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„Akzeptanz ist Stärke“ – Raúl Krauthausen über Leben mit Behinderung

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Erinnern Sie sich an den Lebensmitteleinkauf oder Ihre alltägliche Pendelfahrt in die Arbeit: Laut Statistik müsste ungefähr jeder zehnte Mensch, der Ihnen da begegnet, ein Mensch mit Behinderung gewesen sein. Zumindest gelten circa 7,8 Millionen Menschen in Deutschland als schwer behindert. Trotzdem sind alltägliche Begegnungen selten. Woran liegt diese Unsichtbarkeit? Darüber spricht der Inklusions-Aktivist Raúl Krauthausen in dieser Folge von „In aller Ruhe“ mit Carolin Emcke.

Raúl Aguayo-Krauthausen, 1980 in Peru geboren, ist in Berlin aufgewachsen. Er ist studierter Kommunikationswirt und Design-Thinker. Krauthausen arbeitet als Inklusions-Aktivist unter anderem für den Verein „Sozialhelden“, den er 2004 selbst gegründet hat. Er erfand die Wheelmap, eine Karte für rollstuhlgerechte Orte und erwirkte eine Verfassungsklage gegen die Triage-Regelung. In Blogartikeln, Fernsehbeiträgen, Büchern und eigenen Podcasts klärt er über Behinderung auf. Für seine Verdienste um die sozialen Belange von behinderten und sozial benachteiligten Menschen wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Sein Buch „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden“ landete 2023 in der Spiegel-Bestsellerliste.

„Behinderungen sind Tatsachenbeschreibungen, keine Beleidigungen“

Im Umgang mit ihm, stellt Raùl Krauthausen oftmals eine Unsicherheit fest: „Das sind oft die Leute, die am wenigsten Berührungspunkte mit Behinderung haben. Die benutzen dann Euphemismen wie: Handicap, anders-begabt, herausgefordert. Und das offenbart eigentlich viel mehr, dass sie keine Ahnung von der Materie haben, weil die Behindertenbewegungen sich eigentlich schon seit Jahren darauf geeinigt hat, dass es Menschen mit Behinderung oder behinderter Mensch heißt.“ Woher diese Unsicherheit kommt: „Wenn wir fragen: Warum haben die Menschen so eine Angst vor dem Wort behindert? Dann argumentieren sie oft damit, dass das auf dem Schulhof als Schimpfwort gebraucht wird.“ Aber Krauthausen sagt: „Es sind ja Tatsachenbeschreibung, sie sollten nicht als Beleidigung missbraucht werden.“

Wie er mit seiner Behinderung umgeht? „Die einzige Option, die ich habe, ist: akzeptieren. Und diese Akzeptanz ist eine Stärke. Ich gehe mit Würde aus dem Haus. Und mache mir nicht so die Sorgen, was die Anderen über mich denken könnten – natürlich auch Tagesform abhängig.“ Aber „diese Akzeptanz ist eine Reise gewesen, die erst mit Ende 20 eingesetzt hat und wahrscheinlich auch nie abgeschlossen sein wird. Ich würde auch heute noch sagen: Ich bin mit meiner Behinderung im Reinen. Aber trotzdem, es ist eine Reise.“

**„Kleinere Klassen und mehr Pädagogen“ **

Aber wie lässt sich Inklusion in unserer Gesellschaft vorantreiben? Für Krauthausen ist dabei gutgemeint nicht gleichbedeutend mit gutgemacht: „Wenn eine Veranstaltung „Mittendrin-Festival“ heißt, dann – sage ich – ist das wie Eulen nach Athen tragen. Dann kommen nämlich nur die Leute, die sowieso schon offen sind für das Thema.“ Krauthausen schlägt ein Gedankenexperiment vor: „Mal angenommen, ich bin ein Nazi und ich möchte nicht, dass behinderte Menschen „mittendrin“ sind. Dann gehe ich auch nicht auf eine Veranstaltung, die „Mittendrin“ heißt. Und das heißt: Wir laden gar nicht die Menschen ein, die vielleicht Ängste, Sorgen oder Unsicherheiten haben – es muss ja nicht immer gleich Hass sein. Und dann? Dann kommen die nicht.“ Und besagte Unsicherheiten können nicht abgebaut werden.

Ein Ort, wo laut Krauthausen Inklusion wirklich gelebt werden könnte: die Schule. Aber wenn er das fordert, „dann wird mir quasi abgesprochen zu sehen, dass Bildung in Deutschland grundsätzlich ein Problem ist. Nur: Dafür können behinderte Kinder nichts.“ Und die Lösung der gängigen Einwände sei recht simpel: „Wir können 90 Prozent der Probleme mit kleinen Klassen und mehr Pädagogen lösen.“ Ein Weg, der eigentlich vor allem nicht-behinderten Kindern helfen würde, schließlich seien die in der Mehrheit, argumentiert Krauthausen. „Und die würden auf Vielfalt treffen, die sie von Kindesbeinen auf lernen.“

Warum er die Behindertenwerkstätten und so manche Aufklärungskampagne für falsch hält, erklärt Krauthausen genauso wie die langsame Gewöhnung an sein Spiegelbild.

Empfehlungen von Raúl Krauthausen

Raúl Krauthausen empfiehlt die Netflix-Serie: „All the Light We Cannot See“. Er sagt: „Da spielt eine blinde Frau die Hauptrolle. Und die Schauspielerin ist wirklich blind. Und man sieht, wie viel authentischer diese Darstellung ist, als wenn du ein nicht-behinderten Menschen diese Rolle gespielt hätte.“

Und Krauthausen empfiehlt auch die Kinderserie: „Raising Dion“.Krauthausen sagt: „Sie handelt von einem schwarzen Jungen, der bei seiner alleinerziehenden Mutter wohnt. Und er entdeckt, dass er Superkräfte hat.“ Und eine Szene hat ihn besonders beeindruckt: „Er hat eine Klassenkameradin, die Glasknochen hat. Das heißt: Die Schauspielerin hat auch Glasknochen. Und in einer Folge – und das habe ich so noch nie im Fernsehen gesehen - benutzt er seine Superkräfte, um das Mädchen mit Glasknochen schweben zu lassen. Und sie ist dann stinksauer, will sofort wieder in ihren Rollstuhl. Und Dion versteht das nicht, weil er denkt, er helfe ihr. Dann geht er nach Hause und fragt seine Mutter: Warum ist sie sauer auf mich? Und dann hat sie gesagt: „Weil du nicht gefragt hast.“ Und das ist so eine einfache Antwort und das erklärt es Kindern einfach, dass es manchmal wirklich diese einfachen, grundlegenden Dinge sind.“

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Raúl Aguayo-Krauthausen, 1980 in Peru geboren, ist in Berlin aufgewachsen. Er ist studierter Kommunikationswirt und Design-Thinker. Krauthausen arbeitet als Inklusions-Aktivist unter anderem für den Verein „Sozialhelden“, den er 2004 selbst gegründet hat. Er erfand die Wheelmap, eine Karte für rollstuhlgerechte Orte und erwirkte eine Verfassungsklage gegen die Triage-Regelung. In Blogartikeln, Fernsehbeiträgen, Büchern und eigenen Podcasts klärt er über Behinderung auf. Für seine Verdienste um die sozialen Belange von behinderten und sozial benachteiligten Menschen wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Sein Buch „Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden“ landete 2023 in der Spiegel-Bestsellerliste.

„Behinderungen sind Tatsachenbeschreibungen, keine Beleidigungen“

Im Umgang mit ihm, stellt Raùl Krauthausen oftmals eine Unsicherheit fest: „Das sind oft die Leute, die am wenigsten Berührungspunkte mit Behinderung haben. Die benutzen dann Euphemismen wie: Handicap, anders-begabt, herausgefordert. Und das offenbart eigentlich viel mehr, dass sie keine Ahnung von der Materie haben, weil die Behindertenbewegungen sich eigentlich schon seit Jahren darauf geeinigt hat, dass es Menschen mit Behinderung oder behinderter Mensch heißt.“ Woher diese Unsicherheit kommt: „Wenn wir fragen: Warum haben die Menschen so eine Angst vor dem Wort behindert? Dann argumentieren sie oft damit, dass das auf dem Schulhof als Schimpfwort gebraucht wird.“ Aber Krauthausen sagt: „Es sind ja Tatsachenbeschreibung, sie sollten nicht als Beleidigung missbraucht werden.“

Wie er mit seiner Behinderung umgeht? „Die einzige Option, die ich habe, ist: akzeptieren. Und diese Akzeptanz ist eine Stärke. Ich gehe mit Würde aus dem Haus. Und mache mir nicht so die Sorgen, was die Anderen über mich denken könnten – natürlich auch Tagesform abhängig.“ Aber „diese Akzeptanz ist eine Reise gewesen, die erst mit Ende 20 eingesetzt hat und wahrscheinlich auch nie abgeschlossen sein wird. Ich würde auch heute noch sagen: Ich bin mit meiner Behinderung im Reinen. Aber trotzdem, es ist eine Reise.“

**„Kleinere Klassen und mehr Pädagogen“ **

Aber wie lässt sich Inklusion in unserer Gesellschaft vorantreiben? Für Krauthausen ist dabei gutgemeint nicht gleichbedeutend mit gutgemacht: „Wenn eine Veranstaltung „Mittendrin-Festival“ heißt, dann – sage ich – ist das wie Eulen nach Athen tragen. Dann kommen nämlich nur die Leute, die sowieso schon offen sind für das Thema.“ Krauthausen schlägt ein Gedankenexperiment vor: „Mal angenommen, ich bin ein Nazi und ich möchte nicht, dass behinderte Menschen „mittendrin“ sind. Dann gehe ich auch nicht auf eine Veranstaltung, die „Mittendrin“ heißt. Und das heißt: Wir laden gar nicht die Menschen ein, die vielleicht Ängste, Sorgen oder Unsicherheiten haben – es muss ja nicht immer gleich Hass sein. Und dann? Dann kommen die nicht.“ Und besagte Unsicherheiten können nicht abgebaut werden.

Ein Ort, wo laut Krauthausen Inklusion wirklich gelebt werden könnte: die Schule. Aber wenn er das fordert, „dann wird mir quasi abgesprochen zu sehen, dass Bildung in Deutschland grundsätzlich ein Problem ist. Nur: Dafür können behinderte Kinder nichts.“ Und die Lösung der gängigen Einwände sei recht simpel: „Wir können 90 Prozent der Probleme mit kleinen Klassen und mehr Pädagogen lösen.“ Ein Weg, der eigentlich vor allem nicht-behinderten Kindern helfen würde, schließlich seien die in der Mehrheit, argumentiert Krauthausen. „Und die würden auf Vielfalt treffen, die sie von Kindesbeinen auf lernen.“

Warum er die Behindertenwerkstätten und so manche Aufklärungskampagne für falsch hält, erklärt Krauthausen genauso wie die langsame Gewöhnung an sein Spiegelbild.

Empfehlungen von Raúl Krauthausen

Raúl Krauthausen empfiehlt die Netflix-Serie: „All the Light We Cannot See“. Er sagt: „Da spielt eine blinde Frau die Hauptrolle. Und die Schauspielerin ist wirklich blind. Und man sieht, wie viel authentischer diese Darstellung ist, als wenn du ein nicht-behinderten Menschen diese Rolle gespielt hätte.“

Und Krauthausen empfiehlt auch die Kinderserie: „Raising Dion“.Krauthausen sagt: „Sie handelt von einem schwarzen Jungen, der bei seiner alleinerziehenden Mutter wohnt. Und er entdeckt, dass er Superkräfte hat.“ Und eine Szene hat ihn besonders beeindruckt: „Er hat eine Klassenkameradin, die Glasknochen hat. Das heißt: Die Schauspielerin hat auch Glasknochen. Und in einer Folge – und das habe ich so noch nie im Fernsehen gesehen - benutzt er seine Superkräfte, um das Mädchen mit Glasknochen schweben zu lassen. Und sie ist dann stinksauer, will sofort wieder in ihren Rollstuhl. Und Dion versteht das nicht, weil er denkt, er helfe ihr. Dann geht er nach Hause und fragt seine Mutter: Warum ist sie sauer auf mich? Und dann hat sie gesagt: „Weil du nicht gefragt hast.“ Und das ist so eine einfache Antwort und das erklärt es Kindern einfach, dass es manchmal wirklich diese einfachen, grundlegenden Dinge sind.“

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