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„The two-state solution is over“ – Omri Boehm über Netanjahus Politik

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Hinweis: Das Gespräch ist am Freitag, 7. Juni, auf Englisch geführt worden. Eine deutsche Übersetzung liegt nicht vor.

Am Montagabend hat der UN-Sicherheitsrat etwas Historisches geschafft: Er hat eine Resolution verabschiedet, die den Weg zum Frieden im Gazastreifen aufzeigen soll. „Heute haben wir für den Frieden gestimmt“, sagte US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield nach der Abstimmung. Seit dem Terror der Hamas am 7. Oktober, bei dem etwa 1200 Menschen getötet und mehr als 240 Menschen als Geiseln verschleppt wurden, herrscht Krieg im Gazastreifen. Im Mai gab die UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Hilfe bekannt, dass sie von knapp 35 000 toten Palästinenserinnen und Palästinensern ausgeht. Wie ist es möglich, aus dieser Spirale der Gewalt zu entkommen? Darüber spricht Carolin Emcke mit dem israelischen Philosophen und Autor Omri Boehm in dieser Folge von „In aller Ruhe“.

Omri Boehm wurde 1979 in Haifa geboren. Er wuchs in Israel auf und studierte unter anderem an der Universität in Tel Aviv, promovierte an der Universität in Yale und arbeitete an der Universität München. Seit 2010 lehrt er als Associate Professor Philosophie an der New Yorker School for Social Research. Dabei fokussiert sich seine Arbeit unter andere auf Religionsphilosophie, mit einem Fokus auf Descartes, Spinoza und Kant. Boehm hat diverse Bücher geschrieben. Im März 2024 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für sein Buch „Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. Universalismus als rettende Alternative“.

Das Vokabular für die neue Situation fehlt noch

Im Podcast spricht Omri Boehm darüber, wie ihm seine Jugend in Galiläa geprägt hat, einer Region in Israel, die größtenteils von Palästinenser bewohnt ist. Es gebe dort eine andere Art von Bewusstsein für die Existenz von Gaza als etwa in Tel Aviv. „In Galiläa ist die Geschichte auf viele Arten präsent. Es gibt Menschen, die geflüchtet sind und Menschen, die Geflüchtete waren in dem Staat, der um sie herum geschaffen wurde.“ Diese Jugend hat seine Sichtweise auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina entscheidend geprägt, sagt Boehm. Gleichzeitig unterscheide sich sein Zugehörigkeitsgefühl zu Israel entscheidend von dem seiner Eltern – sein Vater, dessen Mutter den Holocaust überlebte, und seiner Mutter, deren Familie seit Generationen in Jerusalem gelebt hat. Das Land Israel habe für sie einen ganz anderen Stellenwert.

Boehm bewertet den 7. Oktober als entscheidenden Einschnitt für das israelische Selbstverständnis, dessen Tragweite nur schwer abzuschätzen sei. „Das Verhältnis zwischen Israel und Gaza wurde für immer verändert. Und auch die Situation jüdischer Menschen wurde für immer verändert.“ Es sei ein historischer Moment, der immer noch andauere und nicht rückgängig gemacht werden könne. „Wir werden dahin kommen, das richtige Vokabular für diese neue Situation zu finden. Aber jetzt gerade können wir nur sagen, dass sich die Dinge auf eine schreckliche Weise verändert haben.“

Wenig Chancen für eine Zweistaaten-Lösung

Der Philosoph zweifelt daran, dass die israelische Regierung tatsächlich darauf abzielt, die Hamas vollständig auszulöschen. Wolle sie das wirklich tun, müsste sie die Palästinenser einbeziehen – tue es aber nicht. „Die Hamas auszulöschen ist ein Slogan“, leitet der Philosoph davon ab. Gleichzeitig fehle es in Israel zurzeit an möglichen Lösungen für den Gaza-Konflikt. „Man kann nicht vorgeben, dass die Situation kontrolliert werden könne. Aber man kann die Menschen in Israel auch nicht von einer Zweistaaten-Lösung überzeugen.“ Dadurch werde der Krieg für viele Menschen in Israel zur einzig denkbarem Ausweg aus der Situation.

Durch das Erstarken der extremen Rechten – auch innerhalb der israelischen Regierung – werde es darüber hinaus immer schwieriger zu bestimmen, wer die Entscheidungsgewalt im Land trage. „Netanjahu braucht die Regierungskoalition mit den extremen Rechten. Und deshalb kontrollieren sie seine Entscheidungen“, analysiert Boehm. Damit liege nun auch das Schicksal der Geiseln, die die Hamas am 7. Oktober entführt hat, zumindest anteilig in der Hand der Rechten. Viele Menschen in Israel seien inzwischen überzeugt davon, sagt der Philosoph, dass ihre Regierung nicht ernsthaft daran interessiert sei, die Geiseln zu befreien und anderweitige politische Ziele priorisiere. „Wenn Deals kurz bevorstehen, dann arbeiten Netanjahu und seine Regierung daran, diese zu untergraben“, so berichteten es auch Armee-Offizielle.

Empfehlung von Omri Boehm

Da Omri Boehm in letzter Zeit viel alte israelische Musik gehört hat, empfiehlt er ein Lied, das er besonders oft hört, während er spazieren geht: „Atur Mitzchech“ von Arik Einstein: „Einer der besten Songs der alten, schönen israelischen Musik.“ Einstein war Israels bekanntester Sänger und Songwriter, ein Pionier des israelischen Rocks. Bis heute gilt der 2013 verstorbene Sänger als einer der einflussreichsten israelischen Künstler.

Moderation, Redaktion: Carolin Emcke

Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Johannes Korsche

Produktion: Imanuel Pedersen

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Hinweis: Das Gespräch ist am Freitag, 7. Juni, auf Englisch geführt worden. Eine deutsche Übersetzung liegt nicht vor.

Am Montagabend hat der UN-Sicherheitsrat etwas Historisches geschafft: Er hat eine Resolution verabschiedet, die den Weg zum Frieden im Gazastreifen aufzeigen soll. „Heute haben wir für den Frieden gestimmt“, sagte US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield nach der Abstimmung. Seit dem Terror der Hamas am 7. Oktober, bei dem etwa 1200 Menschen getötet und mehr als 240 Menschen als Geiseln verschleppt wurden, herrscht Krieg im Gazastreifen. Im Mai gab die UN-Koordinierungsstelle für humanitäre Hilfe bekannt, dass sie von knapp 35 000 toten Palästinenserinnen und Palästinensern ausgeht. Wie ist es möglich, aus dieser Spirale der Gewalt zu entkommen? Darüber spricht Carolin Emcke mit dem israelischen Philosophen und Autor Omri Boehm in dieser Folge von „In aller Ruhe“.

Omri Boehm wurde 1979 in Haifa geboren. Er wuchs in Israel auf und studierte unter anderem an der Universität in Tel Aviv, promovierte an der Universität in Yale und arbeitete an der Universität München. Seit 2010 lehrt er als Associate Professor Philosophie an der New Yorker School for Social Research. Dabei fokussiert sich seine Arbeit unter andere auf Religionsphilosophie, mit einem Fokus auf Descartes, Spinoza und Kant. Boehm hat diverse Bücher geschrieben. Im März 2024 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für sein Buch „Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität. Universalismus als rettende Alternative“.

Das Vokabular für die neue Situation fehlt noch

Im Podcast spricht Omri Boehm darüber, wie ihm seine Jugend in Galiläa geprägt hat, einer Region in Israel, die größtenteils von Palästinenser bewohnt ist. Es gebe dort eine andere Art von Bewusstsein für die Existenz von Gaza als etwa in Tel Aviv. „In Galiläa ist die Geschichte auf viele Arten präsent. Es gibt Menschen, die geflüchtet sind und Menschen, die Geflüchtete waren in dem Staat, der um sie herum geschaffen wurde.“ Diese Jugend hat seine Sichtweise auf den Konflikt zwischen Israel und Palästina entscheidend geprägt, sagt Boehm. Gleichzeitig unterscheide sich sein Zugehörigkeitsgefühl zu Israel entscheidend von dem seiner Eltern – sein Vater, dessen Mutter den Holocaust überlebte, und seiner Mutter, deren Familie seit Generationen in Jerusalem gelebt hat. Das Land Israel habe für sie einen ganz anderen Stellenwert.

Boehm bewertet den 7. Oktober als entscheidenden Einschnitt für das israelische Selbstverständnis, dessen Tragweite nur schwer abzuschätzen sei. „Das Verhältnis zwischen Israel und Gaza wurde für immer verändert. Und auch die Situation jüdischer Menschen wurde für immer verändert.“ Es sei ein historischer Moment, der immer noch andauere und nicht rückgängig gemacht werden könne. „Wir werden dahin kommen, das richtige Vokabular für diese neue Situation zu finden. Aber jetzt gerade können wir nur sagen, dass sich die Dinge auf eine schreckliche Weise verändert haben.“

Wenig Chancen für eine Zweistaaten-Lösung

Der Philosoph zweifelt daran, dass die israelische Regierung tatsächlich darauf abzielt, die Hamas vollständig auszulöschen. Wolle sie das wirklich tun, müsste sie die Palästinenser einbeziehen – tue es aber nicht. „Die Hamas auszulöschen ist ein Slogan“, leitet der Philosoph davon ab. Gleichzeitig fehle es in Israel zurzeit an möglichen Lösungen für den Gaza-Konflikt. „Man kann nicht vorgeben, dass die Situation kontrolliert werden könne. Aber man kann die Menschen in Israel auch nicht von einer Zweistaaten-Lösung überzeugen.“ Dadurch werde der Krieg für viele Menschen in Israel zur einzig denkbarem Ausweg aus der Situation.

Durch das Erstarken der extremen Rechten – auch innerhalb der israelischen Regierung – werde es darüber hinaus immer schwieriger zu bestimmen, wer die Entscheidungsgewalt im Land trage. „Netanjahu braucht die Regierungskoalition mit den extremen Rechten. Und deshalb kontrollieren sie seine Entscheidungen“, analysiert Boehm. Damit liege nun auch das Schicksal der Geiseln, die die Hamas am 7. Oktober entführt hat, zumindest anteilig in der Hand der Rechten. Viele Menschen in Israel seien inzwischen überzeugt davon, sagt der Philosoph, dass ihre Regierung nicht ernsthaft daran interessiert sei, die Geiseln zu befreien und anderweitige politische Ziele priorisiere. „Wenn Deals kurz bevorstehen, dann arbeiten Netanjahu und seine Regierung daran, diese zu untergraben“, so berichteten es auch Armee-Offizielle.

Empfehlung von Omri Boehm

Da Omri Boehm in letzter Zeit viel alte israelische Musik gehört hat, empfiehlt er ein Lied, das er besonders oft hört, während er spazieren geht: „Atur Mitzchech“ von Arik Einstein: „Einer der besten Songs der alten, schönen israelischen Musik.“ Einstein war Israels bekanntester Sänger und Songwriter, ein Pionier des israelischen Rocks. Bis heute gilt der 2013 verstorbene Sänger als einer der einflussreichsten israelischen Künstler.

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