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"Ästhetisch durchdenken" - Carsten Brosda bei Carolin Emcke über Kulturförderung und Kunstfreiheit

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Die Kulturszene in Berlin befürchtet massive Kürzungen. Die Stadt muss sparen und hat deshalb auch die Bühnen in der Stadt dazu aufgerufen. Bis zu zehn Prozent der Gelder könnten wegfallen, so die Befürchtung. Ähnliche Sorgen gibt es in München. Hier plant die Stadt, im kommenden Jahr insgesamt rund 200 Millionen Euro einzusparen, rund 8,5 Prozent davon bei der Kultur. Im Vergleich mit anderen Ressorts ist das überproportional viel, besonders die Theater in der Stadt könnten davon betroffen sein. Auch die Freie Szene ist gefährdet, in Berlin wie in München. Kulturschaffende in beiden Städten protestieren.

Was kann Kultur leisten und wie viele Kürzungen verkraftet sie? Darüber spricht Carolin Emcke in dieser Folge des Podcasts mit Carsten Brosda, dem Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins.

Carsten Brosda, geboren 1974 in Gelsenkirchen, hat ursprünglich Journalistik studiert und durch dieses Studium an der Uni Dortmund auch ein journalistisches Volontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Essen absolviert. Während der Promotion setzte er sich mit diskursivem Journalismus auseinander und übernahm anschließend verschiedene Rollen innerhalb der Bundes-SPD. Seit 2011 ist der SPD-Politiker in der Hamburger Politik aktiv, seit 2017 hat er hier das Amt des Kultursenators inne. In dieser Funktion ist Brosda jedoch nicht im Podcasts zu Gast. 2020 hat er nämlich darüber hinaus das Präsidentschaftsamt im Deutschen Bühnenverein übernommen. ** Theater als Leidenschaft und Diskursraum**

Im Gespräch mit Carolin Emcke spricht Carsten Brosda über seine Leidenschaft für das Theater. Bis heute fasziniere ihn die Vorstellung "wie großartig das ist, dass Menschen sich etwas ausdenken und spielen können. Und das jeden Abend wieder aufs Neue." Der Gang ins Theater sei für ihn schon von klein auf ein "Ganzkörpererlebnis" gewesen. Dabei fasziniere ihn auch der soziale Aspekt, ein Stück mit anderen zu sehen, sich hinterher darüber auszutauschen und auch andere Wahrnehmungen zu reflektieren.

Wenn er nach der Bedeutung von Theater gefragt wird, erzählt Brosda, führe er gern einen Text von Max Frisch an, in dem der Direktor eines geschlossenen Theaters den Bürgern vermitteln muss, warum es wieder öffnen sollte. Frisch nenne darin die Bühne einen eminent politischen Ort, einen öffentlichen Raum, in dem Zukunftsvisionen und Möglichkeiten des Zusammenlebens verhandelt werden könnten. "Ich finde das einen unglaublich schlagenden Moment", sagt Brosda. Die Gesellschaft könne im Theater "in ästhetischen Dimensionen Dinge durchdenken, spielen und verwerfen" und sich gleichzeitig der "Rollenzuschreibungen und Zwänge, die sonst den Alltag ausmachen" entheben.

Bedroht die finanzielle Schieflage die Kunstfreiheit?

Umso mehr schmerzen den Präsidenten des deutschen Bühnenvereins die geplanten Kürzungen in den Kulturetats. Er könne den Spardruck in kommunalen Haushalten zwar nachvollziehen, nicht aber, wie kurzfristig er verkündet wurde. Der Wirtschaftsplan eines Theaters reiche in der Regel von Sommer bis Sommer, das heißt alle Kosten für das kommende Jahr seien längst disponiert, die Verträge geschrieben. Ob ein Theater bei den Ausgaben und damit bei der Qualität sparen müsse, sei da einfach schon entschieden. "Wenn ich den Betrieb ernst nehme, dann lässt sich keine dieser Fragen von September auf Januar beantworten", sagt Brosda im Podcast.

Dabei gehe es bei der Finanzierung auch darum, die Fähigkeit des Theaters zu erhalten, Normen und Wirklichkeiten zu hinterfragen. Besonders wichtig sei dies, da rechtspopulistische Versuche zunähmen, die Kulturlandschaft für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Brosda nimmt das als große Bedrohung für Kultureinrichtungen wahr. Rechtspopulisten machten ein "vergiftetes Angebot", nämlich Druck und Angriffe nur dann zu unterlassen, wenn Theater oder Opern eine ideologiekonforme Geschichte über Freiheit und Demokratie erzählten. Ihn erschüttere, sagt Brosda, dass nicht erkannt werde, "dass die freiheitliche und damit die öffentliche Finanzierung von kulturellen und künstlerischen Angeboten überhaupt erst die Möglichkeit schafft, aus der Kultur heraus auf die hegemoniale Herausforderung von rechts zu reagieren." Wer von der Kultur erwarte, die bestehende Gesellschaftsordnung zu verteidigen, müsse ihr eben auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Empfehlung von Carsten Brosda

Carsten Brosda empfiehlt den Anthropolis-Marathon am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Hier werden gleich fünf Dramen über das mythische Theben, dem Schauplatz der meisten Tragödien des antiken Griechenlands, in Reihe aufgeführt. Der Schriftsteller und Dramaturg Roland Schimmelpfennig hat sie aus 2500 Jahre alten Texten extrahiert und mit Gegenwartsbezügen angereichert. "Wer wirklich Theater in all seinen Facetten und in all seinem Reichtum von Formsprachen erleben möchte", sagte Brosda, "muss sich diese fünf Teile anschauen. Das ist so überwältigend, da hatte ich ganz viele Momente, wo ich das Gefühl hatte, ich begreife gerade Dinge."

Moderation, Redaktion: Carolin Emcke

Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt, Laura Städtler, Johannes Korsche

Produktion: Imanuel Pedersen

Bildcredit Cover: Hernandez für Behörde für Kultur und Medien/Bearbeitung SZ

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Was kann Kultur leisten und wie viele Kürzungen verkraftet sie? Darüber spricht Carolin Emcke in dieser Folge des Podcasts mit Carsten Brosda, dem Präsidenten des Deutschen Bühnenvereins.

Carsten Brosda, geboren 1974 in Gelsenkirchen, hat ursprünglich Journalistik studiert und durch dieses Studium an der Uni Dortmund auch ein journalistisches Volontariat bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in Essen absolviert. Während der Promotion setzte er sich mit diskursivem Journalismus auseinander und übernahm anschließend verschiedene Rollen innerhalb der Bundes-SPD. Seit 2011 ist der SPD-Politiker in der Hamburger Politik aktiv, seit 2017 hat er hier das Amt des Kultursenators inne. In dieser Funktion ist Brosda jedoch nicht im Podcasts zu Gast. 2020 hat er nämlich darüber hinaus das Präsidentschaftsamt im Deutschen Bühnenverein übernommen. ** Theater als Leidenschaft und Diskursraum**

Im Gespräch mit Carolin Emcke spricht Carsten Brosda über seine Leidenschaft für das Theater. Bis heute fasziniere ihn die Vorstellung "wie großartig das ist, dass Menschen sich etwas ausdenken und spielen können. Und das jeden Abend wieder aufs Neue." Der Gang ins Theater sei für ihn schon von klein auf ein "Ganzkörpererlebnis" gewesen. Dabei fasziniere ihn auch der soziale Aspekt, ein Stück mit anderen zu sehen, sich hinterher darüber auszutauschen und auch andere Wahrnehmungen zu reflektieren.

Wenn er nach der Bedeutung von Theater gefragt wird, erzählt Brosda, führe er gern einen Text von Max Frisch an, in dem der Direktor eines geschlossenen Theaters den Bürgern vermitteln muss, warum es wieder öffnen sollte. Frisch nenne darin die Bühne einen eminent politischen Ort, einen öffentlichen Raum, in dem Zukunftsvisionen und Möglichkeiten des Zusammenlebens verhandelt werden könnten. "Ich finde das einen unglaublich schlagenden Moment", sagt Brosda. Die Gesellschaft könne im Theater "in ästhetischen Dimensionen Dinge durchdenken, spielen und verwerfen" und sich gleichzeitig der "Rollenzuschreibungen und Zwänge, die sonst den Alltag ausmachen" entheben.

Bedroht die finanzielle Schieflage die Kunstfreiheit?

Umso mehr schmerzen den Präsidenten des deutschen Bühnenvereins die geplanten Kürzungen in den Kulturetats. Er könne den Spardruck in kommunalen Haushalten zwar nachvollziehen, nicht aber, wie kurzfristig er verkündet wurde. Der Wirtschaftsplan eines Theaters reiche in der Regel von Sommer bis Sommer, das heißt alle Kosten für das kommende Jahr seien längst disponiert, die Verträge geschrieben. Ob ein Theater bei den Ausgaben und damit bei der Qualität sparen müsse, sei da einfach schon entschieden. "Wenn ich den Betrieb ernst nehme, dann lässt sich keine dieser Fragen von September auf Januar beantworten", sagt Brosda im Podcast.

Dabei gehe es bei der Finanzierung auch darum, die Fähigkeit des Theaters zu erhalten, Normen und Wirklichkeiten zu hinterfragen. Besonders wichtig sei dies, da rechtspopulistische Versuche zunähmen, die Kulturlandschaft für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Brosda nimmt das als große Bedrohung für Kultureinrichtungen wahr. Rechtspopulisten machten ein "vergiftetes Angebot", nämlich Druck und Angriffe nur dann zu unterlassen, wenn Theater oder Opern eine ideologiekonforme Geschichte über Freiheit und Demokratie erzählten. Ihn erschüttere, sagt Brosda, dass nicht erkannt werde, "dass die freiheitliche und damit die öffentliche Finanzierung von kulturellen und künstlerischen Angeboten überhaupt erst die Möglichkeit schafft, aus der Kultur heraus auf die hegemoniale Herausforderung von rechts zu reagieren." Wer von der Kultur erwarte, die bestehende Gesellschaftsordnung zu verteidigen, müsse ihr eben auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Empfehlung von Carsten Brosda

Carsten Brosda empfiehlt den Anthropolis-Marathon am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Hier werden gleich fünf Dramen über das mythische Theben, dem Schauplatz der meisten Tragödien des antiken Griechenlands, in Reihe aufgeführt. Der Schriftsteller und Dramaturg Roland Schimmelpfennig hat sie aus 2500 Jahre alten Texten extrahiert und mit Gegenwartsbezügen angereichert. "Wer wirklich Theater in all seinen Facetten und in all seinem Reichtum von Formsprachen erleben möchte", sagte Brosda, "muss sich diese fünf Teile anschauen. Das ist so überwältigend, da hatte ich ganz viele Momente, wo ich das Gefühl hatte, ich begreife gerade Dinge."

Moderation, Redaktion: Carolin Emcke

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