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Der Vielfraß - Unerschrockener Marder des Nordens

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Vielfraße sind scheue Einzelgänger, die rund um den Polarkreis leben. Sie sind die größten der marderartigen Raubtiere und extrem geschickte Jäger. Jahrhundertelang wurden sie wegen ihres Fells gejagt, heute sind sie geschützt. Autorin: Brigitte Kramer (BR 2021)

Credits
Autorin dieser Folge: Brigitte Kramer
Regie: Eva Demmelhuber
Es sprachen: Xenia Tiling, Friedrich Schloffer, Gudrun Skupin
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Eva Andersson (Biologin, Tierpark Nordens Ark, Schweden);
Thomas Kaindl (Tierpfleger, Tierpark Hellabrunn, München);
Doris Döppes (Paläontologin, Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim)

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO 1 Vielfraß knurrt

SPRECHERIN drüber

Ganz schön wütend …

ATMO 1 hoch

SPRECHERIN

… und ziemlich nah klingt dieser Vielfraß. Da möchte man nicht direkt dabeisein … lieber gemütlich von daheim aus zuhören, wie ein Mitarbeiter der amerikanischen Wolverine Foundation (sprich: Wulwerien) diesen wilden Burschen aufgenommen hat. Die Szene spielte sich in den tief verschneiten Cabinet-Mountains ab, einer Bergkette, die zu den Rocky Mountains gehört und zwischen Idaho und Montana im Norden der USA verläuft.

ATMO 1 hoch

SPRECHERIN

Das ist richtige Wildnis. Die Kabinett-Berge gehören zu den so genannten Streetless Areas der USA: Gebiete ohne Straßen. BLENDE ATMO 1 / ATMO 2 Vielfraß knurrt, schnüffelt, tapst herum Und hier gibt es sie noch, neben Pumas, Grizzlybären und Wölfen: Die Vielfraße, Wolverines auf Englisch, Gulo gulo auf Lateinisch.

ATMO 2 hoch

SPRECHERIN

Gebiete ohne Straßen bedeutet Gebiete ohne Menschen. Zu Gesicht bekommt man sie deshalb so gut wie nie, weder im Norden der USA, noch in Kanada, Russland oder Skandinavien, wo sie auch leben. Vielfraße sind Einzelgänger. Und sie sind bestens angepasst an die harte Wildnis des Nordens.

ATMO 2 hoch etwas stehen lassen, dann BLENDE MUSIK 1 ruhig, etwas düster

SPRECHERIN

Vielfraße sind unglaublich kräftig und ausdauernd. Und sie sind geschickt und schlau. Sie sind etwa so groß wie Bärenjunge, mit denen sie aus der Ferne verwechselt werden können. Schaut man sich Fotos, Zeichnungen oder Videos aber genauer an, stellt man aber fest: Vielfraße haben nichts Niedliches an sich. Sie haben ein dichtes, langes, dunkles Fell, einen buschigen Schwanz, auffallend große Pfoten, einen kleinen, gedrungenen Kopf mit kleinen Ohren und Augen und stumpfer Schnauze. Sie haben starke Zähne und sehr starke Kiefer. Vom Kopf bis zum Hinterteil können sie einen Meter lang werden, dazu kommen dann nochmal rund 20 Zentimeter Schwanz dazu. Normalerweise wiegen sie um die 15 Kilo.

BLENDE MUSIK 1 / ATMO 3 Vielfraß aufgeregt.

SPRECHERIN

Vielfraße gehören zu den marderartigen Tieren, sind also mit unseren Mardern verwandt, nur viel größer. Auch sie sind nervöse Schnüffler, bewegen sich schnell, werden aufgeregt, wenn ihre Nase etwas entdeckt hat.

ATMO 3 etwas stehen lassen, dann BLENDE ATMO 4 Vielfraß frisst Karibu

SPRECHERIN

… zum Beispiel ein unter einer Lawine begrabenes Karibu – tiefgefroren.

ATMO 4 hoch

SPRECHERIN

Vielfraße halten keinen Winterschlaf. Sie sind das ganze Jahr aktiv, ja sie bevorzugen sogar geschlossene Schneedecken, denn dank ihrer breiten Pfoten können sie sich darauf wie in Schneeschuhen fortbewegen, in einem galoppierenden, sehr leichtfüßig wirkenden Lauf. Sie sinken nicht ein! Und mit den kräftigen Pfoten können sie im tiefen Schnee nach Nahrung graben, denn ihre Spürnase verrät ihnen schon aus großer Distanz, wo ein Happen vergraben liegt – erfrorene Karibus oder Rentiere zum Bespiel. Die steinharten Kadaver zerlegen sie dann mit ihren überaus kräftigen Kiefern.

BLENDE ATMO 4 hoch / MUSIK 1

SPRECHERIN

Karibus und Rentiere sind mit den Hirschen verwandt und leben rund um den Polarkreis in halbwilder Haltung. Das heißt, die Herden bewegen sich frei, werden aber mehrmals im Jahr von ihren Besitzern eingefangen, um Schlachttiere auszusuchen oder um junge und kranke Tiere zu versorgen.

SPRECHERIN

… und hier tritt der Vielfraß, der auch lebende Tiere erlegen kann, in Konflikt mit den Menschen. Vielfraße bringen sich auf Ästen in Position und stürzen sich dann von oben auf vorbeiziehende Rentiere oder Karibus, die viel größer sind als sie. Oder sie töten die Huftiere nach ermüdenden Verfolgungsjagden über die verschneite, offene Tundra durch einen ATMO 4 kurz hoch gezielten-Biss-ins-Genick.

MUSIK 1

SPRECHERIN

Die meisten Menschen mögen die Vielfraße nicht. Jahrhundertelang haben sie sie gejagt, mit Fallen, Speeren oder Gewehren, weil sie Tiere fressen, an denen auch der Mensch Interesse hat. Und wegen ihres dichten, warmen Pelzes.

MUSIK 1

SPRECHERIN

Heute sind Vielfraße vom Aussterben bedroht und stehen deshalb unter Schutz. Der Konflikt mit dem Menschen scheint gelöst zu sein, zumindest in Schweden, wie Eva Andersson vom Tierpark Nordens Ark weiß:

O-TON 1 Eva Andersson

In Scandinavia, the wolverine its like a ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

In Skandinavien hat der Vielfraß den Ruf eines zerstörerischen Teufels. Besonders das Samen-Volk, das Rentiere züchtet, will ihn nicht in seinem Lebensraum haben. Aber die schwedische Regierung zahlt den Leuten in ihren Dörfern Geld, damit sie die Fleischfresser in ihrer Gegend tolerieren.

SPRECHERIN

Andersson schätzt, dass es in Schweden und Norwegen noch rund tausend Vielfraße gibt, in Finnland leben rund 300 Tiere. Sie laufen in den nördlichen, unbewaldeten und gebirgigen Landesteilen über die Grenzen hinweg weit herum, auf der Suche nach Futter oder Geschlechtspartnern.

O-TON 2 Eva Andersson

Now, the have moved for the south ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Jetzt ziehen sie auch nach Süden, in die Wälder.

Das ist gut für die Samen, dann gibt es keine Konflikte. Wahrscheinlich sind sie einfach nach Süden gezogen, weil wir sie gelassen haben. Und wohl auch wegen des Futters. Sie fressen ja auch Aas und folgen gerne Wolfsrudeln, von denen sie die Reste fressen. Vielfraße sind immer in Bewegung, sie laufen sehr viel. 30 Kilometer am Tag, das ist für sie ganz normal.

SPRECHERIN

Dementsprechend gedrungen und muskulös ist ihr Körper. Sie gehören neben Luchsen, Bären und Wölfen zu den vier großen Fleischfressern des Nordens. Gibt es in einem Landstrich Wölfe, überleben dort die Vielfraße leichter. Die beiden sind zwar nicht verwandt – obwohl der englische Name Wolverine, „kleiner Wolf“, darauf schließen ließe –, aber Vielfraße und Wölfe gehören immerhin beide zur Überfamilie der hundeartigen Raubtiere, im Gegensatz zu den Raubkatzen. Eva Andersson:

O-TON 3 Eva Andersson

I mean woolfs hunt in packs …

SPRECHERIN: OV-weiblich

Wölfe jagen im Rudel, so können sie viele Rentiere auf einmal erlegen. Vielfraße reißen nur eins, sie jagen allein. Aber sie treiben die Rentier- oder Schafherden auseinander. Und wenn sie dabei die Gelegenheit haben, mehrere Rentiere zum Beispiel zu erlegen, dann nehmen sie das Fleisch mit. Sie sind ja sehr aktive Tiere, das heißt, sie brauchen eine Menge Energie. Sie verstecken das Fleisch dann, für spätere Zeiten, man weiß ja nie, wann man wieder an Futter kommt. Im Winter sind sie gute Jäger, weil sie über den Schnee laufen können. Aber im Sommer ist es nicht so einfach. Sie verstecken das Fleisch dann, zerkleinern die Rentiere und vergraben die Teile im Schnee oder in der Erde.

SPRECHERIN

Vielfraße können in den Herden also auch großen Schaden anrichten.

Bei den Samen, dem indigenen Volk Nordeuropas, das von der Rentierzucht lebt, sind deshalb viele Legenden um das „böse“ Tier entstanden, die heute alle Schweden kennen:

O-TON 4 Eva Andersson

In Sweden we call them …

SPRECHERIN: OV-weiblich

In Schweden heißt er Järv (sprich: Sherrew), das bedeutet furchtlos, oder mutig. Wir haben viele Vielfraß-Legenden. Eine besagt zum Beispiel, dass wenn eine Bärin vier Junge bekommt, dann ist das vierte ein Mörder-Bär. Damit ist der Vielfraß gemeint.

SPRECHERIN

Obwohl Vielfraße in Nordeuropa heimisch sind, ist ihr Image in Skandinavien bis heute eher von Legenden als von echten Erlebnissen mit den Tieren geprägt.

O-TON 5 Eva Andersson

Scandinavian people is normaly in the nature al lot ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Skandinavier verbringen eigentlich viel Zeit in der Natur, aber die Vielfraße meiden die Menschen. Um Skigebiete oder Gegenden, wo die Leute mit Schneemobilen unterwegs sein, machen sie einen großen Bogen. Das heißt, fast niemand hat sie je in echt gesehen, und auf Fotos wirken sie oft größer, als sie sind. Und weil sie so große Pfoten haben, denken viele, da war der Schneemann unterwegs (lacht). Ja, das ist auch eine Legende: Der Vielfraß ist vielleicht der Schneemann.

SPRECHERIN

Die Pfotenabdrücke lassen also auf eine falsche Körpergröße schließen. Die schwedische Biologin Eva Andersson ist im Zoo Nordens Ark für Vielfraße zuständig. Und sie leitet im Europäisches Erhaltungszuchtprogramm die Zucht der Vielfraße in Gefangenschaft. Genetische Vielfalt und Arterhalt stehen dabei im Vordergrund. 140 Vielfraße leben derzeit in europäischen Zoos.

In Gefangenschaft können sie bis zu 20 Jahre alt werden, in der Wildnis sterben sie deutlich früher. Bei Besuchern sorgen sie immer wieder für Überraschungen:

O-TON 6 Eva Andersson

Some people think there are bear pups ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Manche halten sie für Bärenjunge, wenn sie sie zum ersten Mal in echt sehen. Sie können nicht fassen, wie klein sie sind. Die Pfleger gehen problemlos zu ihnen ins Gehege, viele halten sie ja für gefährlich und denken, sie können dich töten. Sie haben einen wirklich schlechten Ruf! Dabei sind sie normalerweise freundlich und überhaupt nicht aggressiv. Neugierig, ja, das sind sie.

SPRECHERIN

… und gelehrig, wie Eva Andersson weiß:

O-TON 6a Eva Andersson

A lot of zoos around Europe …

SPRECHERIN: OV-weiblich

Viele Zoos trainieren mit ihnen. Sie lernen, ihre Pfoten herzuzeigen, oder ihr Maul zu öffnen. Manche lassen sich sogar Spritzen geben, wenn sie geimpft werden müssen oder für Blutproben.

MUSIK 3 stehen lassen / Neuer Aspekt

SPRECHERIN

Auch Lena und Mo sind neugierig und gelehrig. Das Vielfraß-Pärchen lebt im Münchner Tierpark Hellabrunn. Bislang ohne Nachwuchs. Die Fortpflanzung der Tiere ist ungewöhnlich, auch ein Zeichen der Anpassung an Extrembedingungen: Die Paarung ist im Hochsommer, das befruchtete Ei ruht dann wochenlang im Uterus, es entwickelt sich erst am Winteranfang.

Ein bis drei kleine Vielfraße kommen dann im März oder April zur Welt, ihre ersten Lebensmonate fallen also mit der warmen Jahreszeit zusammen. Die Weibchen tragen nur alle zwei Jahre Junge aus und ziehen den Nachwuchs alleine auf. Die können deshalb recht lang bei der Mutter bleiben, ein bis eineinhalb Jahre. In Hellabrunn hat die Zucht leider noch nicht geklappt, obwohl sich Lena und Mo schon mehrmals gepaart haben.

BLENDE MUSIK 3 / ATMO 5 Gehege Regen

Heute steht ihnen der Sinn nach etwas Anderem. Es ist ja auch Winter – keine Paarungszeit. Am Vormittag sind sie besonders aktiv, wie Tierpfleger Thomas Kaindl erzählt. Es sind schöne Tiere. Imposant ist ihr langes, dichtes Fell. Und nein, Vielfraße sind nicht niedlich. Aber sie sind in ihrer Emsigkeit sehr sympathisch. Kein Vergleich zu den benachbarten Raubkatzen, die meistens nur irgendwo herumliegen und Energie sparen.

ATMO 5

BLENDE MUSIK 3 / ATMO 5 Gehege Regen

SPRECHERIN

… der strömende Regen scheint sie null zu stören. Die Tropfen perlen einfach an ihrem dunkelbraunen Fell ab.

ATMO 5 hoch

O-TON 7 Thomas Kaindl

Sie sind sehr gesellig untereinander, wir haben hier ein sehr harmonisches, ein sehr junges Pärchen auch, mit acht Jahren, was sehr viel miteinander macht. Die auch sehr viel miteinander spielen, wo‘s auch immer wieder Reibereien gibt, wie bei uns Menschen auch, sag i mal. Die den ganzen Tag auch immer wieder beschäftigt sind, Futter zu suchen. Die Nase ist stark in Beanspruchung den ganzen Tag, a di Pfoten, weil sie sehr viel mit den Pfoten machen, das heißt sie tasten ab, wie ist der Boden, buddeln sehr viel, des sieht ma auch hier, wenn man von außen schaut. Diese ganzen Löcher die hier sind, des ham alles die Vielfraße g‘macht. Des machen die wirklich in Nullkommanix.

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Wir stehen außen am Maschendraht, ganz nah dran. Das Mikrofon hat einen großen Windschutz aus langhaarigem Kunstfell.

Einer der beiden Vielfraße kommt im Gehege heran und beäugt und beschnüffelt die Situation von der anderen Seite des Maschenzauns. Das haarige Mikro scheint er irgendwie interessant zu finden.

O-TON 8 Thomas Kaindl

Der ist natürlich jetzt neugierig, weil hier jemand steht und schaut, und i hab ja vorher s‘Gehege a saubergmacht, wir müssen auch die Kotstellen reinigen, weil die natürlich sehr viel Kot machen, weil sie an hohen Stoffwechsel haben, die sind sehr aktiv, das heißt, da kommen andere Gerüche rein und die schauen natürlich, was i g‘macht hab. Wir füttern sehr viele Knochen und die Knochenstücke bleiben über, und die verbuddeln se. Hin und wieder räumen wir halt wieder was raus und da schaut er halt, ob ma net alle g‘fundn ham, ob ma a paar vergessen ham, dann buddelt er‘s wieder aus, wenn er weiß, dass ich drin war und sucht wieder an neuen Platz.

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Haben Vielfraße also einen Ordnungssinn, oder wollen sie ihre Vorräte vielleicht vor Thomas Kaindl verstecken?

O-TON 9 Thomas Kaindl

Das liegt immer im Auge des Betrachters (lacht) ….

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Thomas Kaindl geht jeden Tag zu Lena und Mo ins Gehege, zum Saubermachen, zum Füttern und zur Unterhaltung. Denn für einen Vielfraß gibt es nichts Schlimmeres als sich zu langweilen. Kaindl lässt sich immer wieder was Neues einfallen:

O-TON 10 Thomas Kaindl

Mia ham verschiedenste Gerüche, Lebkuchen und Nelkengewürz da fahren alle Raubtiere sehr stark drauf ab, auch n Parfüm, wir haben mittlerweile ne halbe Parfümerie bei uns hinten, wo uns die Leut schenken, wo se nimmer brauchen, des verstreuen ma im Gehege, da reiben sie sich dran, da wird dann drüber markiert, oder ganz klassisch an Karton, wo dann a bissl a Futter mit drin ist, mia ham so Lochkugeln, wo‘s Futter rausfällt, mir hängen an den Bäumen mal was auf …

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Und jetzt muss Thomas Kaindl – er muss es ja wissen – die Frage nach dem Namen beantworten. Heißen Vielfraße so, weil sie viel fressen?

O-TON 11 Thomas Kaindl

Also der Name hat nix mit der Ernährung zu tun, das ist eine falsche Übersetzung. Des kommt aus dem Skandinavischen, Viel Frett, das heißt eigentlich Felsenkatze, man hat‘s mit Vielfraß übersetzt. Aber sie fressen schon relativ viel, also, die ham ein Körpergewicht, der große Mann, der Mo, wiegt so 16 Kilo und sie kriegen schon ein bis zwei Kilo. Wenn ma des umrechnet: Der Tiger wiegt 170 Kilo und bekommt am Tag so 7 bis 8 Kilo. Im Vergleich zum Körpergewicht fressen die dann deutlich mehr wie a große Katze. Aber jetzt kein Vielfraß in dem Sinn, dass sie bis zum Zerplatzen fressen.

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Vielfraße fressen also auch in Gefangenschaft nicht mehr, als sie brauchen. Ihren verfressenen Ruf haben sie wohl auch aus dem Nachschlagewerk „Brehms Tierleben“, erstmals erschienen in den 1860er Jahren. BLENDE ATMO 5 / ATMO 4 hoch Zum Vielfraß schreibt der Naturforscher und Zoologe Alfred Brehm Folgendes:

ZITATOR drüber

„Der Name Vielfraß wurde mir, als ich sie zum ersten Mal füttern sah, urplötzlich verständlich. Winselnd, heulend, knurrend, kläffend, zähnefletschend und sich gegenseitig mit Ohrfeigen und anderweitigen Freundschaftsbezeugungen bedenkend, rennen sie wie toll und unsinnig im Käfig umher, gierig nach dem Fleisch blickend. Der unstillbare Blutdurst der Marder scheint bei ihnen in Fressgier umgewandelt zu sein.“

ATMO 4 kurz hoch, dann BLENDE MUSIK 1

((SPRECHERIN

Es stimmt schon: Zurückhaltend hört sich das nicht an. Auch sein wissenschaftlicher Name Gulo gulo verweist auf das lateinische Gula, Genusssucht. Aber Fressgier, Blutdurst oder gar Völlerei sind nichts als menschliche Phantasien.

Der Schweizer Naturforscher Conrad Gessner hat in seinem Werk Historia animalium Mitte des 16. Jahrhunderts auch zum Vielfraß einen Eintrag verfasst, in dem er berichtet, das Tier fresse sich erst voll, dann zwänge es sich zwischen eng nebeneinanderstehenden Bäumen durch, um den Darminhalt möglichst rasch wieder loszuwerden und um danach weiter zu fressen. Auch vor menschlichen Leichen mache der Gierschlund nicht Halt, heißt es.))

BLENDE MUSIK 1 / MUSIK 2 Neuer Aspekt

SPRECHERIN

Woher hat Brehm ((Gessner)) seine Erkenntnisse? Vielleicht hat er die Tiere beobachtet, als sie noch in Mitteleuropa gelebt haben? Wohl kaum. Denn der Vielfraß ist bei uns viel, viel früher verschwunden. Knochenfunde belegen, dass es einmal viele Vielfraße in Mitteleuropa gegeben hat, und zwar während der letzten Eiszeit, der Würm-Eiszeit. Reste von 188 Exemplaren wurden bis jetzt gefunden, in den Alpenländern und in Belgien, Spanien, Ungarn und Kroatien, in der Slowakei und in Slowenien. Sie zeigen, dass die Tiere damals etwa 15 Prozent größer waren als heute. Auch in Bayern gab es Vielfraße, ihre Reste wurden in der Zoolithenhöhle und der Moggaster Höhle bei Forchheim in Oberfranken entdeckt und in den Weinberghöhlen bei Rennertshofen im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die meisten Vielfraß-Knochen stammen aus der Zeit um 18.000 vor Christus, andere vom Ende der Kälteperiode, um 14 bis 10.000 vor Christus.

MUSIK 2 hoch

Doch warum leben heute keine Vielfraße mehr in Mitteleuropa? Das Klima spielt wohl eine wichtige Rolle. Es war kalt damals in Mitteleuropa – genau richtig für den Vielfraß. Auch Rentiere lebten bei uns, und an die war der Vielfraß schon damals gebunden. Eine Theorie lautet, dass mit dem Rückzug der Beutetiere nach Nordeuropa am Ende der Eiszeit auch der Vielfraß verschwand. Er ist ihnen nachgewandert.

MUSIK 2 hoch

Eine andere Theorie vertritt die Wiener Paläontologin Doris Döppes:

O-TON 12 Doris Döppes

Die Interpretation geht jetzt in die Richtung, dass der Vielfraß rund um die Alpen, sag ich jetzt mal groß, Mitteleuropa, ausgestorben ist, nämlich, dass es verschiedene Unterarten waren und der heutige Vielfraß nicht aus den Alpen kam, sondern dass die dort ausgestorben sind, dieser Genpool, und die neue Einwanderung über Nordamerika beziehungsweise Asien kam. Die haben auch den gleichen Genpool. Also zirkumpolar ist der Vielfraß ein Genpool.

SPRECHERIN

Doris Döppes hat insgesamt acht Vielfraß-Skelette gefunden. Das erste sozusagen aus Versehen, während sie in der Salzofenhöhle in der Steiermark nach Resten von Höhlenbären suchte:

O-TON 13 Doris Döppes

Die liegt auf 2.500 Meter Seehöhe, aber es war nicht möglich an das Material der Höhlenbären dieser Höhle zu kommen, die Knochen waren verschollen. Aber es wurde ein fast vollständiges Vielfraßskelett gefunden. Das ist ein Schachtfund. Also das Tier dürfte in einen Schacht gefallen sein und dort verendet. Ein Unfall. Sicher angezogen von toten Tieren. Und er ist ja sehr neugierig.

SPRECHERIN

Döppes hat das Skelett genau untersucht und sich dann im Laufe der Jahre auf den Eiszeit-Vielfraß spezialisiert:

O-TON 14 Doris Döppes

Er wird auch oft übersehen, wenn man die Knochen durchsieht. Er hat aber sehr typische Merkmale an den Knochen. Manchmal hab ich neue Knochen gefunden, die zum Vielfraß gehören, manche waren aber auch falsch bestimmt. Er kann leicht verwechselt werden mit dem Wolf.

SPRECHERIN:

Oder mit dem Bären ...

O-TON 14a Doris Döppes

... es sind ja beides Raubtiere, beide sind Allesfresser im Großen und Ganzen und dadurch sind sich die im Körperaufbau ähnlich. Und das Spannende war eben, dass in Unterkiefer auffallend war, zu den heute lebenden Vielfraßen, dass der letzte Molar, also der zweite Molar fehlte.

SPRECHERIN:

Er hatte einen Backenzahn weniger als seine heutigen Artgenossen. Ein Indiz dafür, warum die eiszeitlichen Vielfraße ausgestorben sind? Konnte er nicht so gut kauen, oder bestimmte Nahrung nicht gut kauen?

O-Ton 15 Doris Döppes

Für die pflanzliche Ernährung sind breite Zähne und mehr Zähne, sagen wir auch so, von Vorteil. Und der Vielfraß hat ein typisches Raubtiergebiss, also mit einer Brechstange wie man‘s vom Löwen vielleicht kennt, teilweise auch vom Hund, und auch von der Hyäne. Die Hyäne ist angepasst an Knochen-Zerbrechen und das ist auch beim Vielfraß sichtbar. Der Vielfraß hat eine sehr starke Beißkraft im hinteren Bereich.

SPRECHERIN

Auf die Frage, ob das Gebiss mit dem Aussterben zu tun hat, gibt es noch keine schlüssige Antwort. Wie auch bei vielen anderen Eiszeit-Säugetieren:

O-TON 16 Doris Döppes

Er gehört zur damaligen Fauna, zu dieser Kältefauna. Wie das Mammut, Wollnashorn, Höhlenlöwe, Höhlenbär, Rentier, Pferd. Ja, manche sind ausgestorben zu unterschiedlichen Zeiten, der Höhlenbär ist ausgestorben, der Höhlenlöwe, die Höhlenhyäne, das Mammut, Riesenhirsch ist ausgestorben. Manche sind noch da wie zum Beispiel der Wolf. Hirsch hat‘s damals gegeben und gibt‘s heute auch noch. Aber Moschusochse gibt‘s auch noch, das Pferd mehr oder weniger, das Rentier, der Vielfraß…

SPRECHERIN

Könnte er nicht wieder zurückkommen, so wie auch Wölfe oder Bären wieder in Mitteleuropa leben?

O-Ton 17 Doris Döppes

Also er braucht geschlossene Wälder und die sind in Europa einfach nicht vorhanden. Und wenn man sieht, was jetzt mit Luchs, Wolf etc. oder auch Rothirsch in Europa abgeht, macht‘s keinen Sinn und ist auch nicht zielführend. Eventuell wandert er von selber, so wie ein Wolf oder ein Bär oder ein Luchs. Aber der Fall ist überhaupt nicht gegeben. Also es gibt überhaupt keine Tendenzen, dass der Vielfraß hier südlich abwandert aus Skandinavien oder auch nicht vom Osten rein, von Russland.

SPRECHERIN

Vielleicht kommt er doch irgendwann zurück, wenn Europa mehr Wildnis zulässt und grüne Korridore heimischen Säugetieren mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen? Bis dahin können wir ihn leider nur im Tierpark erleben, den rauen Gesellen aus dem Norden.

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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO 1 Vielfraß knurrt

SPRECHERIN drüber

Ganz schön wütend …

ATMO 1 hoch

SPRECHERIN

… und ziemlich nah klingt dieser Vielfraß. Da möchte man nicht direkt dabeisein … lieber gemütlich von daheim aus zuhören, wie ein Mitarbeiter der amerikanischen Wolverine Foundation (sprich: Wulwerien) diesen wilden Burschen aufgenommen hat. Die Szene spielte sich in den tief verschneiten Cabinet-Mountains ab, einer Bergkette, die zu den Rocky Mountains gehört und zwischen Idaho und Montana im Norden der USA verläuft.

ATMO 1 hoch

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Das ist richtige Wildnis. Die Kabinett-Berge gehören zu den so genannten Streetless Areas der USA: Gebiete ohne Straßen. BLENDE ATMO 1 / ATMO 2 Vielfraß knurrt, schnüffelt, tapst herum Und hier gibt es sie noch, neben Pumas, Grizzlybären und Wölfen: Die Vielfraße, Wolverines auf Englisch, Gulo gulo auf Lateinisch.

ATMO 2 hoch

SPRECHERIN

Gebiete ohne Straßen bedeutet Gebiete ohne Menschen. Zu Gesicht bekommt man sie deshalb so gut wie nie, weder im Norden der USA, noch in Kanada, Russland oder Skandinavien, wo sie auch leben. Vielfraße sind Einzelgänger. Und sie sind bestens angepasst an die harte Wildnis des Nordens.

ATMO 2 hoch etwas stehen lassen, dann BLENDE MUSIK 1 ruhig, etwas düster

SPRECHERIN

Vielfraße sind unglaublich kräftig und ausdauernd. Und sie sind geschickt und schlau. Sie sind etwa so groß wie Bärenjunge, mit denen sie aus der Ferne verwechselt werden können. Schaut man sich Fotos, Zeichnungen oder Videos aber genauer an, stellt man aber fest: Vielfraße haben nichts Niedliches an sich. Sie haben ein dichtes, langes, dunkles Fell, einen buschigen Schwanz, auffallend große Pfoten, einen kleinen, gedrungenen Kopf mit kleinen Ohren und Augen und stumpfer Schnauze. Sie haben starke Zähne und sehr starke Kiefer. Vom Kopf bis zum Hinterteil können sie einen Meter lang werden, dazu kommen dann nochmal rund 20 Zentimeter Schwanz dazu. Normalerweise wiegen sie um die 15 Kilo.

BLENDE MUSIK 1 / ATMO 3 Vielfraß aufgeregt.

SPRECHERIN

Vielfraße gehören zu den marderartigen Tieren, sind also mit unseren Mardern verwandt, nur viel größer. Auch sie sind nervöse Schnüffler, bewegen sich schnell, werden aufgeregt, wenn ihre Nase etwas entdeckt hat.

ATMO 3 etwas stehen lassen, dann BLENDE ATMO 4 Vielfraß frisst Karibu

SPRECHERIN

… zum Beispiel ein unter einer Lawine begrabenes Karibu – tiefgefroren.

ATMO 4 hoch

SPRECHERIN

Vielfraße halten keinen Winterschlaf. Sie sind das ganze Jahr aktiv, ja sie bevorzugen sogar geschlossene Schneedecken, denn dank ihrer breiten Pfoten können sie sich darauf wie in Schneeschuhen fortbewegen, in einem galoppierenden, sehr leichtfüßig wirkenden Lauf. Sie sinken nicht ein! Und mit den kräftigen Pfoten können sie im tiefen Schnee nach Nahrung graben, denn ihre Spürnase verrät ihnen schon aus großer Distanz, wo ein Happen vergraben liegt – erfrorene Karibus oder Rentiere zum Bespiel. Die steinharten Kadaver zerlegen sie dann mit ihren überaus kräftigen Kiefern.

BLENDE ATMO 4 hoch / MUSIK 1

SPRECHERIN

Karibus und Rentiere sind mit den Hirschen verwandt und leben rund um den Polarkreis in halbwilder Haltung. Das heißt, die Herden bewegen sich frei, werden aber mehrmals im Jahr von ihren Besitzern eingefangen, um Schlachttiere auszusuchen oder um junge und kranke Tiere zu versorgen.

SPRECHERIN

… und hier tritt der Vielfraß, der auch lebende Tiere erlegen kann, in Konflikt mit den Menschen. Vielfraße bringen sich auf Ästen in Position und stürzen sich dann von oben auf vorbeiziehende Rentiere oder Karibus, die viel größer sind als sie. Oder sie töten die Huftiere nach ermüdenden Verfolgungsjagden über die verschneite, offene Tundra durch einen ATMO 4 kurz hoch gezielten-Biss-ins-Genick.

MUSIK 1

SPRECHERIN

Die meisten Menschen mögen die Vielfraße nicht. Jahrhundertelang haben sie sie gejagt, mit Fallen, Speeren oder Gewehren, weil sie Tiere fressen, an denen auch der Mensch Interesse hat. Und wegen ihres dichten, warmen Pelzes.

MUSIK 1

SPRECHERIN

Heute sind Vielfraße vom Aussterben bedroht und stehen deshalb unter Schutz. Der Konflikt mit dem Menschen scheint gelöst zu sein, zumindest in Schweden, wie Eva Andersson vom Tierpark Nordens Ark weiß:

O-TON 1 Eva Andersson

In Scandinavia, the wolverine its like a ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

In Skandinavien hat der Vielfraß den Ruf eines zerstörerischen Teufels. Besonders das Samen-Volk, das Rentiere züchtet, will ihn nicht in seinem Lebensraum haben. Aber die schwedische Regierung zahlt den Leuten in ihren Dörfern Geld, damit sie die Fleischfresser in ihrer Gegend tolerieren.

SPRECHERIN

Andersson schätzt, dass es in Schweden und Norwegen noch rund tausend Vielfraße gibt, in Finnland leben rund 300 Tiere. Sie laufen in den nördlichen, unbewaldeten und gebirgigen Landesteilen über die Grenzen hinweg weit herum, auf der Suche nach Futter oder Geschlechtspartnern.

O-TON 2 Eva Andersson

Now, the have moved for the south ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Jetzt ziehen sie auch nach Süden, in die Wälder.

Das ist gut für die Samen, dann gibt es keine Konflikte. Wahrscheinlich sind sie einfach nach Süden gezogen, weil wir sie gelassen haben. Und wohl auch wegen des Futters. Sie fressen ja auch Aas und folgen gerne Wolfsrudeln, von denen sie die Reste fressen. Vielfraße sind immer in Bewegung, sie laufen sehr viel. 30 Kilometer am Tag, das ist für sie ganz normal.

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Dementsprechend gedrungen und muskulös ist ihr Körper. Sie gehören neben Luchsen, Bären und Wölfen zu den vier großen Fleischfressern des Nordens. Gibt es in einem Landstrich Wölfe, überleben dort die Vielfraße leichter. Die beiden sind zwar nicht verwandt – obwohl der englische Name Wolverine, „kleiner Wolf“, darauf schließen ließe –, aber Vielfraße und Wölfe gehören immerhin beide zur Überfamilie der hundeartigen Raubtiere, im Gegensatz zu den Raubkatzen. Eva Andersson:

O-TON 3 Eva Andersson

I mean woolfs hunt in packs …

SPRECHERIN: OV-weiblich

Wölfe jagen im Rudel, so können sie viele Rentiere auf einmal erlegen. Vielfraße reißen nur eins, sie jagen allein. Aber sie treiben die Rentier- oder Schafherden auseinander. Und wenn sie dabei die Gelegenheit haben, mehrere Rentiere zum Beispiel zu erlegen, dann nehmen sie das Fleisch mit. Sie sind ja sehr aktive Tiere, das heißt, sie brauchen eine Menge Energie. Sie verstecken das Fleisch dann, für spätere Zeiten, man weiß ja nie, wann man wieder an Futter kommt. Im Winter sind sie gute Jäger, weil sie über den Schnee laufen können. Aber im Sommer ist es nicht so einfach. Sie verstecken das Fleisch dann, zerkleinern die Rentiere und vergraben die Teile im Schnee oder in der Erde.

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Vielfraße können in den Herden also auch großen Schaden anrichten.

Bei den Samen, dem indigenen Volk Nordeuropas, das von der Rentierzucht lebt, sind deshalb viele Legenden um das „böse“ Tier entstanden, die heute alle Schweden kennen:

O-TON 4 Eva Andersson

In Sweden we call them …

SPRECHERIN: OV-weiblich

In Schweden heißt er Järv (sprich: Sherrew), das bedeutet furchtlos, oder mutig. Wir haben viele Vielfraß-Legenden. Eine besagt zum Beispiel, dass wenn eine Bärin vier Junge bekommt, dann ist das vierte ein Mörder-Bär. Damit ist der Vielfraß gemeint.

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Obwohl Vielfraße in Nordeuropa heimisch sind, ist ihr Image in Skandinavien bis heute eher von Legenden als von echten Erlebnissen mit den Tieren geprägt.

O-TON 5 Eva Andersson

Scandinavian people is normaly in the nature al lot ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Skandinavier verbringen eigentlich viel Zeit in der Natur, aber die Vielfraße meiden die Menschen. Um Skigebiete oder Gegenden, wo die Leute mit Schneemobilen unterwegs sein, machen sie einen großen Bogen. Das heißt, fast niemand hat sie je in echt gesehen, und auf Fotos wirken sie oft größer, als sie sind. Und weil sie so große Pfoten haben, denken viele, da war der Schneemann unterwegs (lacht). Ja, das ist auch eine Legende: Der Vielfraß ist vielleicht der Schneemann.

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Die Pfotenabdrücke lassen also auf eine falsche Körpergröße schließen. Die schwedische Biologin Eva Andersson ist im Zoo Nordens Ark für Vielfraße zuständig. Und sie leitet im Europäisches Erhaltungszuchtprogramm die Zucht der Vielfraße in Gefangenschaft. Genetische Vielfalt und Arterhalt stehen dabei im Vordergrund. 140 Vielfraße leben derzeit in europäischen Zoos.

In Gefangenschaft können sie bis zu 20 Jahre alt werden, in der Wildnis sterben sie deutlich früher. Bei Besuchern sorgen sie immer wieder für Überraschungen:

O-TON 6 Eva Andersson

Some people think there are bear pups ...

SPRECHERIN: OV-weiblich

Manche halten sie für Bärenjunge, wenn sie sie zum ersten Mal in echt sehen. Sie können nicht fassen, wie klein sie sind. Die Pfleger gehen problemlos zu ihnen ins Gehege, viele halten sie ja für gefährlich und denken, sie können dich töten. Sie haben einen wirklich schlechten Ruf! Dabei sind sie normalerweise freundlich und überhaupt nicht aggressiv. Neugierig, ja, das sind sie.

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… und gelehrig, wie Eva Andersson weiß:

O-TON 6a Eva Andersson

A lot of zoos around Europe …

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Viele Zoos trainieren mit ihnen. Sie lernen, ihre Pfoten herzuzeigen, oder ihr Maul zu öffnen. Manche lassen sich sogar Spritzen geben, wenn sie geimpft werden müssen oder für Blutproben.

MUSIK 3 stehen lassen / Neuer Aspekt

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Auch Lena und Mo sind neugierig und gelehrig. Das Vielfraß-Pärchen lebt im Münchner Tierpark Hellabrunn. Bislang ohne Nachwuchs. Die Fortpflanzung der Tiere ist ungewöhnlich, auch ein Zeichen der Anpassung an Extrembedingungen: Die Paarung ist im Hochsommer, das befruchtete Ei ruht dann wochenlang im Uterus, es entwickelt sich erst am Winteranfang.

Ein bis drei kleine Vielfraße kommen dann im März oder April zur Welt, ihre ersten Lebensmonate fallen also mit der warmen Jahreszeit zusammen. Die Weibchen tragen nur alle zwei Jahre Junge aus und ziehen den Nachwuchs alleine auf. Die können deshalb recht lang bei der Mutter bleiben, ein bis eineinhalb Jahre. In Hellabrunn hat die Zucht leider noch nicht geklappt, obwohl sich Lena und Mo schon mehrmals gepaart haben.

BLENDE MUSIK 3 / ATMO 5 Gehege Regen

Heute steht ihnen der Sinn nach etwas Anderem. Es ist ja auch Winter – keine Paarungszeit. Am Vormittag sind sie besonders aktiv, wie Tierpfleger Thomas Kaindl erzählt. Es sind schöne Tiere. Imposant ist ihr langes, dichtes Fell. Und nein, Vielfraße sind nicht niedlich. Aber sie sind in ihrer Emsigkeit sehr sympathisch. Kein Vergleich zu den benachbarten Raubkatzen, die meistens nur irgendwo herumliegen und Energie sparen.

ATMO 5

BLENDE MUSIK 3 / ATMO 5 Gehege Regen

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… der strömende Regen scheint sie null zu stören. Die Tropfen perlen einfach an ihrem dunkelbraunen Fell ab.

ATMO 5 hoch

O-TON 7 Thomas Kaindl

Sie sind sehr gesellig untereinander, wir haben hier ein sehr harmonisches, ein sehr junges Pärchen auch, mit acht Jahren, was sehr viel miteinander macht. Die auch sehr viel miteinander spielen, wo‘s auch immer wieder Reibereien gibt, wie bei uns Menschen auch, sag i mal. Die den ganzen Tag auch immer wieder beschäftigt sind, Futter zu suchen. Die Nase ist stark in Beanspruchung den ganzen Tag, a di Pfoten, weil sie sehr viel mit den Pfoten machen, das heißt sie tasten ab, wie ist der Boden, buddeln sehr viel, des sieht ma auch hier, wenn man von außen schaut. Diese ganzen Löcher die hier sind, des ham alles die Vielfraße g‘macht. Des machen die wirklich in Nullkommanix.

ATMO 5 hoch

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Wir stehen außen am Maschendraht, ganz nah dran. Das Mikrofon hat einen großen Windschutz aus langhaarigem Kunstfell.

Einer der beiden Vielfraße kommt im Gehege heran und beäugt und beschnüffelt die Situation von der anderen Seite des Maschenzauns. Das haarige Mikro scheint er irgendwie interessant zu finden.

O-TON 8 Thomas Kaindl

Der ist natürlich jetzt neugierig, weil hier jemand steht und schaut, und i hab ja vorher s‘Gehege a saubergmacht, wir müssen auch die Kotstellen reinigen, weil die natürlich sehr viel Kot machen, weil sie an hohen Stoffwechsel haben, die sind sehr aktiv, das heißt, da kommen andere Gerüche rein und die schauen natürlich, was i g‘macht hab. Wir füttern sehr viele Knochen und die Knochenstücke bleiben über, und die verbuddeln se. Hin und wieder räumen wir halt wieder was raus und da schaut er halt, ob ma net alle g‘fundn ham, ob ma a paar vergessen ham, dann buddelt er‘s wieder aus, wenn er weiß, dass ich drin war und sucht wieder an neuen Platz.

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Haben Vielfraße also einen Ordnungssinn, oder wollen sie ihre Vorräte vielleicht vor Thomas Kaindl verstecken?

O-TON 9 Thomas Kaindl

Das liegt immer im Auge des Betrachters (lacht) ….

ATMO 5 hoch

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Thomas Kaindl geht jeden Tag zu Lena und Mo ins Gehege, zum Saubermachen, zum Füttern und zur Unterhaltung. Denn für einen Vielfraß gibt es nichts Schlimmeres als sich zu langweilen. Kaindl lässt sich immer wieder was Neues einfallen:

O-TON 10 Thomas Kaindl

Mia ham verschiedenste Gerüche, Lebkuchen und Nelkengewürz da fahren alle Raubtiere sehr stark drauf ab, auch n Parfüm, wir haben mittlerweile ne halbe Parfümerie bei uns hinten, wo uns die Leut schenken, wo se nimmer brauchen, des verstreuen ma im Gehege, da reiben sie sich dran, da wird dann drüber markiert, oder ganz klassisch an Karton, wo dann a bissl a Futter mit drin ist, mia ham so Lochkugeln, wo‘s Futter rausfällt, mir hängen an den Bäumen mal was auf …

ATMO 5 hoch

SPRECHERIN

Und jetzt muss Thomas Kaindl – er muss es ja wissen – die Frage nach dem Namen beantworten. Heißen Vielfraße so, weil sie viel fressen?

O-TON 11 Thomas Kaindl

Also der Name hat nix mit der Ernährung zu tun, das ist eine falsche Übersetzung. Des kommt aus dem Skandinavischen, Viel Frett, das heißt eigentlich Felsenkatze, man hat‘s mit Vielfraß übersetzt. Aber sie fressen schon relativ viel, also, die ham ein Körpergewicht, der große Mann, der Mo, wiegt so 16 Kilo und sie kriegen schon ein bis zwei Kilo. Wenn ma des umrechnet: Der Tiger wiegt 170 Kilo und bekommt am Tag so 7 bis 8 Kilo. Im Vergleich zum Körpergewicht fressen die dann deutlich mehr wie a große Katze. Aber jetzt kein Vielfraß in dem Sinn, dass sie bis zum Zerplatzen fressen.

ATMO 5 hoch

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Vielfraße fressen also auch in Gefangenschaft nicht mehr, als sie brauchen. Ihren verfressenen Ruf haben sie wohl auch aus dem Nachschlagewerk „Brehms Tierleben“, erstmals erschienen in den 1860er Jahren. BLENDE ATMO 5 / ATMO 4 hoch Zum Vielfraß schreibt der Naturforscher und Zoologe Alfred Brehm Folgendes:

ZITATOR drüber

„Der Name Vielfraß wurde mir, als ich sie zum ersten Mal füttern sah, urplötzlich verständlich. Winselnd, heulend, knurrend, kläffend, zähnefletschend und sich gegenseitig mit Ohrfeigen und anderweitigen Freundschaftsbezeugungen bedenkend, rennen sie wie toll und unsinnig im Käfig umher, gierig nach dem Fleisch blickend. Der unstillbare Blutdurst der Marder scheint bei ihnen in Fressgier umgewandelt zu sein.“

ATMO 4 kurz hoch, dann BLENDE MUSIK 1

((SPRECHERIN

Es stimmt schon: Zurückhaltend hört sich das nicht an. Auch sein wissenschaftlicher Name Gulo gulo verweist auf das lateinische Gula, Genusssucht. Aber Fressgier, Blutdurst oder gar Völlerei sind nichts als menschliche Phantasien.

Der Schweizer Naturforscher Conrad Gessner hat in seinem Werk Historia animalium Mitte des 16. Jahrhunderts auch zum Vielfraß einen Eintrag verfasst, in dem er berichtet, das Tier fresse sich erst voll, dann zwänge es sich zwischen eng nebeneinanderstehenden Bäumen durch, um den Darminhalt möglichst rasch wieder loszuwerden und um danach weiter zu fressen. Auch vor menschlichen Leichen mache der Gierschlund nicht Halt, heißt es.))

BLENDE MUSIK 1 / MUSIK 2 Neuer Aspekt

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Woher hat Brehm ((Gessner)) seine Erkenntnisse? Vielleicht hat er die Tiere beobachtet, als sie noch in Mitteleuropa gelebt haben? Wohl kaum. Denn der Vielfraß ist bei uns viel, viel früher verschwunden. Knochenfunde belegen, dass es einmal viele Vielfraße in Mitteleuropa gegeben hat, und zwar während der letzten Eiszeit, der Würm-Eiszeit. Reste von 188 Exemplaren wurden bis jetzt gefunden, in den Alpenländern und in Belgien, Spanien, Ungarn und Kroatien, in der Slowakei und in Slowenien. Sie zeigen, dass die Tiere damals etwa 15 Prozent größer waren als heute. Auch in Bayern gab es Vielfraße, ihre Reste wurden in der Zoolithenhöhle und der Moggaster Höhle bei Forchheim in Oberfranken entdeckt und in den Weinberghöhlen bei Rennertshofen im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die meisten Vielfraß-Knochen stammen aus der Zeit um 18.000 vor Christus, andere vom Ende der Kälteperiode, um 14 bis 10.000 vor Christus.

MUSIK 2 hoch

Doch warum leben heute keine Vielfraße mehr in Mitteleuropa? Das Klima spielt wohl eine wichtige Rolle. Es war kalt damals in Mitteleuropa – genau richtig für den Vielfraß. Auch Rentiere lebten bei uns, und an die war der Vielfraß schon damals gebunden. Eine Theorie lautet, dass mit dem Rückzug der Beutetiere nach Nordeuropa am Ende der Eiszeit auch der Vielfraß verschwand. Er ist ihnen nachgewandert.

MUSIK 2 hoch

Eine andere Theorie vertritt die Wiener Paläontologin Doris Döppes:

O-TON 12 Doris Döppes

Die Interpretation geht jetzt in die Richtung, dass der Vielfraß rund um die Alpen, sag ich jetzt mal groß, Mitteleuropa, ausgestorben ist, nämlich, dass es verschiedene Unterarten waren und der heutige Vielfraß nicht aus den Alpen kam, sondern dass die dort ausgestorben sind, dieser Genpool, und die neue Einwanderung über Nordamerika beziehungsweise Asien kam. Die haben auch den gleichen Genpool. Also zirkumpolar ist der Vielfraß ein Genpool.

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Doris Döppes hat insgesamt acht Vielfraß-Skelette gefunden. Das erste sozusagen aus Versehen, während sie in der Salzofenhöhle in der Steiermark nach Resten von Höhlenbären suchte:

O-TON 13 Doris Döppes

Die liegt auf 2.500 Meter Seehöhe, aber es war nicht möglich an das Material der Höhlenbären dieser Höhle zu kommen, die Knochen waren verschollen. Aber es wurde ein fast vollständiges Vielfraßskelett gefunden. Das ist ein Schachtfund. Also das Tier dürfte in einen Schacht gefallen sein und dort verendet. Ein Unfall. Sicher angezogen von toten Tieren. Und er ist ja sehr neugierig.

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Döppes hat das Skelett genau untersucht und sich dann im Laufe der Jahre auf den Eiszeit-Vielfraß spezialisiert:

O-TON 14 Doris Döppes

Er wird auch oft übersehen, wenn man die Knochen durchsieht. Er hat aber sehr typische Merkmale an den Knochen. Manchmal hab ich neue Knochen gefunden, die zum Vielfraß gehören, manche waren aber auch falsch bestimmt. Er kann leicht verwechselt werden mit dem Wolf.

SPRECHERIN:

Oder mit dem Bären ...

O-TON 14a Doris Döppes

... es sind ja beides Raubtiere, beide sind Allesfresser im Großen und Ganzen und dadurch sind sich die im Körperaufbau ähnlich. Und das Spannende war eben, dass in Unterkiefer auffallend war, zu den heute lebenden Vielfraßen, dass der letzte Molar, also der zweite Molar fehlte.

SPRECHERIN:

Er hatte einen Backenzahn weniger als seine heutigen Artgenossen. Ein Indiz dafür, warum die eiszeitlichen Vielfraße ausgestorben sind? Konnte er nicht so gut kauen, oder bestimmte Nahrung nicht gut kauen?

O-Ton 15 Doris Döppes

Für die pflanzliche Ernährung sind breite Zähne und mehr Zähne, sagen wir auch so, von Vorteil. Und der Vielfraß hat ein typisches Raubtiergebiss, also mit einer Brechstange wie man‘s vom Löwen vielleicht kennt, teilweise auch vom Hund, und auch von der Hyäne. Die Hyäne ist angepasst an Knochen-Zerbrechen und das ist auch beim Vielfraß sichtbar. Der Vielfraß hat eine sehr starke Beißkraft im hinteren Bereich.

SPRECHERIN

Auf die Frage, ob das Gebiss mit dem Aussterben zu tun hat, gibt es noch keine schlüssige Antwort. Wie auch bei vielen anderen Eiszeit-Säugetieren:

O-TON 16 Doris Döppes

Er gehört zur damaligen Fauna, zu dieser Kältefauna. Wie das Mammut, Wollnashorn, Höhlenlöwe, Höhlenbär, Rentier, Pferd. Ja, manche sind ausgestorben zu unterschiedlichen Zeiten, der Höhlenbär ist ausgestorben, der Höhlenlöwe, die Höhlenhyäne, das Mammut, Riesenhirsch ist ausgestorben. Manche sind noch da wie zum Beispiel der Wolf. Hirsch hat‘s damals gegeben und gibt‘s heute auch noch. Aber Moschusochse gibt‘s auch noch, das Pferd mehr oder weniger, das Rentier, der Vielfraß…

SPRECHERIN

Könnte er nicht wieder zurückkommen, so wie auch Wölfe oder Bären wieder in Mitteleuropa leben?

O-Ton 17 Doris Döppes

Also er braucht geschlossene Wälder und die sind in Europa einfach nicht vorhanden. Und wenn man sieht, was jetzt mit Luchs, Wolf etc. oder auch Rothirsch in Europa abgeht, macht‘s keinen Sinn und ist auch nicht zielführend. Eventuell wandert er von selber, so wie ein Wolf oder ein Bär oder ein Luchs. Aber der Fall ist überhaupt nicht gegeben. Also es gibt überhaupt keine Tendenzen, dass der Vielfraß hier südlich abwandert aus Skandinavien oder auch nicht vom Osten rein, von Russland.

SPRECHERIN

Vielleicht kommt er doch irgendwann zurück, wenn Europa mehr Wildnis zulässt und grüne Korridore heimischen Säugetieren mehr Bewegungsfreiheit ermöglichen? Bis dahin können wir ihn leider nur im Tierpark erleben, den rauen Gesellen aus dem Norden.

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