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Keine Zukunft ohne Gelsen: Warum wir alle Tierarten schützen müssen

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Ohne Mücken keine Schokolade, sagt die Biologin Frauke Fischer

Sie sind die Spielverderber so manchen Grillabends oder Badetags, rauben einem den Schlaf und übertragen in vielen Teilen der Welt tödliche Krankheiten: Mücken. Dass Insekten gerade massenhaft aussterben, könnte uns kaum weniger jucken. Denn was hat die Mücke jemals für uns getan?

Diese provokante Frage stellt sich die promovierte Biologin Frauke Fischer in ihrem im Herbst veröffentlichten gleichnamigen Buch. "Ohne Mücke keine Schokolade", sagt sie im STANDARD-Podcast. Denn dass mit der Biene auch der Mensch ausstirbt, wie Albert Einstein einmal gesagt haben soll, ist nur die halbe Wahrheit. Auch andere Insekten sind fleißige Bestäuber. So sind etwa nur Bartmücken so klein, dass sie es in die komplex gebaute Blüte der Kakaopflanze schaffen.

Nicht nur bestäuben die Insekten Pflanzen zum Nulltarif, auch sonst stellt die Natur uns massenweise kostenlose Ressourcen zur Verfügung – von Fischgründen über Böden bis hin zu sauberem Trinkwasser oder Erholungsgebieten. Ökonomen schätzen den Wert dieser sogenannten Ökosystemleistungen auf rund 125 Billionen US-Dollar, fast das Doppelte des weltweiten Bruttosozialprodukts.

Das Problem mit Gemeingütern: Weil sie niemandem gehören, werden sie systematisch übernutzt. Fischer vergleicht die Natur gern mit einer Schale Gummibären in einer WG, aus der jeder mehr nimmt, als er oder sie braucht – schließlich könnte sie schon am nächsten Tag leer sein. Diese irrationale Gier beschleunigt das Artensterben.

Dabei weiß man von den meisten Tier- und Pflanzenarten gar nicht, welche Funktionen sie übernehmen. Nur: "Von keiner wurde bisher nachgewiesen, dass sie nutzlos ist", sagt Fischer.

Mit der Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten sei es eben wie mit einer Hängematte, die man zwischen zwei Hochhäusern aufgespannt hat und aus der man einzelne Fäden herausschneidet. Hat man Glück, bleibt die Matte stabil. Im schlimmsten Fall geht es rasant abwärts.

Die Folge des fehlgeleiteten Fädenziehens erleben wir gerade: "Das Coronavirus ist eine Zoonose, die dadurch entstanden ist, weil wir in tropische Regenwälder eingegriffen haben", sagt Fischer. Hätten wir sie in Ruhe gelassen, wäre uns das Jahr 2020 in der Form vielleicht erspart geblieben.

Keine Mücken, keine Schokolade, dafür Corona: Die Biodiversitätskrise ist eigentlich viel greifbarer und bildhafter als die Klimakrise. Wie kommt es, dass ihr vergleichsweise noch wenig Beachtung geschenkt wird? Einerseits fehlt eine konkrete Messgröße, sagt Fischer. CO₂ ist die harte Währung bei der Bekämpfung der Klimakrise – und alle anderen Treibhausgase lassen sich einfach in CO₂-Äquivalente umrechnen. Wo eine Tonne CO₂ ausgestoßen wird, ist der Atmosphäre egal – und auch wo sie gebunden wird. Biodiversität hingegen ist ungleich verteilt, eine Umrechnungsformel gibt es nicht. "Ist ein Hektar ¬Regenwald mehr wert als ein Quadratmeter Korallenriff? Entsprechen sieben Eisbären zwei Giraffen?", fragt Fischer. Solche Rechnungen ergeben kaum Sinn.

Wissenschaftlich bewiesen sei jedenfalls, dass die Biodiversitätskrise um einige Nummern größer sein als die Klimakrise. "Wenn wir bei der Bekämpfung des Klimawandels versagen, dann reden wir darüber, wie wir in Zukunft leben. Wenn wir bei der Lösung des Biodiversitätsproblems versagen, dann müssen wir uns fragen, ob wir hier in Zukunft überhaupt noch leben", sagt die Biologin.

Die Vereinten Nationen haben das Problem deshalb zu einer ihrer Top-Prioritäten gemacht. Kommende Woche beginnt die UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen. Dass die Biodiversitätskrise lokaler als die Klimakrise ist, kann auch ein Vorteil sein: So würden schon kleine Maßnahmen wie die Einrichtung von Insekteninseln sichtbare Ergebnisse schaffen. Vor allem aber müsse man dort anfangen, wo man der Natur Platz genommen hat, ohne dass es Menschen viel bringt – etwa bei der Verbauung von Auen. "Es geht nicht um Artenschutz aus Tier- oder Naturliebe, sondern es geht um ganz harte ökonomische Fakten", sagt Fischer im Podcast. "Wir brauchen die Natur als wichtigen Kapitalstock neben Finanz- und Humankapital" – und für die Schokolade.

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Ohne Mücken keine Schokolade, sagt die Biologin Frauke Fischer

Sie sind die Spielverderber so manchen Grillabends oder Badetags, rauben einem den Schlaf und übertragen in vielen Teilen der Welt tödliche Krankheiten: Mücken. Dass Insekten gerade massenhaft aussterben, könnte uns kaum weniger jucken. Denn was hat die Mücke jemals für uns getan?

Diese provokante Frage stellt sich die promovierte Biologin Frauke Fischer in ihrem im Herbst veröffentlichten gleichnamigen Buch. "Ohne Mücke keine Schokolade", sagt sie im STANDARD-Podcast. Denn dass mit der Biene auch der Mensch ausstirbt, wie Albert Einstein einmal gesagt haben soll, ist nur die halbe Wahrheit. Auch andere Insekten sind fleißige Bestäuber. So sind etwa nur Bartmücken so klein, dass sie es in die komplex gebaute Blüte der Kakaopflanze schaffen.

Nicht nur bestäuben die Insekten Pflanzen zum Nulltarif, auch sonst stellt die Natur uns massenweise kostenlose Ressourcen zur Verfügung – von Fischgründen über Böden bis hin zu sauberem Trinkwasser oder Erholungsgebieten. Ökonomen schätzen den Wert dieser sogenannten Ökosystemleistungen auf rund 125 Billionen US-Dollar, fast das Doppelte des weltweiten Bruttosozialprodukts.

Das Problem mit Gemeingütern: Weil sie niemandem gehören, werden sie systematisch übernutzt. Fischer vergleicht die Natur gern mit einer Schale Gummibären in einer WG, aus der jeder mehr nimmt, als er oder sie braucht – schließlich könnte sie schon am nächsten Tag leer sein. Diese irrationale Gier beschleunigt das Artensterben.

Dabei weiß man von den meisten Tier- und Pflanzenarten gar nicht, welche Funktionen sie übernehmen. Nur: "Von keiner wurde bisher nachgewiesen, dass sie nutzlos ist", sagt Fischer.

Mit der Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten sei es eben wie mit einer Hängematte, die man zwischen zwei Hochhäusern aufgespannt hat und aus der man einzelne Fäden herausschneidet. Hat man Glück, bleibt die Matte stabil. Im schlimmsten Fall geht es rasant abwärts.

Die Folge des fehlgeleiteten Fädenziehens erleben wir gerade: "Das Coronavirus ist eine Zoonose, die dadurch entstanden ist, weil wir in tropische Regenwälder eingegriffen haben", sagt Fischer. Hätten wir sie in Ruhe gelassen, wäre uns das Jahr 2020 in der Form vielleicht erspart geblieben.

Keine Mücken, keine Schokolade, dafür Corona: Die Biodiversitätskrise ist eigentlich viel greifbarer und bildhafter als die Klimakrise. Wie kommt es, dass ihr vergleichsweise noch wenig Beachtung geschenkt wird? Einerseits fehlt eine konkrete Messgröße, sagt Fischer. CO₂ ist die harte Währung bei der Bekämpfung der Klimakrise – und alle anderen Treibhausgase lassen sich einfach in CO₂-Äquivalente umrechnen. Wo eine Tonne CO₂ ausgestoßen wird, ist der Atmosphäre egal – und auch wo sie gebunden wird. Biodiversität hingegen ist ungleich verteilt, eine Umrechnungsformel gibt es nicht. "Ist ein Hektar ¬Regenwald mehr wert als ein Quadratmeter Korallenriff? Entsprechen sieben Eisbären zwei Giraffen?", fragt Fischer. Solche Rechnungen ergeben kaum Sinn.

Wissenschaftlich bewiesen sei jedenfalls, dass die Biodiversitätskrise um einige Nummern größer sein als die Klimakrise. "Wenn wir bei der Bekämpfung des Klimawandels versagen, dann reden wir darüber, wie wir in Zukunft leben. Wenn wir bei der Lösung des Biodiversitätsproblems versagen, dann müssen wir uns fragen, ob wir hier in Zukunft überhaupt noch leben", sagt die Biologin.

Die Vereinten Nationen haben das Problem deshalb zu einer ihrer Top-Prioritäten gemacht. Kommende Woche beginnt die UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen. Dass die Biodiversitätskrise lokaler als die Klimakrise ist, kann auch ein Vorteil sein: So würden schon kleine Maßnahmen wie die Einrichtung von Insekteninseln sichtbare Ergebnisse schaffen. Vor allem aber müsse man dort anfangen, wo man der Natur Platz genommen hat, ohne dass es Menschen viel bringt – etwa bei der Verbauung von Auen. "Es geht nicht um Artenschutz aus Tier- oder Naturliebe, sondern es geht um ganz harte ökonomische Fakten", sagt Fischer im Podcast. "Wir brauchen die Natur als wichtigen Kapitalstock neben Finanz- und Humankapital" – und für die Schokolade.

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