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Martin Suter – Melody

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Tom ist 30, hat lange studiert und weiß jetzt trotzdem nicht so richtig, was anfangen mit diesem Leben, Lust "richtig" zu arbeiten hat er jedenfalls nicht. Da liest er in der Zeitung eine Anzeige, und weil er Bewerbungen fürs Arbeitslosengeld sammelt, schickt er seinen Lebenslauf ein: "Gesucht: Vertrauenswürdiger, gebildeter jüngerer Mann für Nachlassordnung. Juristische Vorkenntnisse erwünscht. Vollzeit. Faire Bezahlung." Und tatsächlich bekommt Tom die Stelle. In einer imposanten Villa in Zürich lernt er seinen Arbeitgeber kennen, Dr. Peter Stotz, einst wichtige Persönlichkeit des öffentlichen Lebens: Nationalrat, Politiker, Strippenzieher, Wirtschaftsgröße, Kunstmäzen – steinreich, doch sehr alt und sehr krank, sein Arzt gibt ihm noch etwa ein Jahr. In diesem Jahr soll Tom sich dem Nachlass der grauen Eminenz widmen – Tom macht sich an die Arbeit, beginnt kistenweise Papiere zu sichten, lebt sich ein in dem altertümlichen Haushalt mit Butler, Köchin und Privatschneider. Und er schaut sich in der Villa um. Schnell fällt ihm auf: überall hängen Bilder mit immer dem gleichen Motiv: das einer schönen, jungen Frau. Dr. Stotz hob den Schwenker, trank dann einen kleinen Schluck. "Nun zu der Frau auf dem Bild". Und ohne weitere Einführung fing er an zu erzählen. "An einem heißen Sommertag – es war der 16. August 1980, wollte ich ein paar Bücher kaufen. Eine junge Buchhändlerin, die ich noch nie gesehen hatte, bediente mich." Diese schöne Frau ist "Melody", Dr. Stotz‘ große Liebe, wie Tom erfährt. Melody stammt aus einer muslimischen Familie, ist klug und nahezu betörend wunderschön. Dr. Stotz will sie heiraten, anderthalb Jahre wird die Hochzeit vorbereitet, doch dann verschwindet Melody kurz vor dem Fest 1983 plötzlich spurlos. Hat ihre muslimische Familie, die gegen die Verbindung war, sie entführt? Dr. Stotz bleibt allein zurück, doch er sucht seine Geliebte ein Leben lang. Er sucht sie in Marokko, in Griechenland, verfolgt rätselhafte Spuren, eine asiatische Briefbekanntschaft zum Beispiel, doch er findet Melody nie. All das erzählt der alte, gebrechliche Dr. Stotz Tom in langen, von viel Alkohol begleiteten Kamingesprächen. Peter Stotz erscheint Tom als tragische Figur, der seine Geliebte nie vergessen hat – doch natürlich ist alles nicht so wie es scheint. Suchen wir nicht alle nach einer Geschichte, die uns interessanter macht? Peter tat das auch. Nur besser als die meisten. Ja, der trauernde, ewig Liebende Peter Stotz ist ein guter Geschichtenerzähler, und der Autor Martin Suter ist das eigentlich auch – nur in diesem Buch leider nicht. Das große Problem dieses Romans ist seine langatmige Erzählweise. Alles plätschert so vor sich hin, immer hofft man, ok, jetzt wird’s interessant – wird es aber nicht. Dreiviertel nimmt die von Dr. Stotz referierte seitenlange Melody-Geschichte ein, zwischendurch werden die köstlichen italienischen Speisen der hauseigenen Köchin und die diversen teuren Alkoholika sehr genau beschrieben. Im letzten Teil versucht Suter dann sowas wie Spannung aufzubauen in dem er Tom und Stotz‘ Nichte Laura auf Reisen und Spurensuche schickt. Der Weg führt sie nach Griechenland – doch auch dort es wird nicht besser, nur schmalziger: Sie saßen unter einem hellgelben Sonnenschirm an einem weiß gedeckten Tisch auf der Dachterrasse ihres Hotels. Der Himmel war blau, aber etwas dunstig, die Akropolis sah aus, als trüge sie einen Schleier.
"Der Dunst macht die Akropolis etwas eindimensional", sagte Laura, "wie ein Bild."
"Ja. So sieht sie noch mehr aus wie ein Schulbuchumschlag. Daran erinnert sie mich immer. Die arme. Das hat dieses Baudenkmal nicht verdient." Was dieser Roman aber verdient hätte, neben einem anständigen Spannungsbogen, wären komplexere Charaktere. Stotz‘ Nichte Laura, die natürlich mit Tom anbändelt, gehört noch zu den interessantesten, doch leider kann man das von den anderen Figuren nicht behaupten. Vor allem das Personal der Stotz’schen Villa scheint aus einem Schablonenbuch der gehobenen Schweizer Gesellschaft entsprungen zu sein: vom steifen Butler, der tatsächlich "Dinner is served" meldet, über die italienische Köchin, die immer zu viel auftischt, bis hin zur peniblen Sekretärin. Es klopfte und Roberto führte Frau Favre herein. Eine sehr schlanke, zarte ältere Dame. Ihre Haut so transparent, dass das blaue Adernetz durchschimmerte. Die hohen Bleistiftabsätze, die stolze Haltung und die Turmfrisur aus den Sechzigerjahren ließen sie größer erscheinen, als sie war. "Melody" gehört nicht zu den besten Büchern Martin Suters, aber der Autor hat eine treue Fangemeinde, und sicher wird diese auch seiner "Melody" etwas abgewinnen können. Und wer die geballte Langatmigkeit des Romans übersteht, der wird am Ende auch mit einer kleinen Überraschung belohnt, immerhin.
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"Der Dunst macht die Akropolis etwas eindimensional", sagte Laura, "wie ein Bild."
"Ja. So sieht sie noch mehr aus wie ein Schulbuchumschlag. Daran erinnert sie mich immer. Die arme. Das hat dieses Baudenkmal nicht verdient." Was dieser Roman aber verdient hätte, neben einem anständigen Spannungsbogen, wären komplexere Charaktere. Stotz‘ Nichte Laura, die natürlich mit Tom anbändelt, gehört noch zu den interessantesten, doch leider kann man das von den anderen Figuren nicht behaupten. Vor allem das Personal der Stotz’schen Villa scheint aus einem Schablonenbuch der gehobenen Schweizer Gesellschaft entsprungen zu sein: vom steifen Butler, der tatsächlich "Dinner is served" meldet, über die italienische Köchin, die immer zu viel auftischt, bis hin zur peniblen Sekretärin. Es klopfte und Roberto führte Frau Favre herein. Eine sehr schlanke, zarte ältere Dame. Ihre Haut so transparent, dass das blaue Adernetz durchschimmerte. Die hohen Bleistiftabsätze, die stolze Haltung und die Turmfrisur aus den Sechzigerjahren ließen sie größer erscheinen, als sie war. "Melody" gehört nicht zu den besten Büchern Martin Suters, aber der Autor hat eine treue Fangemeinde, und sicher wird diese auch seiner "Melody" etwas abgewinnen können. Und wer die geballte Langatmigkeit des Romans übersteht, der wird am Ende auch mit einer kleinen Überraschung belohnt, immerhin.
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