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Steven Erikson: Das Spiel der Götter - Ein Vorgespräch | #20

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Eröffnung zu Steven Eriksons Malazan Book of the Fallen.

Oftmals ist die Veröffentlichungspolitik deutscher Verlage eine einzige Katastrophe. Da werden Serien begonnen und nie zu Ende geführt, die Übersetzungen sind im besten Fall durchwachsen, die Editionen werden mittendrin ohne Sinn und Verstand gewechselt. Was die Übersetzung betrifft, hat man hier mit Tim Streatmann einen Glücksgriff getan, auch wenn “Das Spiel der Götter” als Titel von “Malazan Book of the Fallen” leicht daneben liegt, denn er impliziert ein Spiel, das die Götter spielen, was nicht der Fall ist; vielmehr tanzen hier viele Mächte ein Ringelreihen, und Götter können selbst von Sterblichen besiegt werden.

Verwendete Musik:

Hard Boiled by Kevin MacLeod
Link: https://incompetech.filmmusic.io/song/3857-hard-boiled
License: https://filmmusic.io/standard-license

Samba Isobel by Kevin MacLeod
Link: https://incompetech.filmmusic.io/song/4316-samba-isobel
License: https://filmmusic.io/standard-license

Transkript

Oftmals ist die Veröffentlichungspolitik deutscher Verlage eine einzige Katastrophe. Da werden Serien begonnen und nie zu Ende geführt, die Übersetzungen sind im besten Fall durchwachsen, die Editionen werden mittendrin ohne Sinn und Verstand gewechselt. Was die Übersetzung betrifft, hat man hier mit Tim Streatmann einen Glücksgriff getan, auch wenn “Das Spiel der Götter” als Titel von “Malazan Book of the Fallen” leicht daneben liegt, denn er impliziert ein Spiel, das die Götter spielen, was nicht der Fall ist; vielmehr tanzen hier viele Mächte ein Ringelreihen, und Götter können selbst von Sterblichen besiegt werden.

Die fast schon übliche Zweiteilung der einzelnen Romane ist hier gar nicht so unsinnig wie es zunächst scheint, denn die massiven Ziegelsteine, die Erikson schreibt, würden zusammengefasst eine Schriftgröße erfordern, die nicht mehr zu genießen ist. Bleibt noch die Kritik am Wechsel des Formats. Anfangs ärgerte ich mich natürlich wahnsinnig darüber, denn die Ausgaben seit 2000 waren gut und sogar die Cover ähnelten jenen der Originalausgabe (manchmal wurde sie zumindest für einen der Teilbände sogar ganz übernommen). Um also eine ordentliche Serie im Regal zu haben, müsste man sich das neue Format mit neuen Covern besorgen und die wirklich guten Bücher, die man bis dahin schon hatte, dem Müll übergeben. Es sei denn, es ist einem wurscht, welches Chaos im Regal herrscht. Den Ärger mal beiseite geschoben (das wird uns immer wieder so ergehen), sieht die neue Ausgabe im Schrank dann aber tatsächlich besser aus. Und da es bei mir ohnehin völlig chaotisch zugeht, ist die komplette Serie ein kleines Schmuckstück, auch wenn ich alles noch einmal kaufen muss (was natürlich ein persönliches Ding ist).

Die Wurzeln im Tabletop-Spiel

Wie einige der legendärsten Fantasy-Welten hat auch die Welt um Malazan ihre Wurzeln im Tabletop-Spiel. Ab 1981 begannen die beiden kanadischen Autoren Ian Cameron Esslemont und Steven Erikson mit Hilfe von Advanced Dungeons and Dragons (später GURPS – Generic Universal Role Playing System), eine Fantasy-Welt zu erschaffen, wie sie noch nie zuvor gesehen worden war.

Esslemont schrieb in den späten 1980er Jahren zwei Romane, Night of Knives und Return of the Crimson Guard, aber sie wurden erst fast zwanzig Jahre später (stark überarbeitet) veröffentlicht. Erikson schrieb ein Drehbuch namens Gardens of the Moon, und als niemand Interesse zeigte, überarbeitete er das Skript zu einen Roman. Wieder war niemand interessiert. Erst als Erikson 1998 den Mainstream-Roman This River Awakens veröffentlicht hatte und dann von Kanada nach Großbritannien zog, erregte er endlich Aufmerksamkeit. Die Gärten des Mondes wurden 1999 mit großem Erfolg herausgebracht und die Legende nahm ihren Lauf.

Der glückliche Zufall

Erikson hatte bereits mit der Arbeit an der ersten Fortsetzung, Memories of Ice, begonnen, als die Festplatte seines Computers den Geist aufgab. Da er keine Backups hatte und nicht bereit war, von vorne anzufangen, begann er stattdessen einen ganz anderen Roman zu schreiben, der auf einem anderen Kontinent spielte. Dieser Roman wurde zu Im Reich der Sieben Städte / Im Bann der Wüste (Deadhouse Gates; 2000). Bei diesem doch eher glücklichen Zufall nahm die Serie ihre vertraute Struktur des Wechsels der Protagonisten und Schauplätze mit jedem weiteren Buch an.

Erikson arbeitete für das nächste Jahrzehnt fast ohne Unterbrechung an der Serie: Das neu geschriebene Memories of Ice (Die eisige Zeit / Der Tag des Sehers) wurde schließlich 2001 veröffentlicht. Es folgten Der Krieg der Schwestern / Das Haus der Ketten (House of Chains; 2002), Kinder des Schattens / Gezeiten der Nacht (Midnight Tides; 2004), Die Feuer der Rebellion / Die Knochenjäger (The Bonehunters; 2006), Der goldene Herrscher / Im Sturm des Verderbens (Reaper’s Gale; 2007), Die Stadt des blauen Feuers / Tod eines Gottes (Toll the Hounds; 2008), Die Flucht der Kinder / Die Schwingen der Dunkelheit (Dust of Dreams; 2009) und Die gläserne Wüste / Der verkrüppelte Gott (The Crippled God; 2011), die das zentrale Motiv der Malazan Book of the Fallen-Sequenz vervollständigten. Gegenwärtig sind alle Bücher übersetzt (die letzten beiden aus Gründen, die ich nicht kenne, von Simon Weinert) und sind für nächstes Jahr angekündigt.

In der Zwischenzeit schrieb Esslemont die komplementäre Sequenz Tales of the Malazan Empire, die sechs Bände umfasst. Esslemonts Romane folgen meist dem, was im Malazanischen Empire passiert, wenn sich Eriksons Kernsequenz von den dortigen Handlungen entfernt und den Ereignissen auf der anderen Seite der Welt folgt.

Meine Anfrage an Blanvelet, ob damit zu rechnen sei, eines Tages auch die Esslemont-Sequenz in Übersetzung vorliegen zu haben, wurde vom Verlag nicht beantwortet, was sehr bedauerlich ist, aber nicht zum ersten Mal passiert. Nach Abschluss der Hauptserie begann Erikson mit dem Schreiben der Kharkanas-Trilogie, einer Prequel-Serie, die über 300.000 Jahre vor der Malazan-Hauptserie spielt. Der letzte Band steht noch aus. Und auch Esslemont schreibt gegenwärtig eine Prequel-Serie, die ein Jahrhundert vor der Gründung des Malazanischen Imperiums (und somit der Hauptserie) spielt.

Eine neue Messlatte im Fantasy-Kanon

Ich lehne mich sicher nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass wir in Deutschland niemals in den Genuss der ganzen Serie kommen werden. Wer von den Lesern sich hinauswagt, um eine jetzt schon klassisch zu nennende (und gewaltige) Romanserie zu lesen, könnte bereits das erste Buch der Serie völlig überwältigt und verwirrt bei Seite 200 niederlegen, und wäre damit in bester Gesellschaft. Das nämlich wird von den meisten, die vorzeitig aus der Serie ausgestiegen sind, in etwa angegeben. Es gibt aber auch jene, denen beim Lesen sehr schnell klar wird, dass sie der Entstehung eines einzigartigen Meisterwerks beiwohnen.

Steven Erikson hat mit der Serie „The Malazan Book of the Fallen“ die Messlatte für die Fantasy-Literatur auf eine neue Stufe gelegt. Die volle Wirkung, die seine Art des Geschichtenerzählens auf die Welt der Literatur hat, wird wohl erst in einigen Jahren spürbar sein, aber es gibt doch bereits einige – Fans des Genres und der Serie – die jetzt schon begreifen, wie sehr diese Saga die Welt verändert hat. Es ist nicht vermessen, zu behaupten, dass dies eine der bedeutendsten Fantasy-Serien ist, die je geschrieben wurden. Zumindest ist es schwer, etwas zu finden, das ihr auch nur nahe kommt. Doch Eriksons Werk geht weit darüber hinaus, das Meisterwerk eines bestimmten Genres zu sein; es ist das Kronjuwel der erzählenden Literatur an sich. Kaum ein noch so gefeierter Autor hat jemals so etwas Gewaltiges geschaffen. Leider wird das außerhalb des Genres nicht wahrgenommen werden. Die Ignoranz ist schließlich nicht weniger gewaltig. Natürlich hat Erikson die Bücher nicht geschrieben, um damit Preise oder Ruhm zu ernten. Wäre es ihm darum gegangen, hätte er seine Arbeit zugänglicher gestaltet, denn Preise gewinnt man nun einmal nur dann, wenn man eine gewisse Tagesaktualität verfolgt und nicht unbedingt Universalität abbildet. Stattdessen hat er eine Reihe von Büchern geschrieben, die man im Grunde nur den fortgeschrittenen Lesern da draußen ans Herz legen kann. Und selbst die müssen mindestens zwei Durchgänge in Kauf nehmen, um die Fülle an Informationen, Handlungen, Schauplätzen und Figuren, die Erikson präsentiert, vollständig zu verstehen.

Wer immer sich entscheidet, das „Spiel der Götter“ zu lesen, begeht keinen Fehler und wird vermutlich eine der anspruchsvollsten literarischen Erfahrungen seines Lebens machen. Der Gewinn ist zu groß, um ihn zu ignorieren. Steven Erikson nimmt den Leser nicht an der Hand. Er zwingt ihn, sich Fragen zu stellen und selbständig zu denken, wie es nur wenige Autoren überhaupt wagen würden, aus Angst, kein Publikum zu finden. Aber er hat sein Publikum gefunden, und das ist gar nicht klein.

Ein neuer Begriff für das Epische

Steven Erikson wusste ganz genau, wo er hin wollte, und er wusste auch, dass es einer der längsten Wege der Literaturgeschichte werden würde (gegenwärtig ist nur Robert Jordans “Rad der Zeit” umfangreicher, zu Ende gebracht hat er seine Serie nicht, das wurde von Brandon Sanderson erledigt). In Die Gärten des Mondes findet er gerade erst heraus, wie er das Gleichgewicht zwischen der Komplexität im Weltenbau und der Klarheit des Geschichtenerzählens herstellen kann. Und die Welt, die wir hier geboten bekommen, ist wahrlich atemberaubend. Erikson hat Jahrzehnte seines Lebens damit zugebracht, den Grundstein für diese Serie zu legen. Die Erfahrung, die er als professioneller Anthropologe und Archäologe gesammelt hat, merkt man jeder dieser fabulösen Seiten an. Das Reich der Malazaner, der Kontinent Genabackis und die Freien Städte sind mit einem herausragenden Detailreichtum ausgestattet. Sie fühlen sich echt an. Und dieses erste Buch ist die Hürde, die es grundsätzlich zu nehmen gilt. Das Niveau der schieren Daten kann durchaus beängstigend sein. Dies alles sollte trotzdem niemanden von diesem außerordentlichen Lesevergnügen abbringen.

Episch ist ein Wort, das in der Welt der Fantasy und Science Fiction oft verwendet wird, aber Steven Erikson hat den Begriff neu definiert. Die Geduld, die man für manche Passagen des ersten Bandes benötigt, sollte man aufbringen, denn nach den schwierigen „Gärten des Mondes“ bekommen wir mit „Deadhouse Gates“ (Im Reich der Sieben Städte / Im Bann der Wüste) einen der stärksten Teile der Serie, und spätestens im dritten Band will man alles über die Welt von Malazan wissen.

Außerdem gibt es auf den fast 9.000 Seiten so viele wunderbare Charaktere, dass die Hälfte von ihnen selbst als Protagonisten eines eigenen Romans taugen würden. Der Weltenbau ist hier in einem beispiellosen Ausmaß angelegt und Erikson hat mit der Welt des Malazanischen Imperiums Romane vorgelegt, denen man sein ganzes Leben widmen könnte. All das wäre aber nicht halb so viel wert, wenn Eriksons Stil nicht voller Witz, Charme, philosophischer Brillanz und so voller Fantasie wäre, dass er damit die kreativsten Autoren durchaus auf die Plätze verweist. Man wird es nicht leicht haben, dem zu widersprechen und jemanden zu benennen – egal aus welchem Genre – der sich mit dieser gewaltigen Arbeit messen lassen kann. Selbstverständlich sind die Geschmäcker verschieden und sie Serie ist nicht etwa fehlerfrei. Ich sage noch nicht einmal, dass es meine Lieblingsserie ist, auch wenn sich das so anhören mag, aber rein technisch gesehen zeigt ist sie mehr als beeindruckend.

Der Humor in den Büchern

Der eine Aspekt, über den bisher nicht annähernd genug gesprochen wurde, ist der Humor in den Büchern. Diese Serie ist weit davon entfernt, eine Komödie zu sein, und doch ist Erikson ein Meister des Dialogs und hält den Leser die ganze Serie über in Atem. Und das ist gar keine leichte Aufgabe, bedenkt man, wie dunkel einige Stellen der Romane sind. Leider dauert es eine Weile, bis sich eine emotionale Verbindung zu Eriksons Figuren einstellt, weil es so viele von ihnen gibt. Aber sobald diese Bindung da ist, werden all diese Charaktere zu alten Freunden werden.

Zurecht ist Das Spiel der Götter die Serie, mit der alle anderen bedeutenden Fantasy-Serien gegenwärtig verglichen werden. Erikson hat quasi im Alleingang (auch wenn Esslemont seine eigenen Netze spannt) all das, was wir über Fantasy zu wissen glauben, verändert und neu definiert. Fantasy-Fans auf der ganzen Welt wissen, dass wir ein Werk dieser Größenordnung vermutlich nie wieder zu Gesicht bekommen werden (auch wenn mit Brandon Sanderson jederzeit zu rechnen ist). Es ist die Vision eines ganzen Lebens und Steven Erikson hat sich mit The Malazan Book Of The Fallen an die Spitze seines Genres gesetzt und als einer der visionärsten Autoren etabliert, die es heutzutage gibt.

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Eröffnung zu Steven Eriksons Malazan Book of the Fallen.

Oftmals ist die Veröffentlichungspolitik deutscher Verlage eine einzige Katastrophe. Da werden Serien begonnen und nie zu Ende geführt, die Übersetzungen sind im besten Fall durchwachsen, die Editionen werden mittendrin ohne Sinn und Verstand gewechselt. Was die Übersetzung betrifft, hat man hier mit Tim Streatmann einen Glücksgriff getan, auch wenn “Das Spiel der Götter” als Titel von “Malazan Book of the Fallen” leicht daneben liegt, denn er impliziert ein Spiel, das die Götter spielen, was nicht der Fall ist; vielmehr tanzen hier viele Mächte ein Ringelreihen, und Götter können selbst von Sterblichen besiegt werden.

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Oftmals ist die Veröffentlichungspolitik deutscher Verlage eine einzige Katastrophe. Da werden Serien begonnen und nie zu Ende geführt, die Übersetzungen sind im besten Fall durchwachsen, die Editionen werden mittendrin ohne Sinn und Verstand gewechselt. Was die Übersetzung betrifft, hat man hier mit Tim Streatmann einen Glücksgriff getan, auch wenn “Das Spiel der Götter” als Titel von “Malazan Book of the Fallen” leicht daneben liegt, denn er impliziert ein Spiel, das die Götter spielen, was nicht der Fall ist; vielmehr tanzen hier viele Mächte ein Ringelreihen, und Götter können selbst von Sterblichen besiegt werden.

Die fast schon übliche Zweiteilung der einzelnen Romane ist hier gar nicht so unsinnig wie es zunächst scheint, denn die massiven Ziegelsteine, die Erikson schreibt, würden zusammengefasst eine Schriftgröße erfordern, die nicht mehr zu genießen ist. Bleibt noch die Kritik am Wechsel des Formats. Anfangs ärgerte ich mich natürlich wahnsinnig darüber, denn die Ausgaben seit 2000 waren gut und sogar die Cover ähnelten jenen der Originalausgabe (manchmal wurde sie zumindest für einen der Teilbände sogar ganz übernommen). Um also eine ordentliche Serie im Regal zu haben, müsste man sich das neue Format mit neuen Covern besorgen und die wirklich guten Bücher, die man bis dahin schon hatte, dem Müll übergeben. Es sei denn, es ist einem wurscht, welches Chaos im Regal herrscht. Den Ärger mal beiseite geschoben (das wird uns immer wieder so ergehen), sieht die neue Ausgabe im Schrank dann aber tatsächlich besser aus. Und da es bei mir ohnehin völlig chaotisch zugeht, ist die komplette Serie ein kleines Schmuckstück, auch wenn ich alles noch einmal kaufen muss (was natürlich ein persönliches Ding ist).

Die Wurzeln im Tabletop-Spiel

Wie einige der legendärsten Fantasy-Welten hat auch die Welt um Malazan ihre Wurzeln im Tabletop-Spiel. Ab 1981 begannen die beiden kanadischen Autoren Ian Cameron Esslemont und Steven Erikson mit Hilfe von Advanced Dungeons and Dragons (später GURPS – Generic Universal Role Playing System), eine Fantasy-Welt zu erschaffen, wie sie noch nie zuvor gesehen worden war.

Esslemont schrieb in den späten 1980er Jahren zwei Romane, Night of Knives und Return of the Crimson Guard, aber sie wurden erst fast zwanzig Jahre später (stark überarbeitet) veröffentlicht. Erikson schrieb ein Drehbuch namens Gardens of the Moon, und als niemand Interesse zeigte, überarbeitete er das Skript zu einen Roman. Wieder war niemand interessiert. Erst als Erikson 1998 den Mainstream-Roman This River Awakens veröffentlicht hatte und dann von Kanada nach Großbritannien zog, erregte er endlich Aufmerksamkeit. Die Gärten des Mondes wurden 1999 mit großem Erfolg herausgebracht und die Legende nahm ihren Lauf.

Der glückliche Zufall

Erikson hatte bereits mit der Arbeit an der ersten Fortsetzung, Memories of Ice, begonnen, als die Festplatte seines Computers den Geist aufgab. Da er keine Backups hatte und nicht bereit war, von vorne anzufangen, begann er stattdessen einen ganz anderen Roman zu schreiben, der auf einem anderen Kontinent spielte. Dieser Roman wurde zu Im Reich der Sieben Städte / Im Bann der Wüste (Deadhouse Gates; 2000). Bei diesem doch eher glücklichen Zufall nahm die Serie ihre vertraute Struktur des Wechsels der Protagonisten und Schauplätze mit jedem weiteren Buch an.

Erikson arbeitete für das nächste Jahrzehnt fast ohne Unterbrechung an der Serie: Das neu geschriebene Memories of Ice (Die eisige Zeit / Der Tag des Sehers) wurde schließlich 2001 veröffentlicht. Es folgten Der Krieg der Schwestern / Das Haus der Ketten (House of Chains; 2002), Kinder des Schattens / Gezeiten der Nacht (Midnight Tides; 2004), Die Feuer der Rebellion / Die Knochenjäger (The Bonehunters; 2006), Der goldene Herrscher / Im Sturm des Verderbens (Reaper’s Gale; 2007), Die Stadt des blauen Feuers / Tod eines Gottes (Toll the Hounds; 2008), Die Flucht der Kinder / Die Schwingen der Dunkelheit (Dust of Dreams; 2009) und Die gläserne Wüste / Der verkrüppelte Gott (The Crippled God; 2011), die das zentrale Motiv der Malazan Book of the Fallen-Sequenz vervollständigten. Gegenwärtig sind alle Bücher übersetzt (die letzten beiden aus Gründen, die ich nicht kenne, von Simon Weinert) und sind für nächstes Jahr angekündigt.

In der Zwischenzeit schrieb Esslemont die komplementäre Sequenz Tales of the Malazan Empire, die sechs Bände umfasst. Esslemonts Romane folgen meist dem, was im Malazanischen Empire passiert, wenn sich Eriksons Kernsequenz von den dortigen Handlungen entfernt und den Ereignissen auf der anderen Seite der Welt folgt.

Meine Anfrage an Blanvelet, ob damit zu rechnen sei, eines Tages auch die Esslemont-Sequenz in Übersetzung vorliegen zu haben, wurde vom Verlag nicht beantwortet, was sehr bedauerlich ist, aber nicht zum ersten Mal passiert. Nach Abschluss der Hauptserie begann Erikson mit dem Schreiben der Kharkanas-Trilogie, einer Prequel-Serie, die über 300.000 Jahre vor der Malazan-Hauptserie spielt. Der letzte Band steht noch aus. Und auch Esslemont schreibt gegenwärtig eine Prequel-Serie, die ein Jahrhundert vor der Gründung des Malazanischen Imperiums (und somit der Hauptserie) spielt.

Eine neue Messlatte im Fantasy-Kanon

Ich lehne mich sicher nicht weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass wir in Deutschland niemals in den Genuss der ganzen Serie kommen werden. Wer von den Lesern sich hinauswagt, um eine jetzt schon klassisch zu nennende (und gewaltige) Romanserie zu lesen, könnte bereits das erste Buch der Serie völlig überwältigt und verwirrt bei Seite 200 niederlegen, und wäre damit in bester Gesellschaft. Das nämlich wird von den meisten, die vorzeitig aus der Serie ausgestiegen sind, in etwa angegeben. Es gibt aber auch jene, denen beim Lesen sehr schnell klar wird, dass sie der Entstehung eines einzigartigen Meisterwerks beiwohnen.

Steven Erikson hat mit der Serie „The Malazan Book of the Fallen“ die Messlatte für die Fantasy-Literatur auf eine neue Stufe gelegt. Die volle Wirkung, die seine Art des Geschichtenerzählens auf die Welt der Literatur hat, wird wohl erst in einigen Jahren spürbar sein, aber es gibt doch bereits einige – Fans des Genres und der Serie – die jetzt schon begreifen, wie sehr diese Saga die Welt verändert hat. Es ist nicht vermessen, zu behaupten, dass dies eine der bedeutendsten Fantasy-Serien ist, die je geschrieben wurden. Zumindest ist es schwer, etwas zu finden, das ihr auch nur nahe kommt. Doch Eriksons Werk geht weit darüber hinaus, das Meisterwerk eines bestimmten Genres zu sein; es ist das Kronjuwel der erzählenden Literatur an sich. Kaum ein noch so gefeierter Autor hat jemals so etwas Gewaltiges geschaffen. Leider wird das außerhalb des Genres nicht wahrgenommen werden. Die Ignoranz ist schließlich nicht weniger gewaltig. Natürlich hat Erikson die Bücher nicht geschrieben, um damit Preise oder Ruhm zu ernten. Wäre es ihm darum gegangen, hätte er seine Arbeit zugänglicher gestaltet, denn Preise gewinnt man nun einmal nur dann, wenn man eine gewisse Tagesaktualität verfolgt und nicht unbedingt Universalität abbildet. Stattdessen hat er eine Reihe von Büchern geschrieben, die man im Grunde nur den fortgeschrittenen Lesern da draußen ans Herz legen kann. Und selbst die müssen mindestens zwei Durchgänge in Kauf nehmen, um die Fülle an Informationen, Handlungen, Schauplätzen und Figuren, die Erikson präsentiert, vollständig zu verstehen.

Wer immer sich entscheidet, das „Spiel der Götter“ zu lesen, begeht keinen Fehler und wird vermutlich eine der anspruchsvollsten literarischen Erfahrungen seines Lebens machen. Der Gewinn ist zu groß, um ihn zu ignorieren. Steven Erikson nimmt den Leser nicht an der Hand. Er zwingt ihn, sich Fragen zu stellen und selbständig zu denken, wie es nur wenige Autoren überhaupt wagen würden, aus Angst, kein Publikum zu finden. Aber er hat sein Publikum gefunden, und das ist gar nicht klein.

Ein neuer Begriff für das Epische

Steven Erikson wusste ganz genau, wo er hin wollte, und er wusste auch, dass es einer der längsten Wege der Literaturgeschichte werden würde (gegenwärtig ist nur Robert Jordans “Rad der Zeit” umfangreicher, zu Ende gebracht hat er seine Serie nicht, das wurde von Brandon Sanderson erledigt). In Die Gärten des Mondes findet er gerade erst heraus, wie er das Gleichgewicht zwischen der Komplexität im Weltenbau und der Klarheit des Geschichtenerzählens herstellen kann. Und die Welt, die wir hier geboten bekommen, ist wahrlich atemberaubend. Erikson hat Jahrzehnte seines Lebens damit zugebracht, den Grundstein für diese Serie zu legen. Die Erfahrung, die er als professioneller Anthropologe und Archäologe gesammelt hat, merkt man jeder dieser fabulösen Seiten an. Das Reich der Malazaner, der Kontinent Genabackis und die Freien Städte sind mit einem herausragenden Detailreichtum ausgestattet. Sie fühlen sich echt an. Und dieses erste Buch ist die Hürde, die es grundsätzlich zu nehmen gilt. Das Niveau der schieren Daten kann durchaus beängstigend sein. Dies alles sollte trotzdem niemanden von diesem außerordentlichen Lesevergnügen abbringen.

Episch ist ein Wort, das in der Welt der Fantasy und Science Fiction oft verwendet wird, aber Steven Erikson hat den Begriff neu definiert. Die Geduld, die man für manche Passagen des ersten Bandes benötigt, sollte man aufbringen, denn nach den schwierigen „Gärten des Mondes“ bekommen wir mit „Deadhouse Gates“ (Im Reich der Sieben Städte / Im Bann der Wüste) einen der stärksten Teile der Serie, und spätestens im dritten Band will man alles über die Welt von Malazan wissen.

Außerdem gibt es auf den fast 9.000 Seiten so viele wunderbare Charaktere, dass die Hälfte von ihnen selbst als Protagonisten eines eigenen Romans taugen würden. Der Weltenbau ist hier in einem beispiellosen Ausmaß angelegt und Erikson hat mit der Welt des Malazanischen Imperiums Romane vorgelegt, denen man sein ganzes Leben widmen könnte. All das wäre aber nicht halb so viel wert, wenn Eriksons Stil nicht voller Witz, Charme, philosophischer Brillanz und so voller Fantasie wäre, dass er damit die kreativsten Autoren durchaus auf die Plätze verweist. Man wird es nicht leicht haben, dem zu widersprechen und jemanden zu benennen – egal aus welchem Genre – der sich mit dieser gewaltigen Arbeit messen lassen kann. Selbstverständlich sind die Geschmäcker verschieden und sie Serie ist nicht etwa fehlerfrei. Ich sage noch nicht einmal, dass es meine Lieblingsserie ist, auch wenn sich das so anhören mag, aber rein technisch gesehen zeigt ist sie mehr als beeindruckend.

Der Humor in den Büchern

Der eine Aspekt, über den bisher nicht annähernd genug gesprochen wurde, ist der Humor in den Büchern. Diese Serie ist weit davon entfernt, eine Komödie zu sein, und doch ist Erikson ein Meister des Dialogs und hält den Leser die ganze Serie über in Atem. Und das ist gar keine leichte Aufgabe, bedenkt man, wie dunkel einige Stellen der Romane sind. Leider dauert es eine Weile, bis sich eine emotionale Verbindung zu Eriksons Figuren einstellt, weil es so viele von ihnen gibt. Aber sobald diese Bindung da ist, werden all diese Charaktere zu alten Freunden werden.

Zurecht ist Das Spiel der Götter die Serie, mit der alle anderen bedeutenden Fantasy-Serien gegenwärtig verglichen werden. Erikson hat quasi im Alleingang (auch wenn Esslemont seine eigenen Netze spannt) all das, was wir über Fantasy zu wissen glauben, verändert und neu definiert. Fantasy-Fans auf der ganzen Welt wissen, dass wir ein Werk dieser Größenordnung vermutlich nie wieder zu Gesicht bekommen werden (auch wenn mit Brandon Sanderson jederzeit zu rechnen ist). Es ist die Vision eines ganzen Lebens und Steven Erikson hat sich mit The Malazan Book Of The Fallen an die Spitze seines Genres gesetzt und als einer der visionärsten Autoren etabliert, die es heutzutage gibt.

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