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Bernd Röthig bringt Trabis auf Trab

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Aus den „Sichtweisen“, Ausgabe 3/19

An Autos zu schrauben war schon als Kind Bernd Röthigs Leidenschaft. Inzwischen besitzt er vier Autos, die er selbst wieder ans Laufen gebracht hat. Für einen alten Trabant 600 brauchte er vier Jahre; Freunde unterstützten ihn bei diesem Großprojekt. Fahren darf der Leipziger seine Oldtimer mangels Sehvermögen nicht, dennoch begeistern sie ihn.

Von Bernd Röthig

Wie die meisten Jungs interessierte ich mich schon von frühester Kindheit an für Autos. Damals beschränkte sich das auf das Untersuchen und Erforschen verschiedener Fahrzeuge. Ich ging damals in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, in die Blindenschule, und tat das mehr oder weniger legal mit meinen Schulkameraden. Einmal, das war im dritten oder vierten Schuljahr, stand das Auto eines Parteisekretärs vor unserem Reha-Zentrum. Es war nicht abgeschlossen, und da haben ein Klassenkamerad und ich uns hineingesetzt und immer wieder gehupt. Als der Besitzer angerannt kam, bin ich schnell auf und davon; den anderen hat er am Schlafittchen gepackt. Beschädigen wollten wir nie etwas, wir waren einfach neugierig und haben uns auch später manche Autos von innen angeguckt.

Irgendwann reichte es mir nicht mehr, sie nur zu inspizieren. Ich wollte selbst schrauben. Ein entscheidender Begleiter auf meinem Weg war mein Vater. Wir besaßen damals wie viele Familien in der DDR einen Trabant 601. Sein Status ähnelt dem des VW Käfers oder der Ente – kleine Autos für wenig Geld. Als ich etwa acht Jahre alt war, begann meine „Autoschrauberei“ mit dem Wechseln der Sommer- bzw. Winterreifen an dem Trabi – mein Vater hat mir alles gezeigt. Unter seiner Anleitung lernte ich auch kleine Reparaturen.

Später haben sich unsere Wege getrennt, die des Trabis und der meiner Familie. Wir kauften ein anderes Auto, und ich verlor erst einmal den Kontakt zum Trabant. 2001 führte uns der Zufall wieder zueinander. Ich kaufte mir einen Trabant, der sich in einem mehr oder weniger guten Zustand befand. Mit dem lapidaren Wechsel eines Keilriemens fing es an – und da war sie wieder geweckt, meine alte Leidenschaft. Im Jahr 2003 kaufte ich mir darum auch einen Trabant Kombi (Baujahr 1986), der sich in einem guten Zustand befand. Ich besitze ihn heute noch. Meine Frau und mein Sohn fahren damit. Alle meine restaurierten Autos, inzwischen sind es vier, werden gefahren.

Wissen erweitert im Schwarzwald

2009 gesellte sich ein Trabant Kübel hinzu, der schon mehr Reparaturbedarf aufwies. Ich überholte die Bremsen, regenerierte den Motor, reparierte die Vorderachse und verpasste ihm ein paar neue Reifen. Außerdem stattete ich das Fahrzeug mit Gurten aus, die serienmäßig nicht vorhanden waren. Woher hatte ich dieses ganze Wissen? In der Trabizeitschrift „Supertrabi“ entdeckte ich eine Anzeige, in der der im Schwarzwald lebende Berliner Klaus Brinkmann Motor- und Getriebe-Seminare für den Trabant anbot. Ich rief ihn an und fragte, ob er sich zutrauen würde, mich, der ich ja blind bin, zu lehren. Er fand dieses Experiment spannend und willigte ein. So reiste ich mit meinem Sohn Martin in den Schwarzwald, natürlich mit dem Trabant, und wir wurden herzlich aufgenommen. Klaus nahm sich auch außerhalb des Kurses Zeit für mich, um mir Dinge zu zeigen, die mir während des Kurses ob meiner fehlenden visuellen Möglichkeiten entgangen waren. Ich verdanke ihm viel, und uns verbindet inzwischen eine Freundschaft.

2014 erwarb ich einen Trabant 600 von 1965, der sich in einem völlig maroden Zustand befand. Meine Frau belächelte mich spöttisch und fragte, was ich mit dem „Schrotthaufen“ wolle. Es war mein Wunsch, einmal ein Auto komplett zu restaurieren. Innerhalb von knapp vier Jahren schaffte ich es. Nicht alles habe ich allein gemacht: Die Schweißarbeiten und Reparaturen an der Karosserie erledigte ein Freund von mir. Die Sitze ließ ich von einem Sattler aufarbeiten. Auch die Lackierung erfolgte durch einen Fachmann. Die Elektrik wurde durch den weltbesten Kfz-Elektriker, meinen Freund Dieter, erneuert. Aber die gesamten Schlosserarbeiten – Instandsetzung von Motor, Getriebe, Achsen, Bremsen und anderes – habe ich allein ausgeführt.

Mit Frau und Sohn unterwegs

Zu diesem Zweck vervollkommnete ich meinen Werkzeugbestand blindenspezifisch. Zum Beispiel ließ ich einen Drehmomentschlüssel aus DDR-Produktion mit tastbaren Markierungen ausstatten. Dadurch kann ich mehrere Schrauben mit der gleichen Anzugskraft (zum Beispiel beim Zylinderkopf) anziehen. Ein Bekannter, der als Dreher arbeitet, fertigte mir eine Vorrichtung an, mit der ich ohne Hilfe den Zündzeitpunkt einstellen kann. Die Scheiben habe ich mit meinem Sohn eingesetzt. Im April vergangenen Jahres wurde das Auto 1.374 Tage nach Erwerb wieder zugelassen. Ein so großes Projekt mache ich nicht noch mal. Ich habe es fertiggekriegt, und das reicht jetzt. Man braucht zu viele Gewerke, die bestimmte Zuarbeiten machen. Mit meiner lieben Frau fahre ich nun gerne in einem der Wagen. Zu Trabitreffen fahre ich meist mit meinem Sohn, der sich immer als verlässlicher Partner erweist.

Seit Oktober bin ich zusätzlich stolzer Besitzer eines Skoda 120 L aus dem Jahr 1979. Auch dieses Fahrzeug hat mich viele Jahre durch meine Kindheit und Jugend begleitet, da es von 1978 bis 1990 der Nachfolger unseres Familien-Trabant war. Das Auto war für mich eine neue Herausforderung, weil es einen Viertaktmotor besitzt. Inzwischen habe ich es erfolgreich zerlegt und wieder zusammengebaut. Die Karosseriearbeiten sind fast abgeschlossen. Im Sommer wird es wohl fertig sein.

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An Autos zu schrauben war schon als Kind Bernd Röthigs Leidenschaft. Inzwischen besitzt er vier Autos, die er selbst wieder ans Laufen gebracht hat. Für einen alten Trabant 600 brauchte er vier Jahre; Freunde unterstützten ihn bei diesem Großprojekt. Fahren darf der Leipziger seine Oldtimer mangels Sehvermögen nicht, dennoch begeistern sie ihn.

Von Bernd Röthig

Wie die meisten Jungs interessierte ich mich schon von frühester Kindheit an für Autos. Damals beschränkte sich das auf das Untersuchen und Erforschen verschiedener Fahrzeuge. Ich ging damals in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, in die Blindenschule, und tat das mehr oder weniger legal mit meinen Schulkameraden. Einmal, das war im dritten oder vierten Schuljahr, stand das Auto eines Parteisekretärs vor unserem Reha-Zentrum. Es war nicht abgeschlossen, und da haben ein Klassenkamerad und ich uns hineingesetzt und immer wieder gehupt. Als der Besitzer angerannt kam, bin ich schnell auf und davon; den anderen hat er am Schlafittchen gepackt. Beschädigen wollten wir nie etwas, wir waren einfach neugierig und haben uns auch später manche Autos von innen angeguckt.

Irgendwann reichte es mir nicht mehr, sie nur zu inspizieren. Ich wollte selbst schrauben. Ein entscheidender Begleiter auf meinem Weg war mein Vater. Wir besaßen damals wie viele Familien in der DDR einen Trabant 601. Sein Status ähnelt dem des VW Käfers oder der Ente – kleine Autos für wenig Geld. Als ich etwa acht Jahre alt war, begann meine „Autoschrauberei“ mit dem Wechseln der Sommer- bzw. Winterreifen an dem Trabi – mein Vater hat mir alles gezeigt. Unter seiner Anleitung lernte ich auch kleine Reparaturen.

Später haben sich unsere Wege getrennt, die des Trabis und der meiner Familie. Wir kauften ein anderes Auto, und ich verlor erst einmal den Kontakt zum Trabant. 2001 führte uns der Zufall wieder zueinander. Ich kaufte mir einen Trabant, der sich in einem mehr oder weniger guten Zustand befand. Mit dem lapidaren Wechsel eines Keilriemens fing es an – und da war sie wieder geweckt, meine alte Leidenschaft. Im Jahr 2003 kaufte ich mir darum auch einen Trabant Kombi (Baujahr 1986), der sich in einem guten Zustand befand. Ich besitze ihn heute noch. Meine Frau und mein Sohn fahren damit. Alle meine restaurierten Autos, inzwischen sind es vier, werden gefahren.

Wissen erweitert im Schwarzwald

2009 gesellte sich ein Trabant Kübel hinzu, der schon mehr Reparaturbedarf aufwies. Ich überholte die Bremsen, regenerierte den Motor, reparierte die Vorderachse und verpasste ihm ein paar neue Reifen. Außerdem stattete ich das Fahrzeug mit Gurten aus, die serienmäßig nicht vorhanden waren. Woher hatte ich dieses ganze Wissen? In der Trabizeitschrift „Supertrabi“ entdeckte ich eine Anzeige, in der der im Schwarzwald lebende Berliner Klaus Brinkmann Motor- und Getriebe-Seminare für den Trabant anbot. Ich rief ihn an und fragte, ob er sich zutrauen würde, mich, der ich ja blind bin, zu lehren. Er fand dieses Experiment spannend und willigte ein. So reiste ich mit meinem Sohn Martin in den Schwarzwald, natürlich mit dem Trabant, und wir wurden herzlich aufgenommen. Klaus nahm sich auch außerhalb des Kurses Zeit für mich, um mir Dinge zu zeigen, die mir während des Kurses ob meiner fehlenden visuellen Möglichkeiten entgangen waren. Ich verdanke ihm viel, und uns verbindet inzwischen eine Freundschaft.

2014 erwarb ich einen Trabant 600 von 1965, der sich in einem völlig maroden Zustand befand. Meine Frau belächelte mich spöttisch und fragte, was ich mit dem „Schrotthaufen“ wolle. Es war mein Wunsch, einmal ein Auto komplett zu restaurieren. Innerhalb von knapp vier Jahren schaffte ich es. Nicht alles habe ich allein gemacht: Die Schweißarbeiten und Reparaturen an der Karosserie erledigte ein Freund von mir. Die Sitze ließ ich von einem Sattler aufarbeiten. Auch die Lackierung erfolgte durch einen Fachmann. Die Elektrik wurde durch den weltbesten Kfz-Elektriker, meinen Freund Dieter, erneuert. Aber die gesamten Schlosserarbeiten – Instandsetzung von Motor, Getriebe, Achsen, Bremsen und anderes – habe ich allein ausgeführt.

Mit Frau und Sohn unterwegs

Zu diesem Zweck vervollkommnete ich meinen Werkzeugbestand blindenspezifisch. Zum Beispiel ließ ich einen Drehmomentschlüssel aus DDR-Produktion mit tastbaren Markierungen ausstatten. Dadurch kann ich mehrere Schrauben mit der gleichen Anzugskraft (zum Beispiel beim Zylinderkopf) anziehen. Ein Bekannter, der als Dreher arbeitet, fertigte mir eine Vorrichtung an, mit der ich ohne Hilfe den Zündzeitpunkt einstellen kann. Die Scheiben habe ich mit meinem Sohn eingesetzt. Im April vergangenen Jahres wurde das Auto 1.374 Tage nach Erwerb wieder zugelassen. Ein so großes Projekt mache ich nicht noch mal. Ich habe es fertiggekriegt, und das reicht jetzt. Man braucht zu viele Gewerke, die bestimmte Zuarbeiten machen. Mit meiner lieben Frau fahre ich nun gerne in einem der Wagen. Zu Trabitreffen fahre ich meist mit meinem Sohn, der sich immer als verlässlicher Partner erweist.

Seit Oktober bin ich zusätzlich stolzer Besitzer eines Skoda 120 L aus dem Jahr 1979. Auch dieses Fahrzeug hat mich viele Jahre durch meine Kindheit und Jugend begleitet, da es von 1978 bis 1990 der Nachfolger unseres Familien-Trabant war. Das Auto war für mich eine neue Herausforderung, weil es einen Viertaktmotor besitzt. Inzwischen habe ich es erfolgreich zerlegt und wieder zusammengebaut. Die Karosseriearbeiten sind fast abgeschlossen. Im Sommer wird es wohl fertig sein.

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