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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Der Fotomenschen Podcast pausiert auf unbestimmte Zeit.
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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== 1969 fand das berühmte Woodstock Festival statt, ein Höhe- und irgendwie auch der Endpunkt der Hippiebewegung der 60er Jahre. 1970 kommt das dazugehörige Album auf den Markt. Auf dem Cover ein Foto des Life und Magnum Fotografen Burk Uzzle, das zu einer Bildikone werden sollte und das Paar seither begleitet. A Woodstock Moment – 40 Years Later (Smithonian Mag) Meet The Couple On The Iconic Woodstock Album Cover — Still Together After 50 Years Burk Uzzle (Wikipedia) Burk Uzzle’s Webseite Google Bildersuche – Fotos des Woodstock Festivals 5 Woodstock Photographers on the Images That Moved Them Most (Time) Summer of Love (Wikipedia) Woodstock Festival (Wikipedia) Hippie (Wikipedia) Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Music credit: Where the Moon Shines Bright by Kara Square (c) copyright 2020 Licensed under a Creative Commons Attribution (3.0) license. http://dig.ccmixter.org/files/mindmapthat/62227 Ft: Mr_Yesterday, Stefan Kartenberg Transkript Die 60er Jahre waren in den USA eine turbulente Zeit. Es ist die Zeit des Vietnamkriegs. Es ist die Zeit der politischen Morde an Martin Luther King, John F. Kennedy oder Malcolm X. Und es ist die Zeit der Hippie-Bewegung. 1967 gipfelt die in San Francisco im sogenannten „Summer of Love“. Und 1969 auf der anderen Seite des Kontinents, im Bundesstaat New York, im berühmtesten Musikfestival aller Zeiten, Woodstock. (Musik) (Kamera Klick) (Musik) Foto Menschen. (Musik) (Kamera Klick) (Musik) Die Hippie-Bewegung nahm ihren Anfang in San Francisco und in der Bay Area. Es war eine Jugendbewegung. Mitglieder der Hippie-Bewegung lehnten Konsum ab, lehnten das Mittelstandsgebaren, das sie in ihrer Umgebung sahen, ab. Sie wollten keine Gewalt mehr unterstützen. Sie wollten mit Designer-Drogen experimentieren, dabei Musik hören und im Einklang mit Umwelt und Nachbarn leben. Aus heutiges Sicht würde ich ja fast sagen, die waren ihrer Zeit ganz schön voraus. Den Anfang nimmt diese Bewegung jedenfalls in den 60er Jahren. Und auch wenn man die Bartek-Klamotten, die Drogen, die freie Liebe und den Musikgeschmack belächelt, ist nicht wegzuleugnen, dass die Hippie-Bewegung den Anfang der Friedensbewegung in den USA markiert, die sexuelle Revolution voranbringt, Umweltschutz, Antirassismus und andere Themen auf die Agenda hebt und bis heute nachwirkt. Und wie immer, wenn eine Bewegung auftaucht, die erfolgreich ist, wird sie sehr schnell auch kommerziell. Modelabel entdecken den Klamottenstil, Plattenlabels entdecken den Musikstil, Veranstalter entdecken die Zielgruppe. Wenn das Summer of Love 1967 in San Francisco als der Höhepunkt der Bewegung gilt, dann ist unzweifelhaft das Woodstock Festival 1969 eine Art Endpunkt und Kommerzialisierungshöhepunkt. [Musik] Man hatte vor, ein Hippie-Festival zu veranstalten im Bundesstaat New York. Veranstaltungsort sollte ursprünglich die kleine Ortschaft Woodstock werden. Man entschied sich aber um und das Festival fand dann tatsächlich in einem 70 Kilometer entfernten Ort statt, auf einer hügeligen Wiesnlandschaft in der Nähe des New Yorker Orts Bethel. Oder Bietel? Als Zeitpunkt wurde der 15. bis 17. August festgelegt und es sollten 32 Bands auftreten, darunter auch einige, die inzwischen schon einen Namen von Weltrang hatten. Das Publikum wurde auf so circa 150.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer geschätzt. Und für 150.000 war man wohl auch vorbereitet. Nicht hingegen für die 400.000, die dann tatsächlich zum Festival anreisten. [Unverständliches Gespräch] Das Festival hatte noch gar nicht angefangen, da waren in der Umgebung des Veranstaltungsorts sämtliche Straßen verstopft. Den Hippies war es einerlei, die fuhren, soweit sie nur vorwärts fahren konnten und wenn der Weg dann von einer Blechlawine verstopft war, ließen sie ihr Auto einfach stehen und gingen den Rest zu Fuß. Es herrschte also schon Chaos, bevor überhaupt das erste Musikstück gespielt wurde. Die Medien riefen dazu auf, nicht mit dem Auto anzureisen, am besten überhaupt gar nicht anzureisen. Speziell wenn man jung ist und feiern möchte, gäbe es doch auch so viele Alternativen. Das Festival war rundheraus überfordert. Es gab nicht genug Wasser, es gab nicht genug Essen. Ob überhaupt der Platz reichen würde, war ebenso unklar. Und definitiv gab es nicht genügend sanitäre Anlagen oder An- und Abfahrtsstraßen. Der Student Nick Erkelein hört all das im Radio und denkt sich, im Grunde verpasse ich hier gerade was. Es scheint ein Ereignis zu sein, das es so nur einmal geben wird. Ihm gegenüber sitzt seine Freundin Bobbi Kelly. Zehn Wochen sind die beiden zu dem Zeitpunkt zusammen. Er schaut sie an und sagt, wollen wir da eigentlich auch hin? Die Musik ist cool und anscheinend gibt es da was zu verpassen. Die beiden sind selbst eigentlich keine Hippies oder in der Counterculture. Aber gute Musik und junge Leute um sich rum, freie Liebe und Drogen, in einer Gegend, in der sonst jetzt auch nicht so viel los ist. Gesagt, getan, ein paar Freunde werden zusammen getrommelt und es wird sich auf den Weg gemacht. Musik Musik Nicht lange, und sie kamen am Ende der Autoschlange an und stellten wie die anderen Hippies ihr Fahrzeug einfach am Straßenrand ab. Und machten sich auf den Weg. Unterwegs sammelten sie eine Decke auf, die einfach da so rum lag, um eine Unterlage zu haben am Festival. Dort angekommen waren die Eindrücke dann überwältigend. Von dem Ort aus, an dem sie saßen, konnte man Dampfschwaden oder Rauchschwaden aufsteigen sehen. Musik Es war heiß und es war nass. Die Menschen waren also schwitzend und feucht. Und deswegen konnte man auch nicht so genau sagen, war das Rauch von Haschisch oder Lagerfeuern oder einfach nur verdampfender Schweiß oder allgemeine Feuchtigkeit. Und es war verfüllt mit tollen Geräuschen, außer nur der Künstler. Und Geräusche. Und Geräusche natürlich. Jeden Geruch, den man sich erinnern kann. Wir waren alle zusammen. Wenn ihr etwas trinken wollt, dann würden sie es euch übergeben. Wenn ihr etwas essen wollt, wenn sie es hatten, dann würden sie es euch übergeben. Die Orte waren so eng aufeinander, dass daran nicht zu denken war, einfach irgendwo hinzugehen, um sich etwas zu besorgen. Wenn man etwas trinken oder essen wollte, dann wurde es einem durchgereicht. Zumindest, wenn es noch etwas gab. Allerdings war Essen schon am ersten Tag aus. Die Woodstock-Organisation war tatsächlich nicht darauf vorbereitet gewesen, 400.000 Menschen versorgen zu müssen. Hinter den Kulissen wurde wild vor sich hin improvisiert. Währenddessen wurde das Festival zu einem Medienereignis. Nachrichtenredaktionen erwarteten das Schlimmste an diesem Festival. Randalierende Jugendliche, Sex, Drug, Rock’n’Roll. Deswegen schickten alle ihre Reporter, um an dem Festival teilzunehmen. Viele auch mit entsprechenden Anweisungen, was sie aufzunehmen hatten. Wenn sie denn schon keine randalierenden Jugendlichen finden würden, dann sollten sie doch wenigstens Fotos von den Musikern aufnehmen. Manche Reporter wurden von ihren Redaktionen mit Helikoptern eingeflogen. Andere mussten sich auf denselben Weg machen, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Einer der anwesenden Fotografen war der damals schon 31-jährige Burke Assel. Er war eigentlich angestellt beim Life Magazine und war Magnum-Fotograf. Später würde er eine Weile lang Vice-President von Magnum sein. Aber am Woodstock-Festival nahm er völlig privat teil. Er hatte einen Auftrag abgelehnt, denn er hasste es, im Auftrag irgendwo fotografieren zu sein. Viel lieber fotografierte er auf eigene Faust und verkaufte anschließend seine Bilder. Für Woodstock hatte er sich in der Nähe einen Zeltplatz gesucht. Also in der Nähe des Festivals, aber weit genug weg, dass er nicht mittendrin übernachten muss. Trotzdem ließ er sich nicht nehmen, auf dem Festival herumzustromern und mit seinen zwei Leicas fotografieren zu gehen. In einem Interview beschreibt er später, dass seine Kollegen alle vorne an der Bühne rumhängen mussten, denn dorthin hatte man sie hinbeordert, um wenigstens Fotos von den Künstlern zu machen. Er hingegen lief zwischen den Menschen herum und war fasziniert. Das Festival war zwar ganz eindeutig völlig überlastet, aber trotzdem blieb alles friedlich. Die Bedingungen waren zum Teil furchtbar. Die Wiesen versanken im Matsch, es hatte einen Regensturm gegeben. Und trotzdem waren die Teilnehmer anscheinend glücklich und zufrieden. Wenn man einmal den Blick über die Menschenmenge streifen ließ, sah man Menschen beim Musizieren genauso wie beim Liebemachen. Hitzig diskutierende Leute genauso wie fasziniert dem Geschehen auf der Bühne Zuhörenden. Am Sonntagmorgen war Berg sehr früh auf den Beinen, um Fotos zu machen. Die Dämmerung kroch gerade über den Hügel. Trotzdem gab es schon Musik zu hören. Jefferson Airplane spielte. „Bringing up the dawn“ sangen sie. Auf dem Hügel lagen die meisten, viele noch schlafend. Und als er sich so umsieht, stehen direkt vor ihm Nick und seine Freundin Bobby auf. Sie küssen sich, Nick hat die Decke, die sie aufgesammelt hatten, um die Schultern gelegt. Er nimmt seine Freundin in den Arm und sie lehnt sich in seine Arme. Es ist dieser Moment, den Berg mehrmals aufnimmt. Ein paar Mal schwarz-weiß und ein, zwei Mal auch in Farbe. Nick und Bobby bekommen davon überhaupt gar nichts mit. Ein Freund von ihnen hatte einen Stab dabei, an dem ein Plastikschmetterling war. Der ist mit im Bild. Ein anderer Freund von ihnen, der gerade aus Vietnam zurückgekehrt war, liegt hinter ihnen und schläft noch. Musik Am nächsten Morgen machen sich Nick, Bobby, Burke und alle anderen auf dem Weg wieder nach Hause. Woodstock ist vorbei. Es war klar, dass es alle Grenzen gesprengt hatte. Aber es war noch nicht klar, was für ein nachhaltender Einfluss von diesem Festival ausgehen sollte. Was am Weißen See passiert ist, dass Hunderttausende Kinder eine rurale Resort-Area besiegt haben, die sie völlig unvorbereitet zu befassen. Zwischen Adelten, die ihre jungen Lebensstile resenzen und verneinen. Und dass irgendwie, durch die Natur der alten Fashion, der Kindheit und der Liebe, beide Gruppen in Harmonie und gutem Humor zusammengekommen sind. Ja, man war überrascht davon, dass nicht mehr passiert ist. Nick und Bobby waren wieder daheim. Und Woodstock ist schnell eine Erinnerung. Als 1970 dann das dazugehörige Album, der Soundtrack, herauskommt, kaufen Freunde von ihnen das Album und laden sie ein, sich das gemeinsam anzuhören. Der Hallo ist groß, denn das Coverfoto zeigt nichts anderes als den Moment, in dem das Pärchen aufgestanden war und sich umarmt hatte. Sie erkennen das sofort an der Decke, an dem Schmetterling und an dem Freund, der hinter ihnen liegt. Was ihnen nicht klar ist, ist, dass dieses Bild ab jetzt ikonisch für Woodstock stehen soll. Es ist das Woodstock Couple. Sie bekommen auch nichts davon mit, dass über die nächsten Jahre alle möglichen Pärchen behaupten werden, dass sie es sind, die auf diesem Bild dargestellt werden. Sie freuen sich einfach, dass sie auf diesem Cover zu sehen sind, besorgen sich einen größeren Abzug dieses Fotos, rahmen sich das Bild und hängen es sich in die Wohnung. Die haben sie nämlich bald, die gemeinsame Wohnung. Aus der, während Woodstock gerade mal zehn Wochen alten Beziehung, wird nämlich nach zwei Jahren eine Ehe. Und als 20 Jahre später das Live-Magazin das Pärchen anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von Woodstock aufspürt, haben sie zwei Kinder und sind nach wie vor glücklich verheiratet. Das ist auch der Moment, in dem sie und auch der Fotograf Burke Ussel erzählen, wie sie sich jeweils an den Moment des Bildes erinnern oder auch nicht erinnern. Burke Ussel hat sein ganzes Leben lang fotografiert. Wie gesagt, er wird Präsident von Magnum Fotos werden. Aber er sagt, keines seiner Fotos wird so oft nachgefragt wie dieses einigermaßen unscheinbare Foto eines Pärchens auf diesem Festival. Und für Nick und Bobby bleibt es natürlich ein ganz besonderer Moment. Ein Moment, der auch 50 Jahre später für das Ehepaar nichts von seiner Magie eingebüßt hat. [Musik] [Musik] [Musik] [Musik] [Musik] [Musik] [Musik] Foto Menschen Themenpart in der heutigen Folge ist Meo, Ada, Mesopotheim. Danke für den Hinweis auf dieses Liebespaar, das zum ikonischen Woodstock-Couple wurde und nach über 50 Jahren immer noch glaubwürdig in die Kamera sagen kann, dass sie so verliebt wie am ersten Tag sind. Wer das Bild jetzt gerne sehen möchte oder mehr über Woodstock, die Hippie-Bewegung oder speziell über Nick und Bobby erfahren möchte, wird in den Notizen zur Sendung oder auf Kopfstimme.net fündig. Was man da auch finden kann, ist übrigens der Link zu meinem Buch. Ja, ich habe ein Buch zum Podcast geschrieben. „30x Fotogeschichten“ – ein Lesebuch für Fotograf*innen mit oder ohne Kamera. Ansonsten freue ich mich über Rückmeldungen zu dieser Episode oder zu irgendeiner anderen oder zu Themenwünschen. Man kann mich ganz gut erreichen, entweder auf der Webseite, einfach die Kommentarfunktion benutzen, indem man mich zum Beispiel auf Masterdome besucht. Den Link findet ihr auch hier auf fotomenschen.net, wie immer. Und jetzt lieben Dank fürs Zuhören, passt auf euch auf und bis bald.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Wilson Bentley galt jahrelang als der erste Mensch der eine Schneeflocke fotografiert hat. Auch wenn wir heute wissen, dass ein anderer Mann (Johann Flögel) schneller gewesean war, so war es doch Bentley der über 40 Jahre hinweg dranblieb und uns 5831 einzigartige Aufnahmen hinterlies. Wilson Bentley (Wikipedia – englisch , deutsch ) Eiskalt abgelichtet (Spiegel) Der Schneemann (Süddeutsche Zeitung) Wem gehört die erste Foto-Flocke? (shz) Johann Heinrich Ludwig Flögel (Wikipedia) Wer war der Schneeflockenfotograf Wilson Bentley? (kwerfeldein) Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Ich glaube es ist keine Übertreibung, wenn man Wilson Bentley als etwas schrullig bezeichnet. Allerdings, ich würde sagen, die gute Art von schrullig. 40 Jahre lang beschäftigte er sich mit einem Foto-Hobby und machte seine Sache so gut, dass er bis heute den Standard setzt. Wilson Bentley wird am 9. Februar 1865 in Vermont in eine Farmerfamilie geboren. Er wird später selbst Farmer und bleibt sein gesamtes Leben am elterlichen Hof. Als Farmer. An dem kleinen Wilson fällt von Anfang an sein ungewöhnlich großer Wissensdurst auf. Er wird zu Hause von seiner Mutter, einer ehemaligen Lehrerin, unterrichtet und die fördert sein umfassendes Interesse an allem, was in der Natur um ihn herum vor sich geht. Besonders fasziniert ihn dabei ihr Mikroskop. Blätter, Insekten, einfach alles was man unter dieses Mikroskop legen kann, wird von Wilson ausführlich studiert. In Vermont sind die Winter sehr lang. Schnee fällt gerne schon im September und auch im Mai kann es durchaus noch kalt und eisig draußen werden. Und so ist es dann auch kein Wunder, dass Wilson Bentley irgendwann anfängt auch Schneekristalle unter das Mikrofon zu buxieren. Die haben es allerdings in sich. Erstens fallen die ja nicht unbedingt immer einzeln, zweitens verdunsten die sehr schnell, also selbst wenn es nicht warm ist auf der Unterlage auf die sie fallen und drittens reicht dann oft schon ein Atemhauch um sie komplett in Wasser zu verwandeln. Für all diese Probleme findet Wilson Bentley Lösungen. Während also alle anderen Familienmitglieder sich am liebsten im Haus beim Feuer aufhalten, steht er mit einer Holzplatte, die mit schwarzem Samt überzogen ist, im Hof und fängt Schneeflocken. Mit einer Feder separiert er die einzelnen Kristalle und wenn die mit dem bloßen Auge interessant aussehen, rennt er schnell in eine Scheune, wo das Mikroskop aufgebaut ist und versucht sie genau anzusehen und dabei abzuzeichnen. Schnell stellt er fest, dass keine zwei Schneeflocken gleich sind und das liegt daran, weil sie sich beim Fall zur Erde bilden und die genauen Bedingungen, also Temperatur, Luftfeuchtigkeit und so weiter, sind nicht vorhersagbar und variieren stark genug, dass die fertigen Kristalle nahezu unendlich variantenreich sind. Außerdem stellt er schnell fest, dass selbst unter Idealbedingungen die Schneekristalle so schnell verdunsten, dass er sie nicht abzeichnen kann. Es ist die Mitte der 1880er Jahre, das heißt die Fotografie ist inzwischen überall auf der Welt angekommen. Und Wilson ist klar, wenn er die Vergänglichkeit der Schneekristalle schon nicht schnell genug zeichnen kann, dann muss er sie eben fotografieren. Und er beginnt damit seiner Familie mit dem Wunsch nach einer damals sündhaft teuren Balkenkamera in den Ohren zu liegen. Sein Vater hält das Ganze für ein Hirngespinst, die Ausgabe ist eigentlich viel zu groß für seine Familie, aber die Mutter möchte das Interesse ihres Sohnes unterstützen. Und so beginnen die Eltern zu sparen. Als Wilson 17 wird, ist es dann soweit. Eine Balkenkamera zum Geburtstag. Wilson ist aus dem Häuschen vor Freude und macht sich sofort ans Werk und scheitert erstmal monatelang damit, mit dieser Kamera brauchbare Ergebnisse zu produzieren. Heute würden wir ja erstmal online gehen, vielleicht auf YouTube nach Anleitungen suchen. Und falls wir damit nicht weiterkommen, vielleicht gleichgesinnte Umgebungen befragen. Für Wilson war die Situation da deutlich schwieriger. Nicht nur gab es keinerlei Anleitungen, besonders auch nicht für den Anwendungsfall, der ihm vorschwebte, er war außerdem in Vermont auch auf dem Land, also mitten im Nirgendwo. Es gab keine Kameraklubs und keine anderen Fotografinnen und Fotografen, die er hätte befragen können. Er musste sich sein Wissen selbst erarbeiten. Und dafür brauchte er so knapp zwei Jahre. Am 15. Januar 1885 ist es dann soweit. Wilson Bentley fotografiert zum ersten Mal erfolgreich eine Schneeflocke. Jahrelang galt das übrigens als das erste Schneeflockenbild überhaupt. Inzwischen wissen wir, dass so knapp sieben Jahre vor ihm ein deutscher Wissenschaftler namens Johann Flögel den ersten Schneekristall festgehalten hat. Allerdings hat sich Johann Flögel längst nicht so sehr für Schneeflocken begeistert wie Wilson. Der nutzt nämlich ab jetzt jeden Tag, an dem Schnee vom Himmel fällt, um zu versuchen, wenigstens ein paar Schneekristalle festzuhalten. Der Ablauf ist wie damals mit dem Mikroskop. Mit einem schwarzen Brett draußen stehen die Schneeflocken, einfangen, dann mit einer Feder die Kristalle separieren und wenn es ein besonders schöner Kristall ist, schnell in die Scheune, wo der ganze Apparat schon aufgebaut ist und bereit ist, um ein Foto zu machen. Als er einmal die Technik raus hatte, war die Technik an sich nicht mehr das Problem. Was man aber seinen Schneeflocken ansieht, ist, dass er völlig fasziniert und verliebt geradezu in die Schönheit der Strukturen war. In den ersten Jahren hat er im Jahr etwa 10 bis 12 Schneeflocken, die er auf die Art festhält. Aber über die Jahre wird seine Technik immer ausgefeilter und 40 Jahre später fotografiert er 60 am Tag. Richtig gehört, 40 Jahre lang fotografiert er Schneekristalle. Insgesamt hinterlässt er uns 5381 einzigartige Aufnahmen. Er fotografiert mit extrem kleiner Blende und belichtet ca. 100 Sekunden lang. Fotografisch beschränkt sich Wilson fast ausschließlich auf seine Schneeflocken, aber auch an Tagen, an denen kein Schnee fällt, ist er nicht untätig. Er beobachtet und dokumentiert alle Wetterphänomene, die einem so einfallen können. Er vermisst akribisch die Größe von Regentropfen bei bestimmten Wetterlagen und gilt als ein Pionier der Meteorologie. Das alles nur als Hobby. Denn hauptsächlich ist er für den Hof seiner Eltern zuständig und kümmert sich nach dem Tod seines Vaters um die nach und nach immer kränker werdende Mutter. Wenn die Zeit es erlaubt, spielt er Klarinette und Klavier oder befasst sich mit seinen Aufzeichnungen. Eine Frau hat er nicht. 13 Jahre lang geht er schon diesem Hobby nach, als sich ein Wissenschaftler bei ihm meldet und sich zum ersten Mal für seine Aufnahmen interessiert. Er kauft ihm ein paar der Flockenfotos für ein Seminar an der University of Vermont ab und ist so begeistert, dass er ihn dazu animiert, einen Artikel in der Fachpresse zu schreiben. Er hilft ihm auch, diesen Artikel zu schreiben und zu platzieren. Die Aufnahmen faszinieren und andere Magazine greifen sie auch auf. Für einen kurzen Moment reisen diese Aufnahmen um die Welt und werden wieder und wieder abgedruckt. Viel mehr Interesse erregen sie allerdings nicht. Die Fachwelt interessiert sich nicht für ihn und seine Arbeit, denn er ist ja selbst kein Akademiker. Und außerdem sind seine Texte viel zu sehr davon geprägt, wie sehr er die Schönheit seiner Schneekristalle oder auch der Wetterbeobachtungen liebt. Sie sind also irgendwie nicht sachlich genug. Trotzdem kann er immerhin Magazine wie National Geographic oder das New York Times Magazine zu seinen Publishern zählen. Als diese Welle allerdings abebbt, kommen die nächsten Anfragen aus eher ungewöhnlicher Ecke. Juweliere und Textilindustrie haben seine Schneeflockenmuster entdeckt und wollen die Rechte an einzelnen dieser Designs haben, damit sie sie weiterverarbeiten können. Wilson Bentley war es überwiegend einerlei. Er war ja eh nicht auf Ruhm und Ehre aus, sondern einfach nur fasziniert von diesem Hobby und der Leidenschaft für die Schönheit der Natur. Speziell der Natur, die er im Wetter und eben in Regen und Schnee erkannte. Und seine über 5800 Schneekristallfotos waren derartig hochwertig und professionell in Szene gesetzt, dass es über 100 Jahre dauerte, bis irgendjemand anders auch nur versucht es ihm nachzumachen. Da hilft es natürlich auch, dass er seine Schneekristalle 1931 in einem Buch „Snow Crystals“ veröffentlicht und damit sein Lebenswerk hinterließ. Gerade noch rechtzeitig, denn gerade mal einen Monat später zieht sich der damals 66-Jährige eine Lungenentzündung zu, an der er dann auch stirbt. Was Wilson Bentley gemacht hat, können wir heute fast schon gar nicht mehr. Nämlich einfach nur aus eigener Faszination und ausschließlich für sich selbst. Nicht zum Veröffentlichen, nicht für den Applaus anderer fotografieren. 40 Jahre lang hat er das gemacht. Immer mit derselben Kamera, die ihm mit 17 geschenkt worden war. 5831 Schneekristalle, die wir auch heute noch als Buch kaufen und bestaunen können. FotoMenschen. Das war sie also, die Geschichte des ersten Schneekristallfotografen der Welt. Vielleicht auch des einzigen, der so viele Kristalle fotografiert hat. Wer mehr von Wilson Bentley und seiner Geschichte lesen oder auch die Schneekristallfotos bestaunen möchte, einfach auf der Webseite fotomenschen.net den Links in den Notizen zur Sendung folgen. Da wird man umfassend fündig. Und wer schon da ist, wie immer, ich sag’s gern nochmal, ich freu mich über Feedback, ich freu mich über Kommentare, ich freu mich über 5-Sterne-Rezensionen auf iTunes oder einer anderen Podcast-Plattform oder Kommentare im Blog oder Themenhinweise. Jede Art von Rückmeldung ist mir willkommen. Außerdem hab ich noch einen kleinen Hinweis in eigener Sache. Ich hab nämlich ein Buch zum Podcast geschrieben. Und das hab ich komfortablerweise in den Notizen zur Sendung oder auf der Webseite verlinkt. Ja, und vielleicht ist es ja für euch auch was. Und damit vielen lieben Dank fürs Zuhören, passt auf euch auf und bis bald.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Leticia Battaglia träumte davon zu schreiben, entdeckte aber mit beinahe 40 wie viel effektiver sie sich mit einer Kamera ausdrücken konnte. Sie wird zu einer Reporterin in Sizilien zu einer Zeit zu der die Mafia die Region fest im Griff hat und dokumentiert unerschrocken deren blutige Verbrechen. The Photographer Who Fought the Sicilian Mafia for Five Decades (Petapixel) Letizia Battaglia (Wikipedia) Sie schoss die Mafia (Süddeutsche Zeitung) Mit der Kamera gegen die Mafia (FAZ) Eine Liebesaffäre zwischen Frau und Kamera (Deutschlandfunk Kultur) Shooting the Mafia (IMDB) Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Bild: Von Tato Grasso – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7123757 Transkript Eigentlich wäre sie gerne Autorin geworden. Ihre Eltern hatten für sie eine eher traditionelle Lebensweise vorgesehen. Das sollte alles anders kommen, als sie mit beinahe 40 Jahren zum ersten Mal entdeckte, dass eigentlich die Fotografie das Medium war, über das sie sich am besten ausdrücken konnte. Foto Menschen Letizia wuchs bis zu ihrem achten Lebensjahr in Triest auf, obwohl sie eigentlich in Palermo in Sizilien geboren worden war. Ihre Eltern hatten aus beruflichen Gründen die Stadt gewechselt und die kleine Letizia war ein freiheitsliebendes Kind, ein wenig aufsässig vielleicht. Als die Eltern beschließen wieder nach Palermo zurückzukehren, ändert sich ihr Leben dramatisch, denn in Palermo herrscht zu der Zeit eine sehr konservative Moral vor. Und in Palermo der 40er Jahre lässt man Mädchen nicht alleine auf die Straße. Die kleine Letizia wird in eine Klosterschule gesteckt und ansonsten daheim im Wesentlichen eingesperrt. Ein Zustand, den sie als unhaltbar empfindet. Um daraus auszubrechen, gibt es nur ein Mittel. Eine vorteilhafte Heirat. Und genau diesen Weg schlägt Letizia mit gerade mal 16 Jahren ein. Der Erbe einer regionalen Kaffee-Röster-Familie hatte sich in sie verliebt und sie nutzte die Gelegenheit, um mit Hilfe einer Hochzeit aus dem elterlichen Gefängnis auszubrechen. Mit 17 ist sie dann zum ersten Mal schwanger und in schneller Folge bekommt sie drei Mädchen. Was allerdings auch schnell klar wird, ist, dass sie das eine Gefängnis gegen ein anderes getauscht hat. Denn in der traditionellen Gesellschaft von Palermo können Frauen nichts entscheiden, auch nicht zum Beispiel ein Studium anzufangen. Und so konzentriert sie sich auf ihre Kinder und ihre Familie und führt 17 Jahre lang eine überwiegend unglückliche Ehe. Irgendwann wird es alles zu viel. Sie hat einen Nervenzusammenbruch und die Ärzte raten ihr, ihr Leben von Grund auf neu zu überdenken. Sie verlässt ihren Mann, nimmt ihre Kinder mit und muss ab jetzt ohne den Rückhalt einer wohlhabenden Familie für sich selbst sorgen und ihren eigenen Unterhalt verdienen. Seit Jugendjahren hatte sie den Traum, Journalistin oder Autorin zu werden. Und so beginnt sie, ihre Dienste als Journalistin an verschiedene Zeitungen zu verkaufen. Eine der Zeitungen, der sie ihre Dienste anbot, war die linke Tageszeitung Lora. Als sie anfragte, herrschte gerade akuter Personalmangel und man konnte eigentlich alles brauchen. Autoren, Fotografen, Büropersonal, am besten jemand, der oder die alles auf einmal machen könnte. Und Letizia war nicht besonders wählerisch und nahm deswegen eine Stelle als Kulturkorrespondentin an. Weil Fotos gebraucht wurden, griff sie schließlich zur Kamera und ihre ersten Fotos waren schlecht. Aber sie wurden besser bezahlt und gleichzeitig entdeckte sie, dass es ihr leichter fiel, mit Fotos auszudrücken, was sie empfand, als mit Artikeln. Ihr Aufstieg bei Lora ist erstaunlich schnell. Drei Jahre nachdem sie bei Lora in Mailand als kleine Reporterin angefangen hat, wird sie von der Zeitung als Leiterin der fotografischen Abteilung zurück nach Palermo geschickt. Sie ist frisch geschieden, hat einen 19 Jahre jüngeren Liebhaber und hat ihre Liebe zum Fotosjournalismus entdeckt. Italien allgemein, aber ganz besonders Sizilien, ist zu der Zeit fest in der Hand von kriminellen Banden und Familienclans, der Cosa Nostra. Und in Palermo brechen zu dieser Zeit blutige Mafia-Kriege um die Vorherrschaft verschiedener Familien aus. Letizia ist kaum in der Stadt angekommen, da sieht sie ihren ersten Mafiamord. Unser Bild von der Mafia ist ja stark von Filmen geprägt. Wir unterstellen der Mafia eine Art Kodex. Sie sind ein Familienverband, der auf gegenseitiger Loyalität beruht. Und wir haben natürlich Vorstellungen davon, mit welchen Geschäftsfeldern die Mafia wohl ihr Geld verdient. Drogenhandel, Prostitution, Glücksspiel, Schutzgelderpressung und all das stimmt. Allerdings war die Mafia in den 70ern und 80ern und wahrscheinlich bis heute auch in allen anderen Geschäftsfeldern aktiv, in denen man Geld verdienen konnte. Sie betrieben illegale Schlachtereien genauso, wie sie den Umsatz mit Textilien kontrollierten. Alles von Bäckereien über Restaurantbetrieb bis hin zu Friedhofsgärtnereien war fest in der Hand der Mafia. 80 Prozent aller selbstständigen Unternehmer in Sizilien zahlten Schutzgeld oder anderweitige Abgaben an die Mafia. Das Ganze hatte Ausmaße angenommen, dass die eigentlich stillschweigende normale Bevölkerung anfing, sich gegen die Unterdrückung durch die kriminellen Familien zu wehren. Korrupte Politiker und Mafia-Funktionäre hatten einfach schon zu lange zu viel Geld aus den Menschen herausgepresst. Und so tauchten nach und nach einzelne Figuren auf, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Mafia-Machenschaften aufzudecken und die Mafiosi, die für die Straftaten verantwortlich waren, hinter Gitter zu bringen. Und so wurde über die Jahre aus einem Kampf um die Vorherrschaft der Mafia in bestimmten Regionen Siziliens auch noch ein Krieg gegen die Behörden und öffentlichen Stellen, die sich nicht korrumpieren ließen. Und Letizia Bataglia immer zwischendrin. Anfang der 80er-Jahre kam es zu Hunderten von Mafia-Morden. Und als lokale Reporterin ist sie immer vor Ort. Manches Mal, so berichtet sie später, sogar mehr oder weniger durch Zufall. Gerade eben in der Nachbarschaft gewesen, plötzlich im Polizeifunk von einem Mord erfahren. Und die Mafia hat nichts mit ehrenwerter Familie zu tun. Sie machen nicht halt vor Kindern, Frauen, alten Menschen, Leuten, die nur zufällig gerade Zeuge eines Verbrechens wurden. Sie töten auf offener Straße mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Autobomben gehen genauso hoch, wie plötzliche Messerattacken stattfinden oder Erschießungskommandos, die ihre Opfer auf offener Straße manchmal am helllichten Tag hinrichten. Letizias Fotografien machen die brutale Realität der Mafia-Clans unignorierbar. Diese Bilder haben einfach nichts mit der Vorstellung, die wir aus Hollywoodfilmen mitbekommen haben, zu tun. Aber obwohl diese Aufnahmen Tatortfotos sind und Reportagefotos, haben Letizias Fotos inzwischen auch noch einen hohen ästhetischen Wert. Sie sind packend. Sie zeigen eben nicht nur das Opfer, sondern auch die Angehörigen, die Menschen, die die Opfer gefunden haben. Sie zeigen eben auch, was die Mafia in der Bevölkerung anrichtet, in der Gesellschaft. Und Letizia beschränkt sich nicht darauf, mit ihren Aufnahmen regelmäßig Titelseiten zu dekorieren, sondern organisiert Ausstellungen. Und nicht nur irgendwelche Ausstellungen, die dann doch nur Fotofans entdecken würden. Nein, sie fährt mit ihren Fotos in die Fußgängerzonen der großen Mafia-Hochburgen und organisiert Pop-up-Ausstellungen. So steht sie zum Beispiel eines Tages mitten in der Innenstadt von Corleone und hat eine spontane Ausstellung organisiert mit Bildern von Tatorten von Mafia-Anschlägen. Sie gibt außerdem Interviews in der Lokalpresse und erklärt, was sie mit diesen Bildern beabsichtigt. Und sagt ganz offen, dass sie vor Angst kaum Luft bekommt. Denn während sie diese Ausstellung macht, weiß sie, dass um sie herum Mitglieder des lokalen Mafia-Clans sind. Sie weiß, dass nicht nur normale Menschen ihre Bilder sehen, sondern eben auch Täter, Auftraggeber. Menschen, die bekannt dafür sind, dass sie auch mal Rache üben an anderen, die ihnen in irgendeiner Form als problematisch erscheinen. Trotzdem lässt sie sich nicht beirren. Sie wird immer wieder bedroht. Sie wird bespuckt. Ihre Kamera wird ihr weggenommen und auf den Boden geworfen. Aber zum Glück passiert ihr nichts Schlimmeres. Ihre Bilder aber machen es unmöglich zu ignorieren, was da vor aller Augen regelmäßig stattfindet. Und es beginnt ein Umdenken in Politik und Öffentlichkeit. 1983 beginnt dann etwas, das man heute als Palermo Spring bezeichnet. Eine Kerngruppe von unkomprimentierten Polizeibeamten, Juristen und Anklägern macht sich zusammen und beginnt, die Mafia-Strukturen aufzuklären und ihre Mitglieder festzunehmen. 1986 kommt es zu einem spektakulären Verfahren, bei dem über 450 Angeklagte nach und nach verurteilt werden. Und auch die Öffentlichkeit begann, sich immer öfter gegen die Mafia zu stellen. Letizia möchte Teil dieser Bewegung sein und möchte die Zukunft mitgestalten und beginnt so in der lokalen Politik in Palermo aktiv mitzugestalten und für eine Weile sogar im Stadtparlament zu kandidieren. Es sah tatsächlich so aus, als würde man dem Mafia-Problem Schritt für Schritt Herr werden. In ihrer offiziellen Position im Stadtparlament ist Letizia für Plätze und historische Sehenswürdigkeiten zuständig und beginnt damit, die Mafia auch aus dem öffentlichen Stadtbild herauszudrängen. Derweil gehen die Anklagen und juristischen Verfahren weiter. Ein Richter tut sich dabei besonders hervor. Giovanni Falcone hatte mehr Mafia-Bosse hinter Gitter gebracht als jeder andere Jurist. Seit Jahren kämpfte er nun schon gegen die Cosa Nostra und es war ihm und seinem Umfeld klar, dass er auf deren Todeslisten ganz oben stand. Trotzdem schien er unantastbar zu sein. Jahrelang entging er Anschlag um Anschlag bis zum 24. Mai 1992. Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau. Bei einem Bombenanschlag auf Sizilien ist eine der Schlüsselfiguren im Kampf gegen die Mafia, Richter Giovanni Falcone, ums Leben gekommen. Mehrere Begleitpersonen, darunter seine Frau, wurden ebenfalls getötet. Das Fahrzeug des Richters und Begleitwagen der Leibwächter wurden durch mehrere hundert Kilogramm Sprengstoff zerfetzt. Der Sprengstoff war in einem Autobahntunnel nahe Palermo ferngezündet worden, als die Kolonne vorbeifuhr. Die Mafia nannte diese Anschläge auf hohe Würden Träger des Staates „Strategie der Massaker“. Beamte, die ihren Machenschaften und ihren Funktionären gefährlich werden konnten, sollten so in Angst sein, dass sie es nicht wagen würden, Gesetze zu verschärfen oder der Mafia anderweitig zu Leibe zu rücken. Also wenige Monate nach dem Anschlag auf Falcone, ein seiner Weggefährten und Nachfolger, nämlich den Richter Paolo Borsellino, zusammen mit einigen seiner Leibwächtern töteten, war das Maß allerdings voll. Die Öffentlichkeit hatte endgültig genug. Es kam zu derart wütenden Protesten, dass die Mafia sich gezwungen sah, sich zurückzuziehen und sie tauchte in den Untergrund ab. Es wurde nach und nach ruhig. Natürlich gab es immer noch Auftragsmorde. Natürlich gab es immer noch mächtige Mafia-Bosse. Aber anders als in den offenen Klankriegen, die auf den Straßen Palermos oder anderer sizilianischer Städte ausgeführt wurden, sorgte man jetzt für eine gewisse Spurenlosigkeit. Menschen verschwanden einfach. Die Tage, an denen mit Bombenattentaten oder Maschinengewehrfeuer auf offener Straße Politiker ermordet wurden, waren anscheinend erst mal vorbei. Letizia lässt aber keinen Zweifel daran, dass das Problem nach wie vor existiert und nach wie vor genauso omnipräsent ist wie zu der Zeit, zu der sie über 600.000 Fotografien der Gewalttaten und der Menschen, die von der Mafia betroffen waren, gemacht hatte. Und es sind ihre Bilder und die Ausstellungen, die sie organisiert und die Projekte, die sie vorantreiben, die gleichermaßen dafür sorgen, dass ihre Heimat sich von der Mafia frei macht und gleichzeitig dem Vergessen entgegenwirken. Und die Bilder sind beeindruckend, nicht nur als Zeitzeugnisse, sondern auch wegen der bemerkenswerten Bildsprache und dem Gespür für den richtigen Moment. Alle ihre Bilder sind schwarz-weiß, alle ihre Bilder halten Momente fest, die wir in unserem Alltag zum Glück nicht sehen müssen. Gefragt, welche Situationen sie denn als die gefährlichsten in Erinnerung behalten hat, sagt sie, die Mafia-Beerdigung. Es waren diese Beerdigungen, bei denen alle Beteiligten wussten, wer sie war und sie absolut unerwünscht war. Gleichzeitig war sie bei solchen Gelegenheiten zu sichtbar, zu öffentlich. Aber jedes Mal, wenn sie den Auslöser drückte, bei jedem Foto, das sie von den trauernden Mafia-Familienangehörigen machte, war ihr klar, dass sie sich selbst in tödliche Gefahr begab. Trotzdem ist alles gut gegangen. Sie stirbt am 13. April 2022 nicht durch die Hand eines Mafia-Killers oder durch eine Autobombe, sondern in Folgen von Krebs. Ihre Bilder leben weiter, ihr Leben inspirierte Tausende. Und eine ihrer Töchter ist in ihre Fußstapfen getreten und ist inzwischen selbst eine bekannte Fotojournalistin . Letizia Pataglia hatte eine Mission. Sie hatte einen Grund, warum sie fotografierte. Und dieser Grund gab ihr dann auch eine fotografische Stimme. Noch zu Lebzeiten wurde sie vielfach geehrt und es ist ihre Furchtlosigkeit, die Tausende von Menschen inspirierte und viele in ihre Fußstapfen treten ließ. Wer mehr über Letizia Pataglias Fotografie und ihr Leben erfahren möchte, wird wie immer in den Notizen zur Sendung fündig. Einfach auf fotomenschen.net vorbeisurfen. Und wer dann da schon mal ist, ich freue mich immer über Kommentare, Feedback, Themenwünsche. Apropos Themenwünsche. Diese Folge hat einen Themenpaten, nämlich Jürgen Libertus, der angesichts von Letizia Pataglias Tod einen Mail an mich geschrieben hat und mich darauf hingewiesen hat, dass diese Geschichte doch wirklich auch einmal erzählt werden müsste. Lieben Dank für den Themenvorschlag und lieben Dank an alle fürs Zuhören. Passt auf euch auf und bis bald.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Am Liebsten fotografieren wir Menschen, besonders wenn sie nackt sind, auch wenn das nicht immer legal war… Brief history of nude photography (1939-1969) Körperverständnis im Wandel der Zeit Aktfotografie (Wikipedia) The human body is often seen through a male lens. 30 female photographers present a different view (CNN) History of the Pin-Up The History of Nudity (Harpers Bazaar) Laid bare: a history of the nude in photography – in pictures (The Guardian ) Buch: Die Geschichte der Aktfotografie (Uzzani, Giovanna) Buch: The Naked and the Nude: History of Nude Photography. (Lewinski, Jorge) Buch: 1000 Nudes. Eine Geschichte der erotischen Fotografie 1839-1939 Verwandte Fotomenschen Folgen: Das erste Playmate (Die Geschichte des Playboy ) Der erste Fotofälscher der Geschichte? (Hippolyte Bayard Kunst und Können (Oscar Gustave Rejlander) Titelbild: Frank Eugene – http://www.photoeye.com/gallery/emailnewsletter/eugene.html, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4321827 Transkript Wenn man sich mit der Geschichte der Fotografie beschäftigt, ist eins sehr sehr auffällig. Wir Menschen stellen uns am allerliebsten selbst dar. Und von allen Möglichkeiten menschliche Körper darzustellen, scheint uns der Akt ganz besonders zu gefallen. Und es ist natürlich ein Trend, den die Fotografie nicht erfunden hat. Schon in der Malerei gab es reichlich Aktdarstellungen. Aber die Fotografie hobt es natürlich noch mal auf ein ganz neues Level. Foto Menschen Schon über die Malerei konnten sich sensible Geister natürlich hervorragend aufregen. Aber die Fotografie hatte ja eine Eigenschaft, nämlich dass sie festhielt, was wirklich vor der Kamera stattgefunden hatte. Und das bedeutete, für ein Foto eines nackten Menschen hatte sich tatsächlich ein Mensch ausziehen müssen. Bei dem ersten fotografischen Verfahren, der 1839 vorgestellten „Da Gherotepie“, dauerte es manchmal noch mehrere Minuten, um ein Bild perfekt zu belichten. Da musste man schon wirklich stillhalten. Trotzdem kennen wir schon aus dem Jahr 1840 ein Foto, auf dem jemand teilweise nackt zu sehen ist. Es handelt sich um die berühmte Protestnote, die der Fotopionier Hippolyte Bayard an die Französische Akademie der Wissenschaften geschickt hatte. Die hatte nämlich beim Vorstellen des weltersten fotografischen Verfahrens seinem Konkurrenten Louis Da Gher den Vortritt gelassen. Und der hatte nicht nur eine Rente und Ruhm abgeräumt, sondern dem Ganzen auch noch seinen Namen aufgedrückt. Auch Bayard hatte ein fotografisches Verfahren entwickelt und damit sogar Ausstellungen bestritten. Und so beschloss er, sich selbst als Ertrunkenen zu fotografieren und auf der Rückseite seinem Protest in Worte zu fassen. Was aus heutiger Sicht einigermaßen bizarr und melodramatisch klingt, war für die Zeitgenossen damals vermutlich etwas weniger over the top. Vor allen Dingen wussten die mit der Bildsprache etwas anzufangen. Bayard hatte sich halb entkleidet und auf eine Bahre gelegt. Um sich rum einige charakteristische Gegenstände. Damit am Ende er nach wie es ausgesehen hätte, hätte man ihn aus der Seine gefischt und als Unbekannten im Leichenschauhaus ausgestellt. Dieses Bild markiert also das erste gestellte Foto, aber für den Zweck der heutigen Episode auch den ersten Halbakt. Und noch dazu ein männlicher Halbakt. Und damit ist diese Aufnahme etwas sehr besonderes, denn durchs gesamte 19. Jahrhundert hinweg sind nicht nur männliche Akte sehr selten, sondern insbesondere auch Aktaufnahmen, in denen man sowohl den Fotografen als auch das Modell auf dem Bild kennt. Die ältesten Aktaufnahmen, die wir überhaupt noch haben, sind acht Jahre jünger als diese Aufnahme von Ippolit Bayard. Und, und das ist auffällig für die gesamte Geschichte der Aktfotografie, sie sind fast ausschließlich weibliche Aktaufnahmen. Aber natürlich gibt es gute Gründe, warum diese Aufnahmen in der Frühzeit der Fotografie sehr, sehr selten sind. Die lange Belichtungszeit ist sicherlich ein Grund. Ein anderer ist, dass das Verfahren, die Dagerotepie, Einzelstücke produziert. Teure Einzelstücke. Wenn man für eine einzelne Aufnahme in etwa den Gegenwert von einem Wochenlohn hinlegen muss und dabei dann auch noch in Gefahr gerät, gegen das Gesetz zu verstoßen, überlegt man sich das vermutlich mehrmals. Und so waren frühe Aktaufnahmen auf Dagerotepien nur etwas für sehr wohlhabende Menschen und entsprechend selten. Zu Mitte des 19. Jahrhunderts tauchen dann die ersten, auch professionelleren Fotostudios auf, die Aktstudien und Aktfotografie betreiben. Das liegt unter anderem daran, weil ein neues Verfahren aufgekommen ist. Das Collodion-Nassplattenverfahren. Statt wie bei der Dagerotepie Einzelstücke zu produzieren, kann man jetzt ein Negativ haben, von dem sich beliebig viele Positive fertigen lassen. Wir sind im viktorianischen Zeitalter. Und deswegen ist die Rechtslage in Sachen Aktfotografie in England, aber auch in Frankreich, schwierig. Aber man hat ein Schlupfloch gefunden, einen legitimen Zweck, um Akte zu fotografieren. Und dieses Schlupfloch hat viel mit der bis dato führenden visuellen Kunst der Malerei zu tun. Als die Dagerotepie aufkam, hatten viele ja noch das Ende der Malerei angekündigt. Andere hatten aber sofort das Potenzial erkannt. Wollte man vor der Entwicklung der Fotografie Menschen malen, dann war man auf Modelle angewiesen. Menschen, die bezahlt werden wollten dafür, dass sie stundenlang, ohne sich zu bewegen, für den Maler posierten. Das war teuer. Wie viel einfacher war es dagegen, sich eine Fotografie anfertigen zu lassen und die als Vorlage für ein Gemälde zu nutzen. Und so entstand sehr schnell eine lukrative Einkommensquelle für Fotostudios. Vorlagen für Maler fotografieren. Im Kontext unserer Nacktfotografien waren das sogenannte Akademien, also Studien. Die fotografierten Modelle waren nach wie vor entweder Prostituierte oder zumindest Menschen, die auf das Geld wirklich angewiesen waren. Und man fotografierte sie in mehr oder weniger klassischen Posen. Gerne auch aus verschiedenen Perspektiven, aus verschiedenen Distanzen. Und so entstehen ganze Bildreihen, die zu dem Zweck vermarktet wurden, den Malern als Vorlage zu dienen. Es gab eigene Magazine in Frankreich und in Großbritannien, die man abonnieren konnte, in denen nichts anderes als Akte in verschiedensten Situationen abgedruckt wurden. Um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, gab es mehrere Regeln, die einzuhalten waren. So durften natürlich keine Genitalien zu sehen sein. Und ganz besonders schamhaar galt es zu vermeiden oder zu retuschieren. Während einerseits all diese Regeln existierten und Menschen sehr wohl zu hohen Strafen, manchmal auch Gefängnis verurteilt werden konnten, wenn sie dagegen verstießen, war das gleichzeitig die Zeit, in der große Ausstellungen gemacht wurden, mit zum Teil Tausenden von Aktfotos. Edward Muybridge machte zu der Zeit seine Bewegungsstudien. Und Gustav Reiländer erstaunte die Welt mit einem Werk namens „Two Ways of Life“, in dem nicht weniger als sieben Akte zu sehen waren. Und er verkaufte dieses Bild ausgerechnet an Queen Victoria. Es ist auch eine Zeit, in der beispielsweise Nacktbaden in Großbritannien oder Frankreich völlig normal und legitim war. Kurz, es war eine Zeit der Widersprüche. In der Öffentlichkeit hingegen war man eindeutiger Meinung. Nacktfotografie war Schmuddelkram. Und damit sind wir ja bei einer Frage, die man sich durchaus stellen kann, wenn man sich damit beschäftigt. Zu welchen Zwecken wird denn Aktfotografie eigentlich gemacht? Die Akademies haben wir ja schon erwähnt, Vorlagen, die also für Maler erzeugt wurden. Die gingen natürlich je nach Pose und je nach Detailgrad fließend in reine erotische Fotografie über. Fotos, bei denen die Erotik im Vordergrund stand, die Schamhaare oder gar sexuelle Akte zeigten, waren zum Teil mit sehr hohen Strafen belegt, was einfach nur hieß, dass man die unter der Ladentheke verkaufen musste. Und dieser Verkauf unter der Ladentheke nahm zum Teil gewaltige Ausmaße an. So gibt es einen gerichtskundigen Fall, in dem 1874 ein Mann festgenommen wurde, nachdem man in seinem Haus über 130.000 obszöne Fotos gefunden hatte. Er hatte ein regelrechtes Familienunternehmen gegründet. Seine Frau, seine erwachsenen Söhne, deren Familien waren alle damit beschäftigt, erotische Fotografie zu produzieren. Und die gab es nicht nur als einzelne Aufnahmen, sondern auch als Stereoskope, also als 3D-Aufnahmen, für die es eigene Betrachtungsgeräte gab. Wir haben also die Akademien, wir haben die erotische Fotografie und dann gab es auch schon sehr früh den dritten großen Bereich, nämlich Fotografie aus ästhetischen oder künstlerischen Gründen. Den könnte man noch unterteilen. Mal eben die Fotografie, in der der menschliche Körper als ästhetische Form abgebildet wird und dann die Fotografie, in der die Nacktheit als Metapher oder als Inhalt selbst zur Bildaussage beiträgt. Reiländer beispielsweise konnte man nicht vorwerfen, dass er die Fotos aus pornografischen Gründen gemacht hatte. Er wollte ein klassisches Gemälde nachempfinden. Andere bekannte Fotografen aus der Zeit, Lewis Carroll zum Beispiel, hatten sich auf die damals im viktorianischen Zeitalter sehr beliebten Kindergemälde spezialisiert und er fotografierte regelmäßig Akte von kleinen Mädchen und kleinen Jungs. Er ist bis heute in dem Verdacht, eventuell auch pädophile Neigungen gehabt zu haben. Allerdings muss man festhalten, dass Lewis Carroll immer mit Wissen der Eltern, oft auch in ihrer Gegenwart fotografierte. Und rechtlich gesehen war das, was er da tat, auch erlaubt. Im England des 19. Jahrhunderts galten Mädchen ab dem 13. Lebensjahr als konsensfähig. Erst 1885 hob man das Alter auf 16 an. Trotzdem darf man annehmen, dass auch Lewis Carroll sich seiner Sache nicht ganz sicher war und durchaus schuldig fühlte, so viele Nacktfotos von Kindern produziert zu haben. Denn in seinem Testament verfügte er, dass seine Negative zerstört werden sollten. Irgendwann war aber auch diese Mode, Kinder nackt zu fotografieren, wieder vorbei. Die schienen sowieso in erster Linie ein angelsächsisches Phänomen gewesen zu sein. Brich außerhalb Englands gibt es kaum Beispiele für Fotografinnen und Fotografen, die ein ähnlich großes Werk an Akten von Mädchen und Jungs hinterlassen hätten. Inzwischen befinden wir uns am Ende des 19. Jahrhunderts. Und man kann die 1880er und 1890er Jahre als Durchbruchjahre für die Fotografie festhalten. Und die Akzeptanz als Kunstform steigt zunehmend. Und mit dieser Akzeptanz gibt es auch immer mehr Fotografinnen und Fotografen, die sich künstlerisch mit dem Akt auseinandersetzen. Etablierte Fotografen wie zum Beispiel Alfred Stieglitz fertigen ganz selbstverständlich Aktstudien an und veröffentlichen die auch. Es ist die zweite Blüte des sogenannten Piktorialismus, also einer Phase, in der Fotografie versucht, ähnlich wie Malerei auszusehen. Und so entstehen Aufnahmen, in denen Frauen dank gezielter Unschärfen fast schon träumerisch aussehen. Auffällig auch in dieser Zeit, meistens sind es Frauen, die fotografiert werden. Und außerdem schauen sie meist von der Kamera weg, nicht in die Kamera hinein. Manches Mal scheint es Absicht des Fotografen zu sein, die Nacktheit an sich losgelöst von der Person darstellen zu wollen. Ziemlich oft drängt sich aber der Verdacht auf, dass entweder der Fotograf oder das Model Bedenken hatten, in einem Bild erkennbar zu sein. Als in Europa der Zweite Weltkrieg ausbricht, lässt sich bei den Fotografinnen und Fotografen ein sehr interessanter Shift beobachten. Fast alle, die bis dahin als Piktorialisten eher unscharfe, mit Metaphern durchtränkte künstlerische Motive fotografiert haben, schwenken hin zu einem neuen Realismus. Bilder sind jetzt scharf. Es ist die Hochzeit des Fotosjournalismus. Und auch unter den künstlerischen Fotografen geht es in erster Linie darum, sich mit dem Medium auszudrücken, nicht mehr darum, ein anderes Medium nachahmen zu können. Und die hauptsächlich künstlerische Fotografie wird geprägt von vielen Surrealisten, wie zum Beispiel Man Ray oder der frühen Lee Miller. Die Surrealisten drücken sich ja in erster Linie selbst aus, versuchen ihr Innenleben aufs Medium zu bringen. Und sie waren besessen von Sexualität. Und so entstehen in dieser Zeit eine große Zahl zum Teil sehr expliziter Akte, die aber auch oft erkennbar nicht für erotisches Vergnügen gedacht sind. Nacktheit wird oft als Nacktheit an sich dargestellt. Es geht um die Darstellung von Verwundbarkeit oder auch um die Abwertung der dargestellten Figuren. Der Weg, über den Fotografie hauptsächlich verbreitet wird, sind Magazine und Bücher. Das ist ein Trend, der sich in den 20er und 30er Jahren aufgebaut hatte und der in den 40er Jahren zu gleich mehreren Trends führt, die bis heute Geltung haben. So fängt man in Hollywood beispielsweise an, aus der frühen Fashion-Fotografie die Glamour-Fotografie zu entwickeln. Es geht im Endeffekt darum, die Stars und Sternchen möglichst glamourös und beeindruckend abzulichten. Die ersten sechs Symbole tauchen auf und mit ihnen natürlich die dazu passenden Bilderwelten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt das Ganze einen regelrechten Boom. Man spricht oft von den sogenannten „permissive years“. In anderen Worten, fast alles geht und fast alles wird ausprobiert. Die einzige harte Grenze, die bis zu den 60ern hält, ist Schamhaar in der Fotografie. Das ist ein Tabu, von dem ich mir auch gar nicht so sicher bin, ob es eigentlich schon gefallen ist. Denn man sieht schon sehr, sehr selten Schamhaar, auch in zeitgenössischer Aktfotografie. 1951 markiert einen weiteren Meilenstein, nämlich die erste farbige Aktfotografie in einem amerikanischen Hochglanzmagazin. Die „Vogue“ hatte sich ein Bild des Fotografen Norman Parkinson gegriffen und es veröffentlicht. Farbe im Hochglanzmagazin-Format. Es ist praktisch die Geburtsstunde des Playboy . 1953 kommt die erste Playboy -Ausgabe auf den Markt, mit einem skandalträchtigen Poster in der Mitte. Marilyn Monroe, ein damals schon einigermaßen bekanntes Hollywood-Sternchen, hatte sich Jahre zuvor für einen Kalender und unter zugesicherter Anonymität fotografieren lassen. Hugh Hefner hatte das Bild und die Veröffentlichungsrechte gekauft und beschlossen, Marilyn in den Centerfold zu packen. Die Innovation im Playboy war nicht, dass es ein Magazin mit Nacktbildern in Farbe gab. Das gab es zu der Zeit schon mehrfach. Die Innovation war, dass solche Magazine in den USA aus gesetzlichen Gründen sehr schwer vertreibbar waren und Hugh Hefner hatte die Idee gehabt, ein Abo-Modell aufzusetzen und den Leuten die Magazine einfach nach Hause zu schicken. Eine Idee, die, wie wir heute wissen, spektakulär erfolgreich war und Playboys Erfolg auf Jahrzehnte hinweg zementierte. Ja, und wo stehen wir jetzt heute mit der Aktfotografie? Ich glaube, ganz allgemein haben sich gar nicht so viele Dinge geändert. Wie vorhin schon mal erwähnt, Schamhaar sieht man auch heute fast nicht mehr. Was verschwunden ist, sind die Akademien. Eigentlich kommt es nur noch selten vor, dass zu dem Zweck, eine Malvorlage zu haben, fotografiert wird. Aus den Erotikfotos unserer Vorfahren entstanden eine ganze Reihe von Genres. Eigentlich kann man festhalten, für nahezu jedes große Genre gibt es eine Variante, in der es um Erotik geht und eine Variante, die ins Pornografische abgleitet. So als Beispiel Fashionfotografie, in der es im Wesentlichen darum geht, Kleidung und Stil zu transportieren, wurde in Hollywood relativ schnell zur Glamour-Fotografie, in denen eben mehr oder weniger berühmte Stars und Sternchen abgelichtet wurden. Und aus der Glamour-Fotografie entwickelte sich dann eine spezielle Geschmacksrichtung von Pin-Ups. Und Pin-Ups konnten mal mehr, mal weniger bekleidet sein, aber flirteten ganz grundsätzlich mit den Betrachtenden und unter Umständen auch sehr eindeutig. In der künstlerischen Fotografie kann man grob zwei Richtungen festmachen. Die einen fotografieren den nackten Körper einfach aus ästhetischen Gründen, weil er gut aussieht sozusagen. Je nach individuellen Vorlieben der fotografierenden Person kann es dann mal mehr, mal weniger suggestiv und mal mehr, mal weniger nackt oder erotisch werden. Aber herausgehoben wird eben die ästhetische Qualität des Aktes. Fotos von nackt Tanzenden fallen in diese Kategorie. Oder sinnliche Aktaufnahmen, die eine gewisse intime Aufnahmesituation nahe legen sollen. Und dann gibt es noch diejenigen, die Akte fotografieren, um ihre Formen zu studieren. Das sind dann manchmal auch nur Teilaufnahmen von nackten Körpern oder stark stilisierte Aufnahmen. Da geht es dann oft um das Spiel von Licht und Schatten oder den Kontrast zwischen den weichen Kurven einer nackten Frau und dem harten Gestein, vor das sie posiert wurde. Oder Menschen werden in spektakulär absurde Positionen gezwängt, in denen es dann oft mehr um Geometrie als um die eigentliche Nacktheit geht. Damals wie heute ist es außerdem auffällig, dass es meistens Frauen sind. Jetzt kann man da viele Gründe für vermuten. Ein Grund ist sicherlich, dass es auch sehr viele männliche Fotografen sind, die uns diese Werke bescheren und viele von denen als heteros einfach lieber Frauen ansehen als Männer. Allerdings hilft es da nicht, dass auch aktfotografierende Frauen gerne auf weibliche Models zurückgreifen. Imogen Cunningham oder Ruth Bernard sind Beispiele von fantastischem Können und einer Vorliebe für den weiblichen Körper. Vielleicht, so behauptet ein mancher, ist der weibliche Körper einfach attraktiver zu fotografieren. Und das, meine Lieben, halte ich persönlich ja einfach für eine gesellschaftliche Prägung. Wir sind in einer patriarchisch geprägten Gesellschaft aufgewachsen. In anderen Worten, wir sind es irgendwie alle gewohnt, dass wir es eher den Männern als den Frauen recht machen. [Musik] Fotomenschen Ich muss ja ein Geständnis machen. Ich kann mit den meisten Aktfotos genau gar nichts anfangen. Für mich fallen die nämlich oft in eine von zwei Schubladen. Schublade 1 betitel ich jetzt mal mit „zu wenig Aussage im Bild“. Das scheint ein unglaublich verbreitetes Phänomen zu sein. Es gibt eine wahnsinnige Menge an Fotos von attraktiven Menschen. Mit mal mehr, mal weniger Kleidung, die mal mehr, mal weniger erotisch aussehen sollen, in denen mir eigentlich in erster Linie nichts anderes als ein nackter Mensch gezeigt wird. Wo ich mir die Frage stelle, was ist die Aussage des Bildes? Die zweite mentale Schublade betitel ich mal mit „demonstrativ künstlerisch“. Frauen haben im Namen der Fotografie schon die absurdesten Verrenkungen hingelegt. Es wurden Detailaufnahmen ihres Körpers gemacht, nur um zu zeigen, dass die Rundung ihres Ellenbogens so ähnlich ist wie die Rundung ihrer Brust. Und eigentlich, wenn ich ganz ehrlich bin, fehlt es auch da oft einfach mal an der Bildaussage. Und in beiden Fällen kann man zusammenfassen, was mich langweilt ist, wenn die Nacktheit der eigentliche Bildgegenstand ist. Zum Glück gibt es auch hier Ausnahmen, aber das ist vielleicht irgendwann mal Gegenstand einer anderen Foto-Menschen-Folge. Wer jetzt weiter in das Thema eintauchen möchte, ich habe wie immer Links, Videos, Empfehlungen für Bücher und so weiter in den Notizen zur Sendung hinterlegt. Einfach auf fotomenschen.net vorbeisurfen, da ist dann alles zum Nachlesen und Nachverfolgen bereit. Und wer dann da schon mal ist, ich freue mich über Feedback zur Sendung. Die Kommentarfunktion ist unglaublich einfach zu bedienen. Oder falls jemand hier zuhört, der zufällig bei Apple Podcasts seine Podcasts hört, da kann man Kommentare mit einer Fünf-Sterne-Wertung kombinieren. Auch etwas, über das ich mich sehr freue. Ansonsten ist und bleibt es hier ein nicht kommerzielles Projekt. Wer mich trotzdem unterstützen möchte, tut es am besten durch Weiterempfehlungen, insbesondere auf den eigenen Social-Media-Kanälen. Podcasts werden durch Mund-zu-Mund-Propaganda gefunden und dieser Podcast ist da sicherlich keine Ausnahme. Auf jeden Fall lieben Dank fürs Zuhören.…
F
Fotomenschen
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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Edward Steichen wird als der einflussreichste Fotograf des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Er war nicht nur durch seine eigene Fotografie stilprägend und erfolgreich sondern besonders als Direktor der fotografischen Abteilung des Museum of Modern Art in New York richtungsweisend. Er prägte die Karrieren unzählicher Fotograf:innen und kuratierte einige der berühmtesten Ausstellungen seiner Zeit. Eine dieser Ausstellungen, The Family of Man, ist bis heute unerreicht. Edward Steichen (Wikipedia) The Family of Man (Wikipedia Englisch , Deutsch ) The Estate of Edward Steichen Zwischen Alltag und Wahnsinn: die Menschheit (Spiegel) Steichen Collection Luxembourg Edward Steichen, vom Mann seiner Zeit zum zeitlosen Künstler Weltdokumentenerbe UNESCO – Steichen Collections Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Edward Steichen gilt als der einflussreichste Fotograf des 20. Jahrhunderts. Er hat das meistverkaufte Fotobuch aller Zeiten herausgebracht, einen Ausstellungskatalog der meistbesuchten Ausstellungen aller Zeiten. Er hat einen einzigen Film als Regisseur verantwortet, der dann auch gleich noch einen Oscar gewonnen hat und mehr als nur eine Karriere in der Fotografie hinter sich gebracht. Dabei war Fotografie noch nicht mal das einzige, was er in seinem Leben gemacht hat. Edward Steichen wird am 27. März 1879 in Luxemburg geboren. Da war er allerdings nur kurze Zeit, denn seine Eltern mussten aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen und beschlossen, in die USA zu emigrieren. Er war 15, als er sich seine erste Boxkamera kaufte. Und das erste Foto, das er je geschossen hat, ist eine Aufnahme seiner Schwester. Die Kamera würde ihn sein Leben lang begleiten, aber zunächst dachte er eigentlich, er würde entweder Drucker oder Maler werden. Er macht eine Ausbildung zum Lithografen und beschließt, Kunst in Paris zu studieren. Kurz bevor er aufbricht, hält er sich noch in New York auf und lernt dort den schon erfolgreichen und einflussreichen Fotografen Alfred Stieglitz kennen. Damals wie heute wurde die Frage, ob Fotografie denn eigentlich Kunst sein könnte, heiß diskutiert und es gab eine Bewegung unter Fotografen, Bilder zu schaffen, die wie Gemälde aussahen. Wem das jetzt bekannt vorkommt, ja, das ist nicht das erste Mal, dass der sogenannte Piktorialismus aufkommt. Schon die ersten großen Fotografinnen und Fotografen versuchten, in ihren Gemälden der Malerei nachzueifern. Stieglitz, Steichen und Zeitgenossen, also die neuen Piktorialisten, sahen sich dabei in Konkurrenz zu einer anderen Schule der Fotografie. Es gab nämlich auch die Fotografinnen und Fotografen, die darauf pochten, dass Bilder scharf und adäquate Abbildungen der Realität sein mussten. Während also Fotografen wie Ansel Adams damit beschäftigt waren, möglichst scharf und präzise kalkulierte Bilder zu produzieren, wackelten Piktorialisten gezielt am Stativ, um dem Bild eine gewisse Unschärfe zu geben oder entwickelten eigene Druckverfahren, um dem Bild eine malerische oder zeichnerische Anmutung zu geben. Edward Steichen reiste dann auch tatsächlich nach Europa weiter und tritt sein Studium in Paris an. Er lernt das Who is Who der französischen Kunstszene kennen und schmiedet mehrere einflussreiche, lebenslange Freundschaften. Außerdem wird er so eine Art früher Jet-Setter. Immer wieder besteigt er Dampfschiffe, um den Atlantik zu überqueren und trägt so zum regen Austausch zwischen der europäischen und der amerikanischen Kunstszene bei. 1903 stellt ihm die Fotografin Gertrude Käsebier Clara Emma Smith vor, eine junge Sängerin, die er heiratet und mit der er mehrere Kinder hat. Edward Steichen verdient seinen Lebensunterhalt bereits mit Auftragsarbeiten jeglicher Art, sowohl in der Malerei als auch in der Fotografie. Seine Kontakte und frühen Fotografen von berühmten Künstlern in Paris helfen ihm dabei, neue Aufträge an Land zu ziehen. Und er hat sich bereits etabliert als jemand mit einem ungewöhnlichen Blick und ist bekannt dafür, dass er eine ungewöhnliche Bandbreite an fotografischen Fähigkeiten besitzt. So macht er Porträts, Stillleben, Auftragsarbeiten für die Industrie und gilt als einer der frühesten Vertreter der Fashion-Fotografie. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, sehen sich die Steichens gezwungen, wieder in die USA zu emigrieren. Er meldet sich freiwillig zum Militärdienst. Als der etablierte Fotograf, der er ist, bekommt er den Auftrag, eine fotografische Abteilung aufzubauen und die technischen Verfahren zu standardisieren. Er entwickelt besonders kleine, leicht aufzubauende Dunkelkammern, standardisiert die Filmformate, die die französischen, britischen und amerikanischen Einheiten verwenden, hilft dabei, die Kameratechnik zu perfektionieren, die für Luftaufnahmen und Aufklärung verwendet wird und legt technologische Grundsteine, die bis heute gelten. Aus dem Krieg zurückgekehrt und inzwischen geschieden, konzentriert sich Steichen auf seine fotografische Laufbahn. Er heiratet ein zweites Mal. Diese Ehe mit Dana Despero Glover wird 34 Jahre lang bis zu ihrem Tod halten und seine glücklichste Beziehung sein. 1926 macht er internationale Schlagzeilen, als er sich mit den amerikanischen Behörden um die Definition eines Kunstwerks streitet. Gegenstand des Streits war eine Skulptur „Bird in Space“, die er von einem Freund gekauft hatte. Die Zollbehörden sahen darin eher eine Art Küchenutensil und weigerten sich, den Gegenstand als Kunst anzuerkennen. Eine Diskussion, die sie schließlich vor Gericht mit Edward Steichen fortführen mussten und die Steichen für sich entschied. Der Nebeneffekt dabei war, dass Edward Steichen damit die Definition von Kunst nach amerikanischem Recht grundlegend verändert hatte. Es ging also nicht nur ums Prinzip, sondern auch wieder um die grundlegende Frage, was ist Kunst? Inzwischen hatte Steichen schon mehrere Ausstellungen organisiert. Sowohl Malerei als auch Fotografie war sein Thema und ging ineinander über. Als Teil der Fotovereinigung „Foto Secession“, Mitarbeiter bei Stieglitz‘ einflussreichen „Camera Works“ Magazins, als etablierter Kunstsammler und Künstler hatte er inzwischen so einiges an Autorität. Es sind diese Jahre, wo er anfängt, mit der einflussreichen Contenast-Gruppe zusammenzuarbeiten. Auf der einen Seite produziert er Werbefotografie, auf der anderen Seite wird er von Contenast beauftragt, Fashionfotografie zu machen. Und es sind diese Jahre, die ihn zum bestbezahlten Fotografen der Welt aufsteigen lassen. Er prägt und verändert den Stil der damaligen Zeit und inzwischen sind seine Fotos auch immer seltener piktorialistische Fotos und immer öfter abstrakte, aber scharfe und realistisch abgebildete Aufnahmen. Wenn er nicht fotografierte oder malte, war er mit seiner Schwester beschäftigt, neue Pflanzenarten zu züchten. Beide teilten eine Leidenschaft für die Botanik und hatten damit begonnen, insbesondere Rittersporn-Varianten zu züchten, die es bisher so nie gegeben hatte. Edward Steichen und seine Schwester sind aber mehr als Hobbygenetiker. Ihre Pflanzen, so sind sie überzeugt, sind nicht weniger als lebende Kunstwerke. Und so organisiert Edward Steichen 1936 in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art eine Ausstellung rund um den Rittersporn, eine Pflanzenart, die sie besonders oft züchteten. Und diese Ausstellung war ein Erfolgstreffer. Das Museum sah Rekordbesucherzahlen. Menschen waren enthusiastisch. Sowohl Museumsgänger, Züchter oder Hobbygärtner hatten ihre Freude an der sehr ausgefeilten und künstlerischen Präsentation dieser Pflanzen. Tag für Tag wurde LKW-weise Pflanzmaterial zum MoMA angefahren. Und Edward beschäftigte sich nach dem Kuratieren dieser Ausstellung dann außerdem mit der Dokumentation und machte eindrückliche, wunderschöne Aufnahmen dieser Pflanzen. 1941 kommt es zum Angriff auf Pearl Harbor. Edward Steichen ist zu diesem Zeitpunkt 62 Jahre alt. Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, sich wieder freiwillig für den Militärdienst zu melden. Eigentlich ist er zu alt, aber Edward Steichen hat Kontakte. Und so beauftragt ihn die US Navy, eine fotografische Einheit aufzubauen. Ein Auftrag, den er nur zu gerne annimmt. Er baut diese fotografische Einheit auf und nimmt auch an Kriegshandlungen teil. Gleichzeitig findet er aber die Zeit, zwei Ausstellungen militärischer Aufnahmen zu machen. Antikriegsaufnahmen. Er will die Horror des Krieges zeigen und damit Menschen aufrütteln. Außerdem dreht er noch auf dem Flugzeugträger, dem er zugewiesen wurde, einen Dokumentationsfilm. Den einzigen Film, den er je verantwortet hat. Und diese Dokumentation bekommt auch prompt dann im darauf folgenden Jahr einen Oscar verliehen. Als der Krieg vorbei und Edward Steichen wieder zurück in den USA war, war er 67 Jahre. Viele würden in so einem Alter wahrscheinlich an die Rente denken. Für Edward Steichen beginnt jetzt aber eine Zeit, die die erfolgreichste und krönende seines Lebens sein würde. Er bekommt das Amt des Direktors für die fotografische Abteilung im MoMA angetragen. Ein Posten, den vor ihm überhaupt nur eine Person bisher gehabt hatte. In dieser Rolle war man nicht nur verantwortlich für fotografische Ausstellungen, sondern auch Kurator des Museums. Und es ist diese Rolle, in der Edward Steichen einige der berühmtesten Fotografen und Fotografen dieser Zeit mit verewigt. Namen wie Robert Frank, Deanne Arbus, Dorothea Lange, Lee Miller oder Stephen Shore. Er kuratiert 44 Ausstellungen während seiner Amtszeit. Alle für sich genommen Erfolge, aber eine, mit der er sich selbst, der Fotografie, Dutzenden Fotografen und Fotografen und der Menschheit selbst ein Denkmal setzt. Hören wir ihm kurz zu, was er selbst dazu sagt. Ich hatte das Gefühl, oder eher die Hoffnung, dass wenn die Menschen wirklich sahen, was die Kriegssituation in all ihrer Bestialität und Brutalität war, dass das ein Deterrent sein könnte, dass die Menschen aufwachen. Hier bezieht er sich auf seine Anti-Kriegsausstellungen, die er noch während dem Zweiten Weltkrieg gemacht hatte. Er hatte die Hoffnung gehabt, dass die Menschen von Kriegsbildern abgeschreckt würden, dass sie sehen würden, wie unmenschlich und grausam Krieg ist und dadurch davon überzeugt werden würden, dass Krieg mit allen Mitteln verhindert werden müsste. Aber die Leute, so sagt er, kamen zu der Ausstellung, fanden die auch toll, sahen die aufmerksam an. Manchmal sah man jemanden mit Tränen in den Augen. Und dann verließen sie die Ausstellung und vergaßen alles, was sie dort gesehen hatten. Und die Grundlage für das, hat mich plötzlich aufgepragt, war, dass die Idee von einem negativen Standpunkt herangehoben wurde. Und von einem negativen Standpunkt her, tut nichts gut. Also habe ich, als ich darüber nachdenkte, gesagt, jetzt, wechseln wir von dem positiven Standpunkt her, ich muss zeigen, wie wunderbar das Leben ist und wie Menschen weltweit ähnlich sind. Und das hat in der „Familie von Menschen“-Exhibition erfolgt. Und als er darüber nachdachte, kam er zu dem Ergebnis, dass das Hauptproblem war, dass Ausstellungen mit Kriegsfotografie das Thema negativ angehen. Und nichts, sagt er, das man negativ angeht, hat jemals was Gutes hervorgebracht. Und so wollte er eine Ausstellung machen, die genau andersherum funktioniert. Er wollte den Menschen zeigen, was allen Menschen gemeinsam ist, wie schön die Menschheit ist, wie wundervoll Leben ist. Und das war der Startgedanke seiner wichtigsten, größten und berühmtesten Ausstellung. Der Titel „The Family of Man“. Los übersetzt könnte man sagen „Die menschliche Familie“. Aus moderner Sicht hätte man den Titel vielleicht anders gewählt. Aber „Man“ war damals in den 50ern einfach nur Synonym für Menschheit. Edward Steichen jedenfalls beginnt mit der Arbeit an dieser Ausstellung, indem er zunächst mal mehrere hundert Aufnahmen von verschiedensten Künstlern einkauft. Gleichzeitig bittet er eine Freundin, Dorothea Lange, einen Aufruf in die Welt zu schicken. Es wurde eingeladen, Fotos einzureichen, die in eine von 32 Kategorien passten und zum Thema der Ausstellung. Und der Aufruf wurde überall auf der Welt vernommen und beantwortet. Über zwei Millionen Fotografien wurden eingereicht. In den folgenden drei Jahren wurde diese unglaubliche Menge an Material gesichtet und auf knapp 1000 Aufnahmen runtergedampft und dann in einem zweiten Durchlauf auf 503 Aufnahmen reduziert. 503 ist übrigens immer noch für eine fotografische Ausstellung eine gewaltige Zahl. Normalerweise versucht man da deutlich drunter zu bleiben. Die Aufnahmen kamen tatsächlich aus der ganzen Welt. Allerdings war es trotzdem so, dass ein Großteil der 273 Fotografinnen und Fotografen einen eher westlichen Blick auf die Welt gehabt haben dürften. Allein 70 stammten aus Europa und 163 waren aus den USA. Viele waren allerdings weit gereist. Es wurde also wirklich versucht, die gesamte Welt und auch fremde Kulturen abzubilden. Trotzdem kann man bis heute dieser Ausstellung vorwerfen, dass sie einige eher konservative Perspektiven auf die Welt einnahm und den Bias, der in dieser Fotograf:innen-Auswahl schon drinsteckt, natürlich nicht ganz abschütteln kann. Als die Bilder dann erstmal ausgewählt waren, ging es an das Ausstellungsdesign. Und auch das war damals groundbreaking, also noch nie da gewesen. Die Bilder waren in den unterschiedlichsten Größen, manche ganz klein, manche riesengroß gedruckt und konnten an der Decke, hoch an der Wand, niedrig an der Wand oder auch am Boden zu finden sein. Begleitet wurden die Bilder von Ausschnitten aus Zitaten oder kurzen Gedichten. Und die letzte Aufnahme zeigt, nachdem man durch die gesamte Bandbreite der menschlichen Erfahrungen gegangen ist und oft auch sehr schöne Alltags-Szenen gesehen hat, einen Atompilz als abschließende Mahnung, dass die Menschheit es in der Hand hat, die schützenswerte Existenz und Erfahrung des menschlichen Lebens zu zerstören oder zu bewahren. Dadurch wird auch klar, in welcher Zeit diese Ausstellung stattfand. Es war der Kalte Krieg und die ständige Bedrohung eines möglichen nuklearen Konflikts war natürlich allen präsent. Die Ausstellung blieb auch nicht aufs MoMA in New York begrenzt, sondern ging auf Tournee. Sie war schon in MoMA eine Sensation und die Tournee verstärkte das noch. 69 Mal wurde in 37 Ländern „The Family of Man“ ausgestellt und mehrere Ableger-Ausstellungen mit Einzelthemen daraus wurden ebenfalls kuratiert. Bis heute ist es die meistbesuchte und meistbeachteteste Fotoausstellung aller Zeiten. Über 10 Millionen Menschen haben diese Ausstellung gesehen. Wie es für solche Ausstellungen üblich ist, produzierte Edward Steichen natürlich auch den dazugehörigen Ausstellungskatalog. Ein großformatiges Taschenbuch, in dem man die ausgestellten Bilder nachschlagen konnte. Für viele dürfte das das erste Buch gewesen sein, das sie gekauft haben, das sich fast ausschließlich mit Fotografie befasst und kaum Text enthält. Über 4 Millionen Mal ist der Ausstellungskatalog von „The Family of Man“ inzwischen verkauft worden und damit das meistverkaufte Fotobuch aller Zeiten. Blättert man das Buch durch oder besucht die Ausstellung, wird man auch viele Bilder wiedererkennen. Manche der Fotografinnen und Fotografen, die beitrugen, waren zu dem Zeitpunkt bereits selbst weltberühmt. Aber für viele markiert diese Ausstellung auch den Startpunkt einer fotografischen Karriere. In jedem Fall ist es so, dass man natürlich Namen wie Henri Cartier-Bresson oder Robert Duranon oder Margaret Bourke-White , Dianne Arbus, Lee Miller, Robert Frank, Robert Capa , Edward Weston, Dorothea Lange, Andreas Feininger, Ansel Adams, Irving Penn, Eve Arnold, Richard Avedon oder Gary Winogrand aus der späteren Fotogeschichte nicht mehr wegdenken kann. Es ist diese Ausstellung jedenfalls, die Edward Steichen endgültig in den Geschichtsbüchern der Fotografie unsterblich macht. Man kann sie übrigens bis heute besichtigen. Nach seinem Tod wurde sie nach Luxemburg überführt, wo sie bis heute in Dauerausstellungen besichtigt werden kann. Und auch den Katalog „The Family of Man“ kann man nach wie vor bestellen. Ich habe ein Exemplar hier und es lohnt sich absolut. Die Bilder sehen dabei erstaunlich modern aus. Viele haben nichts von ihrer Wirkmächtigkeit verloren. Es sind eben Bilder von überall auf der Welt und allen möglichen Situationen, die wir alle wiederkennen. Freude, Trauer, Liebe, Wut, Momente der Stille, Momente der Ehrfurcht. Wir erkennen die Menschen, wir erkennen die Situationen. Und auch wenn so eine Ausstellung heute wahrscheinlich etwas diverser kuratiert werden würde, erreichen diese Bilder meiner Meinung nach immer noch, was sich Edward Steichen erhofft hatte. Eben daran zu erinnern, dass wir Menschen mehr gemeinsam haben als uns trennt. Und deswegen ist diese Ausstellung auch zu Recht im UNESCO-Weltdokumentenerbe verewigt. 1960 und 81-jährig heiratet Edward Steichen die 26-jährige Joanna Taub. Zwei Jahre später setzt es sich endgültig zur Ruhe. Eine Ausstellung über die Great Depression ist seine letzte große fotografische Arbeit. Er zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück und beschäftigt sich mit Fotografie, Malerei und seinen Pflanzen. So genießt er seinen Lebensabend und stirbt mit 94 Jahren am 25. März 1973. Edward Steichen war einer dieser Fotografen, der mehr als nur eine Karriere gehabt hat und dabei so viel Einfluss aufs Medium ausgeübt hat, dass man wahrscheinlich gar nicht anders kann, als ihn nicht mehr wahrzunehmen, weil er einfach omnipräsent ist. Er hat mehrere große Moden der Fotografie mitgemacht und mitgestaltet und ließ sich weder auf ein Genre noch auf eine bestimmte Tätigkeit festlegen. Er war Maler, er war Fotograf, er war Kurator, er war Aussteller, er war Sammler, er war Botaniker, Herausgeber, Publizist und hat dabei aber nie aus den Augen verloren, wen er versucht zu erreichen. Und er behielt einen ganz pragmatischen Blick auf seine Kunst. Mit dem Vorwurf konfrontiert, dass der Kommerz in seiner Arbeit ja vielleicht auch die Kunst in den Hintergrund gedrängt hätte, hat er zum Beispiel Folgendes zu sagen. Ich kenne keine Kunst, die nicht oder nicht kommerziell war. Michelangelo sollte auf seinem Todesfelsen schon einmal beschweren, dass er nie die Möglichkeit hatte, das zu tun, was er wollte. Es gab immer Popen und Potentaten, die ihm Anrufe und Verpflichtungen für das, was sie wollte, gegeben haben. Aber er hat eine gute Arbeit gemacht, um dieses Geld zu füllen. Er kennt keine Kunst, die nicht wenigstens in Teilen kommerzialisiert ist, sagt er. Und als Beispiel bringt er Michelangelo, der sich nämlich auf seinem Sterbebett beschwert hat, dass er in seinem ganzen Leben fremdgesteuert worden war. Immer gab es irgendwelche Päpste oder Herrscher, die von ihm irgendwelche Aufträge erfüllt haben wollten. Aber, so sagt Edward Steichen, am Ende hat er das doch wirklich ganz gut gemeistert, Kunst und Kommerz zu verbinden. Ein Fotograf macht nie wirklich Fotos, außer er wird davon bewegt, er wird davon begeistert oder er ist sehr interessiert. Und was die richtige Kunst ausmacht, so sagt er, hat mehr mit der inneren Einstellung zu tun. Ein Fotograf macht kein richtiges Bild, wenn er nicht wirklich interessiert ist an dem Objekt, das er fotografiert. Ein Bildnehmer und ein „Buttonpusher“, wie ich ihn auch nennen würde, er schießt einfach an Dinge, die er von anderen gesehen hat. Ein Fotograf establicht eine Beziehung, eine intime Beziehung zwischen sich und dem, was er fotografiert, ob es ein Kern der Beine ist, ein Landschaft oder ein Gras der Garbe. Knipser hingegen, die fotografieren eigentlich nur Dinge, die sie von anderen schon mal gesehen haben. Das ist ihnen eigentlich egal. Aber ein Fotograf, so sagt er, der fotografiert, womit er eine intime Beziehung aufbauen kann. Und dabei ist es ganz egal, ob es eine Dose Bohnen oder ein Star von Weltrang wie Greta Garbo ist. Das war also Episode 85 des Foto-Menschen-Podcasts zu einem der einflussreichsten Fotografen aller Zeiten. Und gleichzeitig einem Mann, den wahrscheinlich nur Foto-Enthusiasten kennen und selbst bei denen nicht alle. Wenn euch der Podcast gefallen hat und ihr das Foto-Menschen-Projekt unterstützen wollt, dann tut mir doch einen Gefallen und erzählt einfach weiter, dass es den Podcast gibt. Ich podcaste nicht kommerziell, ich möchte also kein Geld, ich werde hier auch keine Werbung machen, aber ich freue mich über Rückmeldung und über steigende Hörer:innenzahlen. Rückmeldung ist ein gutes Stichwort. Ihr erreicht mich natürlich auf Social Media. Ich glaube, ich bin ja ganz allgemein relativ einfach zu finden, aber am leichtesten im Zusammenhang mit dem Foto-Menschen-Podcast geht es natürlich auf Twitter oder Mastodon unter dem Handel Foto-Menschen. Die Webseite foto-menschen.net enthält alle Links, Videos, Artikel etc., die ich zur Recherche für diese Folge benutzt habe und viele, viele Episoden inzwischen mit Transkripts, sodass man auch ganz hervorragend durch die vergangenen 84 Folgen stöbern kann. Und wer mag, darf mir da gerne einen Kommentar unter der Episode lassen. Ich freue mich darüber immer ganz besonders. E-Mail gibt es natürlich auch, mail@foto-menschen.net. So viele Wege mich zu erreichen. Und jetzt vielen Dank für eure Zeit, fürs Zuhören. Bleibt gesund und bis zum nächsten Mal.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Eine wahre Geschichte über eine Fake Reportage über einen echten Ort aber mit Fake Akteuren und einem aus echten Texten generierten Fake Essay… Jonas Bendiksen (Wikipedia) Veles, Nordmazedonien (Wikipedia) Veles, Gottheit (Wikipedia) The Book of Veles: How Jonas Bendiksen Hoodwinked the Photography Industry (Magnum Photos) The Book of Veles (World Press Photo) The Book of Veles (Jonas Bendiksen’s Webseite) Warum ein Fotojournalist seine Bilder fälschte (Süddeutsche, Paywall) Do these photos look real to you? Your answer could be cause for concern. And that’s terrifying. (Washington Post) The Book of Veles: It’s not a photojournalism masterpiece, it’s a masterpiece of fake news Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Als sich der Norweger Jonas Bendix 1996 mit gerade mal 19 Jahren bei der Londoner Niederlassung der Fotoagentur Magnum um eine Praktikumsstelle bewarb, rechnete er wahrscheinlich nicht damit, später einmal selbst zu diesem erlauchten Fotoklub zu gehören. Und er hätte es wahrscheinlich auch nicht für möglich gehalten, dass ausgerechnet er es sein würde, der diesen Tempel des Fotojournalismus mit einer von vorne bis hinten zusammengefakten Fotostory testen würde. Foto Menschen Für die heutige Geschichte gehen wir ins Jahr 2017. In den USA regiert Donald J. Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Und worüber regt er sich am meisten auf? Genau, über das hier. Natürlich in seinem Fall war alles Fake News, was ihn kritisierte oder ihm nicht zustimmte. Aber allgemein an Fake News mangelte es jetzt in der Zeit wirklich gar nicht. Es fiel genau in Trumps Amtszeit, dass die Welt zusehen musste, wie die Produktion und Verbreitung von Falschmeldungen geradezu industrielle Ausmaße annahmen. Die Masche war dabei denkbar einfach. Man nahm echte Nachrichten von echten Nachrichtenwebsiten, verkürzte die, schrieb die zum Teil um, packte irgendwelche zufällig ausgewählten Fotos dazu, klatschte das Ganze auf eine Webseite mit ähnlichem Design und verteilte Links auf diese Meldungen im Internet. Je besser die Meldungen ausgewählt waren und den Nerv der sowieso schon aufgeregten Twitter- und Facebook-Community trafen, umso mehr Besucher kamen vorbei, umso mehr Werbeeinnahmen ließen sich erzielen, umso mehr wurden diese Meldungen weiterverbreitet. Oftmals mit viel mehr Reichweite als die Originalmeldungen. Als man versuchte herauszufinden, woher diese Seiten überwiegend kamen, kristallisierte sich ein überraschendes Epizentrum heraus. Die Stadt Veles in Nordmazedonien. In der osteuropäischen Stadt hatten sich anscheinend gleich mehrere Gruppen dazu entschlossen, das lukrative Feld der Fake-News-Verteilung für sich zu beackern. Und Jonas Bendixen verfolgt mit einiger Faszination die Artikel, die über diese Stadt geschrieben werden. Sogar Obama erwähnte die Stadt. Da sitzen ein paar Teenager in Nordmazedonien, in einer Stadt, in der es nicht viel anderes zu tun gibt, als sich im Internet nach Einkommensquellen umzuschauen und beschließen, Artikel zu veröffentlichen und Werbeeinnahmen zu generieren, und sind plötzlich ein Thema für die amerikanische Politprominenz und zwingen die großen Tech-Konzerne, ihre Vorgehensweise zu ändern. Das wiederum fasziniert Jonas Bendixen. Und der beginnt zu recherchieren. Und wie das so oft ist, wenn man erstmal anfängt, einer Geschichte hinterher zu recherchieren, dann wird das Internet auch schnell mal zum Rabbit Hole. Im Falle der Stadt Veles entdeckt Jonas, dass es eine „slawische Gottheit“ desselben Namens gibt. Und das ist nicht irgendein Gott, das ist einer der wichtigsten Götter der slawischen Mythologie. Er ist Gott der Fruchtbarkeit und der Magie, Herrscher über das Totenreich, Gott der Erde und wird als gehörnte und bärtige Schlange dargestellt. Außerdem, und das war jetzt der Teil, der Bendixen faszinierte, war es auch der Gott des Chaos und der Täuschung. Er konnte seine Gestalt verändern und spielte eine ganz ähnliche Rolle, die man von dem nordischen Gott Loki kennt. Wir haben also eine Stadt, in der Fake News verbreitet wird, mit dem Namen eines Gottes, dessen Mythologie zu nennenswerten Teilen daraus besteht, dass er Leute täuscht. Jonas Bendixen recherchiert weiter und er entdeckt Berichte von einem antiken Manuskript, in dem die Geschichte des Gottes Veles aufgezeichnet worden sein soll. Sie wird 1919 von einem russischen Armeeoffizier entdeckt, der das aber weder lesen noch übersetzen kann und sich deswegen an einen russischen Wissenschaftler wendet, der den kompletten Text ins moderne Russische überträgt. Bis heute glauben viele, dass dieser Text einer der ältesten Texte der slawischen Welt überhaupt ist und besonders in Esoteriker-Kreisen oder auch in slawisch-nationalistischen Kreisen ist der Text praktisch heilig. Gäbe es da nicht dieses kleine Problem, dass der Stand der modernen Forschung davon ausgeht, dass der komplette Text von dem russischen Wissenschaftler und dem russischen Offizier gefälscht worden war? 1973 wird das Ganze von einem Studenten der Ohio State University übersetzt. Der hatte von den Zweifeln an dem Text damals noch keine Kenntnis und nahm das alles ernst. Als seine Übersetzung herauskam, war die durchzogen mit Fußnoten und Hinweisen auf die Relevanz des Textes. Der Student hatte alle möglichen Querverbindungen entdeckt und ihm war nicht aufgefallen, dass der Text eigentlich eine Fälschung war. Der Gott der Täuschung, eine Stadt, die Fake News produziert, ein gefälschtes Manuskript eines angeblich antiken Textes, das für bare Münze genommen wurde. Jonas Benediktsen beschloss, daraus ein Fotoprojekt zu machen. Wie lange, fragte er sich, wird es wohl dauern, bis fotojournalistische Projekte auftauchen, die keine Grundlage in der Realität haben? Wir leben im Zeitalter von Deepfakes und computergenerierten Grafiken. Und so beschließt er, genau diese fotojournalistische Arbeit zu machen und zu testen, wie lange es denn dauern wird, bis jemand Verdacht schöpft. Jonas Benediktsen ist Fotograf und kein CGI-Artist, also musste er sich Kenntnisse aneignen. Er wollte wissen, wie kann er denn fotorealistisch computergenerierte Grafiken in eine fotografische Szene montieren? Wo lernt man sowas am besten? Klar, auf YouTube. Er schaute Tutorials für Software, die die Filmindustrie oder die Computerspieleindustrie jeden Tag verwenden und experimentierte mit ersten Bildern. Für diese Software gibt es meistens Online-Marktplätze, auf denen man Modelle kaufen kann. Und so kaufte er Modelle für Menschen und verbrachte so einiges an Zeit damit, die anzupassen und zu kleiden. In einem Interview sagt er scherzhaft, er hat sich deutlich mehr Zeit mit der Kleidung seiner Avatare für sein Foto-Projekt beschäftigt, als er jemals in seine eigene Kleidung investiert hat. Als nächstes dann buchte er Flüge nach Veles. Er wollte eine glaubwürdige Fotoreportage über diesen Ort fertigen und deswegen beschloss er, dass die Hintergründe tatsächlich aus Veles sein müssten. Zum ersten Mal in seiner Laufbahn als Fotograf kam es ihm beim Fotografieren eben gerade nicht drauf an, Menschen anzutreffen. Aber er wollte eine Optik erzeugen, die aussah, als hätte er eines seiner typischen Projekte gemacht. Als hätte er einigermaßen ordentlichen Zugang und ein paar Wochen Zeit gehabt und sich wirklich den Menschen vor Ort genähert. Er machte zwei solche Trips, den letzten gerade mal eine Woche, bevor es weltweit zu Lockdowns wegen dem Coronavirus kam. Ja und jetzt, daheim, hat er alle Zeit der Welt, um sein Projekt fertig zu machen. Sein nächster Schritt, aus diesem Fotomaterial wollte er ein Buch fertigen. Und in einem Buch, da muss natürlich auch Text stehen. Und auch hier wählt er einen ungewöhnlichen Weg. Er findet online ein frei trainierbares System zur Generierung von Text. Die Idee solcher Systeme ist, dass man ihnen Trainingsmaterial gibt, das dem angestrebten Zieltext entspricht. Will ich also Produktbeschreibungen haben, müssen Produktbeschreibungen rein. Will ich Gedichte haben, die wie Shakespeare klingen, naja, dann füttern wir doch mal Shakespeare. Jonas Bendixen nimmt jetzt die Artikel, die über Veles weltweit geschrieben worden waren und führt sie diesem Bot zu. Um denen dann einen Text für das Buch über Veles verfassen zu lassen. Auf die Art erzeugt er einen 5000 Worte langen Essay, den er nur aus den Ausgaben dieses Bots zusammen kopiert. Ganz ähnlich geht er vor, um Zitate für die angeblich in seinen Fotos zu sehenden Leute zu erzeugen. Es gab ja eine Menge echter Zitate aus den anderen Artikeln und die wirft er ebenfalls in die AI und lässt sich neue Zitate erzeugen. All das kombiniert er und lässt es aussehen, als wäre es eine authentische Jonas Bendixen Arbeit und produziert ein Buch. Der Titel „The Book of Veles“, derselbe Titel, den das angebliche Manuskript trug. Dabei geht er davon aus, dass es garantiert nicht lang dauern wird, bis die Ungereimtheiten in seinen Bildern auftauchen werden. Es ist ja nicht so, dass er nicht genügend Hinweise in seinen Bildern versteckt hätte. Beispielsweise scheint die Stadt Veles eine ungewöhnlich hohe Bärenpopulation zu haben. Und der Bär tauchte da auch nicht von ungefähr auf, denn der Bär war die Lieblingsgestalt des Gottes Veles, des Gottes der Täuschung. Aber selbst wenn einem der Bär entgangen war, gab es noch genügend andere Hinweise, die Jonas zuversichtlich machten, dass dieses Buch den Test der Profis nicht lange würde standhalten können. Für den Fall der Fälle hatte er seinen Verleger auf jeden Fall schon mal informiert und er hat sich selber als Regel gesetzt, die Presse daran zu hindern, seine Arbeiten zu veröffentlichen. Er wartete und wartete, amüsierte sich über Komplimente für den Essay in dem Buch, lehnte Anfragen der Presse ab und beschloss dann, noch einen draufzulegen. Er reichte seine Arbeit bei dem angesehenen Fotojournalismus -Festival Visar pour Limage in Frankreich ein. Und die akzeptierten die Arbeit nicht nur, sondern baten ihn, im Programm einen Vortrag über seine Arbeit zu halten. Als weitere Wochen ins Land zogen, ohne dass irgendjemand seine Arbeit ernsthaft in Frage stellte, beschloss er, selbst an seinem Ruf zu sägen. Aber passend zu dem Projekt konnte er das natürlich nicht einfach selbst veröffentlichen. Er wollte demontiert werden. Und so kaufte er sich einen künstlich gealterten Social Media Avatar. Für ca. 40 Dollar, sagt er. Eine junge Dame, die angeblich aus Nordmazedonien stammte, mit dem klangvollen Namen Chloe Miskin. Sie hatte eine Twitter Präsenz, ein Facebook-Profil. Alles was ihr fehlte, waren die richtigen Kontakte. Und an denen begann Jonas jetzt für ein paar Wochen zu arbeiten. Nicht lange und Chloe war mit über 600 Leuten aus der fotojournalistischen Szene befreundet. Der Plan? Chloe sollte ihn demontieren. Der richtige Zeitpunkt? Kurz nach seinem Vortrag auf dem Festival. Er hielt also seinen Vortrag und kurz darauf fing Chloe an, sich über die Qualität seiner Arbeit aufzuregen. Er hätte Leute gekauft, die in den Bildern zu sehen waren, schrieb sie auf Facebook. Jonas ging davon aus, dass wenn jemand erstmal anfängt, öffentlich Zweifel zu äußern, schon irgendjemand die Arbeit genauer unter die Lupe nehmen würde. Umso erstaunlicher, dass Chloe nicht ernst genommen wurde und sich sogar einzelne damit Beschäftigten Chloe zu widersprechen und mit ihr zu streiten. Vielleicht ist Facebook nicht das richtige Social Network, denkt sich Jonas und lässt Chloe auf Twitter los. Und endlich steigt jemand auf den Verdacht ein. Ein Twitter Nutzer bemerkt, dass Kleidung in den Fotos anscheinend mehrfach verwendet wurde. Und diesem ersten Verdacht folgen da natürlich andere und bieten Jonas damit endlich die Möglichkeit, offen über sein Projekt und die wahren Hintergründe zu sprechen. Monate nach Veröffentlichung. Was machen wir jetzt aus dieser ganzen Geschichte? Ich find’s spannend festzustellen, dass die Menschen zwar einerseits aufgewachsen sind mit dem Wissen darum, dass es Photoshop gibt und dass Fotos nicht immer das zeigen, was sie vorgeben zu zeigen. Und gleichzeitig wollen wir immer noch auf Teufel komm raus glauben, dass Bilder die Wahrheit und die Realität zeigen. Es ist irgendwie auch tragisch, dass wir in über 180 Jahren Fotogeschichte immer noch nicht gelernt haben, zwischen Fakt und Fiktion zu unterscheiden. Und dabei sind wir ja jetzt am Anfang einer nicht aufzuhaltenen Entwicklung. Jonas Bendixen hat uns vor Augen geführt, wie einfach es eigentlich ist. Denn er ist weder Computerspezialist noch Computergrafik-Nerd. Er hat sich mit Hilfe von YouTube ein paar frei erhältliche Softwareprodukte erklären lassen und danach Bilder produziert, die die weltweite Community der Fotojournalisten für bare Münze genommen hat. Er ließ ein Essay von Künstlicher Intelligenz schreiben und Leser*innen hielten das für authentisch. Was lernen wir daraus? Wir müssen kritischer werden. Wir dürfen Bildern nicht einfach pauschal vertrauen. Und außerdem lerne ich daraus, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis wir um uns rum Texte und Medienprodukte haben, die verdammt authentisch aussehen werden. Foto Menschen Ich habe mir eine signierte Fassung dieses Buchs bestellt. Denn ich finde die Geschichte und den Prozess hinter „The Book of Veles“ durch und durch faszinierend. Außerdem gefallen mir die Fotos, die ich bisher davon gesehen habe. Jonas Bendixen sagt selbst, dass er für diese Fotos im Prinzip neu lernen musste, wie ein typisches Jonas Bendixen-Foto aussieht. Immerhin musste er im Computer Lichtsituationen nachbilden und sich überlegen, wie hätte er denn Menschen fotografiert in Veles, wenn er sie denn angetroffen hätte. Ich glaube, dass es ein Buch, das Geschichte geschrieben hat. Außerdem enthält es schöne Fotografie. Aber das ist vielleicht mal eine Diskussion für einen anderen Tag, warum ich glaube, dass auch solche Montagen durchaus fotografische Werke sind.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Lee Miller hatte ein Leben das atemlos macht: Befreundet mit dem who is who der Surrealisten-Szene des 20. Jahrhunderst, berühmtes Fashionmodel, erfolgreiche Fashionfotografin, Journalistin, Kriegskorrespondentin, Sterneköchin und Weltbürgerin sind nur einige ihrer Rollen. Lee Miller (Wikipedia) Pseudo-Solarisation (Wikipedia) Kriegsberichterstatterin Lee Miller – Die Schöne und der Krieg (Spiegel) Lee Miller: Model, Partylöwin, Fotografin und Kriegskorrespondentin (Spiegel) Lee Miller – A Life on the Front Line (IMDb) kwerfeldein – Hitlers Badewanne Ein Supermodel als Kriegsfotografin (Deutschlandfunk) Lee Miller – Fotos aus dem KZ Buchenwald (Welt) WDR Zeitzeichen – 21.7.1977 – Kriegsfotografin Lee Miller stirbt in Chiddingly Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Episodenbild: U.S. Army Official Photograph - http://astro.temple.edu/~gurwin/hist.0690syb2005.html, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=77888314 Transkript Tänzerin, Model, Werbefotografin, Journalistin, Kriegsreporterin, Sterneköchin. Lee Miller hat eine Biografie, die mich völlig atemlos zurückgelassen hat. Und ihr habt sie mir gleich mehrfach empfohlen. Ich grüße jetzt hier mal stellvertretend Silke, deren E-Mail ich vor kurzem in meiner Inbox fand, und Boris, der mich beide auf das erste Foto, das ich von Lee Miller je gesehen habe, hinwies, das den Titel „Die Dame in Hitlers Badewanne“ trägt. Lee Miller heißt eigentlich Elizabeth Miller, später dann Lady Elizabeth Penrose, und wird 1907 im Bundesstaat New York geboren. Ihr Vater war ein Ingenieur, ihre Mutter eine Krankenschwester und sie hatte zwei Geschwister. Schon die kleine Lee war eher umtriebig und schwer zu bändigen, aber ihr Vater unterstützte das. Und so wurden mit den Geschwistern Seifenkisten gebaut und Rennen gefahren, Dinge erklommen und Gerätschaften ausprobiert. Und wie um die Zeit nicht ganz unüblich, besonders für einen Ingenieurshaushalt, wurde durchaus auch schon fotografiert. Der Vater war begeisterter Amateurfotograf und so konnte die kleine Lee schon sehr früh erste Gehversuche mit damals üblichem Gerät, wie zum Beispiel der Kodak Brownie, machen. Der Vater war ambitionierter Fotoamateur und entdeckte seine ungewöhnlich hübsche Tochter früh als Fotomodell. Er fotografiert Porträts und Akte und Lee steht für beides Modell. Schon früh prägt sich bei Lee jedenfalls Interesse für die schönen Künstler heraus und sie überlegt eventuell Tänzerin werden zu wollen. Ihre Schulzeit jedenfalls war mühsam. Sie wird über die Jahre aus praktisch jeder Schule geworfen, in der ihre Eltern sie eintragen. Mit 18 zieht sie nach Paris und studiert Bühnenbildnerei, Kostümdesign und Bühnenbeleuchtung und kehrt 1926 nach New York zurück. Diesmal zieht sie nach Manhattan. Hier will sie Malerei und Zeichnung studieren. Als sie eines Tages auf dem Heimweg war und gedankenlos auf die Straße geht, wird sie beinahe von einem LKW überfahren. In letzter Sekunde reißt sie einen Passant, der sie beobachtet hat, auf den Gehweg zurück und Lee, die zu Tode erschrocken ist, sinkt erstmal ohnmächtig in seine Arme. Und diese Anekdote ist wirklich folgenreich, denn der Mann, der sie da vor dem sicheren Tod gerettet hatte, war niemand anderes als Condé Nast, dem Herausgeber von Zeitungen wie Vogue, The New Yorker oder Vanity Fair. Der hält jetzt also plötzlich eine elegant gekleidete, fließend französisch sprechende, wunderschöne junge Dame in den Armen und sieht in ihr das perfekte Gesicht für das nächste Titelblatt der Vogue. Denn zu der Zeit wurde nach dem perfekten, modernen Mädchen gesucht als Titelfigur für Magazine wie Vogue. Und Lee Miller entsprach dieser Idee bis aufs Haar. Und deswegen startet Lee ihre Modelkarriere mit einem Knall, mit einem Titelbild auf der Vogue. Die nächsten zwei Jahre machen sie dann zu einem der meisten gesuchten Models in ganz New York. Und sie arbeitet mit allem, was Rang und Namen hat. Es kommt zu mir klar, als der Fotograf Edward Steichen eine Aufnahme Millers verwendet, um eine Werbekampagne für Damenbinden zu bebildern. Das beendet ihre Karriere als Fashionmodel, allerdings hatte sie darauf inzwischen sowieso immer weniger Lust gehabt und nach Gelegenheiten gesucht, um auf Reisen zu gehen. Die bot sich, als ihr einen Fashiondesigner anbot, in seinem Auftrag nach Paris zu reisen und Designskizzen von Renaissance-Gemälden zu fertigen. Also die Kleidung zu skizzieren, die man dort sieht. In Paris passieren mehrere Dinge. Erstens, Lee Miller war in Sekunden von dieser Aufgabe zu Tode gelangweilt. Schon ihr ganzes Leben lang war sie bekannt dafür, dass sie sich zu nichts hinreißen ließ, wenn es ihr keinen Spaß bereitete. Und Renaissance-Gemälde abmalen gehörte eindeutig in diese Kategorie. Außerdem war Lee Miller ein Partygirl. Innerhalb kürzester Zeit netzwerkt sie sich einmal kreuz und quer durch die künstlerische Szene Paris. Sie war ungebunden, sie war trinkfest, sie war sexuell aufgeschlossen und sah umwerfend aus. Also macht sie das, was ihr als Tochter ihres Vaters als erstes in den Sinn kommt. Sie besorgt sich eine Kamera und statt die Kleidungsstücke abzuzeichnen, macht sie einfach Fotos davon. Und was mit dem Abfotografieren von Gemälden anfängt, hört dann erstmal nicht mehr auf. Sie fotografiert die Menschen um sich herum und experimentiert mit der Fotografie als künstlerischer Ausdruck, als surreales Medium. Wir haben das Jahr 1929. Lee Miller beschließt jetzt, ernsthaft ihr Glück als Fotografin zu suchen. Alles, was ihr fehlt, ist ein Lehrer, der ihr die Techniken der künstlerischen Fotografie nahe bringen kann. In Paris wird sie auch schnell fündig. Der berühmte Fotograf und Künstler Man Ray wäre der perfekte Lehrmeister. Sie sucht seinen Kontakt und bietet sich ihm als Model an. Er will eigentlich keine Studenten aufnehmen, aber Lee war noch nie gut darin, „Nein“ als Antwort zu akzeptieren. Der Widerstand kann auch nicht lange angedauert haben, denn sie zieht relativ schnell praktisch bei ihm ein, wird eines seiner häufigsten Models, eine Mitarbeiterin in seiner Dunkelkammer und in seinem Studio allgemein, seine Muse und seine Liebhaberin. Die beiden arbeiten in der Zeit so eng zusammen, dass bei einer Menge Aufnahmen gar nicht ganz klar ist, ob das nun Aufnahmen von Lee Miller oder von Man Ray waren. Die Fotografien, die sie schaffen, sind sehr künstlerisch und surreal. Und das liegt unter anderem auch an der ausgefeilten Verfremdung, die in der Dunkelkammer stattfindet. Es wird mit vielen Techniken experimentiert und eine der wichtigsten, stilprägendsten Techniken, die die beiden perfektionieren, ist die sogenannte Solarisation. Ich werde das jetzt hier nicht detailliert ausführen, aber es ist so eine Art gezielte Überbelichtung. Bilder, die auf die Art entstehen, sehen sehr prägnant und eigentümlich aus, sehr kontrastreich. Und in den 60er Jahren wird es ein sehr weit verbreiteter und beliebter künstlerischer Bildeffekt. Für die Surrealisten, zu denen Lee Miller und Man Ray ja damals gehörten, war an diesem Effekt besonders wichtig, dass er praktisch durch einen Zufall entstand und dass die Ergebnisse nur sehr vage kontrollierbar waren. Über den Freundeskreis von Man Ray und die Partys, die auch dort reichlich stattfanden, lernt Lee Miller jedenfalls das Who is Who der damaligen Künstlerszene kennen. Leute wie Jean Cocteau oder eben auch Pablo Picasso gehen ein und aus und zählen zu ihren Freunden. Über die Jahre fertigt Pablo Picasso sechs Gemälde von Lee Miller an und wird wieder und wieder von ihr fotografiert. So produktiv ihre Zusammenarbeit mit Man Ray auch ist, schnell hat sie das Bedürfnis, ein eigenes Studio aufzubauen und wird in kürzester Zeit zu einer etablierten Fotografin in Paris. Ein Faktor mag hier auch gewesen sein, dass es zwischen Man Ray und Lee Miller auch reichlich und regelmäßig krachte. Denn Man Ray, der eigentlich ja offene Beziehungen und freie Liebe propagierte, hatte so seine Probleme, dass die schöne Lee sich nicht in einer monogamen Beziehung einsperren ließ. Und so zofften die beiden sich regelmäßig, bis es irgendwann einfach auch mal zu viel war. 1932 ist ihr die Szene in Paris ganz allgemein zu langweilig geworden. Sie kehrt wieder nach Manhattan zurück und beschließt, den Erfolg des Fotostudios in Paris in New York zu wiederholen. Erfolgreich, innerhalb kürzester Zeit ist sie eine der gefragtesten Fotografinnen der Stadt. Und nach nur drei Monaten zurück hat sie ihre erste große Ausstellung, in der es nur um ihre Arbeiten geht. Aber auch ihr zweites erfolgreiches Fotostudio hält sie nicht lange. Als sie den Ägypter Aziz Bey kennenlernt und sich in ihn verliebt, beschließt sie kurzerhand, ihr Leben in New York zu beenden und mit ihm nach Ägypten zu ziehen. Die beiden heiraten und für Li beginnt eine Zeit, in der sie offiziell weder als Fotografe noch sonst irgendwie professionell tätig ist. Ihr Alltag besteht aus Reisen und Expeditionen in die Wüste und das Umland Ägyptens oder aus Partys. Nach wie vor ist Li trinkfest. Sie gilt als fantastische Gastgeberin, wenn auch ein bisschen launisch, immer zwischen glücklich und depressiv hin und her schwankend. Die Fotografien, die sie in der Zeit fertig gehören, mit zu ihren künstlerischsten. 1937 war sie dann endgültig das Leben in Ägypten leid. Eine Ausstellung brachte sie nach Paris, wo sie den Maler und Kurator Roland Penrose kennenlernte. Was zunächst eine Kollaboration war, wurde schnell eine Affäre und so zog sie mit Billigung ihres Ehemanns nach London in ein gemeinsames Apartment. Und hier ist Li, als die Deutschen damit beginnen, London zu bombardieren. Roland war einer der Freiwilligen, der während den Bombenangriffen der Deutschen die Stadt patrouillierte und nach Brandherden Ausschau hielt und Li begleitete ihn. Und die Lebensgefahr, die andere vielleicht dazu gebracht hätte, sich zu vergriechen, war für sie wie ein Lebenselixier. Ihr war sofort klar, sie wollte dahin, wo die Action war. Die Gefahr nicht meiden, sondern die Gefahr suchen. Freunde und Familie war entsetzt. Aber wie schon bei Man Ray, ließ Li sich nicht von einem einmal gefassten Plan und einer Entscheidung abbringen. Sie begann damit, praktisch täglich bei Vogue anzufragen, ob die nicht Verwendung für eine Kriegskorrespondentin hätten. Und beginnt damit auf eigene Faust die Bombenangriffe während dem sogenannten Blitz zu dokumentieren. Es sind ihre Fotos und ihre Hartnäckigkeit, die er dann letztlich eine Akkreditierung als offizielle Kriegsfotografin für die Condé Nast Publishing Group einbringt. Es gab einige Frauen, die für die US Army fotografierten, aber es waren nicht viele. Und Action zu sehen war fast ausgeschlossen, denn die US Army hatte ganz grundsätzlich die Regel, dass Frauen nicht in Kriegshandlungen geschickt wurden. Und so fotografiert sie zunächst die Soldaten, die im Einsatz am D-Day gewesen waren und jetzt in einem Übergangslazarett auf ihren Abtransport warteten. Sie lernt den Time-Live-Fotografen David E. Sherman kennen, der auch für eine Weile dann ihr Lebensgefährte werden soll, und beschließt, dass sie dahin will, wo gekämpft wird. Zur Not wird sie hintrampen. Und genau diesen Plan setzen die beiden dann auch in die Tat um. Nicht lange und Lee hat sich einen Ruf bei den Soldaten als mindestens so kampferprobt und kampffest wie ihre Kameraden eingehandelt. Und so wird ihr forsches Vorgehen von der Armee geduldet. Sie und Sherman sind es dann auch, die zum Beispiel den ersten Einsatz von Napaim in Europa dokumentieren. Sie dokumentiert die Befreiung von Paris oder die Einnahme von Adolf Hitlers Berghof auf dem Obersalzberg im Berchtesgaden. Ihre Fotos entwickelt sie selbst in der Badewanne. Und besonders die US-Vogue widmet ihr große Artikelstrecken, deren Bilder sie beisteuert und deren Text sie komplett verfasst. Und jetzt kommen wir zu dem Foto, das ich in der Einleitung erwähnt habe. Es ist der 30. April 1945. Lee Miller und David Sherman sind in München. Die Stadt ist praktisch dem Erdbodengeich gemacht. Aber es gibt ein Haus, in dem noch fließendes, warmes Wasser ist. Und so beschließen die beiden, dort ein Bad zu nehmen. Als sie das Haus betreten, finden sie auch heraus, warum es das einzige Haus weit und breit mit fließendem, warmen Wasser und Strom ist. Denn es handelt sich um ein Privathaus von Adolf Hitler persönlich. Und so beschließen die beiden nicht nur ein Bad zu nehmen, sondern dieses Bad auch fotografisch zu dokumentieren. Die Aufnahme zeigt Lee Miller in der Badewanne sitzend. Es gibt ein analoges zweites Bild, in dem David Sherman auch ein Bad nimmt. Auf den ersten Blick könnte man diese Aufnahme für einen Schnappschuss halten. Aber auf den zweiten Blick wird klar, dass Lee Miller ihre Fotos als die Künstlerin, die sie war, gezielt komponiert hat. Und dieses Bild ist keine Ausnahme. So steht zum Beispiel ein Foto Adolf Hitlers mit an der Badewanne. Das bekannteste Bild des Diktators. Aber noch viel wichtiger, direkt vor der Badewanne hat sie ihre US-Army-Stiefel abgestellt. Und diese Kombi aus dem per Foto anwesenden Führer und den abgestellten US-Boots machen aus diesem Foto eben mehr als nur einen Schnappschuss. Das ist ein Foto, das nur Sieger machen können. Es dokumentiert eine Machtumkehr. Die Aufnahme von David Sherman zeigt außerdem noch den Duschkopf über ihm. Sherman selbst ist Jude und der Duschkopf steht symbolisch für die als Gemeinschaftsduschen getarnten Gaskammern der Nazis. Und die hatte Lee Miller inklusive der Gräuel, die in den KZs zu sehen waren, nur zu Genüge dokumentiert. Sie ist vor Ort, als die KZs Buchenwald und Dachau befreit werden. Während diesen Befreiungsaktionen sind ja einige Fotografinnen und Fotografen mit dabei und dokumentieren. Aber die meisten versuchen sich vor dem Grauen zu schützen und halten Abstand. Lee geht mit ihrer Rolleiflex-Kamera ganz nah ran und macht Fotos, die sich ins Gehirn brennen. Lee macht diese Fotos, um die Deutschen zum Hinschauen zu zwingen und den Amerikanern zu zeigen, dass sie das Richtige getan haben, als sie sich in den Krieg eingemischt haben. Als der Krieg vorbei ist, kehrt Lee nach England zurück. Ihr Lebensgefährte aus der Anfangszeit des Krieges, Roland Penrose, hatte seinen Wehrdienst überlebt und die beiden nehmen den Faden da auf, wo er durch die Kriegsgeschehnisse abgetrennt worden war. Sie ziehen aufs Land, erst in ein Cottage, dann in eine Farm. Roland Penrose hatte sich immer vorgestellt, wie es denn sein würde, als Farmer unabhängig von anderen zu sein. Hatte allerdings keinerlei Begabung oder Wissen in dem Bereich. Außerdem ist er ja zunächst mal Galerist, Kunstsammler und Kurator und gibt diesen Beruf auch nicht auf. Und so wird aus der Farm weniger ein Agrarbetrieb, als eher eine Art Künstlerkolonie mit Menschen, die außerdem noch wissen, wie man einen Garten anlegt. Die beiden heiraten und 1947 wird der Sohn Anthony geboren. Die zieht sich komplett aus dem Bildjournalismus zurück. Sie fotografiert zwar hin und wieder, aber nicht mehr in offizieller Funktion. Überhaupt hatten die Kriegsjahre tiefe Spuren bei ihr hinterlassen. Sie hatte schon immer eine Tendenz zur Depression und Schwierigkeiten mit Leistungsdruck umzugehen. Beides bekämpfte sie oft mit Alkohol und Partys und in den ersten Jahren nach dem Krieg wird es ein Strudel, der sie zu verschlingen droht. Was hilft, ist ihr Freundeskreis. Inklusive ihrer ehemaligen Liebhaber. Man Ray oder Aziz kommen regelmäßig vorbei. Pablo Picasso geht in dem Haushalt ein und aus. Und immer wenn Besuch da ist oder wenn Lee eine Party schmeißen kann, blüht Lee auf und zeigt ihr charmantes Gewinnendes selbst. Und es ist diese Zeit, in der Lee ein weiteres Mal beschließt, sich neu zu erfinden und eine neue Leidenschaft entdeckt, nämlich das Kochen. Ab jetzt dokumentiert sie mit ihren Reisen keine Kriegshandlungen mehr oder fotografiert mit künstlerischem Anspruch. Ab jetzt sind ihre Reisen dafür da, neue Rezepte zu lernen, neue Zutaten kennenzulernen, Kochbücher zu kaufen, Gerichte zu testen. Sie beschäftigt sich mit ihrem Kräutergarten mit geradezu religiösem Eifer und die vielen Besucherinnen und Besucher freuen sich über regelmäßige Gelage und originelle Speisepläne. Als sie mit ihren eigenen Gerichten anfängt, an Wettbewerben teilzunehmen, ist sie wieder auf Titelseiten zu sehen. Diesmal als Köchin. Und sie gewinnt Preise für ihre Gerichte. Anthony und Lee haben in der Zeit eine komplizierte Beziehung. Aber später schreibt er in der Biografie über seine berühmte Mutter, dass es diese Zeit als Köchin war, die sie vor dem endgültigen Absinken in Alkoholismus und Depression bewahrt hat. Als Erwachsenes selbst heiratet und mit seiner jungen Frau in die Nähe zieht, normalisiert sich die Beziehung der Mutter und des Sohnes. Es wird freundlich respektvoll. Was aber beim Lesen der Biografie wirklich faszinierend ist, er selbst kannte seine Mutter gar nicht als Fotografin. Er kannte seine Mutter als seine Mutter und als Köchin. Und so schreibt er, dass er völlig überrascht davon war, wie viele Leben seine Mutter gelebt hat. Ein Leben als Supermodel, bekannt über die Grenzen New Yorks hinaus. Ein Leben als surreale Künstlerin, die mit Man Ray zusammen, einem der berühmtesten Vertreter des Genres, stilprägend war. Ein Leben als Unternehmerin und Fotografin in der Werbebranche, mit mehreren nacheinander gegründeten erfolgreichen Fotostudios. Ein Leben als Kriegsreporterin und als Journalistin. Eine Frau, die die ganze Welt ausführlich bereist hat und der ein Leben in Ägypten, in Saus und Braus nicht genug war, sondern die dann regelrechte Expeditionen in die Wüste organisiert hat. Eine Frau, die mit Picasso eng befreundet war und sechsmal von ihm gemalt wurde. Eine Frau, die immer ihrem Herz und ihrer Leidenschaft folgte und damit für viele andere, die ihr nachfolgten, auch den Weg freigeräumt hat. Lee stirbt am 21. Juni 1977 an Krebs. Ihre Asche wird über dem Kräutergarten der Farm ausgestreut. Und die Farm existiert bis heute. Ihr Sohn Anthony hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren Nachlass zu verwalten. Und die Farm und das Anwesen ist das Kernstück. Sie ist umgeben von einem Skulpturengarten und enthält einige Räume, die im Originalzustand belassen wurden. Hier lagert Lee’s komplettes Bildarchiv und die beeindruckende Kunstsammlung des Ehepaars. Da gehören natürlich Werke von Picasso dazu, aber auch Bilder von Miró, Man Ray natürlich, Max Ernst und andere. Was bleibt, ist die Geschichte einer faszinierenden Frau. Einer Frau, der es offensichtlich nicht gereicht hat, sich mit nur einem Lebensweg zu begnügen. [Musik] FotoMenschen [Musik] Leute, was für ein Ritt. Ich habe jetzt 17 Minuten lang versucht, den Überblick über Lee Millers Leben zu geben und dabei viele, viele Anekdoten ausgelassen. Ihr Sohn Anthony hat eine ganz großartige Biografie mit vielen Originalzitaten aus Briefen und anderen Dokumenten zusammengestellt. Und ich habe auf YouTube einen einstündigen Vortrag von ihm gefunden, der das zusammenfasst, den ich euch natürlich wie immer verlinken werde. Ihre Fotografie und ihre Texte sind faszinierend. Die Geschichte ihrer Beziehungen, besonders die spektakuläre Beziehung, die sie mit Man Ray zusammen hatte und deren gemeinsames Werk. Jedes einzelne Kapitel dieses Lebens könnte Bücherregale füllen. Und deswegen hier nochmal der Aufruf, surft doch bei FotoMenschen.net vorbei. Ich packe in die Notizen zur Sendung, wie immer, Hinweise auf Startpunkte, also Artikel, Videos, Bücher etc. Wer schon mal da ist, kann ja gerne einen Kommentar hinterlassen. Ich freue mich immer über Rückmeldung. Und wer mir auf Social Media folgen will, wird auf FotoMenschen.net auch da fündig. Da sind die Links zum Twitter-Kanal, zum Mastodon-Kanal, zu meiner Pixel-Fat-Fotosammlung etc. etc. Ich finde übrigens, von all diesen Kanälen ist vermutlich der Mastodon-Kanal der reichhaltigste, aber wählt einfach selbst. Ansonsten, wer jetzt mehr Lust auf Geschichts-Inhalte oder auf Wissenschaftsinhalte hat, da noch in eigener Sache Hinweis auf die zwei Netzwerke, in denen der Foto-Menschen-Podcast auch mitgeht ist, nämlich einmal geschichtspodcast.de und wissenschaftspodcast.de. Da gibt es mehr großartigen Podcast-Content, als ihr hören könnt. Auch diese Links natürlich in der Webseite. Und jetzt bleibt gesund, passt auf euch auf, danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Schon 1978 tauche eine gewisse Renate Mustermann auf Beispieldrucken und Kampagnen der Bundesdruckerei auf aber erst die 1982 auftauchende Erika wurde zu einer regelrechten Kultfigur. Mustermann (Wikipedia) Spiegel Geschichte – Wer ist Erika Mustermann? WeLT Kultur – Die kleine Kulturgeschichte des Passfotos Erika Mustermann, geboren in Damaskus (Süddeutsche Zeitung) Deutschlandfunk Nova – Die reale Erika Mustermann Geschichtspodcasts.de Fotomenschen – Mug Shots a la Bertillon Fotomenschen auf Mastodon: https://photog.social/@fotomenschen Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Der Zwang Reisepapiere haben zu müssen ist eine verhältnismäßig moderne Erfindung. Früher konnte man sich einfach so bewegen, allerdings war das mit Risiken verbunden und um die einzugrenzen, begann man schon früh Leuten, die in wichtigen Missionen unterwegs waren Geleitscheine mitzugeben. In solchen Geleitscheinen verlangten dann Fürsten oder andere Menschen, die im Zweifel viel Einfluss geltend machen konnten, dass dem Träger dieses Schreibens freies Geleit und Sicherheit gegeben werden sollte. Das war immer noch keine Garantie, Reisen war immer noch eine gefährliche Geschichte, aber man wollte sich halt nicht mit einem König anlegen, der ja potenziell über Armeen verfügte und damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass man bei Vorzeigen solcher Unterlagen auch auf den Schutz und das Geleit in fremden Ländern hoffen konnte. Die Person, die diesen Geleitschein ausstellte, wies sich durch ein Siegel aus. Und damit man jetzt den Träger identifizieren konnte und sicherstellen konnte, dass man diesen nicht einfach nur gestohlen hatte und damit unterwegs war, gab es in so einem Schreiben einen Absatz, in dem der Träger beschrieben wurde. Welche Haarfarbe, groß – klein, besondere Merkmale, wie z.B. Narben oder Tätowierungen etc. Das ist die Vorstufe zu modernen Reisepapieren. Sich nicht mit den Ausstellern des Schreibens anlegen zu wollen, sorgte für die Sicherheit, die Beschreibung sorgte dafür, dass man den Träger erkannte. 1839 lernte die Welt nun, wie man fotografierte oder wie es damals noch hieß: Daguerreotypien erstellte. Und wenige Jahre später wurde es dann auch möglich schnell genug zu belichten, dass man Menschen belichten konnte. Plötzlich war etwas in Reichweite, was bisher nur Adeligen vorbehalten war, nämlich ein Abbild von sich selbst machen zu lassen, ganz normale durchschnittliche Menschen konnten zu einem Daguerreotypist gehen und ein Bild von sich fertigen lassen und diese Bilder konnte man verschenken. Das war trotzdem immer noch relativ teuer, weil Daguerreotypien Einzelstücke waren und aus Silber aber schon das nächste sich durchsetzende Verfahren konnte dann Bilder auf Papier produzieren und beliebig oft vervielfältigt werden. Und damit kam nicht nur die Idee auf, Fotos von sich zu machen und zu verschenken, sondern eine regelrechte Mode. Menschen hatten sogenannte Cartes de Visites, also Visitenkarten. Das waren kleine Portraits auf der Rückseite, mit etwas Text ergänzte, die man an Besucher und Bekanntschaften weiterreichte. Und da dauerte es natürlich nicht lang, da fing man an diese Cartes de Visites auf zum Beispiel Passierscheine zu kleben. Natürlich waren diese Bilder von unterschiedlicher Qualität, die Menschen versuchten gut auszusehen und posierten für diese Fotos, mal waren es Oberkörperportraits mal Ganzkörperportraits und Retusche gehörte selbstverständlich zum Standardrepertoire damaliger Portraitfotograf/-innen. Will heißen es war manchmal ein Glücksspiel, ob man die Person auf der Cartes de Visites auch wirklich erkennen würde, wenn man sie auf der Straße antraf. Das änderte sich mit dem Aufkommen der biometrischen Fotografie. Hörerinnen und Hörer des Fotomenschen Podcast erinnern sich vielleicht noch an Alphonse Bertillon, der 1882 als Erster ein detailliertes System entwarf, mit dem biometrische Fotografien für den Polizeigebrauch festhalten konnte, er überzeugte damals durch seine Ermittlungserfolge und zeigte damit anschaulich, dass es sinnvoll war zu standardisieren, wenn man für etwas anderes als Selbstdarstellung fotografierte. Und das war so einleuchtend, dass rund um den Erdball Regierungen damit begannen, ihren Bürgern entsprechende Ausweispapiere auszuhändigen und zu verlangen, dass da ein Foto einzukleben sei. In Deutschland war es 1885 soweit, sicherlich nicht überall, sicherlich nicht zu jedem Zweck, aber mehr und mehr wurden Bestimmungen erlassen, die solche Fotografien in Ausweispapieren verpflichtend machten. Als die Nazis in Deutschland an die Macht kamen, war der mit Bild versehene Personalausweis schon sehr verbreitet, aber verpflichtend war er nicht, das änderten die Nazis. Am 10. September 1939 erscheint das Reichsgesetzblatt zur Verordnung über den Pass und Sichtvermerkszwangs, sowie über den Ausweiszwang, ab jetzt war es Pflicht. Und natürlich gab es von Anfang an Vorgaben, wie diese Bilder auszusehen hatten. Und natürlich hielten moderne Reiseunterlagen mit der Entwicklung Schritt, waren die am Anfang buchstäblich Reisepapiere, also aus Papier, beschloss man in den 80ger Jahren des letzten Jahrhunderts, dass Plastik das wesentlich robustere Material war. Und so erteilte die damalige Bundesregierung der Bundesdruckerei den Auftrag einen neuen Perso aufzulegen, der sollte in Plastik eingeschweißt sein und damit wesentlich widerstandsfähiger werden. Die Druckerei erarbeitete ein Konzept und begann damit, die Öffentlichkeit zu informieren. Um das gute Stück zeigen zu können, wurde ein Muster erzeugt, ein Beispielausweis. Und der musste natürlich irgendjemanden zeigen und das war die Geburtsstunde von Erika Mustermann. Laut ihren Unterlagen ist sie am 12.09.45 in München geboren, Deutsch und ist wohl verheiratet, denn ihr Geburtsname ist Gabler, ca. 1,60m groß, grüne Augen, blonde Haare. Die Idee eine fiktive Person für Beispieldrucke zu verwenden war nicht neu, es gab schon seit ungefähr fünf Jahren eine Renate Mustermann, aber irgendwie hatte Renate es nie geschafft, die Fantasie der Deutschen so anzuregen, wie Erika. Die Bundesdruckerei begann ihre Kampagne und mit ihr die Boulevardpresse ihre Recherche, wer sich denn hinter Erika Mustermann verbarg. Ergebnis der Recherchen: Es war wohl eine Mitarbeiterin der Bundesdruckerei und auch Folgemodels wurden so rekrutiert. Als 1997 die Passfotos farbig wurden, gab es eine neue Erika Mustermann, und auch 2001 als Hologramme eingeführt wurden und 2005 als der Perso im Scheckkartenformat ausgegeben wurde, hatten wir jeweils neue Erikas auf den Mustern. Keine dieser Erikas reichte aber an den Erfolg dieser allerersten Erika Mustermann heran, die Bundesdruckerei wurde mit Fanpost geflutet, Männer machten Erika einen Heiratsantrag, es gab Interviewanfragen und der Name an sich wurde natürlich auch übernommen. Suchte man danach findet man diverse Kampagnen, die mal mit mal über Erika Mustermann informieren, z.B. hat das Bundesministerium mit dem Titel „Erika hat nen neuen“ in damaligen sozialen Netzwerken wie beispielsweise StudiVZ und SchülerVZ über den neuen Perso informiert. Und natürlich blieb es nicht bei Erika Mustermann, es gibt das männliche äquivalent: Max Mustermann, 2010 behauptete die TAZ der Adoptivvater von Erika Mustermann hieße Franz Xaver Gabler. Auf den Mustern des EU-Führerscheins gibt es eine Anne Mustermann oder im Kinderreisepass kann man einen Leon Mustermann finden. Wer jetzt auf die Suche nach Leuten, die wirklich Mustermann heißen geht, wird feststellen, die gibts, allerdings keine Erika Mustermann. Man findet einen Eintrag Erika Mustermann im Augsburger Telefonbuch, der verweist aber auf eine ehemalige Aussteigerkommune, die den Namen irgendwanneinmal eingetragen hat, um sich die An- und Abmelderei ihrer wechselnden Mitglieder zu sparen. Aber einen Max Mustermann, den gibts es tatsächlich, aber nur einen. Den hatten seine Eltern Max getauft, noch bevor Max Mustermann der de facto Standard unter den männlichen Musterfiguren war und er behauptet, er mag seinen Namen, auch wenn er praktisch bei allen Telefonaten, bei denen er sich vorstellt, im Verdacht steht, seinen gegenüber gerade verarschen zu wollen. Die aktuelle Erika ist übrigens seit 2010 unverändert auf offiziellen Musterdrucken zu sehen. Ich bin ja mal gespannt, ob sich da nicht auch demnächst wieder mal eine neue Mitarbeiterin der Bundesdruckerei vor die Kamera stellen darf. Ist ja langsam schon wieder überfällig.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Henri Cartier-Bresson wird von manchen als der größte Fotograf des 20. Jahrhunderts bezeichnet, einen Titel den er fast schon ärgerlich zurückweist… Er selbst sah sich nicht einmal als Fotograf. Henri Cartier-Bresson (Wikipedia) André Lhote (Wikipedia) Martine Franck (Wikipedia) Magnum Photos (Wikipedia) Humanist photography (Wikipedia) Mit kahl rasiertem Schädel (Der Tagesspiegel) Behind the Gare Saint Lazare by Henri Cartier Bresson (1932) (about photography blog) MAGNUM – Fifty Years at the Front Line of History (kostenlos auf Archive.Org einsehbar) Die Beziehung zwischen Auge und Herz (Spiegel) Pinterest HCB Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Titelbild: By Martine Franck / Magnum Photos / Fondation HCB – http://www.henricartierbresson.org/en/hcb/, Fair use, https://en.wikipedia.org/w/index.php?curid=33722890…
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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Josef Sudek verlor in jungen Jahren als Soldat im ersten Weltkrieg einen Arm. Vom Fotografieren hielt ihn das jedoch nicht ab und aus ihm wurde statt einem Buchbinder einer der beeindruckendsten Meister des Lichts der Geschichte. Josef Sudek (Wikipedia) Die Romantik des Lichts (Prager Sezession) Tschechien (Wikipedia) Veitsdom (Wikipedia) IfA Tonwoche Nr. 446 vom 22.3.1939 Josef Sudek (2001, Ian Jeffrey) (Buch auf Archive.org) Josef Sudek : poet of Prague : a photographer’s life (Biografie von Anna Farova, Buch auf Archive.org) Pinterest Pinboard mit 32 Bildern von Josef Sudek #HiStorytelling ( https://geschichtspodcasts.de ) Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Bildquelle: By Miloň Novotný – Alena Novotná, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48260238 Musik: Public Domain, https://musopen.org/music/25719-ma-vlast-vltava-the-moldau/…
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1 Fotomenschen meets Herstory: Dorothea Lange, Fotografin der Großen Depression 2:03:09
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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Dorothea Lange hatte bereits eine erfolgreiche Karriere als Studiofotografin als sie anfängt die von den Umwälzungen der Weltwirtschaftskrise betroffenen Menschen zu fotografieren und schließlich im Auftrag der Farm Security Administration die USA bereist und dokumentarisch fotografiert. Ihr Foto „Migrant Mother“ gilt bis heute als das Foto mit dem höchsten Wiedererkennungswert aus der Zeit. Diese Folge ist ein Crossover mit dem Podcast Herstory: Starke Frauen der Geschichte , alle Abomöglichkeiten zum Beispiel hier . Dorothea Lange (Wikipedia) Dorothea Lange Digital Archive (at Oakland Museum of California) Dorothea Lange’s Yakima Valley Photographs Florence Owens Thompson aka „Migrant Mother“ (Wikipedia) Dust Bowl (Wikipedia) Farm Security Administration (Wikipedia) Documenting America, 1935-1943: The Farm Security Administration/Office of War Information Photo Collection (Library of Congress) Fotografin Dorothea Lange Die Wirklichkeit zu Sinnbildern verdichtet (Deutschlandfunk) Spiegel Fotograllerie – Wie Kinder unter der Großen Depression litten Internierung japanischstämmiger Amerikaner (Wikipedia) US-Japanerin: „Das will niemand hören“ (Deutschlandfunk) Ansel Adams’s Photographs of Japanese-American Internment at Manzanar (Library of Congress) Ansel Adams (Wikipedia) Imogen Cunningham (Wikipedia) Marion Post Wolcott (Wikipedia) Dorothea Lange and the Afterlife of Photographs (Aperture) Spiegel – Great Depression: Das Fanal von 1929 Buchhinweise:…
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====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Schon die ersten Fotograf:innen waren fasziniert von der Idee Aufnahmen aus luftiger Höhe zu fertigen und so dauerte es nicht lange bis verwegene Zeitgenossen sich auf allerlei selbstkonstruiertes Fluggerät verließen um ihre Kameraausrüstungen in die Höhe zu hieven. James Wallace Black (Wikipedia) Boston, as the Eagle and the Wild Goose See It Balloonist Takes First Aerial Photograph Flight of the Giant (Smithonian) Nadar, Gaspard-Félix Tournachon (Wikipedia) Wer war Nadar? (kwerfeldein) Zweiter Aufstieg von Le Géant Salomon August Andrée (Wikipedia) Andrées Polarexpedition von 1897 (Wikipedia) Nils Strindberg (Wikipedia) Der Flug des Adlers, Film (Wikipedia)…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== 1981 waren der Fotograf Richard Avedon und die Schauspielerin Nastassja Kinski auf den Höhepunkten ihrer Karrieren und trafen sich zu einem Fotoshooting in dem eine berühmtesten Aufnahme entstand die bis heute immer wieder nachgeahmt wird. Stories of Iconic Artworks: Nastassja Kinski & the Serpent, Beauty and The Beast (Artland) Richard Avedon (Wikipedia) Nastassja Kinski (Wikipedia) Interview: Nastassja Kinski – Still a Daddy’s Girl (Independent) Kinski über Polanski – ”Seine Frau und ich schreiben uns regelmäßig” (Welt) Nastassja and the Serpent (nastassja.kinski.us) Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Eigentlich wollte Richard Avedon Poet werden. Zumindest versuchte er das zu studieren an der Columbia University. Geboren und aufgewachsen in New York hatte er durch seine Eltern schon früh Zugang zur Modeindustrie und er war 12 als er zum ersten Mal eine Kamera in die Hand gedrückt bekam. Schriftsteller wollte er eigentlich auch werden, auf jeden Fall etwas mit Kunst. Naja, von all diesen Disziplinen wissen wir ja heute, wurde es letztlich die Fotografie, und zwar speziell die Modefotografie. Mitte des 20. Jahrhunderts, waren die Bildstrecken in großen Magazinen mit eine der Haupteinnahmequellen für Fotograf/-innen. Entertainment und Mode waren große Geschäftszweige und wer es schaffte sich entweder in Werbefotografie, in Modefotografie oder in dem großen Feld der Reportage zu etablieren konnte gutes Geld verdienen. Richard Avedon entschied sich früh für Mode, Magazine wie Vogue, Harper’s bazaar oder Life beauftragten ihn und es dauerte nicht lange und er fotografierte Stars und Sternchen. Seine Models waren lebhafter, dynamischer als der damals überwiegende Stil, der in den Magazinen gepflegt wurde. Er versuchte seinen Models nahezukommen, etwas Wahres, ein Stückchen ihrer Seele zu fotografieren und Richard Avedon war der Überzeugung, dass das geht. Dadurch wurden aus seinen Bildern allerdings Kunstwerke, es ging nicht nur noch um den Verkauf von Mode oder Accessoires oder um das Darstellen von Sternchen, sondern er versuchte einzigartige Motive zu schaffen. Diese Ideen trugen ihn über 5 Jahrzehnte Fotografie hinweg, Richard Avedon hatte Marylin Monroe und Hilary Clinton vor der Kamera. Und es entstanden viele berühmte Fotos. Für die Episode heute geht es mir um ein Foto, dass er 1981 machte. Avedon war von Vogue beauftragt worden, eine der heißesten Starletts der damaligen Zeit zu fotografieren: Nastassja Kinski. Die hatte mit ihren damals gerade mal 21 Jahren schon eine recht illustre Karriere und diverse Skandale hinter sich. Mit nur 13 Jahren hat sie ihre erste große Rolle in einem Film von Wim Wenders und macht Schlagzeilen, denn in diesem Film ist sie, als 13-jährige, oben ohne zu sehen. Was sie dann zwei Jahre später mit 15 in einem anderen Film durch eine komplette Nacktszene noch übertraf. Es muss auch dieses Jahr gewesen sein als sie Roman Polanski auf einer Party kennenlernt. Der rät ihr sich mit Method Acting zu beschäftigen, einer Schauspieltechnik, bei der man sich komplett in die Rolle fallen lässt und versucht diese auch im Alltag relativ intensiv weiter zu leben. Es kam das Gerücht auf, dass der damals 45 jährige Roman Polanski mit der gerade 15 Jahre alten Nastassja Kinski eine Liebesbeziehung anfing, eine Behauptung, die zu dem, was wir über Roman Polanski zu wissen glauben passt, die aber von beiden immer wieder bestritten wird. Nastassja Kinski jedenfalls reitet die Welle, sie ist nicht nur ein auftseigender Star in Hollywood und räumt einen Preis nach dem anderen ab, sie ist auch der feuchte Männertraum ihrer Generation. „Sex sells“ denkt sie sich, „Sex sells“ denken sich die Männer um sie herum und so wird sie gnadenlos von einer sexualisierten Industrie ausgenutzt, wobei die Grenze zwischen Ausnutzen und einer von ihr aktiv mit voran getriebenen Sexualisierung schwer zu ziehen ist. Sie ist jedenfalls auf dem Höhepunkt ihrer Modeling, Schauspiel und ihrer Sexsymbol Karriere als sie eben 1981 auf Richard Avedon trifft. Sie hatten zwei Stunden geplant und in diesen zwei Stunden mussten originelle Fotos entstehen und nach allem über diesen Fotoshoot hört und liest muss es erstmal ziemlich öde gewesen sein. Richard Avedon hat natürlich Ressourcen, die andere nicht haben und so gab es anscheinend einen ganzen Zoo von verschiedenen Tieren, die er für diesen Fotoshoot bereitgehalten habe. Sie würde, so die Idee, mit Modeaccessoires und eben diesen verschiedenen Tieren posieren und dabei idealerweise nackt sein. [Einspieler] „We brought in all kinds of animals, like monkeys, two snakes and a papagei and you know theses big birds and all of that.“ Und keins dieser Bilder schien wirklich so richtig erfolgreich zu sein, irgendwann schlug Nastassja dann vor, dass eine der am Set anwesenden Schlangen, eine Boa constrictor, doch vielleicht das ideale Tier für den Fotoshoot wäre. Und eine Boa constrictor ist eine gewaltige Schlange, bis zu 3,60m wird die lang. Nastassja Kinski legte sich also nackt auf den Betongboden und die Schlange wurde ihr auf den Körper drapiert, außer einem meiner Meinung nach ziemlich hässlichem Armreif hat sie nichts an. Auf dem Bild ist eine brillante Komposition zu sehen, die Schlange schlängelt sich an ihren Beinen über ihren Scharm hinweg bis zu ihrem Ohr und Richard Avedon schaffte es genau die Millisekunde festzuhalten, in der die Schlang in Nastassja Kinskis Ohr zu züngeln scheint. Sie schaut dabei völlig ruhig in die Kamera. [Einspieler] „Did it frighten you to be engolved in the Snake, to be wrapped up – No, no – didn’t frighten you? – No, I think it was more frightened than I was, she was very afraid of every movement my body did, so as soon as I did a movement she would do a movement and we would keep on moving and we would never, you know, sort of get to each other. „ Auf die Frage, ob sie Angst gehabt hätte sagt Nastassja Kinski: „Ne, eigentlich garnicht“, sie ist der Meinung, die Schlange hatte eigentlich mehr Angst vor ihr als umgekehrt, immer wenn sie sich bewegte oder irgendwas an dem Set sich veränderte, schien die Schlange zu erschrecken und zuckte sich oder bewegte sich, anders als der Bildaufbau es eigentlich nahelegen würde. Und so bastelte man mit dem Tier an dem Set herum, bis es eben genau diesen einen perfekten Augenblick gab und ein Foto schuf, von dem alle, die den Abzug sahen, sofort wussten, das ist ein Winner. Vogue kaufte das Bild, es wurden Poster gedruckt und das Motiv ging um die Welt, Nastassja Kinski war sowieso schon Sexsymbol, ab jetzt hing sie als nackte Schönheit mit Schlange in den Teenagerzimmern der Welt. Und natürlich kommt hier viel zusammen, da ist einmal ihr wirklich ruhiger und kontrollierter Blick, die Erotik, die dieses Bild ausstrahlt, die Assoziation mit der Schöpfungsgeschichte, mit der Schlange, die Eva verführt, sie züngelt ihr ja ins Ohr. Und dann kommt noch dazu, dass Schlangen, besonders diese, die sich um Frauenkörper winden, ein Jahrtausende altes Fruchtbarkeitssymbol sind. Das Foto wird jedenfalls so ikonisch, dass es danach immer wieder zitiert und nachgeahmt wird, so ließ sich beispielsweise Jennifer Lawrence von dem Fotografen Patrick Demarchelier mit einer Boa Constrictor liegend, nur mit einem Armband bekleidet fotografieren. Und mal ganz ehrlich Leute, irgendwie ist es doch bizarr, oder? Ich meine wie stelle ich mir die Planung für so einen Fotoshoot vor: „Ja also wir dachten wir machen einen künstlerischen Akt, einen Akt der die Unabhängigkeit und die kraftvolle Selbstbestimmung unseres Models betont. Sie wird nackt auf dem Bauch liegen und die Kamera und damit den Betrachter direkt fixieren und für den künstlerischen Ausdruck dachten wir, bringen wir noch eine animalische, erotisierende Komponente ins Bild, wie wäre es, wenn eine Boa constrictor über ihren Körper schlängelt? [ Einspieler Applaus] Allerdings muss ich zugeben, gerade wenn ich diese beiden Fotos, die ich heute erwähnt habe, also die Aufnahme von Nastassja Kinski und die von Jennifer Lawrence vergleiche, wird schon klar, warum „Nastassja Kinski and the serpent“ von Richard Avedon die berühmtere Aufnahme ist.…
====> 30x Fotogeschichte(n) - Ein Lesebuch für Fotograf*innen mit und ohne Kamera <==== Diane Arbus war eine Ausnahme- Fotografin . Ihre Arbeiten werden immer noch wissentlich und unwissentlich in Filmen und fotografischen Arbeiten zitiert und brachen mit den Konventionen ihrer Zeit. So wie ihr berühmtestes Foto „The boy with the toy grenade“ Diane Arbus (Wikipedia) Child with Toy Hand Grenade in Central Park (Wikipedia) Child with a toy hand grenade in Central Park, N.Y.C. (The Met) Where Are Those Precious Mistakes? (Der Greif) Colin Wood, Diane Arbus’s ‘Child With A Toy Hand Grenade,’ Looks Back Revisiting Diane Arbus’s Most Famous Photo on Her 94th Birthday Was Diane Arbus the Most Radical Photographer of the 20th Century? (The Cut) In the Picture – A new biography of Diane Arbus (The New Yorker) Diane Arbus – The Artstory Howard Schatz – Kink Matt Groening (Wikipedia) Themenpatin: Petrina Engelke – @PetrinaEngelke , @moments_ny , Podcast „Notizen aus Amerika“ – Webseite , FYYD Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Dieses Video auf YouTube ansehen . Transkript Ich finde es immer wieder faszinierend: Kaum jemand kennt Fotografinnen und Fotografen, aber alle werden von ihren Arbeiten beeinflusst. Mein Beispiel heute ist eine Fotografin aus den 60ern, die im Wesentlichen Fotonerds kennen. Aber so unterschiedliche Werke wie Stanley Kubricks „Shining“ oder „Die Simpsons“ würden ohne ihre Arbeit anders aussehen, ganz egal, ob wir sie nun kennen oder nicht. Die Fotografin Diane Arbus hat ihre Kindheit während der Weltwirtschaftskrise verbracht und wuchs dann während dem Vietnamkrieg und der sexuellen Revolution in New York auf. Und ihr Start ins Leben war ein privilegierter. Ihre Eltern gehörten der New Yorker Upper Class an und hatten einen Department Store in der privilegierten 5th Avenue in New York. In Privatschulen ausgebildet und aufgezogen von Kindermädchen blieb sie weitgehend von den schweren Folgen der Weltwirtschaftskrise verschont. Mit 13 lernt sie Allan kennen, einen Mann, fünf Jahre älter als sie, der die Schule hingeschmissen hat und in der Werbeabteilung des Pelzladens ihres Vaters arbeitete. Die Beiden heiraten mit 18 und es dauert nicht lange und sie eröffnen ein gemeinsames Fotostudio, eine Leidenschaft, die Allan in die Beziehung mitbrachte. Er brachte ihr bei, wie man mit einer Kamera umging, wie man Film entwickelt und es dauerte nicht lange und das Paar etablierte sich als Fashionfotografen in New York. Zehn Jahre lang betrieben sie ein Studio zusammen. Obwohl das Studio erfolgreich war und die beiden auch gut zusammenarbeiteten, war schnell klar, dass Diane etwas anderes wollte, als für immer Studiofotografin zu sein. Wenn sie also nicht gerade damit beschäftigt war, Kleidung an Models zu pinnen, Konzepte für Werbekampagnen auszuarbeiten oder Familien im Studio zu portraitieren, lief sie mit ihrer Nikon Kamera durch die Stadt und fotografierte, was ihr so vor die Linse kam. Eines Tages kam sie mit einer frisch belichteten Rolle Film nach Hause und bat ihren Mann, den bevorzugt zu entwickeln. Die Negative, die da herauskamen, nummerierte sie mit einem Marker mit der Nummer 1. Hier startet eine Nummerierung, die sie bis zum Ende ihres Lebens durchhalten wird. Sie ist Mitte 30, als sie diesen ersten Film nummeriert. Es ist der Moment, in dem sie beschließt, eine andere Fotografin zu werden, in dem sie beschließt, Künstlerin sein zu wollen und nicht Auftragsfotografin. Es ist der Start von etwas Neuem. Am Anfang läuft Diane durch die Stadt und fotografiert, was man so in der Stadt sieht. Sie macht die klassischen Streetfotos, die viele von uns machen. Friseure durch die Glasscheibe hindurch, Familienszenen im Park, sie streift mit ihrer Kamera durch die Straßen und alles, was ihr Auge festhält, wird fotografiert. Sie entwickelt sich in eine andere Richtung als ihr Ehemann. Sie wird künstlerischer. Sie wünscht sich mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit. Es sind die 60er und die Arbus’s leben sowieso ein sehr offenes Modell der Beziehung und ihr Ehemann Allan unterstützt sie in ihrem Wunsch, unabhängiger zu sein. Er hilft ihr, ein anderes Studio in New York zu finden und hilft ihr beim Umzug. Um die Kinder kümmern sie sich gemeinsam. War die Kindheit von Diane im Wesentlichen von der Distanz zu ihren Eltern geprägt, war es Diane und Allan wichtig, ihren Kindern nah zu sein. Er kam oft vorbei, sie verbrachte viel Zeit mit ihnen und so gingen rund elf Jahre ins Land, bevor das Paar sich auch ganz offiziell, getrieben von einer neuen Partnerin Allans, die nicht ganz so polyamourös gestimmt waren wie die beiden, wirklich scheiden ließen. Es ist rund um die Zeit, als man eine Veränderung in ihrer Arbeit feststellen kann. Irgendwann entdeckt Diane, dass sie Fremde ansprechen kann, dass sie mit ihnen arbeiten kann, dass er sie posieren kann. Und aus der Schnappschussfotografie, die ihre frühen Arbeiten als unabhängige Fotografin prägt, werden plötzlich Fotos, die, ja, manchmal diesen Schnappschusscharakter haben, in denen aber die Motive ganz eindeutig wissen, dass sie fotografiert werden. Sie sind präsent. Sie schauen oft in die Kamera. Und Dianes Stil ist für die damalige Zeit ungewöhnlich, ja wahrscheinlich sogar schockierend. Sie pfeift auf etablierte gestalterische Regeln. Ihre Fotos sind selten kompositorische Meisterwerke. Rule of Thirds, Layers, Linien, ach was, Hauptsache, das Motiv ist stark genug. Dafür sucht sie gezielt Menschen, die so selten fotografiert werden. Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen. Nudisten. Groß- und Kleinwüchsige. Oder Mitglieder der New Yorker Unterwelt. Oder Subkulturen wie zum Beispiel die nach und nach aufkeimende Travestiebewegung. Diane hat keine Scheu vor diesen Menschen und sie fotografiert sie und setzt sie in Szene und ist dabei auch nicht zimperlich. Sie versucht, Fotos zu machen, denen man ansieht, dass sie den Menschen, die sie portraitiert, näher gekommen ist, dass sie etwas über die Menschen weiß, das sie dem Betrachtenden zeigen kann. Diane ist der Meinung, dass unser Äußeres nicht uns gehört, unser Äußeres spricht eine Sprache, die unsere Umwelt entziffern darf. Und so ist sie auch nicht zimperlich, wenn sie die Leute fotografiert. Und wenn es nötig ist, um ein Foto zu bekommen, lügt sie auch. „Nein, nein, das sind nur Kopfportraits, die ich hier mache“, sagt sie und fotografiert in Wirklichkeit die berühmte Feministin und Philosophin Ti-Grace Atkinson oben ohne. Genauso wenig konnte man sich darauf verlassen, wenn Diane sagte: „Nein, nein, die Bilder werden nie veröffentlicht werden.“. Aus heutiger Sicht ist Diane Arbus ethisch tatsächlich auf sehr glattem Eis unterwegs. Gleichzeitig schafft sie aber auch, mit ihren Fotos, gerade besonders auch den Fotos von benachteiligten Menschen, eine Bildsprache zu etablieren, die es vorher so nicht gab. Sie definiert Schönheit in der Fotografie völlig neu. Ihre Models haben eine Würde und eine Schönheit, die von innen strahlt. Sie selbst sagt: „Viele von uns verbringen ihre Lebenszeit damit, sich vor Traumas zu schützen. Wir verstecken uns vor Schmerz. Wir laufen weg von dem Unglück.“ Die Menschen, die Diane fotografiert, wurden oft mit ihren Traumas schon geboren. „Eigentlich“, sagt sie, „sind das die wahren Aristokraten; die Menschen, die das schon gemeistert haben, was viele von uns auf Teufel komm raus vermeiden wollen.“ Diane Arbus hat das Glück, relativ früh in der Kunstszene New Yorks aufzufallen. 1959, im Rahmen einer Ausstellung, lernt sie den Art Director Marvin Israel kennen. Er ist ein Jahr jünger als sie, selber Maler und verheiratet. Die Beiden werden trotzdem ein Paar, eine Beziehung, die bis zu ihrem Tod halten wird. Israels Frau scheint nichts dagegen zu haben. Wie gesagt, es ist die Zeit der sexuellen Revolution. In New Yorker Künstlerkreisen sieht man das nicht mehr so eng. Über ihren Freund lernt sie unter anderem auch Fotografen wie Richard Avedon kennen und es sind diese Einflüsse, die ihre Arbeit immer einprägsamer werden lassen. Sie arbeitet an verschiedenen Serien und macht in der Zeit mehrere Fotos, die bis heute Wiedererkennungswert haben. Früh fing sie zum Beispiel an, sich besonders für Zwillinge und Drillinge zu interessieren. Und eines ihrer berühmtesten Bilder zeigt zwei Zwillingsmädchen, die Händchen haltend nebeneinander stehen, direkt in die Kamera schauen und trotz dieser symmetrischen Pose und dem ähnlichen Äußeren einfach sehr, sehr unterschiedlich aussehen. Stanley Kubrick, der Diane Arbus auch persönlich kannte, wird dieses Bild später zitieren, in seinem berühmten Film „The Shining“. Der Film spielt in einem verwunschenen Hotel. Ein Familienvater, gespielt von Jack Nicholson, lässt sich mit seiner Familie dort über den Winter als eine Art Hausmeister in Residence einschneien und wie es sich für so ein Horrorhotel gehört, nimmt das Schicksal ab hier seinen Lauf. Der kleine Danny, der Sohn der Familie, fährt mit einem Dreirad durch die Gänge des Hotels und begegnet dort plötzlich zwei Händchen haltenden Mädchen. [Einspieler] „Hello, Danny. Come and play with us.“ Und die sehen schon sehr von Arbus’ Bild inspiriert aus. Ein anderes eher bekanntes Bild von ihr trägt den Titel „Jewish Giant“. Eigentlich zeigt es ein Familienfoto. Ein Sohn besucht seine Eltern, nur, dass der Sohn derart riesig ist, dass seine Eltern im Größenvergleich wie Zwerge wirken und er sich nur gebeugt im Wohnzimmer aufhalten kann. Alle stehen in diesem Bild, was es noch dramatischer aussehen lässt. Der Giant in dem Bild heißt Eddie Carmel und leidet an Gigantismus, einer Wachstumsstörung. Und was an dem Bild ganz besonders auffällig ist und für unsere heutigen Augen gar nicht mehr besonders wirkt, ist, wie verhältnismäßig schlampig das Bild eigentlich gemacht ist. Wir wissen, dass alle in diesem Bild sich der Fotografin im Raum bewusst waren. Vermutlich hatte Diane gefragt und sie hatte wohl die Erlaubnis, ein Foto der Familie zu machen. Und sie blitzt in den Raum. Sie hätte also alle Zeit der Welt gehabt, sich Gedanken über die Komposition zu machen oder das Licht zu planen. Die Tatsache, dass das Foto fast schon schnappschussartig aussieht, eine monströse Vignette im Bild ist und das Foto zum Teil überblitzt ist, muss man dann tatsächlich als Absicht interpretieren. Das war kein kurzer, spontaner Schnappschuss und Diane wusste nach jahrzehntelanger fotografischer Arbeit sehr wohl, was sie tat. Und so muteten die Bilder, die Diane schoss, der damaligen Gesellschaft nicht nur Fotomotive zu, die so noch nie zu sehen waren, sie markiert auch den Start einer völlig neuen Ästhetik. Und beides sind Effekte, die ab jetzt oft und gerne kopiert werden. Diese absichtliche Schlampigkeit im Bildaufbau, die interpretieren wir heute als Candid, als Schnappschussfotografie. Und ungewöhnliche Models sucht man sich heute auch viel regelmäßiger, als es damals üblich war. Ich habe mir vor Kurzem einen Bildband mit Auszügen aus dem Lebenswerk des berühmten amerikanischen Fotografen Howard Schatz gekauft und einer seiner langjährigen Fotoserien portraitiert die San Francisco Kink, Gay and Pride Scene, Menschen also, die gerade deswegen, weil sie anders aussehen, eine ganz besondere Faszination ausstrahlen. Und da gibt es durchaus Parallelen zu Diane Arbus‘ Werk, die Fotos von Travestiekünstlern und Nudisten gemacht hat. Aber selbst, wenn Diane einfach „nur“, in Anführungsstrichen, Streetfotos gemacht hat, war ihr Auge für die ungewöhnliche Situation oder das ungewöhnliche Motiv wirklich bemerkenswert. Und das bringt uns zu ihrem vielleicht berühmtesten Foto, dem Bild, das alle paar Jahre wieder eine Schlagzeile macht, wenn ein Originaldruck für mal fünfhundert- , mal siebenhundert tausend Dollar weiterverkauft wird. Es zeigt einen Jungen im Central Park in New York, ungefähr sieben Jahre alt. Er schaut uns an, mit weit und leicht irre aufgerissenen Augen und einem zur Grimasse verzogenen Gesicht. Man weiß nicht so genau, macht sich der Junge vielleicht ein bisschen lustig und albert für die Kamera herum oder ist da etwas Irres in dem Blick, vielleicht auch etwas Traurigkeit? Einer seiner Hosenträger ist heruntergerutscht. Vielleicht ist er ja auch herumgelaufen. Seine linke Hand scheint etwas Unsichtbares festzuhalten. Sie ist zu einer offenen Klaue verkrampft. Und in seiner rechten Hand hält er eine Handgranate. Es ist ein bemerkenswertes und ein verstörendes Foto. In dem Bild gibt es keine erkennbare Symmetrie, man vermutet fast, Diane Arbus hätte das Bild im Vorbeigehen geschossen. Spontan eben. Das Bild jedenfalls ist bemerkenswert und es fällt auf den Boden der gerade tobenden Kontroverse rund um den Vietnamkrieg. Und es zeigt den New Yorker Jungen Colin Wood. Der wird später erzählen, dass er sich eigentlich nicht mehr daran erinnert, wie Diane Arbus dieses Foto von ihm gemacht hat. Er hat allerdings eindeutig gewusst, dass er fotografiert wird, denn es gibt den kompletten Kontaktabzug, also die Reihe von Fotos, die vor diesem Bild und kurz nach diesem Bild entstanden sind und daran kann man sehen, dass Colin mit Diane Arbus wie ein typischer Siebenjähriger, sagen wir mal, zusammengearbeitet hat. Am Anfang ist er anscheinend noch etwas verlegen. Da kam eine junge Frau auf ihn zu und hat ihn gefragt, ob sie ihn fotografieren darf und er posed so ein bisschen und albert so ein bisschen herum für die Kamera. Er probiert sich aus, läuft herum und Diane positioniert sich in verschiedenen Winkeln zu ihm. Und irgendwann macht er eben dieses goofige Gesicht. Diese Handgranate in der einen Hand, dieser irre Gesichtsausdruck, diese zur Klaue geformte andere Hand ist für einen kleinen Augenblick zu sehen und Diane drückt in diesem Moment ab. Das Foto wird zu einer Ikone der amerikanischen Antikriegsbewegung. Aber auch die Anarchisten drucken es gerne auf ihre Plakate. In einem 17-jährigen Teenager aus Portland, Oregon, Matt Groening, steckt beides so ein bisschen. Er demonstriert zu der Zeit. Vielleicht hat er auch sogar mal ein Plakat mit dem Jungen und der Spielzeughandgranate herumgetragen, gesehen hat er es auf jeden Fall. Matt jedenfalls wird uns später mit einer Popkulturikone beschenken. [Einspieler – das „The Simpsons“ Intro] Und die Figur des Bart Simpson, sagt er später, basiert auf dem, was er in dieser Figur, in diesem Jungen mit der Granate gesehen hat. Eine gewisse Aufmüpfigkeit, eine Herkunft, die er da vermutete und so inspiriert der junge Colin Wood, der mit 7 Jahren und einer Spielzeughandgranate von Diane Arbus festgehalten wird, eine der ikonischsten Figuren der modernen Popkultur. Er erinnert sich, dass seine Kindheit zu der Zeit eher weniger spaßig war. Sein Vater befand sich mal wieder in einer Scheidung und der junge Colin lief einigermaßen unbetreut in New York durch die Gegend. Allerdings jetzt nicht verwahrlost oder so. Sein Vater war ein erfolgreicher Tennisspieler, öfters in den Top Ten in der Weltrangliste. Aber in der Jugend von Colin eben auch mehr mit sich selbst als mit seinem Sohn beschäftigt. Er war jetzt nicht gerade begeistert davon, dass sein Sohn sich plötzlich auf einem Foto der Antikriegsbewegung wiederfand und Colin erinnert sich auch, dass Schulkameraden das Bild gefunden hatten und es in der Schule aushingen. Alles Ereignisse, auf die er auch gut hätte verzichten können. Trotzdem hat ihn das Foto nicht weiter beeinflusst, sagt er. Nach der vierten und letzten Scheidung seines Vaters und seinem erfolgreichen Schulabschluss gründen die Beiden gemeinsam ein Unternehmen. Sie bauen Tennisplätze überall auf der Welt. Und sie sind erfolgreich. Nicht ganz so der Lebenslauf, den man sich von einem Jungen erwartet, dessen Foto für eine Weile in einer Ausstellung für unterprivilegierte Amerikaner zu sehen ist und auf Antikriegsdemonstrationen herumgetragen wird. Aber irgendwie auch nicht ganz ungewöhnlich für ein Foto von Diane Arbus. Sie ließ sich von diesem Moment überraschen. Wen interessiert da schon der Rest? Parallel arbeitet sie weiter an ihrer fotografischen Karriere. Sie landet relativ schnell Aufträge bei großen Magazinen. Die waren zu der Zeit durchaus experimentierfreudig und so darf sie Fotostrecken gestalten, die eher ungewöhnlich sind. Mit jedem Auftrag öffnen sich dann weitere Türen. Magazine wie „The Esquire“, „Harper’s BAZAAR“, aber auch Kunden wie der New York Times, Sports Illustrated, Herold Tribune, Diane Arbus ist schnell gefragt und kommt rum. Schnell hat sie einen Ruf als Fotografin, deren Bilder eher exzentrisch wirken. Selbst, wenn sie bekannte Persönlichkeiten oder Mitglieder der High Society fotografiert, sind ihre Fotos ungewöhnlich. Magazine schießen sich darauf ein und so werden bestimmte Aufträge gar nicht mehr an sie herangetragen. Klassische Politikerfotos? Naja, ist ja nicht wirklich etwas für Diane. Parallel zu ihren Auftragsarbeiten bemüht sich Diane auch immer um Unterstützung für freie Aufträge. Es gibt verschiedene Institutionen, die Stipendien für besonders interessante Arbeiten herausgeben, so zum Beispiel die Guggenheimstiftung. Von da ergeben sich auch verschiedene Reportageaufträge, die mal privat, mal öffentlich finanziert werden. Als sich die Magazinbranche allerdings im Umbruch befindet, gehen auch ihre Aufträge zurück und sie fängt an, zu lehren und bei Ausstellungen mitzuwirken. Während dieser ganzen Zeit leidet Diane unter massiven depressiven Schüben. Schon ihre Mutter kämpfte mit Depressionen und Diane hatte besonders nach einer Hepatitiserkrankung 1966 immer wiederkehrende zum Teil heftige Schübe. Sie suchte sich auch Hilfe und war in Behandlung, aber 1971 wurde ihr dann alles zu viel. Sie stellt ihren Terminkalender auf die Treppe, schreibt in ihr Notizbuch „Letztes Abendmahl“, bevor sie Schlafmittel nimmt und sich die Pulsadern auftrennt. Seither wird ihre Arbeit wieder und wieder neu entdeckt. 1972, also ein Jahr nach ihrem Tod, ist sie die erste amerikanische Fotografin überhaupt, die auf der Biennale in Venedig ausgestellt wird. Es geht eine Monografie von ihr um die Welt, das Museum of Modern Art macht eine Diane Arbus Retrospektive und einige ihrer fotografischen Ideen prägen bis heute die Fotografie.…
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