ERF Plus - Wort zum Tag Quengeln lohnt sich
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„Heute lese ich euch nur EINE Geschichte vor“, sage ich zu meinen beiden Enkelinnen, „ich habe nicht so viel Zeit.“ Aber es kommt, wie es kommen muss. Als die Geschichte zu Ende ist, betteln sie: „Noch eine, biiiitte.“ Sie lieben es, wenn ich ihnen vorlese. Na gut, ich hab zwar noch einiges zu tun, aber ich lasse mich überreden. Und sie kennen das: Schon oft hab ich ihrem Drängeln nachgegeben und mich überreden lassen.
Im Bibeltext für heute macht Jesus eine überraschende Ansage: Quengeln lohnt sich! Das steht im Lukasevangelium, Kapitel 18, da sagt er: Sollte nun Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht Recht verschaffen, und sollte er ihre Sache aufschieben? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht verschaffen, und zwar unverzüglich. (ZB)
Mit diesem Vers fasst Jesus eine Geschichte zusammen, die er gerade erzählt hat. Da ist eine Witwe, vielleicht mit Kindern, die sich Recht verschaffen will. Die Witwenversorgung war damals nicht gesetzlich geregelt, das führten erst die Römer ein. Womöglich wird dieser Frau ein Teil des Erbes vorenthalten. Sie war finanziell auf das Erbe angewiesen. Also verklagt sie ihren Widersacher. Der für sie zuständige Richter ist hartherzig. Er entscheidet selbstgefällig und willkürlich und lehnt es ab, ihr zu helfen. Die Witwe aber gibt nicht auf. Wieder und wieder fordert sie ihr Recht ein.
Ich finde das beeindruckend. Und provokativ. Diese Frau gibt sich nicht so leicht geschlagen. Viele von uns haben ja ein anderes Bild davon, wie Christinnen sich verhalten sollten. Demütig sein, die andere Wange hinhalten, Unrecht erleiden. Auf keinen Fall fordernd auftreten und einen Aufstand machen, wie diese Witwe hier.
Und der Richter? Er hört auf sie, nur weil sie ihn nervt. Aber Moment: Ist Gott etwa wie dieser Richter? Nein, der Vergleichspunkt in diesem Gleichnis liegt im „um so mehr“: Wenn schon dieser hartherzige Richter auf die Witwe hört, um wieviel mehr wird Gott die hören, die ihn anrufen. Der Richter lässt sich nur erweichen, weil er das Drängeln der Witwe satthat, aber Gott hört uns, weil er ein echtes Interesse an uns hat.
Ich finde das stark: Bei Gott habe ich Rechte. Gott selber hat mir diese Rechte eingeräumt und ich darf mich vor ihm darauf berufen. Vor Gott stehe ich nicht wie die rechtlose Witwe vor einem fiesen Richter, sondern wie ein Kind im Vaterhaus. Ich habe Kindesrechte bei Gott.
Und doch erleben Christen ja auch oft, dass sie scheinbar abgewiesen werden, dass Gott ihr Gebet unbeantwortet lässt. Dann ist man entmutigt und denkt: Beten hat doch keinen Zweck. Aber Jesus sagt: Gott hört euch, er hört euch unbedingt, er wird euch auf jeden Fall zu eurem Recht kommen lassen, aber manchmal auf ganz anderen Wegen, als ihr erbeten habt. Lasst euch nicht enttäuschen, bleibt beharrlich wie die Witwe. Denn eure Chance, gehört und erhört zu werden, ist ungleich größer als bei der Witwe. Gott wird ihnen ihr Recht schaffen, und zwar unverzüglich, sagt Jesus sogar. Er schiebt mein Anliegen nicht auf die lange Bank.
Und zuletzt: Warum haben meine Enkelinnen mit ihrem Quengeln nach einer weiteren Geschichte Erfolg bei mir? Weil ich sie liebe, weil wir verbunden sind. Und weil sie glauben, dass sie mich mit ihrer Bitte erreichen können. Dieses Mal habe ich nachgegeben. Beim nächsten Mal gibt es vielleicht gute Gründe, ihnen den Wunsch nicht zu erfüllen. Und dann werden sie trotzdem wissen, wie lieb ich sie habe. So ist es auch mit Gott: Ihm liegt total viel an uns. Und auch wenn ich das Gefühl habe, er tut gerade nichts für mich, ist meine Sache bei ihm doch schon in Arbeit.
Autor: Pastorin Luitgardis Parasie
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