können? Und wenn ja, von wem? Und warum? Ist Aufmerksamkeit die neue Währung geworden?

[Jingle]

Ich klicke mal hier mal da, wie Hans Guck in die Luft und mache mir eigentlich über gar nichts Gedanken, wenn ich mit viel Zeit mal im Netz unterwegs bin. Denn das Internet ist ja schließlich dafür da, mich zu belustigen. Oder? Und für mich ist ein einzelner Klick auf eine Sachen eben wirklich nur das: ein bedenkenloser Klick. Und die Zeit, die ich auf einzelnen Portalen verbringe ist für mich auch nur das: eine Minute meiner Lebenszeit.

So wie ich klicken sich viele ganz bedenkenlos durch das Internet. Dabei werden wir aber von unsichtbaren Kräften gelenkt. Das zeigt schon mein kurzer Stroll auf Youtube. Wie von Geisterhand zieht es mich von einem Video zum nächsten. Immer dem guten Beat und dem skurrilen Inhalt nach. Dass ich bei genau diesen Videos lande, ist dabei sicher kein Zufall.

Für die Akteure auf der anderen Seite sieht mein kleiner Ausflug durch die Weiten des Netzes ganz anders aus. Sie nehmen das ernst. Und sie haben sich beim Design der verschiedenen Webseiten etwas gedacht. Und bei ihren Social Media Posts. Und auch bei den Inhalten, die sie für uns ausspielen. Denn es gibt ganz verschiedene Techniken, wie man sich im Netz unsere Aufmerksamkeit aneignet.

Sachar Klein: “Letztendlich geht es darum, den Menschen etwas zu geben, das sie entweder, was für sie komplett neu ist, oder man bietet ihnen etwas, was sie bestätigt, dass sie dann schlussendlich sagen „Ha! Siehste! Ich bin nicht allein mit meiner Meinung.“ Oder aber was sie dermaßen erstaunt und überrascht, dass sie sagen „Das kann doch gar nicht wahr sein. Schau dir das doch mal an!“

Mae Becker: Eben habt ihr Sachar Klein gehört. Dass ich mich ausgerechnet mit ihm über diese Sachen unterhalte, kommt nicht von ungefähr. Denn Sachar ist Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Hypr in Berlin und arbeitet für große Unternehmen, aber auch für Startups oder aber Magazine. Sein Job ist es, für diese Kunden Aufmerksamkeit zu generieren und zwar auf den unterschiedlichsten Plattformen und mit verschiedenen Mitteln.

Sachar Klein: “Die Art und Weise, wie wir Kommunikation verstehen ist einerseits, dass die Aufmerksamkeit von Menschen erlangen müssen, um dann die Aufmerksamkeit der Menschen so zu framen, dass wir die Kunden oder die Auftraggeber für die wir tätig sind, letztendlich davon am meisten profitieren können. Gleichzeitig gibt es nicht nur um simple Aufmerksamkeit, sondern darum die Aufmerksamkeit so zu gestalten, dass sich die Nutzer gut unterhalten und informiert fühlen.”

Mae Becker: Sachar, der auch einen journalistischen Background hat, möchte, dass die Internetnutzer seinen Inhalten gerne ihre Aufmerksamkeit schenken, nicht durch Druck. Er möchte Inhalte schaffen, die man einfach gerne klickt. Natürlich immer das Kommunikationsziel seiner Kunden im Hinterkopf. Aber woher weiß man, was gern geklickt wird? Dafür muss man vor allem die Zielpersonen sehr gut kennen. Und sie dort abholen, wo sie sind, erklärt mir Sachar:

Sachar Klein: Ich habe tatsächlich früh gelernt, dass man gute Geschichten erzählen muss. Dass man die Geschichten aber eben nicht aus seiner eigenen Perspektive heraus erzählen muss, sondern dass man immer berücksichtigen muss, wem man diese Geschichten erzählt, damit man die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen kann.

Leute, die sich Gehör verschaffen möchten und müssen, müssen zuerst wahnsinnig viel zuhören. Ich persönlich bin ein Freund dessen, dass ich lieber selber höre, lese, beobachte, analysiere und auf Basis dessen eine Entscheidung treffe, was die Leute wirklich interessiert, worüber sie nachdenken, worüber sie weniger gerne nachdenken. Und dann muss ich das Ganze natürlich als Schablone über das legen, was unsere Auftraggeber interessiert und was sie gerne kommuniziert sehen wollen. Damit das dann auch wirklich gut funktioniert. Mae Becker: Der Schlüssel, unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen liegt also darin, uns besonders gut zu kennen. Kommunikationsagenturen wie Hypr wollen nicht einfach irgendwen erreichen, sie wollen die richtigen Menschen für ein bestimmtes Kommunikationsziel erreichen. Damit die Werbebotschaft des Kunden auch bei denen ankommt, die sie interessiert.

Ganz ähnlich verfährt auch Journalist Wolfgang Kerler. Auch wenn er eigentlich keine Werbeziele mit seiner Arbeit verfolgt. Die guten Geschichten will er dennoch an den richtigen Mann und die richtige Frau bringen. Wolfgang leitet seit ein paar Monaten die Redaktion von Wired in Deutschland.

Wolfgang Kerler: Wired ist ein Technologie-Magazin. Früher wars mal ein Heft, jetzt sind wir nur noch im Netz. Unser Themengebiet sind Zukunftstechnologien und alles, was damit politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Konsequenzen zusammenhängt.

Mae Becker: Ich unterhalte mich mit Wolfgang, weil er ein digitales Medium betreibt. Eins auf das wir, bei unseren Streifzügen durch das Netz klicken können. Menschen, die Wired lesen, interessieren sich für Technologie und Zukunftsthemen, wie beispielsweise E-Mobility und Blockchain. Ihr Tech-Wissen bekommen sie bei Wired schon seit 1993. Wer sich so lang hält, muss wissen, was er tut. Wolfgang, der vorher lang beim Bayerischen Rundfunk und auch Korrespondent des ARD Haupstadtstudios war, weiß, wie man die Aufmerksamkeit dieser bestimmten Gruppe fesselt.

Wolfgang Kerler: Man kann natürlich durch reißerische Überschriften und Unmengen an Content, den man irgendwie raushaut, schnell so eine Aufmerksamkeitswelle erzeugen […] und kriegt dann wahrscheinlich auch auf einen Schlag mal viele Klicks. Aber unser Ziel ist es, uns quasi eine treue Nutzerschaft aufzubauen. Wir versuchen an bestimmten Themen einfach viel dran zu bleiben, lang dran zu bleiben. Und dann versuch ich natürlich, dass viele Geschichten echt nur wir haben. Also exklusive Geschichten oder spannende Artikel, tatsächlich die sich dann von selbst verbreiten, weil die Leute das so interessant finden, dass sie es dann posten und verschicken und so weiter.

Mae Becker: Wolfgang geht es also darum, relevante News zu verbreiten und auch bemerkenswerte und für die Leser relevante Geschichten zu erzählen. Es geht darum, etwas zu bringen, was dem Leser wiederum etwas bringt, was ihn begeistert, ihm Spaß macht. Gern auch mit einer knalligen Headline und dem ein oder anderen Tech-Gossip über Elon Musk.

Aber ist es wirklich nur das? Oder gibt es da noch eine andere Seite, wenn wir über Aufmerksamkeit sprechen? Gibt es da nicht noch diese Sache namens Aufmerksamkeitsökonomie? Kurz: Ist da nicht noch jemand anderes zufriedenzustellen, wenn man als digitales Medium überleben will?

Wolfgang Kerler: Das Thema Aufmerksamkeitsökonomie hat für mich jetzt in den letzten Monaten ganz akut an Bedeutung gewonnen, weil ich von einem gebührenfinanzierten öffentlich rechtlichen Medium zu einem privaten Medienhaus gewechselt hab. Und hier sind wir sozusagen von Werbeeinnahmen abhängig und nicht mehr von automatisch einfließenden Gebührengeldern. Also sind wir jetzt noch viel stärker als früher auf die Aufmerksamkeit unserer Nutzer angewiesen.

Wir müssen, wir brauchen auch gute Zahlen, um Werbung zu schalten.

Mae Becker: Auf Werbeeinnahmen und auf die Aufmerksamkeit der Nutzer angewiesen” sagt Wolfgang. Und hat damit schon den Finger in die Wunde gelegt. Denn je mehr meiner Aufmerksamkeit eine Seite im Internet auf sich zieht, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Seite für Werbetreibende interessant wird. Und dieser Umstand ist nicht zu unterschätzen. Denn da kommt das Geld her. Das Geld, das gebraucht wird, um die Webseite überhaupt erst betreiben zu können. Ein ziemliches Dilemma. Oh ja!

Und da Werbetreibende sich nun mal gern da tummeln, wo ihre Anzeige von den meisten gesehen wird – das heißt, wo man potenziell die meisten Kunden akquirieren kann – sind Anzeigenplätze auf beliebten Portalen und Netzwerken teuer. Es ist also gut, wenn man möglichst viele Leute auf seinem Portal oder seiner Seite erreicht. Schon klingelt die Kasse. So kann unsere Aufmerksamkeit leicht in harte Währung übersetzt werden.

Wolfgang Kerler: Wir sind ja auch irgendwie ein bisschen in einem Dilemma, wir machen ein kostenloses Angebot. Aber irgendwie müssen wir ja auch Geld verdienen, das heißt wir müssen natürlich Werbeanzeigen schalten und brauchen da auch eine gewissen Anzahl an Nutzern. Wir müssen schon dafür sorgen, dass unser Content auch erreicht wird. Weil, selbst die Leute, die uns interessieren, finden wir ja nur, wenn wir irgendwie Aufmerksamkeit erzeugen. Weil es gibt so viele Angebote. Die suchen nicht mehr aktiv nach uns nach uns. Die sagen nicht, ey, ich brauch irgendwie ein cooles Medium, die Zukunftsthemen behandelt und ein bisschen einen weiteren Horizont hat als diese normalen Textseiten, wo ich irgendwelche Windows-Fixes erklärt kriege. Danach sucht ja niemand mehr aktiv. Das heißt wir müssen irgendwie in deren Kosmos reinkommen. Und das ist ein schmaler Grad.

Mae Becker: Das ist wahr. Wann hab ich zuletzt mit solchen Schlagwörtern wirklich nach etwas im Netz gesucht. Und ein Online-Medium braucht dann doch gewisse Techniken, um auf eine gewissen Anzahl an Nutzern zu kommen. Eine gewisse Anzahl an Klicks. Damit es sich rechnet. Ja, Werbetreibende trietzen uns schon alle irgendwie, scheint mir.

Wolfgang Kerler: Und gleichzeitig, obwohl wir kostenlos sind, gibt es auch so eine gewisse Abfälligkeit den Medien gegenüber inzwischen im Netz bei manchen Nutzern und da wird dann trotzdem so ein bisschen geschimpft. Und wenn man mal eine Überschrift macht, die ein bisschen Teaser- oder Cliffhanger-Charakter hat. Dann schreiben sie gleich drüber: “Ey habt ihr die Klicks echt so nötig, oder so? Dann denk ich mir auch, ja sorry, dass wir euch kostenlos Artikel bereitstellen. Wir haben schon den Anspruch, dass wir gute Artikel machen und ich bin dann bereit, den Preis zu zahlen, dass wir irgendwie mal ein bisschen eine reißerische Überschrift nehmen. Sodass der gute Content auch an den Mann und die Frau kommt. Weil es nützt niemandem was, wenn ich ne langweilige Überschrift mache und dann niemand den guten Artikel lesen kann. Das nutzt weder dem Nutzer, noch dem Verlag noch mir und das ist irgendwie eine Gradwanderung.

Mae Becker: Da haben sich einige Unternehmen ganz schön viel einfallen lassen, um uns einzufangen, weiß Wolfgang. Auch wenn er bei Wired längst nicht alles macht, was da so möglich wäre. Aber die Möglichkeiten sind in der Szene auf jeden Fall bekannt. Für viele ist dabei der Inhalt längst nicht mehr die Priorität, sondern vielleicht schon, wie man die Zahlen möglichst hoch treibt, um vor den Werbern eine gute Figur zu machen.

Wolfgang Kerler: Natürlich kennt man so ein bisschen die Tricks. Was ich noch recht harmlos finde, ist Nachrichten. Aktuelle Meldungen. Die erzeugen Aufmerksamkeit. Weil es wollen halt recht viele Leute wissen, was passiert grad. Dann ist natürlich so: Sex sells. Sobald es um Sex geht, hast du mehr Traffic. Drogen gehen auch total gut, sobald irgendwie Marihuana drin vorkommt, kannst du dir sicher sein, ok, der Artikel läuft Tiere gehen bestimmt auch gut da machen wir nicht so viel, bei uns sind die Tiere eher die Roboter, die irgendwas cooles machen. Also das sind so Content-Typen und dann kannste natürlich reißerische Headlines machen, du kannst polarisierende Headlines machen, wo die Leute sich schon irgendwie beim Lesen drüber aufregen, und dann drauf klicken. Also sowas geht auch. Und es gibt natürlich auch technische Möglichkeiten, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Also es gibt Redaktionen, die überarbeiten so einen Nachrichten-Artikel zwanzig mal am Tag, damit Google den jedesmal wieder als neuen Artikel wahrnimmt und dann wieder hochspült bei Google News und dann da noch ein paar Klicks abgreift. Sodass dann nicht mehr der beste Nachrichten-Artikel oben ist, sondern halt der, der am häufigsten gepimpt wird von der Redaktion. Das ist auch so ne Möglichkeit. Dann kannst du dir irgendwie 20.000 verschiedene Arten von Facebook- und Instagram-Posts überlegen, möglichst emotional und sharable. Dann funktionieren total süße Sachen oder Posts, wo Leute drunter schreiben, wie schlimm doch was ist. Und wie schlecht die Welt heutzutage ist. Also wo man sich irgendwie so ein bisschen ranwanzen kann mit irgendwas. Schaut mal, jetzt ist das Weltmeer schon wieder so verschmutzt und dann schreiben alle: Ja, das ist total schlimm. Sowas funktioniert auch gut. Das war jetzt ein kurzer Ritt durch alles, was man so machen kann. Aber Vorsicht: Wired macht nicht alles davon, wir machen nur die anständigen Sachen!

Mae Becker: Sachar von Hypr weiß, warum manche Unternehmen so hart um die Aufmerksamkeit kämpfen. So hart, dass sich inzwischen auch der Ton in unserer Nachrichten- und Medienkultur gewandelt hat.
Sachar Klein Weil auf uns in der Zeit, in der wir leben, einfach unfassbar viele Kommunikationsbotschaften einprasseln. Und wir eben auch nicht mehr jeden Morgen, die Tageszeitung aufschlagen oder das Radio einschalten, sondern vielleicht sogar noch im Bett, unser Smartphone zur Hand nehmen, Facebook öffnen, Instagram öffnen, vielleicht Twitter öffnen. Und dann eben Seiten runter scrollen. Und dieser Scroll-Daumen, der ist sehr unnachgiebig und verharrt auf Sachverhalten nur 1,3 Sekunden. Und wenn man sich da in das Bewusstsein der Menschen fressen möchte mit seiner Botschaft, da muss man schon eine sehr starke Botschaft haben. Das ist etwas, was zu einer sehr aggressiven Wortwahl führt.”

Mae Becker: Kurz: Wer am lautesten schreit, erhofft sich die meisten Klicks und auch das meiste Geld durch Werbeeinnahmen. Sachar und Wolfgang sind von den billigen Maschen gelinde gesagt genervt. Beide setzen auf wenigen und dafür qualitativ hochwertigen Content, mit dem sie dauerhafte Nutzer gewinnen wollen, die ihre Inhalte gern lesen. Dennoch sind auch sie, solange Content umsonst ist (was ja total gut ist), abhängig von Werbung.

Aber das ist nicht das einzige Problem hier. Denn wir Menschen folgen auch ganz bestimmten Anreizen im Netz, ohne es zu merken. Dabei schränken diese Anreize unsere Wahlmöglichkeiten eigentlich ein, denn ich klicke ja innerhalb einer Seite nur auf die Dinge, die mir als “artverwandt” angezeigt werden und mich vermeintlich interessieren sollen. Oft ist uns diese Vorauswahl, diese Beschneidung unserer Möglichkeiten nicht bewusst. Sie führt aber dazu, dass wir möglichst lange auf einer bestimmten Seite bleiben, also möglichst viel Zeit mit den Seiteninhalten verbringen.

Wenn uns etwas gefällt, dann schauen wir es uns mehrfach an und lange. Wir streuen zum Beispiel Videos und Clips freiwillig im Netz, teilen sie mit unseren Freunden und werden so – gemäß dem Schneeballprinzip – zu Multiplikatoren von Inhalten. Damit helfen wir mit, die Aufmerksamkeit auf einer bestimmten Plattform zu bündeln.

Sogar wir bei ze.tt sind Teil des Ganzen, weil wir auf Hashtags und virale Hits hinweisen und uns über Internetkunst beömmeln. Und wir stellen witzige Instagram Accounts vor, die unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.

All das ist natürlich vollkommen in Ordnung. Wir sollten ja mit unserer Zeit machen können, was wir wollen. Und wir sollten auch die Inhalte mit den Menschen in unserer Umgebung teilen können, von denen wir sicher sind, dass sie ihnen auch gefallen. Allerdings ist es nun einmal wichtig, zu wissen, dass vieles, was du dir im Internet gern anschaust, dich zugleich mit Werbetreibenden verbindet.

Douglas Rushkoff: Ökonomie der Aufmerksamkeit” ist eine Bezeichnung, die gerade heute immer häufiger genutzt wird, um zu beschreiben, dass Internetunternehmen sich im Grunde in ihrem Wachstum nur darin beschränkt sehen, wie viele Stunden wir Menschen auf einen Bildschirm starren können.

Mae Becker: Douglas Rushkoff ist ein US-amerikanischer Autor, Dozent und Kolumnist. Er unterrichtet Medientheorie an der New York University und hat in seiner Karriere zahlreiche Fachbücher zur Netzkultur veröffentlicht. Mit der sogenannten Attention Economy kennt er sich aus.

Douglas Rushkoff: Pioniere des digitalen Businesses haben schnell erkannt, dass es räumlich im Internet keine Beschränkungen gibt. Es können immer mehr und mehr Webseiten erstellt werden. Der Platz ist quasi unendlich. Aber die Anzahl der Stunden, die wir tatsächlich damit verbringen können, all die Dinge, die im Internet veröffentlicht werden, aufzunehmen, die ist begrenzt.

Mae Becker: Wenn das Internet ein Raum ist, in dem jeder unbegrenzt viele Inhalte veröffentlichen kann, allerdings die Menschen, die diese Inhalte sehen und sich mit ihnen beschäftigen sollen, nur ein kurzes zeitliches Aufnahmefenster haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die publizierten Inhalte nicht gesehen werden, unglaublich groß.

Das knappe Gut in dieser Gleichung ist unsere Aufmerksamkeit. Sie ist unfassbar viel wert! Sie ist eine wertvolle Ressource in dieser digitalen Welt. Mit ihr lässt sich viel Geld machen. Je mehr Aufmerksamkeit man hat, desto mehr Geld lässt sich verdienen.

Das Gerangel um unsere Aufmerksamkeit hat einige neue Phänomene zum Vorschein gebracht: die Influencer zum Beispiel. Sie schaffen es, mit ihren Inhalten, die Aufmerksamkeit einer großen Gruppe an Menschen auf sich zu ziehen. So können sie mit ihren Empfehlungen – auch für Produkte – Einfluss ausüben. Was sie sagen, erreicht viele, was sie cool finden, finden möglicherweise viele Leute cool.

Ich treffe mich mit Sandra Drolshagen und Andre Padecken. Sie sind Influencer. Oder sagen wir, Influencer-Manager. Oder nee, noch besser: Manager von einem Petfluencer! Täglich posten sie Bilder ihrer süßen Hunde auf ihrem Instagram Kanal missyminzi.

Angefangen hat alles vor etwa drei Jahren, als sich das Paar den süßen Zwergspitz Minzi zulegte. Minzi brach sich leider als Welpe ein Vorderbeinchen. Nach einigen medizinischen Komplikationen musste das Bein abgenommen werden. Die Suche nach Prothesen für einen so kleinen Hund gestaltete sich schwierig. Sandra musste selbst aktiv werden und sich mit einem Prothesenhersteller in Verbindung setzen. Die Idee zum Instagram Account kam dann aber eigentlich von einer Freundin. Sie schlug ihnen vor, ihre Geschichte und das Leben mit dem dreibeinigen Wuschel mit der Welt zu teilen und nebenbei Menschen über Hundeprothesen aufzuklären. Seither zeigen die beiden, wie es ist, mit dem süßen Dreibeiner zu leben. Dass der Account so erfolgreich werden würde, damit haben sie nicht gerechnet.

Andre Padecken: Also auf unserem Instagram Account posten jeden Tag ein Bild. Und nehmen die Leute praktisch in unserer Story vor allem mit, was wir im Alltag so mit den Hunden erleben. Damit wollen wir den Leuten einfach vermitteln: Ihr könnt reisen, wie jeder andere Mensch auch, ihr könnt ähm den Alltag so bestreiten wie jeder andere Mensch auch oder wie jeder Hundehalter vor allem

Mae Becker: Mittlerweile hat der Account über 110.000 Follower, die Anteil am Leben des süßen Dreibeiners nehmen. Auch die anderen vier Hunde des Paares sind mit von der Partie. Mal liegt Minzi mit seinen “Geschwistern” unter dicken Decken, mal schnabulieren sie gemeinsam Melone oder fliegen an Ballons durch die Luft. Natürlich hilft Photoshop das eine oder andere Mal nach. Ein Post auf dem Instagram-Account kann da schon mal locker zwischen 8.000 und 15.000 Likes erhalten. Andre und Sandra profitieren von den Ökonomie der Aufmerksamkeit, wie Douglas Rushkoff sie beschrieben hat.

Andre Padecken: Als wir dann ein paar Tausend Follower hatten, haben wir diverse Anfragen bekommen. Aber das waren dann hundespezifische Sachen: Spielzeug, Hundefutter oder sonst irgendwas. Dass dann größere Unternehmen auf uns zugekommen sind, da müsste ich jetzt absolut schätzen.

Sandra Drolshagen: Ich würd schätzen, so ab 30.000 Followern, in etwa?

Mae Becker: Und wer fragt da an? Auf den Bildern sind ja meist nur Hunde zu sehen. Geht es da um Hundeprodukte?

Sandra Drolshagen Genau also wir haben, Hundespielzeug kriegen wir Anfragen, Hundefutter auch menschliche Produkte oder irgendwelche Öle hatten wir neulich angefragt bekommen. Das geht dann kreuz und quer. Oft sind das auch gar keine Hunde spezifischen Sachen. Man muss da schon ordentlich aussortieren. Wirklich Leute, mit denen wir kooperieren, ist eigentlich sehr wenig.

Mae Becker: Und was wollen die?

Sandra Drolshagen Die wollen einfach, dass wir deren Produkte auf unsere Seite stellen. Oft ist das auch gar nicht so durchdacht. Ob das jetzt wirklich zu unserer Seite passen würde. Wir bekommen zum Beispiel sehr sehr viele Anfragen zu Halsbändern. Fast täglich kommt so eine Anfrage. Und unsere Hunde tragen zum einen keine Halsbänder, zum anderen würde man die ja gar nicht sehen in deren Fell. Oft schicken die dann also Kettenbriefe rum, an alle Influencer, die die kennen und vieles ist auch gar nicht so ernst gemeint dann. Mae Becker: Für Sandra und Andre ist der Account nur ein Side-Projekt. Sie können von den Werbegeschichten auf ihrer Seite nicht leben und das wollen sie auch gar nicht. Andre ist Student, Sandra promoviert. Insofern sind sie froh, sich nicht abhängig von den Unternehmen machen und jede Kooperation annehmen zu müssen, die bei ihnen anklopft. Sie nehmen wirklich nur das an, was zu ihnen und zum Account passt und was sie moralisch vertreten können.

Andre Padecken: wir haben halt primär einen Schmuckhersteller, wir kommen aus Oldenburg und der ist auch in Oldenburg ansässig und haben schon sowohl eine regionale Verbundenheit als auch die Personen, die dort arbeiten, die kennen wir halt auch. Von daher ist sowohl die persönliche als auch die regionale Ebene halt gegeben und da unterstützen wir sehr gerne. Und die unterstützen uns dementsprechend auch und sind total nett zu uns. Und sonst sind wir was so Werbesachen angeht sehr zurückhaltend. Weil wir die Gefahr kennen, dass man mit einem Produkt sich nicht genug auseinandergesetzt hat – das heißt, es kann durchaus auch nach hinten losgehen. Deswegen sind wir was sonstige Werbetätigkeiten betrifft eigentlich recht vorsichtig.

Mae Becker: Aber kommen denn auch mal Unternehmen mit unangebrachten Forderungen um die Ecke?

Sandra Drolshagen: Also dass da unangebrachte Forderungen kommen, das hat man natürlich immer mal. Wenn es jetzt ist, dass ein Produkt gar nicht zu unserer Seite passt, oder wir hatten auch mal einen Spielzeughersteller, der wollte das Spielzeug an den Hund binden. Das war auch so eine ganz skurille Idee, wo wir das auch gar nicht verstanden hatten. Also sowas würden wir natürlich niemals zeigen. Dann hatten wir auch mal Fälle, da hatten wir schon. Also wir mochten die Produkte gerne, hatten uns auch schon fast geeinigt [den vertrag fast unterschrieben] und dann kamen die plötzlich mit ganz vielen zusatzklauseln und 20 Hashtags, die die genannt haben wollten und so weiter. Wo das dann auch einfach auch unseriös wirkt und sowas sagen wir dann doch lieber ab, als dann aus der Not heraus da jetzt so eine Kooperation anzunehmen.

Selbst wenn wir irgendwelche Werbedeals haben, ist das Wohl der Hunde deutlich wichtiger als wenn wir da jetzt irgendwelche inhaltlichen Sachen durchprügeln müssten, ohne davon voll überzeugt zu sein.

Mae Becker: Sandra, Andre und ihre Hunde verschaffen anderen Menschen ein gutes Gefühl. Manche User melden zurück, ihre Bilder seien die Highlights ihres Tages. Andere wollen sich mit ihnen treffen, wenn sie auf Instagram sehen, wo sie gerade unterwegs sind. Minzi ist eine Berühmtheit. Ein Feelgood-Hund mit Feelgood-Content.

Wie immer ist unsere Welt aber nicht nur so rosa-rot. Denn die Sache mit der Aufmerksamkeitsökonomomie hat auch ihre Haken. Das dachtet ihr euch schon. Zum einen werden wir und unsere Daten zum Produkt. Und zum anderen entsteht in diesem Aufmerksamkeitskreislauf auch schnell eine Abhängigkeit. Nämlich dann, wenn sich die Akteure, die im Internet agieren, abhängig von den Werbetreibenden machen. Abhängigkeit gegenüber also von denen, die das Geld haben.

Und das passiert gar nicht so selten. Denn während viele Teile des Internets für uns kostenlos sind – wir können die Inhalte ohne finanzielle Gegenleistung ansehen – haben ja die Personen, die Content kreieren, durchaus Kosten bei deren Erstellung. Kreative, wie Autoren oder Videographen, müssen für ihre freiverfügbaren Inhalte auf irgendeine Art und Weise müssen entlohnt werden. IT-ler, die die Seiten programmieren auch. Und ein Unternehmen, beispielsweise ein Verlagshaus, muss seine Mitarbeiter ebenfalls bezahlen oder will ja auch ein bisschen Profit machen.

Wie sich das rechnet? Ganz einfach: indem möglichst Werbe-Anzeigen verkauft werden. Douglas Rushkoff erklärt noch einmal genauer, wieso das alles problematisch sein kann:

Douglas Rushkoff: "Ganz früher gab es jemanden, der Content erstellt hat und ein entsprechendes Publikum dafür. Irgendwann wurde dem, der Content erstellt, aber klar, dass man sich irgendwie finanzieren muss – und wendete sich den Werbetreibenden zu. Aber wenn mehr Einnahmen durch Werbetreibende erzielt werden, als durch das Publikum, dann ändert sich die ganze Dynamik. Wir sind zu einer Ökonomie der Aufmerksamkeit übergegangen, die eher darauf ausgerichtet ist, die Aufmerksamkeit des Publikums den Werbetreibenden zuzuspielen, als Content für das Publikum zu kreieren.“

Mae Becker: Habt ihr das mitbekommen? Nicht mehr die Inhalte einer Website sind heute die Ware, die man an den Zuschauer bringen will. In Wirklichkeit ist es die Aufmerksamkeit der Personen, die sich diese Website ansehen.

Es geht also inzwischen vielmals eher darum, die Werbetreibenden zufrieden zu stellen und ihnen die Aufmerksamkeit der Internet-User zu bieten, als den Nutzern gute Inhalte zu bieten. Quantität der Nutzerzahlen vor Qualität der Inhalte. Und dieser Umstand zieht gleich noch eine ganze Reihe anderer Geschäftszweige nach sich:

Douglas Rushkoff: “Da sich diese Art zu wirtschaften weiterentwickelte und diese Dynamik erhalten blieb, tauchten eine ganze Reihe anderer Dienstleister auf: wie etwa Data Mining und demographische Erhebungen, psychografische Erhebungen und die gezielte Ausspielung personalisierter Werbung. Denn nun, wo die Konsumenten in Wirklichkeit das Produkt geworden waren, musste man ja auch verstehen, wer all diese Konsumenten waren.”

Mae Becker: Werbebasierte Netzwerke haben also ein großes Interesse daran, ihre Nutzer möglichst umfassend zu durchleuchten und alles über sie zu wissen. Denn dann können sie bessere zielgerichtetere Werbung auf den Markt bringen. Darüber haben wir uns ja bereits in Folge 1 von about:web mit Netzaktivistin Katharina Nocun unterhalten.

Je mehr Follower eine Seite akquirieren kann, desto mehr Geld kann sie potenziell mit Werbung machen. Und je mehr eine Seite über ihre Nutzer weiß, umso attraktiver ist diese Seite für Werbetreibende, da sie ihre Anzeigen dann sehr spezifisch, relevant und punktgenau ausspielen können. Es ist also gut, die Nutzer zu kennen. Zu wissen, worauf sie anspringen, um so die Inhalte anpassen und die Aufmerksamkeit noch besser lenken und damit vermarkten zu können.

Machen wir uns nichts vor. Es gibt Feelgood-Content, ja. Aber es gibt auch Aufreg-Content, der im Netz mindestens so gut funktioniert. Auch wer eine rassistische, eine sexistische, eine Fake News- oder Verschwörungs-Seite im Netz erstellt, wird Follower finden, die diese Inhalte liken und mit anderen Gleichgesinnten teilen. Auch diese Seiten erhalten Aufmerksamkeit und auch diese Seitenbetreiber machen mit ihren Werbeflächen Geld.

Viele Seiten werden genau dafür erstellt: Um Aufreg-Content zu kreieren und Klicks von Menschen zu bekommen, die zu extremen Meinungen neigen. Reißerische Themen, nackte Haut, Sex, Gewalt, … all das sind Mittel, um im Netz um Aufmerksamkeit zu kämpfen. Denn wo die Aufmerksamkeit der Leute ist, da ist für die, die Werbung machen, ein guter Platz ihre Anzeigen zu platzieren – und schwupps klingelt die Kasse desjenigen, der die Webseite betreibt. Dabei werden die ohnehin schon eher radikalen User durch die Seiteninhalte noch weiter radikalisiert. Den Machern solcher Seiten sind diese Auswirkungen meist egal. Sie sind eben nur darauf aus, einen schnellen Taler zu machen.

Auch Sachar Klein von Hypr ist von einigen Akteuren ganz besonders genervt:

Sachar Klein: „Also was mich derzeit nervt ist eine Anzeige, die ich immer wieder auf Twitter und auf Instagram sehe, die diesen massiven Trend oder diesen Hype um die Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ ausnutzt und letztendlich die eine clickbaiting Headline formuliert. Und zwar: „Was du bei die Höhle der Löwen“ nicht gesehen hast. Und dann hast du noch einen Teasertext. Es schien alles einfach, doch im Nachgang hat es nicht funktioniert klick hier, um anzuschauen, was aus dem Unternehmen xyz wurde. Mit dem Ergebnis, dass wenn du diese Anzeige klickst… du etwas liest, was nichts mit der Höhle der Löwen zu tun hat und du auf einer Verkaufsseite landest. Wo ich tatsächlich Angst habe, dass die über einen Cookie gleich deine Daten abgreifen und dann über Retargeting versuchen, dir weitere Produkte, also dich damit zu bombardieren.”

Mae Becker: Douglas Rushkoff fast noch einmal zusammen:

Douglas Rushkoff: Den digitalen Fortschritt hat sich der Kapitalismus einverleibt. Alle anderen Effekte sind in Wirklichkeit nur Wege, uns von dieser essentiellen Realität abzulenken. Uns zu betäuben. Rassismus funktioniert im Netz, weil sich mit Rassismus gutes Geld verdienen lässt. Sexismus funktioniert, weil sich mit Sexismus gutes Geld verdienen lässt. Wir alle sind dem Markt ausgeliefert. Und jedes Unternehmen, mit dem Sie heute sprechen, ist seinen Aktionären ausgeliefert. Sie sind schließlich da, um Kapital anzuhäufen.

Mae Becker: Und dieses Kapital kommt auch durch unsere Aufmerksamkeit. Egal, ob du ein großer Fisch im Internet bist oder ein nettes Pärchen mit einem freundlichen Hunde-Account, das sich neben dem Studium etwas dazuverdient. Gibt es aber einen Weg aus diesem Strudel der Kapitalanhäufung herauszukommen? Schließlich wollen und müssen wir alle uns ja, wie in der ersten Folge von about: web festgestellt haben, im Internet bewegen. Wie kommen wir da raus, Douglas?

Douglas Rushkoff: Meine Hoffnung ist, dass man, wenn man versteht, was diese Plattformen von einem wollen, in einer viel besseren Position ist, sie intelligent und zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Nicht für den Vorteil von jemand anderem. Dann merkt man: „Oh, ok, das ist alles nur eine große Kooperation, die versucht, ihren Nutzen aus mir zu ziehen.“ Sobald man das verstanden hat, kann man sagen: Oh, das Internet ist ein Werkzeug. Wie jedes andere Werkzeug auch. Wie eine Ampel. Oder irgendein anderer Gegenstand da draußen. Mae Becker: Ja, Bescheid zu wissen, wie das Internet funktioniert und was es von uns denkt, ist auf jeden Fall ein guter erster Schritt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, wie wir es nutzen wollen.

Wir sollten uns bewusst machen, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken und welche Strategien es im Netz gibt, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Und wir müssen uns fragen, wo wir mit unserem Nutzungsverhalten wiederum welche Informationen über uns hinterlassen, die zu gezielter personalisierter Werbung führen können.

Kurzum: Wir sollten uns alle Abwehrstrategien gegen das aggressive Werben um unsere Aufmerksamkeit im Netz aneignen. Denn nur, wenn wir wissen, dass einige Akteure im Internet uns nicht nur zerstreuen oder informieren, sondern uns bewusst locken wollen, überlegen wir uns den einen oder anderen Klick auf bestimmte Inhalte vielleicht zweimal. Erinnert ihr euch an meine Empfehlung vom Anfang? Die mit der Multicontainer-Erweiterung, die Advertizer und andere Tracker davon abhält, euch bei euren Streifzügen durch das Internet zu verfolgen? Jetzt wäre es eigentlich ein guter Zeitpunkt, sie gemeinsam mit der neusten Version von Firefox herunterzuladen und zu installieren. Sie gibt euch ein bisschen eurer Privatsphäre zurück, wenn ihr euch im Internet bewegt. Übrigens hat Firefox 63, die neuste Version des Browsers, einen eingebauten Tracking Schutz. Auf englisch “enhanced tracking protection”. Das enhanced bedeutet: Hier werden wirklich alle Tracker automatisch geblockt! Mozilla gibt euch diese und andere Strategien an die Hand, die euch helfen, bewusstere Entscheidungen im Netz zu treffen. Mit dem Browser Firefox, mit diesem Podcast und auf dem Blog blog.mozilla.org/berlin.

Auch diese News sollten viral gehen: Erzählt es euren Freunden und lasst uns alle gemeinsam das Internet viel bewusster nutzen. Gemeinsam können wir die Richtung ändern. Denn wenn unsere Aufmerksamkeit nicht mehr so leicht zu kriegen ist, haben wir eine gute Chance, wieder mehr wertvolle Inhalte zu sehen zu bekommen.

Es geht nicht mehr ohne Online und die digitale Welt ist komplex. Wir bewegen uns täglich darin, aber durchschauen wir sie auch? Mit Organisationen wie Mozilla könnt ihr mehr darüber lernen, welche Mechanismen im Netz greifen. Mozilla ist eine Organisation, die du aus zweierlei Gründen lieben solltest: Erstens machen sie den Browser Firefox und zweitens werden sie von einer gemeinnützigen Organisation, der Mozilla Foundation, unterstützt.

Wenn euch dieser Podcast gefallen hat und ihr mehr darüber erfahren wollt, wie sich unsere Welt durch Technik wandelt, dann hört mal rein in den amerikanischen Podcast IRL - in real life. Unte .irlpodcast.org. Und hört natürlich beim nächsten Mal wieder rein, wenn es darum geht, wie das Internet unsere Kommunikation verändert hat!

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Die zweite Folge des neuen Podcast von Mozilla & ze.tt: über das Internet, Dich & mich!

about:web – der brandneue Podcast von Mozilla und ze.tt

Episode 2 – Was das Internet über dich denkt

Protagonisten: • Wolfgang Kerler – Redaktionsleiter von Wired in Deutschland • Sachar Klein – Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Hypr • Andre Padecken und Sandra Drolshagen – Betreiber des Instagram-Accounts MissyMinzi • Douglas Rushkoff – US-amerikanischer Autor, Dozent und Kolumnist

Skript:

Mae Becker: Ah, der “Is mir egal” Mann. Der ist super. Ewig nicht mehr gehört. Aber immer noch ein guter Beat. Was macht die BVG, die Berliner Verkehrsgesellschaft, eigentlich jetzt? Ah…. ja… da steht es ja gleich… noch ein Video

Jetzt sind sie auf 80er. Auch nicht schlecht. Hmmm hmmm hmmm … Oh Mann, das wird mein Ohrwurm. Das wird mein Ohrwurm der nächsten Wochen. Das weiß ich jetzt schon. Um den zu übertünchen brauch ich jetzt dringend etwas Anderes.

Ach, guck, der „Supergeil“-Typ von Edeka… ach, ja… Liechtenstein. Der war echt super. Supergeil, quasi.

Jaja, ihr kennt das alle. Zu viel Zeit und einen Computer zur Hand und schon ist man in den Weiten des Netzes abgetaucht und macht sich eine gute Zeit. Oft auch, wenn man eigentlich gar keine Zeit hat. Das Internet ist ein Traum für alle, die prokrastinieren wollen. Das heißt, so richtig schön bummeln, und die eigene Zeit etwas anderem widmen, als dem, das man gerade wirklich zu tun hat. Das Internet macht es uns leicht, uns mit super wichtigen Sachen eine gute Zeit zu machen: Wir schauen Katzenvideos an, lustige Gifs oder auch einfach nur anderen Menschen beim Leben zu. Wir versacken auf Suchmaschinen und in Online-Lexika. Aber, wer sind wir für das Internet? Werden alle diese Inhalte eingestellt, um uns zu belustigen? Um uns zu zerstreuen? Und uns zu informieren? Oder warum? Darum soll es in dieser Folge von about:web gehen. Hi, ich bin Mae von ze.tt. Und ich führe euch durch diesen Podcast, präsentiert von Mozilla, den Machern des Browsers Firefox, und Tochter der Non-Profit Organisation Mozilla Foundation. Im Gegensatz zu einigen anderen Tech-Unternehmen, setzt Mozilla euch an erste Stelle und tritt seit 20 Jahren für das Internet ein. Mit so Sachen wie der Multicontainer Erweiterung, die Werbe-Tracker davon abhält, euch von Seite zu Seite, Plattform zu Plattform zu verfolgen. Ich sag das nur jetzt hier schon mal, denn nachdem wir herausgefunden haben werden, was auf der anderen Seite des Webs so gedacht und gemacht wird und mit welcher Motivation, werden ihr wahrscheinlich unbedingt sowas wie die Multicontainer-Erweiterung für euren Browser haben wollen. Trust me. Oder gleich die neueste Version von Firefox, die mit verbesserter Tracking Protection kommt und alles blockt, was euch im Internet verfolgt.

Also: Woher kommen all diese Dinge, die uns im Web begegnen und warum sind sie da? Wer hat da was von - und wer nicht? Ist es etwa gewollt, dass wir wie Anne aus der letzten Folge unsere Hände nicht mehr von unseren Handys und Tastaturen lassen können? Und wenn ja, von wem? Und warum? Ist Aufmerksamkeit die neue Währung geworden?

[Jingle]

Ich klicke mal hier mal da, wie Hans Guck in die Luft und mache mir eigentlich über gar nichts Gedanken, wenn ich mit viel Zeit mal im Netz unterwegs bin. Denn das Internet ist ja schließlich dafür da, mich zu belustigen. Oder? Und für mich ist ein einzelner Klick auf eine Sachen eben wirklich nur das: ein bedenkenloser Klick. Und die Zeit, die ich auf einzelnen Portalen verbringe ist für mich auch nur das: eine Minute meiner Lebenszeit.

So wie ich klicken sich viele ganz bedenkenlos durch das Internet. Dabei werden wir aber von unsichtbaren Kräften gelenkt. Das zeigt schon mein kurzer Stroll auf Youtube. Wie von Geisterhand zieht es mich von einem Video zum nächsten. Immer dem guten Beat und dem skurrilen Inhalt nach. Dass ich bei genau diesen Videos lande, ist dabei sicher kein Zufall.

Für die Akteure auf der anderen Seite sieht mein kleiner Ausflug durch die Weiten des Netzes ganz anders aus. Sie nehmen das ernst. Und sie haben sich beim Design der verschiedenen Webseiten etwas gedacht. Und bei ihren Social Media Posts. Und auch bei den Inhalten, die sie für uns ausspielen. Denn es gibt ganz verschiedene Techniken, wie man sich im Netz unsere Aufmerksamkeit aneignet.

Sachar Klein: “Letztendlich geht es darum, den Menschen etwas zu geben, das sie entweder, was für sie komplett neu ist, oder man bietet ihnen etwas, was sie bestätigt, dass sie dann schlussendlich sagen „Ha! Siehste! Ich bin nicht allein mit meiner Meinung.“ Oder aber was sie dermaßen erstaunt und überrascht, dass sie sagen „Das kann doch gar nicht wahr sein. Schau dir das doch mal an!“

Mae Becker: Eben habt ihr Sachar Klein gehört. Dass ich mich ausgerechnet mit ihm über diese Sachen unterhalte, kommt nicht von ungefähr. Denn Sachar ist Gründer und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Hypr in Berlin und arbeitet für große Unternehmen, aber auch für Startups oder aber Magazine. Sein Job ist es, für diese Kunden Aufmerksamkeit zu generieren und zwar auf den unterschiedlichsten Plattformen und mit verschiedenen Mitteln.

Sachar Klein: “Die Art und Weise, wie wir Kommunikation verstehen ist einerseits, dass die Aufmerksamkeit von Menschen erlangen müssen, um dann die Aufmerksamkeit der Menschen so zu framen, dass wir die Kunden oder die Auftraggeber für die wir tätig sind, letztendlich davon am meisten profitieren können. Gleichzeitig gibt es nicht nur um simple Aufmerksamkeit, sondern darum die Aufmerksamkeit so zu gestalten, dass sich die Nutzer gut unterhalten und informiert fühlen.”

Mae Becker: Sachar, der auch einen journalistischen Background hat, möchte, dass die Internetnutzer seinen Inhalten gerne ihre Aufmerksamkeit schenken, nicht durch Druck. Er möchte Inhalte schaffen, die man einfach gerne klickt. Natürlich immer das Kommunikationsziel seiner Kunden im Hinterkopf. Aber woher weiß man, was gern geklickt wird? Dafür muss man vor allem die Zielpersonen sehr gut kennen. Und sie dort abholen, wo sie sind, erklärt mir Sachar:

Sachar Klein: Ich habe tatsächlich früh gelernt, dass man gute Geschichten erzählen muss. Dass man die Geschichten aber eben nicht aus seiner eigenen Perspektive heraus erzählen muss, sondern dass man immer berücksichtigen muss, wem man diese Geschichten erzählt, damit man die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen kann.

Leute, die sich Gehör verschaffen möchten und müssen, müssen zuerst wahnsinnig viel zuhören. Ich persönlich bin ein Freund dessen, dass ich lieber selber höre, lese, beobachte, analysiere und auf Basis dessen eine Entscheidung treffe, was die Leute wirklich interessiert, worüber sie nachdenken, worüber sie weniger gerne nachdenken. Und dann muss ich das Ganze natürlich als Schablone über das legen, was unsere Auftraggeber interessiert und was sie gerne kommuniziert sehen wollen. Damit das dann auch wirklich gut funktioniert. Mae Becker: Der Schlüssel, unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen liegt also darin, uns besonders gut zu kennen. Kommunikationsagenturen wie Hypr wollen nicht einfach irgendwen erreichen, sie wollen die richtigen Menschen für ein bestimmtes Kommunikationsziel erreichen. Damit die Werbebotschaft des Kunden auch bei denen ankommt, die sie interessiert.

Ganz ähnlich verfährt auch Journalist Wolfgang Kerler. Auch wenn er eigentlich keine Werbeziele mit seiner Arbeit verfolgt. Die guten Geschichten will er dennoch an den richtigen Mann und die richtige Frau bringen. Wolfgang leitet seit ein paar Monaten die Redaktion von Wired in Deutschland.

Wolfgang Kerler: Wired ist ein Technologie-Magazin. Früher wars mal ein Heft, jetzt sind wir nur noch im Netz. Unser Themengebiet sind Zukunftstechnologien und alles, was damit politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen Konsequenzen zusammenhängt.

Mae Becker: Ich unterhalte mich mit Wolfgang, weil er ein digitales Medium betreibt. Eins auf das wir, bei unseren Streifzügen durch das Netz klicken können. Menschen, die Wired lesen, interessieren sich für Technologie und Zukunftsthemen, wie beispielsweise E-Mobility und Blockchain. Ihr Tech-Wissen bekommen sie bei Wired schon seit 1993. Wer sich so lang hält, muss wissen, was er tut. Wolfgang, der vorher lang beim Bayerischen Rundfunk und auch Korrespondent des ARD Haupstadtstudios war, weiß, wie man die Aufmerksamkeit dieser bestimmten Gruppe fesselt.

Wolfgang Kerler: Man kann natürlich durch reißerische Überschriften und Unmengen an Content, den man irgendwie raushaut, schnell so eine Aufmerksamkeitswelle erzeugen […] und kriegt dann wahrscheinlich auch auf einen Schlag mal viele Klicks. Aber unser Ziel ist es, uns quasi eine treue Nutzerschaft aufzubauen. Wir versuchen an bestimmten Themen einfach viel dran zu bleiben, lang dran zu bleiben. Und dann versuch ich natürlich, dass viele Geschichten echt nur wir haben. Also exklusive Geschichten oder spannende Artikel, tatsächlich die sich dann von selbst verbreiten, weil die Leute das so interessant finden, dass sie es dann posten und verschicken und so weiter.

Mae Becker: Wolfgang geht es also darum, relevante News zu verbreiten und auch bemerkenswerte und für die Leser relevante Geschichten zu erzählen. Es geht darum, etwas zu bringen, was dem Leser wiederum etwas bringt, was ihn begeistert, ihm Spaß macht. Gern auch mit einer knalligen Headline und dem ein oder anderen Tech-Gossip über Elon Musk.

Aber ist es wirklich nur das? Oder gibt es da noch eine andere Seite, wenn wir über Aufmerksamkeit sprechen? Gibt es da nicht noch diese Sache namens Aufmerksamkeitsökonomie? Kurz: Ist da nicht noch jemand anderes zufriedenzustellen, wenn man als digitales Medium überleben will?

Wolfgang Kerler: Das Thema Aufmerksamkeitsökonomie hat für mich jetzt in den letzten Monaten ganz akut an Bedeutung gewonnen, weil ich von einem gebührenfinanzierten öffentlich rechtlichen Medium zu einem privaten Medienhaus gewechselt hab. Und hier sind wir sozusagen von Werbeeinnahmen abhängig und nicht mehr von automatisch einfließenden Gebührengeldern. Also sind wir jetzt noch viel stärker als früher auf die Aufmerksamkeit unserer Nutzer angewiesen.

Wir müssen, wir brauchen auch gute Zahlen, um Werbung zu schalten.

Mae Becker: Auf Werbeeinnahmen und auf die Aufmerksamkeit der Nutzer angewiesen” sagt Wolfgang. Und hat damit schon den Finger in die Wunde gelegt. Denn je mehr meiner Aufmerksamkeit eine Seite im Internet auf sich zieht, desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Seite für Werbetreibende interessant wird. Und dieser Umstand ist nicht zu unterschätzen. Denn da kommt das Geld her. Das Geld, das gebraucht wird, um die Webseite überhaupt erst betreiben zu können. Ein ziemliches Dilemma. Oh ja!

Und da Werbetreibende sich nun mal gern da tummeln, wo ihre Anzeige von den meisten gesehen wird – das heißt, wo man potenziell die meisten Kunden akquirieren kann – sind Anzeigenplätze auf beliebten Portalen und Netzwerken teuer. Es ist also gut, wenn man möglichst viele Leute auf seinem Portal oder seiner Seite erreicht. Schon klingelt die Kasse. So kann unsere Aufmerksamkeit leicht in harte Währung übersetzt werden.

Wolfgang Kerler: Wir sind ja auch irgendwie ein bisschen in einem Dilemma, wir machen ein kostenloses Angebot. Aber irgendwie müssen wir ja auch Geld verdienen, das heißt wir müssen natürlich Werbeanzeigen schalten und brauchen da auch eine gewissen Anzahl an Nutzern. Wir müssen schon dafür sorgen, dass unser Content auch erreicht wird. Weil, selbst die Leute, die uns interessieren, finden wir ja nur, wenn wir irgendwie Aufmerksamkeit erzeugen. Weil es gibt so viele Angebote. Die suchen nicht mehr aktiv nach uns nach uns. Die sagen nicht, ey, ich brauch irgendwie ein cooles Medium, die Zukunftsthemen behandelt und ein bisschen einen weiteren Horizont hat als diese normalen Textseiten, wo ich irgendwelche Windows-Fixes erklärt kriege. Danach sucht ja niemand mehr aktiv. Das heißt wir müssen irgendwie in deren Kosmos reinkommen. Und das ist ein schmaler Grad.

Mae Becker: Das ist wahr. Wann hab ich zuletzt mit solchen Schlagwörtern wirklich nach etwas im Netz gesucht. Und ein Online-Medium braucht dann doch gewisse Techniken, um auf eine gewissen Anzahl an Nutzern zu kommen. Eine gewisse Anzahl an Klicks. Damit es sich rechnet. Ja, Werbetreibende trietzen uns schon alle irgendwie, scheint mir.

Wolfgang Kerler: Und gleichzeitig, obwohl wir kostenlos sind, gibt es auch so eine gewisse Abfälligkeit den Medien gegenüber inzwischen im Netz bei manchen Nutzern und da wird dann trotzdem so ein bisschen geschimpft. Und wenn man mal eine Überschrift macht, die ein bisschen Teaser- oder Cliffhanger-Charakter hat. Dann schreiben sie gleich drüber: “Ey habt ihr die Klicks echt so nötig, oder so? Dann denk ich mir auch, ja sorry, dass wir euch kostenlos Artikel bereitstellen. Wir haben schon den Anspruch, dass wir gute Artikel machen und ich bin dann bereit, den Preis zu zahlen, dass wir irgendwie mal ein bisschen eine reißerische Überschrift nehmen. Sodass der gute Content auch an den Mann und die Frau kommt. Weil es nützt niemandem was, wenn ich ne langweilige Überschrift mache und dann niemand den guten Artikel lesen kann. Das nutzt weder dem Nutzer, noch dem Verlag noch mir und das ist irgendwie eine Gradwanderung.

Mae Becker: Da haben sich einige Unternehmen ganz schön viel einfallen lassen, um uns einzufangen, weiß Wolfgang. Auch wenn er bei Wired längst nicht alles macht, was da so möglich wäre. Aber die Möglichkeiten sind in der Szene auf jeden Fall bekannt. Für viele ist dabei der Inhalt längst nicht mehr die Priorität, sondern vielleicht schon, wie man die Zahlen möglichst hoch treibt, um vor den Werbern eine gute Figur zu machen.

Wolfgang Kerler: Natürlich kennt man so ein bisschen die Tricks. Was ich noch recht harmlos finde, ist Nachrichten. Aktuelle Meldungen. Die erzeugen Aufmerksamkeit. Weil es wollen halt recht viele Leute wissen, was passiert grad. Dann ist natürlich so: Sex sells. Sobald es um Sex geht, hast du mehr Traffic. Drogen gehen auch total gut, sobald irgendwie Marihuana drin vorkommt, kannst du dir sicher sein, ok, der Artikel läuft Tiere gehen bestimmt auch gut da machen wir nicht so viel, bei uns sind die Tiere eher die Roboter, die irgendwas cooles machen. Also das sind so Content-Typen und dann kannste natürlich reißerische Headlines machen, du kannst polarisierende Headlines machen, wo die Leute sich schon irgendwie beim Lesen drüber aufregen, und dann drauf klicken. Also sowas geht auch. Und es gibt natürlich auch technische Möglichkeiten, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Also es gibt Redaktionen, die überarbeiten so einen Nachrichten-Artikel zwanzig mal am Tag, damit Google den jedesmal wieder als neuen Artikel wahrnimmt und dann wieder hochspült bei Google News und dann da noch ein paar Klicks abgreift. Sodass dann nicht mehr der beste Nachrichten-Artikel oben ist, sondern halt der, der am häufigsten gepimpt wird von der Redaktion. Das ist auch so ne Möglichkeit. Dann kannst du dir irgendwie 20.000 verschiedene Arten von Facebook- und Instagram-Posts überlegen, möglichst emotional und sharable. Dann funktionieren total süße Sachen oder Posts, wo Leute drunter schreiben, wie schlimm doch was ist. Und wie schlecht die Welt heutzutage ist. Also wo man sich irgendwie so ein bisschen ranwanzen kann mit irgendwas. Schaut mal, jetzt ist das Weltmeer schon wieder so verschmutzt und dann schreiben alle: Ja, das ist total schlimm. Sowas funktioniert auch gut. Das war jetzt ein kurzer Ritt durch alles, was man so machen kann. Aber Vorsicht: Wired macht nicht alles davon, wir machen nur die anständigen Sachen!

Mae Becker: Sachar von Hypr weiß, warum manche Unternehmen so hart um die Aufmerksamkeit kämpfen. So hart, dass sich inzwischen auch der Ton in unserer Nachrichten- und Medienkultur gewandelt hat.
Sachar Klein Weil auf uns in der Zeit, in der wir leben, einfach unfassbar viele Kommunikationsbotschaften einprasseln. Und wir eben auch nicht mehr jeden Morgen, die Tageszeitung aufschlagen oder das Radio einschalten, sondern vielleicht sogar noch im Bett, unser Smartphone zur Hand nehmen, Facebook öffnen, Instagram öffnen, vielleicht Twitter öffnen. Und dann eben Seiten runter scrollen. Und dieser Scroll-Daumen, der ist sehr unnachgiebig und verharrt auf Sachverhalten nur 1,3 Sekunden. Und wenn man sich da in das Bewusstsein der Menschen fressen möchte mit seiner Botschaft, da muss man schon eine sehr starke Botschaft haben. Das ist etwas, was zu einer sehr aggressiven Wortwahl führt.”

Mae Becker: Kurz: Wer am lautesten schreit, erhofft sich die meisten Klicks und auch das meiste Geld durch Werbeeinnahmen. Sachar und Wolfgang sind von den billigen Maschen gelinde gesagt genervt. Beide setzen auf wenigen und dafür qualitativ hochwertigen Content, mit dem sie dauerhafte Nutzer gewinnen wollen, die ihre Inhalte gern lesen. Dennoch sind auch sie, solange Content umsonst ist (was ja total gut ist), abhängig von Werbung.

Aber das ist nicht das einzige Problem hier. Denn wir Menschen folgen auch ganz bestimmten Anreizen im Netz, ohne es zu merken. Dabei schränken diese Anreize unsere Wahlmöglichkeiten eigentlich ein, denn ich klicke ja innerhalb einer Seite nur auf die Dinge, die mir als “artverwandt” angezeigt werden und mich vermeintlich interessieren sollen. Oft ist uns diese Vorauswahl, diese Beschneidung unserer Möglichkeiten nicht bewusst. Sie führt aber dazu, dass wir möglichst lange auf einer bestimmten Seite bleiben, also möglichst viel Zeit mit den Seiteninhalten verbringen.

Wenn uns etwas gefällt, dann schauen wir es uns mehrfach an und lange. Wir streuen zum Beispiel Videos und Clips freiwillig im Netz, teilen sie mit unseren Freunden und werden so – gemäß dem Schneeballprinzip – zu Multiplikatoren von Inhalten. Damit helfen wir mit, die Aufmerksamkeit auf einer bestimmten Plattform zu bündeln.

Sogar wir bei ze.tt sind Teil des Ganzen, weil wir auf Hashtags und virale Hits hinweisen und uns über Internetkunst beömmeln. Und wir stellen witzige Instagram Accounts vor, die unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben.

All das ist natürlich vollkommen in Ordnung. Wir sollten ja mit unserer Zeit machen können, was wir wollen. Und wir sollten auch die Inhalte mit den Menschen in unserer Umgebung teilen können, von denen wir sicher sind, dass sie ihnen auch gefallen. Allerdings ist es nun einmal wichtig, zu wissen, dass vieles, was du dir im Internet gern anschaust, dich zugleich mit Werbetreibenden verbindet.

Douglas Rushkoff: Ökonomie der Aufmerksamkeit” ist eine Bezeichnung, die gerade heute immer häufiger genutzt wird, um zu beschreiben, dass Internetunternehmen sich im Grunde in ihrem Wachstum nur darin beschränkt sehen, wie viele Stunden wir Menschen auf einen Bildschirm starren können.

Mae Becker: Douglas Rushkoff ist ein US-amerikanischer Autor, Dozent und Kolumnist. Er unterrichtet Medientheorie an der New York University und hat in seiner Karriere zahlreiche Fachbücher zur Netzkultur veröffentlicht. Mit der sogenannten Attention Economy kennt er sich aus.

Douglas Rushkoff: Pioniere des digitalen Businesses haben schnell erkannt, dass es räumlich im Internet keine Beschränkungen gibt. Es können immer mehr und mehr Webseiten erstellt werden. Der Platz ist quasi unendlich. Aber die Anzahl der Stunden, die wir tatsächlich damit verbringen können, all die Dinge, die im Internet veröffentlicht werden, aufzunehmen, die ist begrenzt.

Mae Becker: Wenn das Internet ein Raum ist, in dem jeder unbegrenzt viele Inhalte veröffentlichen kann, allerdings die Menschen, die diese Inhalte sehen und sich mit ihnen beschäftigen sollen, nur ein kurzes zeitliches Aufnahmefenster haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die publizierten Inhalte nicht gesehen werden, unglaublich groß.

Das knappe Gut in dieser Gleichung ist unsere Aufmerksamkeit. Sie ist unfassbar viel wert! Sie ist eine wertvolle Ressource in dieser digitalen Welt. Mit ihr lässt sich viel Geld machen. Je mehr Aufmerksamkeit man hat, desto mehr Geld lässt sich verdienen.

Das Gerangel um unsere Aufmerksamkeit hat einige neue Phänomene zum Vorschein gebracht: die Influencer zum Beispiel. Sie schaffen es, mit ihren Inhalten, die Aufmerksamkeit einer großen Gruppe an Menschen auf sich zu ziehen. So können sie mit ihren Empfehlungen – auch für Produkte – Einfluss ausüben. Was sie sagen, erreicht viele, was sie cool finden, finden möglicherweise viele Leute cool.

Ich treffe mich mit Sandra Drolshagen und Andre Padecken. Sie sind Influencer. Oder sagen wir, Influencer-Manager. Oder nee, noch besser: Manager von einem Petfluencer! Täglich posten sie Bilder ihrer süßen Hunde auf ihrem Instagram Kanal missyminzi.

Angefangen hat alles vor etwa drei Jahren, als sich das Paar den süßen Zwergspitz Minzi zulegte. Minzi brach sich leider als Welpe ein Vorderbeinchen. Nach einigen medizinischen Komplikationen musste das Bein abgenommen werden. Die Suche nach Prothesen für einen so kleinen Hund gestaltete sich schwierig. Sandra musste selbst aktiv werden und sich mit einem Prothesenhersteller in Verbindung setzen. Die Idee zum Instagram Account kam dann aber eigentlich von einer Freundin. Sie schlug ihnen vor, ihre Geschichte und das Leben mit dem dreibeinigen Wuschel mit der Welt zu teilen und nebenbei Menschen über Hundeprothesen aufzuklären. Seither zeigen die beiden, wie es ist, mit dem süßen Dreibeiner zu leben. Dass der Account so erfolgreich werden würde, damit haben sie nicht gerechnet.

Andre Padecken: Also auf unserem Instagram Account posten jeden Tag ein Bild. Und nehmen die Leute praktisch in unserer Story vor allem mit, was wir im Alltag so mit den Hunden erleben. Damit wollen wir den Leuten einfach vermitteln: Ihr könnt reisen, wie jeder andere Mensch auch, ihr könnt ähm den Alltag so bestreiten wie jeder andere Mensch auch oder wie jeder Hundehalter vor allem

Mae Becker: Mittlerweile hat der Account über 110.000 Follower, die Anteil am Leben des süßen Dreibeiners nehmen. Auch die anderen vier Hunde des Paares sind mit von der Partie. Mal liegt Minzi mit seinen “Geschwistern” unter dicken Decken, mal schnabulieren sie gemeinsam Melone oder fliegen an Ballons durch die Luft. Natürlich hilft Photoshop das eine oder andere Mal nach. Ein Post auf dem Instagram-Account kann da schon mal locker zwischen 8.000 und 15.000 Likes erhalten. Andre und Sandra profitieren von den Ökonomie der Aufmerksamkeit, wie Douglas Rushkoff sie beschrieben hat.

Andre Padecken: Als wir dann ein paar Tausend Follower hatten, haben wir diverse Anfragen bekommen. Aber das waren dann hundespezifische Sachen: Spielzeug, Hundefutter oder sonst irgendwas. Dass dann größere Unternehmen auf uns zugekommen sind, da müsste ich jetzt absolut schätzen.

Sandra Drolshagen: Ich würd schätzen, so ab 30.000 Followern, in etwa?

Mae Becker: Und wer fragt da an? Auf den Bildern sind ja meist nur Hunde zu sehen. Geht es da um Hundeprodukte?

Sandra Drolshagen Genau also wir haben, Hundespielzeug kriegen wir Anfragen, Hundefutter auch menschliche Produkte oder irgendwelche Öle hatten wir neulich angefragt bekommen. Das geht dann kreuz und quer. Oft sind das auch gar keine Hunde spezifischen Sachen. Man muss da schon ordentlich aussortieren. Wirklich Leute, mit denen wir kooperieren, ist eigentlich sehr wenig.

Mae Becker: Und was wollen die?

Sandra Drolshagen Die wollen einfach, dass wir deren Produkte auf unsere Seite stellen. Oft ist das auch gar nicht so durchdacht. Ob das jetzt wirklich zu unserer Seite passen würde. Wir bekommen zum Beispiel sehr sehr viele Anfragen zu Halsbändern. Fast täglich kommt so eine Anfrage. Und unsere Hunde tragen zum einen keine Halsbänder, zum anderen würde man die ja gar nicht sehen in deren Fell. Oft schicken die dann also Kettenbriefe rum, an alle Influencer, die die kennen und vieles ist auch gar nicht so ernst gemeint dann. Mae Becker: Für Sandra und Andre ist der Account nur ein Side-Projekt. Sie können von den Werbegeschichten auf ihrer Seite nicht leben und das wollen sie auch gar nicht. Andre ist Student, Sandra promoviert. Insofern sind sie froh, sich nicht abhängig von den Unternehmen machen und jede Kooperation annehmen zu müssen, die bei ihnen anklopft. Sie nehmen wirklich nur das an, was zu ihnen und zum Account passt und was sie moralisch vertreten können.

Andre Padecken: wir haben halt primär einen Schmuckhersteller, wir kommen aus Oldenburg und der ist auch in Oldenburg ansässig und haben schon sowohl eine regionale Verbundenheit als auch die Personen, die dort arbeiten, die kennen wir halt auch. Von daher ist sowohl die persönliche als auch die regionale Ebene halt gegeben und da unterstützen wir sehr gerne. Und die unterstützen uns dementsprechend auch und sind total nett zu uns. Und sonst sind wir was so Werbesachen angeht sehr zurückhaltend. Weil wir die Gefahr kennen, dass man mit einem Produkt sich nicht genug auseinandergesetzt hat – das heißt, es kann durchaus auch nach hinten losgehen. Deswegen sind wir was sonstige Werbetätigkeiten betrifft eigentlich recht vorsichtig.

Mae Becker: Aber kommen denn auch mal Unternehmen mit unangebrachten Forderungen um die Ecke?

Sandra Drolshagen: Also dass da unangebrachte Forderungen kommen, das hat man natürlich immer mal. Wenn es jetzt ist, dass ein Produkt gar nicht zu unserer Seite passt, oder wir hatten auch mal einen Spielzeughersteller, der wollte das Spielzeug an den Hund binden. Das war auch so eine ganz skurille Idee, wo wir das auch gar nicht verstanden hatten. Also sowas würden wir natürlich niemals zeigen. Dann hatten wir auch mal Fälle, da hatten wir schon. Also wir mochten die Produkte gerne, hatten uns auch schon fast geeinigt [den vertrag fast unterschrieben] und dann kamen die plötzlich mit ganz vielen zusatzklauseln und 20 Hashtags, die die genannt haben wollten und so weiter. Wo das dann auch einfach auch unseriös wirkt und sowas sagen wir dann doch lieber ab, als dann aus der Not heraus da jetzt so eine Kooperation anzunehmen.

Selbst wenn wir irgendwelche Werbedeals haben, ist das Wohl der Hunde deutlich wichtiger als wenn wir da jetzt irgendwelche inhaltlichen Sachen durchprügeln müssten, ohne davon voll überzeugt zu sein.

Mae Becker: Sandra, Andre und ihre Hunde verschaffen anderen Menschen ein gutes Gefühl. Manche User melden zurück, ihre Bilder seien die Highlights ihres Tages. Andere wollen sich mit ihnen treffen, wenn sie auf Instagram sehen, wo sie gerade unterwegs sind. Minzi ist eine Berühmtheit. Ein Feelgood-Hund mit Feelgood-Content.

Wie immer ist unsere Welt aber nicht nur so rosa-rot. Denn die Sache mit der Aufmerksamkeitsökonomomie hat auch ihre Haken. Das dachtet ihr euch schon. Zum einen werden wir und unsere Daten zum Produkt. Und zum anderen entsteht in diesem Aufmerksamkeitskreislauf auch schnell eine Abhängigkeit. Nämlich dann, wenn sich die Akteure, die im Internet agieren, abhängig von den Werbetreibenden machen. Abhängigkeit gegenüber also von denen, die das Geld haben.

Und das passiert gar nicht so selten. Denn während viele Teile des Internets für uns kostenlos sind – wir können die Inhalte ohne finanzielle Gegenleistung ansehen – haben ja die Personen, die Content kreieren, durchaus Kosten bei deren Erstellung. Kreative, wie Autoren oder Videographen, müssen für ihre freiverfügbaren Inhalte auf irgendeine Art und Weise müssen entlohnt werden. IT-ler, die die Seiten programmieren auch. Und ein Unternehmen, beispielsweise ein Verlagshaus, muss seine Mitarbeiter ebenfalls bezahlen oder will ja auch ein bisschen Profit machen.

Wie sich das rechnet? Ganz einfach: indem möglichst Werbe-Anzeigen verkauft werden. Douglas Rushkoff erklärt noch einmal genauer, wieso das alles problematisch sein kann:

Douglas Rushkoff: "Ganz früher gab es jemanden, der Content erstellt hat und ein entsprechendes Publikum dafür. Irgendwann wurde dem, der Content erstellt, aber klar, dass man sich irgendwie finanzieren muss – und wendete sich den Werbetreibenden zu. Aber wenn mehr Einnahmen durch Werbetreibende erzielt werden, als durch das Publikum, dann ändert sich die ganze Dynamik. Wir sind zu einer Ökonomie der Aufmerksamkeit übergegangen, die eher darauf ausgerichtet ist, die Aufmerksamkeit des Publikums den Werbetreibenden zuzuspielen, als Content für das Publikum zu kreieren.“

Mae Becker: Habt ihr das mitbekommen? Nicht mehr die Inhalte einer Website sind heute die Ware, die man an den Zuschauer bringen will. In Wirklichkeit ist es die Aufmerksamkeit der Personen, die sich diese Website ansehen.

Es geht also inzwischen vielmals eher darum, die Werbetreibenden zufrieden zu stellen und ihnen die Aufmerksamkeit der Internet-User zu bieten, als den Nutzern gute Inhalte zu bieten. Quantität der Nutzerzahlen vor Qualität der Inhalte. Und dieser Umstand zieht gleich noch eine ganze Reihe anderer Geschäftszweige nach sich:

Douglas Rushkoff: “Da sich diese Art zu wirtschaften weiterentwickelte und diese Dynamik erhalten blieb, tauchten eine ganze Reihe anderer Dienstleister auf: wie etwa Data Mining und demographische Erhebungen, psychografische Erhebungen und die gezielte Ausspielung personalisierter Werbung. Denn nun, wo die Konsumenten in Wirklichkeit das Produkt geworden waren, musste man ja auch verstehen, wer all diese Konsumenten waren.”

Mae Becker: Werbebasierte Netzwerke haben also ein großes Interesse daran, ihre Nutzer möglichst umfassend zu durchleuchten und alles über sie zu wissen. Denn dann können sie bessere zielgerichtetere Werbung auf den Markt bringen. Darüber haben wir uns ja bereits in Folge 1 von about:web mit Netzaktivistin Katharina Nocun unterhalten.

Je mehr Follower eine Seite akquirieren kann, desto mehr Geld kann sie potenziell mit Werbung machen. Und je mehr eine Seite über ihre Nutzer weiß, umso attraktiver ist diese Seite für Werbetreibende, da sie ihre Anzeigen dann sehr spezifisch, relevant und punktgenau ausspielen können. Es ist also gut, die Nutzer zu kennen. Zu wissen, worauf sie anspringen, um so die Inhalte anpassen und die Aufmerksamkeit noch besser lenken und damit vermarkten zu können.

Machen wir uns nichts vor. Es gibt Feelgood-Content, ja. Aber es gibt auch Aufreg-Content, der im Netz mindestens so gut funktioniert. Auch wer eine rassistische, eine sexistische, eine Fake News- oder Verschwörungs-Seite im Netz erstellt, wird Follower finden, die diese Inhalte liken und mit anderen Gleichgesinnten teilen. Auch diese Seiten erhalten Aufmerksamkeit und auch diese Seitenbetreiber machen mit ihren Werbeflächen Geld.

Viele Seiten werden genau dafür erstellt: Um Aufreg-Content zu kreieren und Klicks von Menschen zu bekommen, die zu extremen Meinungen neigen. Reißerische Themen, nackte Haut, Sex, Gewalt, … all das sind Mittel, um im Netz um Aufmerksamkeit zu kämpfen. Denn wo die Aufmerksamkeit der Leute ist, da ist für die, die Werbung machen, ein guter Platz ihre Anzeigen zu platzieren – und schwupps klingelt die Kasse desjenigen, der die Webseite betreibt. Dabei werden die ohnehin schon eher radikalen User durch die Seiteninhalte noch weiter radikalisiert. Den Machern solcher Seiten sind diese Auswirkungen meist egal. Sie sind eben nur darauf aus, einen schnellen Taler zu machen.

Auch Sachar Klein von Hypr ist von einigen Akteuren ganz besonders genervt:

Sachar Klein: „Also was mich derzeit nervt ist eine Anzeige, die ich immer wieder auf Twitter und auf Instagram sehe, die diesen massiven Trend oder diesen Hype um die Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“ ausnutzt und letztendlich die eine clickbaiting Headline formuliert. Und zwar: „Was du bei die Höhle der Löwen“ nicht gesehen hast. Und dann hast du noch einen Teasertext. Es schien alles einfach, doch im Nachgang hat es nicht funktioniert klick hier, um anzuschauen, was aus dem Unternehmen xyz wurde. Mit dem Ergebnis, dass wenn du diese Anzeige klickst… du etwas liest, was nichts mit der Höhle der Löwen zu tun hat und du auf einer Verkaufsseite landest. Wo ich tatsächlich Angst habe, dass die über einen Cookie gleich deine Daten abgreifen und dann über Retargeting versuchen, dir weitere Produkte, also dich damit zu bombardieren.”

Mae Becker: Douglas Rushkoff fast noch einmal zusammen:

Douglas Rushkoff: Den digitalen Fortschritt hat sich der Kapitalismus einverleibt. Alle anderen Effekte sind in Wirklichkeit nur Wege, uns von dieser essentiellen Realität abzulenken. Uns zu betäuben. Rassismus funktioniert im Netz, weil sich mit Rassismus gutes Geld verdienen lässt. Sexismus funktioniert, weil sich mit Sexismus gutes Geld verdienen lässt. Wir alle sind dem Markt ausgeliefert. Und jedes Unternehmen, mit dem Sie heute sprechen, ist seinen Aktionären ausgeliefert. Sie sind schließlich da, um Kapital anzuhäufen.

Mae Becker: Und dieses Kapital kommt auch durch unsere Aufmerksamkeit. Egal, ob du ein großer Fisch im Internet bist oder ein nettes Pärchen mit einem freundlichen Hunde-Account, das sich neben dem Studium etwas dazuverdient. Gibt es aber einen Weg aus diesem Strudel der Kapitalanhäufung herauszukommen? Schließlich wollen und müssen wir alle uns ja, wie in der ersten Folge von about: web festgestellt haben, im Internet bewegen. Wie kommen wir da raus, Douglas?

Douglas Rushkoff: Meine Hoffnung ist, dass man, wenn man versteht, was diese Plattformen von einem wollen, in einer viel besseren Position ist, sie intelligent und zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. Nicht für den Vorteil von jemand anderem. Dann merkt man: „Oh, ok, das ist alles nur eine große Kooperation, die versucht, ihren Nutzen aus mir zu ziehen.“ Sobald man das verstanden hat, kann man sagen: Oh, das Internet ist ein Werkzeug. Wie jedes andere Werkzeug auch. Wie eine Ampel. Oder irgendein anderer Gegenstand da draußen. Mae Becker: Ja, Bescheid zu wissen, wie das Internet funktioniert und was es von uns denkt, ist auf jeden Fall ein guter erster Schritt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, wie wir es nutzen wollen.

Wir sollten uns bewusst machen, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken und welche Strategien es im Netz gibt, um unsere Aufmerksamkeit zu fesseln. Und wir müssen uns fragen, wo wir mit unserem Nutzungsverhalten wiederum welche Informationen über uns hinterlassen, die zu gezielter personalisierter Werbung führen können.

Kurzum: Wir sollten uns alle Abwehrstrategien gegen das aggressive Werben um unsere Aufmerksamkeit im Netz aneignen. Denn nur, wenn wir wissen, dass einige Akteure im Internet uns nicht nur zerstreuen oder informieren, sondern uns bewusst locken wollen, überlegen wir uns den einen oder anderen Klick auf bestimmte Inhalte vielleicht zweimal. Erinnert ihr euch an meine Empfehlung vom Anfang? Die mit der Multicontainer-Erweiterung, die Advertizer und andere Tracker davon abhält, euch bei euren Streifzügen durch das Internet zu verfolgen? Jetzt wäre es eigentlich ein guter Zeitpunkt, sie gemeinsam mit der neusten Version von Firefox herunterzuladen und zu installieren. Sie gibt euch ein bisschen eurer Privatsphäre zurück, wenn ihr euch im Internet bewegt. Übrigens hat Firefox 63, die neuste Version des Browsers, einen eingebauten Tracking Schutz. Auf englisch “enhanced tracking protection”. Das enhanced bedeutet: Hier werden wirklich alle Tracker automatisch geblockt! Mozilla gibt euch diese und andere Strategien an die Hand, die euch helfen, bewusstere Entscheidungen im Netz zu treffen. Mit dem Browser Firefox, mit diesem Podcast und auf dem Blog blog.mozilla.org/berlin.

Auch diese News sollten viral gehen: Erzählt es euren Freunden und lasst uns alle gemeinsam das Internet viel bewusster nutzen. Gemeinsam können wir die Richtung ändern. Denn wenn unsere Aufmerksamkeit nicht mehr so leicht zu kriegen ist, haben wir eine gute Chance, wieder mehr wertvolle Inhalte zu sehen zu bekommen.

Es geht nicht mehr ohne Online und die digitale Welt ist komplex. Wir bewegen uns täglich darin, aber durchschauen wir sie auch? Mit Organisationen wie Mozilla könnt ihr mehr darüber lernen, welche Mechanismen im Netz greifen. Mozilla ist eine Organisation, die du aus zweierlei Gründen lieben solltest: Erstens machen sie den Browser Firefox und zweitens werden sie von einer gemeinnützigen Organisation, der Mozilla Foundation, unterstützt.

Wenn euch dieser Podcast gefallen hat und ihr mehr darüber erfahren wollt, wie sich unsere Welt durch Technik wandelt, dann hört mal rein in den amerikanischen Podcast IRL - in real life. Unte .irlpodcast.org. Und hört natürlich beim nächsten Mal wieder rein, wenn es darum geht, wie das Internet unsere Kommunikation verändert hat!

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