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Goodbye Mittelschichtsmärchen! Die Wiederentdeckung der Klasse

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Deutschland - ein Land ohne Klassen, in dem fast alle zur Mittelschicht gehören? Diese Erzählung entspricht nicht mehr der Realität. Auch der Begriff "Klasse" ist zurück und fällt nicht zuletzt in einigen jüngeren Romanen.

Zusammen mit Anke Stelling, Autorin des mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Romans "Schäfchen im Trockenen", mit der Journalistin Julia Friedrichs, die zuletzt die Buch-Reportage "Working Class" veröffentlicht hat, und mit Andreas Kemper, freier Soziologe und u.a. Co-Autor des grundlegenden Buchs "Klassismus. Eine Einführung", beleuchtet Hardy Funk die Wiederbelebung eines überholt geglaubten Begriffs.

Deutschland sei ein Land, in dem alle zusammen in die Hände spucken und gemeinsam das Bruttosozialprodukt steigern, eine klassenlose Gesellschaft in der in guten wie in schlechten Zeiten alle im gleichen Boot sitzen. Dieses Märchen hat sich die deutsche Gesellschaft lang selbst erzählt und viele würden es nur zu gern auch weiterhin erzählen. Doch, wenn es überhaupt jemals eine Zeit ohne Klassen und Klassengegensätze gegeben hat in diesem Land, ist sie lang vorbei. Und so ist es nur folgerichtig, dass sich das Märchen von der klassenlosen Gesellschaft immer häufiger als das erweist, was es ist. Durfte man das Wort "Klasse" lange Zeit kaum benutzen ohne als linksradikal abgestempelt zu werden, begegnet uns die "Klasse" nun wieder allerorten: Anke Stelling bekommt 2019 den Preis der Leipziger Buchmesse für ihre gehobene-Mittelklasse-Sezierung "Schäfchen im Trockenen", Christian Baron landet 2020 mit der Schilderung seiner Arbeiterklasse-Kindheit in "Ein Mann seiner Klasse" einen Bestseller, Julia Friedrichs legt dieses Jahr mit "Working Class" eine vielbeachtete Reportage über eben jene „Class“ vor und auch Soziologen sprechen wieder von Klassen, wenn sie die deutsche Gesellschaft beschreiben. Unter dem Schlagwort "Klassismus" wird – nicht ohne Widerspruch – versucht, Diskriminierungen und subtile Ausschlüsse aufgrund der Klassenzugehörigkeit analog zu anderen Diskriminierungsformen sichtbar zu machen.

Fakt ist, die Ungleichheit wächst seit Jahrzehnten: Während die ganz oben allein von ihrem Vermögen leben, reichen bei denen ganz unten selbst zwei Jobs kaum zum Überleben. Trotz allem in die Hände Spuckens und Bruttosozialprodukt Steigerns haben arme (und mitnichten "sozial schwache") Menschen immer weniger und müssen heute Gutverdienende Angst haben, schon morgen zu diesen Armen zu zählen. Klar ist auch, und zwar nicht erst seit Corona, dass das fatale Folgen hat: Je ärmer die Menschen, desto früher sterben sie. Je ärmer die Eltern, umso perspektivloser die Lage der Kinder. Und auch das ist nicht zu leugnen: Ein von einzelnen Vertretern der oberen Klasse gern herbeiersehntes Klassenbewusstsein der unteren sucht man vergebens, viel eher trifft man auf Gleichgültigkeit oder rechtes Gedankengut. Trotz alldem herrscht nicht etwa Solidarität, sondern Verachtung vor, schüttelt man mit der Bioladen-Einkaufstüte unterm Arm den Kopf über die Billigfleisch-Esser und Malle-Urlauber. Zeit, dass wir aufhören, uns Märchen zu erzählen. Und uns stattdessen fragen, wohin das Boot steuert, in dem wir angeblich alle gemeinsam sitzen – und wohin es steuern sollte.

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Zusammen mit Anke Stelling, Autorin des mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Romans "Schäfchen im Trockenen", mit der Journalistin Julia Friedrichs, die zuletzt die Buch-Reportage "Working Class" veröffentlicht hat, und mit Andreas Kemper, freier Soziologe und u.a. Co-Autor des grundlegenden Buchs "Klassismus. Eine Einführung", beleuchtet Hardy Funk die Wiederbelebung eines überholt geglaubten Begriffs.

Deutschland sei ein Land, in dem alle zusammen in die Hände spucken und gemeinsam das Bruttosozialprodukt steigern, eine klassenlose Gesellschaft in der in guten wie in schlechten Zeiten alle im gleichen Boot sitzen. Dieses Märchen hat sich die deutsche Gesellschaft lang selbst erzählt und viele würden es nur zu gern auch weiterhin erzählen. Doch, wenn es überhaupt jemals eine Zeit ohne Klassen und Klassengegensätze gegeben hat in diesem Land, ist sie lang vorbei. Und so ist es nur folgerichtig, dass sich das Märchen von der klassenlosen Gesellschaft immer häufiger als das erweist, was es ist. Durfte man das Wort "Klasse" lange Zeit kaum benutzen ohne als linksradikal abgestempelt zu werden, begegnet uns die "Klasse" nun wieder allerorten: Anke Stelling bekommt 2019 den Preis der Leipziger Buchmesse für ihre gehobene-Mittelklasse-Sezierung "Schäfchen im Trockenen", Christian Baron landet 2020 mit der Schilderung seiner Arbeiterklasse-Kindheit in "Ein Mann seiner Klasse" einen Bestseller, Julia Friedrichs legt dieses Jahr mit "Working Class" eine vielbeachtete Reportage über eben jene „Class“ vor und auch Soziologen sprechen wieder von Klassen, wenn sie die deutsche Gesellschaft beschreiben. Unter dem Schlagwort "Klassismus" wird – nicht ohne Widerspruch – versucht, Diskriminierungen und subtile Ausschlüsse aufgrund der Klassenzugehörigkeit analog zu anderen Diskriminierungsformen sichtbar zu machen.

Fakt ist, die Ungleichheit wächst seit Jahrzehnten: Während die ganz oben allein von ihrem Vermögen leben, reichen bei denen ganz unten selbst zwei Jobs kaum zum Überleben. Trotz allem in die Hände Spuckens und Bruttosozialprodukt Steigerns haben arme (und mitnichten "sozial schwache") Menschen immer weniger und müssen heute Gutverdienende Angst haben, schon morgen zu diesen Armen zu zählen. Klar ist auch, und zwar nicht erst seit Corona, dass das fatale Folgen hat: Je ärmer die Menschen, desto früher sterben sie. Je ärmer die Eltern, umso perspektivloser die Lage der Kinder. Und auch das ist nicht zu leugnen: Ein von einzelnen Vertretern der oberen Klasse gern herbeiersehntes Klassenbewusstsein der unteren sucht man vergebens, viel eher trifft man auf Gleichgültigkeit oder rechtes Gedankengut. Trotz alldem herrscht nicht etwa Solidarität, sondern Verachtung vor, schüttelt man mit der Bioladen-Einkaufstüte unterm Arm den Kopf über die Billigfleisch-Esser und Malle-Urlauber. Zeit, dass wir aufhören, uns Märchen zu erzählen. Und uns stattdessen fragen, wohin das Boot steuert, in dem wir angeblich alle gemeinsam sitzen – und wohin es steuern sollte.

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