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Diversity Management und Vielfalt an der Hochschule

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Im Interview mit Prof. Dr. Anja Seng

Der #DMW Podcast zum Lesen – Transkript der Folge 5 mit Anja Seng

Intro (Anja Seng): Das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt, weil ich glaube, dass die Studierenden wirklich viele unterschiedliche Sichtweisen brauchen, um sich bestmöglich entwickeln zu können. Aber es geht auch viel um das Thema Diversity-Kompetenz, also wie lernen die Studierenden den Umgang mit Vielfalt. Man kann ja im HR-Studiengang ein Modul Diversity machen, wo ich dann immer sage: Nein, also so war es jetzt nicht gedacht. Die Idee ist, dass es eigentlich modulübergreifend in fast jedem Thema in irgendeiner Form miteinfließen kann.

Sprecherin: Wir wollen einer Welt leben, in der Vielfalt herrscht, und sehen im digitalen Wandel die Chance, diese Vision zu verwirklichen.

Sprecherin: Du willst das auch? Dann bist du hier genau richtig. Und damit ein herzliches Willkommen beim DMW-Podcast, einem Format der Digital Media Women.

(Musik)

Anne Emmelmann (DMW): Als Professorin und Beraterin verbindet Anja Seng die Praxisnähe und Wissenschaft. Sie verfügt über mehr als 25 Jahre Berufserfahrung an der Hochschule in Lehre, Forschung und im Hochschulmanagement, die durch Consulting im Personalmanagement, Employer Branding und Diversity Management optimal ergänzt werden. Dabei war sie sowohl in KMU als auch in Konzernen unterschiedlicher Branchen und öffentlichen Verwaltungen tätig. Sie ist gefragte Keynote-Speakerin und Moderatorin und zeichnet sich durch umfassendes Engagement für mehr gleichberechtigte Teilhabe in Führungspositionen aus, wie zum Beispiel als Vizepräsidentin bei FidAR e.V. oder als Gründungsmitglied und Mentorin in der Initiative Women into Leadership. Professor Anja Seng, ich freue mich so, dass es geklappt hat, und ich freue mich, Sie hier jetzt im Podcast-Interview bei den DMW begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen.

Anja Seng: Ganz herzlichen Dank. Ich freue mich auch sehr. Die Reihe ist wirklich klasse geworden, und toll, dass ich dabei sein darf.

Anne Emmelmann: Steigen wir direkt ein. Ich habe ja gerade schon angesprochen: Sie sind als Professorin für Personalmanagement seit vielen Jahren an der Front. Jetzt frage ich mich natürlich: Wenn man diesen Fokus hat, ist es dann so eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass man sich dann irgendwann auch in die Richtung Diversity automatisch weiterentwickelt?

Anja Seng: Wow, das ist wirklich eine spannende Frage, da muss ich ein bisschen darüber nachdenken. Ja, ich bin im Bereich Personalmanagement Professorin und kümmere mich da, oder denke da eigentlich immer vom Menschen her. Also da geht es mir jetzt weniger darum, wie organisiere ich am besten eine Personalabteilung, sondern wie funktioniert das eigentlich mit den Menschen in der Organisation? Welche Aufgaben haben da vor allem auch Führungskräfte? Ganz egal, in welcher Funktion sie unterwegs sind, in welcher Branche. Es geht eigentlich immer um die Menschen in der Organisation. Und damit sind wir tatsächlich recht schnell beim Thema Vielfalt, weil all diese Menschen sind natürlich extremst unterschiedlich in ihren verschiedenen Typen, in ihren Erfahrungen, in ihren Funktionsbereichen, Unternehmensbereichen. Dann treffe ich natürlich auch an der Hochschule ganz viele unterschiedliche Akteurinnen und Akteure. Schon nur bei uns im Hause mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung, die Studierenden. Also da ist auch einfach ein buntes Bild an Menschen, die ich so treffe. Und dann hatte ich auch mal ein Forschungsprojekt, so bin ich eigentlich zu dem ganzen Thema gekommen, da ging es um Karriere von Frauen in der chemischen Forschung und Entwicklung. Und das war für mich so eine Art Initialzündung, mich mit dem Thema gleichberechtigte Teilhabe in Führung, aber eben auch gerade von Frauen im Management zu beschäftigen. Wobei natürlich Diversity sehr viel mehr ist als nur Frau in Anführungsstriche, sondern da geht es auch gerade bei uns an der Hochschule eben nicht nur um diese klassischen Diversity-Dimensionen, sondern wir sagen eben auch, es hat ganz viel zu tun mit den Funktionen, in denen wir Berufserfahrung sammeln, mit der Branche, mit der Unternehmensgröße, mit und ohne Führungserfahrung, also Themen, die unterschiedliche Perspektiven in einem berufsbegleitenden Studium ausmachen. Ja, und von daher kann ich zumindest für mich feststellen, dass irgendwie all diese verschiedenen Stränge wohl wirklich dazu geführt haben, dass Diversität jetzt ein großes Thema auch für mich ist.

Anne Emmelmann: Ja, das finde ich sehr schön, weil im Endeffekt so, wie Sie es schildern, begleitet uns ja offensichtlich auch Diversität auf jeder Ebene, in jedem Lebensumstand. Und ich spreche jetzt explizit auch mal für mich: Wenn ich über Diversität spreche, dann denke ich natürlich primär erst mal an Geschlechterdiversität, aber auch Herkunft, unterschiedlicher Bildungsgrad etc. Aber was Sie gerade genannt haben, ist ja tatsächlich auch noch mal diese Weiterführung, was uns ja dann aus der sozialen Umgebung, aus der wir kommen, aus der wir uns dann so ein bisschen loslösen und dann selber diesen Weg gehen, nämlich in der Ausbildung, welchen Berufsweg wähle ich, in welcher Ebene befinde ich mich etc. Und auch, das was Sie gerade ergänzend noch mal erwähnt haben, das bringt uns ja schon auch noch mal in die Richtung, die Sie vorher auch noch angesprochen hatten, eben tatsächlich in der Führung Diversität, im Management. Und ich glaube, da gibt es ja … ich weiß gar nicht viele Studien es dazu gibt. Aber das ist einfach auch gesetzt mittlerweile: Diversität in Führungsteams, im Management, die braucht es und die ist gut und wichtig. Das hat einen positiven Effekt auch auf den Umsatz. Und jetzt unterhalten wir uns natürlich auch mit dem Fokus auf die Diversität in der Lehre, bei den Lehrkräften. Was bedeutet das dann, wie wichtig ist da Diversität?

Anja Seng: Das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt, weil ich glaube, dass die Studierenden wirklich viele unterschiedliche Sichtweisen brauchen, um sich bestmöglich entwickeln zu können. Was natürlich immer mal passieren kann, ist, dass dann die eine Lehrperson etwas anderes sagt als eine andere, weil wir uns ja auch immer selber mitnehmen. Und ich sage mal, in Mathe ist das einfach, also da gibt’s richtig und falsch, aber in vielen anderen Fächern und gerade auch bei uns im betriebswirtschaftlichen Bereich, in der Psychologie, im Gesundheits-, Sozialmanagement, da sind natürlich auch viele Themen interpretativ. Also ich denke, es ist eine Form von Herausforderung auch für die Studierenden, sich aus diesen unterschiedlichen Impulsen, die sie bekommen aus den unterschiedlichen Sichtweisen, etwas zusammenzusammeln und für ihr eigenes Bild zu bauen. Aber ich halte es immer für sehr notwendig, dass wirklich auch viele unterschiedliche Lehrende eingesetzt werden in den verschiedenen Studiengängen, damit die Leute sich mit unterschiedlichen Impulsen auch auseinandersetzen müssen.

Anne Emmelmann: Wie bringen Sie da die gleichberechtigte Teilhabe ein bzw. wie stellen Sie sicher, dass auch unter den Lehrkräften, unter den Lehrenden eine gleichberechtigte Teilhabe und eben diese Diversität gewahrt werden kann?

Anja Seng: Da sind wir als Institution natürlich gefordert, also als Gesamthochschule im Rahmen zum Beispiel von Berufungsprozessen, dass wir schauen, dass so ein Berufungsprozess auch wirklich, ja, transparent und nachvollziehbar erfolgt, so nenne ich das jetzt mal. Sie haben ja gefragt, was ich selber mache. Ich bin seit vielen Jahren Rektoratsbeauftragte lange für Diversity-Management, jetzt seit diesem Jahr für Chancengerechtigkeit. Da kümmere ich mich eben um den Umgang mit Vielfalt bei uns an der Hochschule. Und da haben wir vor wirklich vielen Jahren mal verschiedene Handlungsfelder festgelegt, über die wir versuchen, den Umgang mit Vielfalt zu systematisieren. Also zum einen müssen wir uns mit Vielfalt im Hochschulmanagement beschäftigen. Da gehört zum Beispiel sowas dazu wie Prozessgestaltung. Da gehört aber auch eine Verankerung dazu in der Organisation, also eine gewisse Zuständigkeit, dass sich Menschen auch verantwortlich fühlen, ein gewisses Reporting. Also wir arbeiten gerade am neuen Diversity-Bericht, der jetzt hoffentlich noch im Laufe des Semesters herauskommen wird. Da dokumentieren wir einfach oder beschreiben, was wir in den letzten Jahren so gemacht haben. Wir sind vor vielen Jahren der Charta der Vielfalt beigetreten. Und wenn ich heute durch die Büros der Hochschulleitung gehe, steht da immer noch die Unterschrift sozusagen. Das wir haben wir damals für alle als kleines Poster gestaltet mit der Selbstverpflichtung, sodass alle, also nicht alle Mitarbeitenden, aber zumindest eben die Vertretung der Hochschulleitung immer wieder auch diese Charta der Vielfalt und die Selbstverpflichtung vor Augen hat, damit das in allem Tun irgendwie Wirkung zeigt. Gut, wir haben neben dem Hochschulmanagement noch die Handlungsfelder Forschung, Lehre und Praxis. Und Lehre ist da sicherlich auch noch mal ein ganz spannendes Feld, denn da geht es mir zumindest gar nicht so sehr um die Quoten, wie viele Männlein, Weiblein, junge Eltern haben wir. Da sind wir auch ganz gut unterwegs. Da kommen wir vielleicht später nochmal drauf. Aber es geht auch viel um das Thema Diversity-Kompetenz. Also wie lernen die Studierenden den Umgang mit Vielfalt? Es geht um Lehrinhalte, die wir anbieten. Wie kann also das Thema Vielfalt in die verschiedenen Curricula aufgenommen werden, in die verschiedenen Module? Und auch die Diskussion hatten wir mal, man kann ja im HR-Studiengang ein Modul Diversity machen, wo ich dann immer sage: Nein, also so war es jetzt nicht gedacht. Die Idee ist, dass es eigentlich modulübergreifend in fast jedem Thema in irgendeiner Form miteinfließen kann, dass über verschiedene Aspekte, sei es eine Entwicklung, seien es volkswirtschaftliche Themen, selbst im Controlling kann man über Gender Budgeting sprechen. Also es lassen sich in so vielen Themenbereichen auch immer wieder Diversity-Aspekte identifizierten, dass wir da versuchen, eben die Inhalte für die Studierenden aufzupeppen. Es geht aber auch um: Wie gehe ich damit um, mit dieser Perspektivvielfalt – bei den Studierenden, aber zum Beispiel auch bei den Lehrenden? Denn, ich sage mal, man entwickelt sicher ja ständig weiter, Selbstreflexion hilft, und wir müssen da auch die Lehrenden immer wieder sensibilisieren, die Vielfalt der Studierenden bestmöglich zu nutzen, die verschiedenen Perspektiven abzufragen, damit sie voneinander lernen können, damit auch im Prinzip der Lehrende von der Studierenden lernen kann. Es gilt auch eine Vielfalt an didaktischen Methoden einzusetzen, weil nicht alle Studierenden gleich lernen. Sondern ich selber kenne das auch aus meiner Unizeit, das war schon im letzten Jahrtausend, obwohl ich irgendwie gefühlt noch gar nicht so alt bin, aber da stand halt der Professor, war natürlich auch eigentlich immer ein Mann, vorne und las tatsächlich aus seinem Buch vor. Sowas gibt es bei uns zum Glück nicht mehr, sondern es geht um Interaktion, es geht um unterschiedliche Formen. Definitionen schreibe ich immer auf. Ich gucke gerne ein Video dazu, lasse die Leute selber was recherchieren, selber eine Definition aufschreiben, damit sie einfach verschiedene methodische Ansätze bekommen. Und irgendeiner wird bei den verschiedenen Personen schon greifen. Also irgendwie werden sie es dann auch gut schaffen damit lernen zu können.

Anne Emmelmann: Das war schon mal ein super Einblick. Und ich muss sagen, mir geht das Herz auf. Ich habe mir damals schon in der Schulzeit und selbst auch im Studium so sehr gewünscht, aber das habe ich erst im Nachhinein festgestellt, dass sich doch mal irgendjemand mit mir beschäftigt hätte, wie ich gut lerne. Ich finde das so schön, dass tatsächlich eben Diversität weitergeführt wird und nicht nur durch ein Fach. Und ich hatte tatsächlich ein Fach Diversity-Management. So viel dazu. Genau. Und Das war natürlich spannend, um Gottes willen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber das wirklich zu integrieren, das ist eben genauso, wie man Diversity beginnt zu leben. Und da merkt man dann wahrscheinlich eben die Veränderung, ja.

Anja Seng: Also es ist sicherlich alles entwicklungsfähig. Und ich würde auch nicht sagen, dass wir da schon am Ziel angekommen sind. Also es ist nicht so, dass alle Module da schon perfekt aufgestellt sind. Aber glaube, das ist auch noch gar nicht wichtig, sondern wichtig ist der Weg dahin und die Bereitschaft, da auch weiterzugehen. Am Ende liegt es ja auch an den einzelnen Lehrpersonen, wie sie es umsetzen und ausgestalten. Und wenn sie bei der Wahl der Beispiele einfach mal von der Chefin und dem Assistenten reden, ist ja schon viel gewonnen.

Anne Emmelmann: Ja, genau.

Anja Seng: So trivial, wie es sich anhört.

Anne Emmelmann: Absolut, genauso ist es aber, ja. Hand aufs Herz, gucken wir mal auf die Fakten: Bei all dem, was Sie ja schon seit einer Weile auch integriert haben, wie hat sich das entwickelt bei den Lehrenden, diese Ratio zwischen männlich … Ja, wir sind jetzt nicht bei der Diversity per se, sondern wir reden jetzt wirklich erstmal nur über männlich und weiblich. Wie ist da der Schnitt an der FOM? Und was mich natürlich jetzt auch aus DMW-Sicht noch mal interessiert: der Blick auf die IT. Sehen wir da einen Unterschied oder wie ist das? Ich lasse mich überraschen.

Anja Seng: Also insgesamt sind die Zahlen schon ganz gut tatsächlich. Wir haben 23 Prozent weibliche Professorenschaft. Damit liegen wir im Schnitt über dem, was andere Hochschulen so leisten können, aber es ist natürlich immer noch zu wenig. Also wir wollen mehr und sehen auch zu, dass in den Berufungsprozessen eben wirklich auch bewusst immer wieder Frauen mit eingefaced werden. Bei den freiberuflichen Lehrenden ist der Anteil noch ein bisschen höher, da sind wir schon bei 29 Prozent. Ich sage immer: Man braucht diese 30 Prozent. Da gibt’s ja auch Studien dazu, die sagen, eine Minderheit ist eine Minderheit, wenn sie eben unter 30 Prozent ist. Und sobald wir dahin kommen, sind wir, glaube ich auf einem guten Weg. Wir versuchen auch, die Altersstruktur ganz gut zu streuen. Also bei den Professoren haben wir jetzt zwar einen Durchschnitt von 51, wo man jetzt sagt, na ja, okay, typisch, habe ich jetzt auch nicht anders erwartet. Aber die jüngste Professorin, die wir berufen haben, die jüngste Professur ist Anfang 30. Und wir haben auch jemanden mit Mitte 60 noch berufen, also auch neu berufen, obwohl die Menschen eben schon älter wären. Es gibt bestimmte Anforderungen, deswegen geht es einfach nicht jünger: Man muss fünf Jahre Berufserfahrung haben außerhalb der Hochschule, um an einer Fachhochschule ohne Habilitation dann auch eine Professur zukommen. Aber da versuchen wir wirklich sehr bewusst auch, sehr breit uns aufzustellen und da sehr breit zu rekrutieren. Wir haben im Rektorat sogar, das fällt mir gerade noch ein, 45 Prozent Frauen, was auf jeden Fall super ist. Das heißt, von ganz oben aus sind wir da schon gut aufgestellt. Und im Dekanat haben wir immerhin 20 Prozent. Na ja, also da ist auch noch Luft nach oben. Aber ein sehr schwieriges Feld, wenn man sich mit Zahlen an den Hochschulen beschäftigt, stellen wir fest, dass Dekanate eigentlich fast immer männlich besetzt sind. In der IT ist leider alles nicht so toll, das muss ich schon sagen. Da haben wir einfach viel zu wenige weibliche Lehrende. Und deswegen bin ich auch so froh über den Kontakt mit den Digital Media Women, weil wir da hoffentlich auch die eine oder andere freiberufliche Dozentin einfach gerade für den IT-Bereich gewinnen können. Da sind wir, na ja, also schon im einstelligen Bereich. Das ist auch sehr unterschiedlich an den Standorten. Die Richtung in Richtung zehn Prozent ist aufgenommen, aber puh, das ist zu wenig.

Anne Emmelmann: Also das ist, muss ich auch sagen, leider ja nicht so überraschend, weil das ist das, was ja in der Wirtschaft und in anderen Bereichen einfach widergespiegelt wird. Wobei die Zahlen nichtsdestotrotz außerhalb der IT natürlich superschön sind. Und das zeigt ja, ich denke, auch immer mit gutem Beispiel vorangehen. Deswegen ist das einfach schön zu sehen, dass da eben nicht von, sage ich mal, unten aufgebaut wird, sondern dass eben gezeigt wird: Wir meinen das ernst, und wir setzen an allen unterschiedlichen Ebenen, Levels und in Bereichen an, um das wirklich voranzubringen. Nun hat ja auch, wenn ich an der Hochschule lerne, dann habe ich natürlich auch bestimmte Vorbilder. Oder ob es jetzt Vorbilder … aber es sind prägende Personen, die vor mir stehen, nämlich die Lehrkräfte. Und gerade in der IT suchen wir natürlich auch immer wieder Unternehmen nach höherer Diversität, also um erst mal auch überhaupt den Frauenanteil nach oben zu bringen. Und wenn das natürlich in der Lehre jetzt auch so nicht reflektiert wird, dann frage ich mich natürlich schon an der Stelle, was macht das auch mit den lernenden Personen, …

Anja Seng: Genau.

Anne Emmelmann: … mit den Männern und den Frauen, die da einfach in die IT einsteigen wollen. Wenn ich jetzt eben hoffentlich nicht nur alte weiße Männer, also wirklich auch sehr plakativ gesprochen, vor mir sitzen habe, aber wenn ich die erstmal noch vor mir sitzen habe, dann macht das was mit mir als Frau. Aber genauso andersrum: Wenn ich eine Frau in der IT vor mir lehren habe als Mann, dann macht das vielleicht auch was mit einem Mann in beide Richtungen. Und wenn wir jetzt über die „unconscious bias“, unbewusste Prägung, auch mal reden, die ich sehr, sehr spannend finde und die auch die Diversität sehr gut aufgreift: Wie wirkt sich das aus in all diese verschiedenen Richtungen?

Anja Seng: Na ja, gut, gerade in der IT und Mathe ist das natürlich ein Bild, was schon in der Schulzeit geprägt wird. Also ich höre immer viele Mädchen, die sagen: Ja, ich kann das ja nicht. Kommt halt auch nicht von ungefähr. Also das wird von vielen Menschen immer noch kolportiert, möglicherweise unbewusst, sei es von Lehrern, sei von Eltern, von wem auch immer. Da zu sagen, Mädchen können kein Mathe, ist einfach Quatsch. Aber gut, da müssen wir noch dran arbeiten. Die vielen Mathelehrerinnen müssten das ja eigentlich auch anders vorleben. Aber trotzdem gibt es immer noch diese Bilder. Und das ist wirklich schade. Ich bin da sehr bei Ihnen, dass wir diese Vorbildfunktion brauchen. Und deshalb, ja, würde ich mich auch … also freuen wir uns tatsächlich über Damen aus der IT, aus dem technischen Bereich, die dann auch in die Lehre gehen wollen als Freiberufler. Also als Professorin müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein. Das ist auch vielleicht gar nicht für jede interessant. Aber zumindest um mal in die Lehre zu gehen, um mal ein Modul oder zwei zu machen in einem richtig harten IT-Umfeld, das wäre großartig für alle Beteiligten, weil die Jungs dann sehen, es geht eben auch anders, und weil die Frauen dann sehen: Oh, huch, es ist ja doch möglich, wunderbar. Und das ist sicherlich alles nur unbewusst, aber damit müssen wir unbedingt in gewisser Form arbeiten.

Anne Emmelmann: Nun ist es nun mal Fakt, dass wir mehr männliche Lehrkräfte auch haben und sicherlich auch mehr männliche Studierende im IT-Bereich. Es gibt ja auch immer den Tag der offenen Hochschule, und dann gibt’s ja auch gerade so Tage, wo wirklich auch Mädchen in die MINT-Fächer gebracht werden und dass es da nähergebracht wird. Haben Sie da auch Maßnahmen, um das noch mal tiefergreifend aufzubrechen?

Anja Seng: Wir haben das zdi (Zukunft durch Innovation) bei uns, da geht es jedenfalls darum, auch Mädchen für MINT-Themen zu begeistern. Ja, es hat sehr viel mit Sozialisation meiner Meinung nach zu tun, mit Aufklärung auch für Lehrkräfte. An den Feldern müssen wir dranbleiben. Aber zum Beispiel auch mal, ich sage mal, was ist ein Professor. Wenn wir uns jetzt mal fragen: Das Bild des Professors ist, glaube ich, … also da entsteht ein Bild im Kopf. Und an eine Professorin denken wahrscheinlich noch nicht so viele. Und an eine Professorin vielleicht mit einer anderen Hautfarbe oder aus einem anderen kulturellen Hintergrund, dann wird’s schon plötzlich ganz schwierig. Also das sind einfach die Bilder, die wir auch Kopf haben. Und genau deshalb ist so wichtig, da auch mal andere Rollenmodelle zu präsentieren und tatsächlich in die Öffentlichkeit zu stellen und darüber auch zu sprechen.

Anne Emmelmann: Meinen Sie denn, dass es da ein Risiko auch gibt, wenn wir jetzt eine weibliche, vielleicht auch kopftuchtragende Professorin in der IT auf einmal vorne stehen haben, und dann kommen die Studenten rein und sind erst mal überrascht, weil es eben nicht dem Bild entspricht, was man da im Kopf hat. Meinen Sie, das macht dann auch was mit der Aufnahmefähigkeit, mit der Akzeptanz, das, was da vorne jetzt besprochen wird, auch aufzunehmen?

Anja Seng: Das könnte man untersuchen. Tatsächlich glaube ich, dass es das unterm Strich nicht tut. Also da glaube ich persönlich immer sehr an das Gute im Menschen oder an die Offenheit und denke, dass man denkt vielleicht: Huch, habe ich anders erwartet. Also ich sage mal, wenn Menschen mich nicht kennen und dann nur wissen, da kommt Dr. Seng, erwarten viele einen männlichen Asiaten, also einfach aufgrund des Namens. Und dann werde ich begrüßt mit: Ach, wir haben einen Chinesen erwartet. Und dann hinterher funktioniert es trotzdem. Also das ist jetzt nur … Ich kann da jetzt nicht von mir auf alle schließen, natürlich nicht. Aber es gibt dieses Überraschungsmoment tatsächlich. Aber eigentlich habe ich persönlich immer eher das Gefühl, dass es hinterher dann so eine Art Vertrauensvorschuss gibt im Sinne von: Oh, huch, da habe ich mich aber sehr vertan und habe mir auch was Falsches vorgestellt oder was anderes vorgestellt. Dann bin ich jetzt eher noch gütiger in Anführungsstrichen.

Anne Emmelmann: Schön.

Anja Seng: Also deshalb glaube ich, dass es auf jeden Fall der Mühe wert wäre, diesen Weg zu gehen und da auch einfach andere Menschen zu präsentieren. Wir haben auch mittlerweile, also Zahlen sind da ja immer schwierig, aber Menschen mit verschiedenen Hintergründen bei uns an der Hochschule. Wir haben einen indischen Professor, wir haben eine türkische Professorenschaft, wir haben eine Professorin mit einer auch deutlich sichtbaren Behinderung, also wirklich eine Mischung von alldem, um da auch … Wir haben noch mehr internationale Professoren. Jetzt habe ich nicht alle aufgezählt. Also wir haben ja auch Hunderte von Professorinnen und Professoren, die ich alle gar nicht kenne, um jetzt hier niemandem zu nahe zu treten. Aber da versuchen wir wirklich eine gewisse Mischung zu erzeugen, so das denn möglich ist. Also zum Beispiel haben wir immer mal so Infoveranstaltungen, ich nenne das Professorinnen-Events, so haben wir das angefangen, um ganz gezielt wirklich Frauen für den Beruf der Professorin zu gewinnen und zu sensibilisieren. Und vielen war gar nicht klar, dass das überhaupt möglich ist. Mittlerweile machen wir das nicht mehr nur für Frauen, was ich persönlich ein bisschen schade finde. Das darf ich, glaube ich, auch so sagen, weil die Fragen, die gestellt wurden, tatsächlich etwas anders gelagert waren als in einer gemischten Gruppe. Und andere Menschen stellen Fragen in gemischten Gruppen und in Frauengruppen. Und auch dem lohnt es sich, glaube ich, durchaus Raum zu geben, weil es eben diese Bilder gibt.

Anne Emmelmann: Ja, sehr schön. Aber das ist auch der richtige Appell, dass man mit Vorbild vorangeht. Und ich finde auch tatsächlich, das weckt ja auch Hoffnung, Ihre Erfahrungen, die Sie machen. Also das war mir so nicht bewusst, dass auch Sie mit einem Bias eigentlich aufgrund des Namens und des Titels vielleicht in der Kombination auch dann einfach bedacht sind. Aber die Erfahrung mit dem Vertrauensvorschuss, das macht dann auch vielleicht für andere Hoffnung, die eben sich für diesen Beruf interessieren, den Schritt noch zu gehen. Ja, finde ich sehr schön. Die FOM veranstaltet das Frauenforum. Wenn wir über Maßnahmen sprechen, dann wollen wir uns doch auch das noch mal anschauen. Was macht denn die FOM da? Was ist das Frauenforum?

Anja Seng: Genau, das ist in unserem Diversity-Handlungsfeld Praxis angesiedelt. Dieses Frauenforum gibt es jetzt auch schon seit ganz vielen Jahren. Das hat mal unsere frühere Geschäftsführerin ins Leben gerufen, weil sie sich sagte: Mensch, wir haben doch auch viele weibliche Studierende. Tatsächlich die Hälfte, also bis auf die IT, da sind es weniger Frauen leider, aber ansonsten sind es eigentlich immer ungefähr die Hälfte. Bei den Wirtschaftspsychologen sind es dann sehr viel mehr Frauen als Männer, also gleicht es sich aus. Und für die Frauen sollten wir doch irgendwie auch etwas gezielt gestalten, damit sie einfach einen guten Karriereweg gehen. Wir machen ein lokales Netzwerktreffen, denn es gibt immer wieder diese Themen: Wie mache ich eigentlich Karriere? Wie plane ich Karriere? Wie verhandle ich mein Gehalt? Wie mache ich Selbstmarketing? Und warum überhaupt Netzwerken? Das sind so die klassischen Frauenthemen heute immer noch. Manchmal finde ich es erschreckend, weil ich habe vor 15 Jahren auch schon darüber gesprochen. Aber es läuft immer noch. Es findet sehr viel Nachfrage-, Gesprächs- und Austauschbedarf. Sodass wir einfach sagen, wir möchten eine Plattform anbieten für unsere Studentinnen, für unsere Absolventinnen, aber eben auch an karriereinteressierte Frauen der jeweiligen Region – und mittlerweile virtuell übergreifend –, um sich zu den Themen des jeweiligen Frauenforums auszutauschen. Hundert Frauen sind dann da, es ist unglaublich laut, alle quatschen miteinander. Man trifft sich wieder einmal pro Jahr. Wir haben Netzwerkpartnerinnen von der jeweiligen Region, sei es von der Stadt oder Digital Media Women in Zukunft hoffentlich auch oder FidAR oder BPW, DFK, EWMD, also unterschiedlichste Organisationen, die dann da sind und sich vorstellen, die Ansprechpersonen sind. Und so können wir als Hochschule, glaube ich, auch noch mal einfach was tun, um mehr gleichberechtigte Teilhabe mit zu fördern, also so im Sinne von: Mensch, das ist wichtig für unsere Gesellschaft. Und wir können auch sehr konkret unsere Studierenden ermutigen, unsere Studentinnen ermutigen, ihren Weg zu gehen. Denn je mehr Frauen mit FOM-Abschluss in Führungspositionen sind, umso besser natürlich. Auch das ist ein schöner „side effect“, der dazukommt. Also es ist so eine Kombination aus: Hey, wir möchten euch gerne bisschen stupsen weiterzumachen, bis hin zu auch regionalem Engagement, weil es eine tolle Möglichkeit ist, sich lokal zu vernetzen mit unterschiedlichen Partnern, um da weiterzukommen. Ich sage immer besonders gerne: Auch Personalentwickler sind besonders willkommen. Die sagen mir hinterher … Auf die gehe ich einzeln zu, weil es so wenige sind, und dann frage ich immer: „Wie war es denn?“ Dann sagen die: „Wow, ich hätte nie gedacht, worüber Frauen so miteinander reden und was so die Fragen sind. Da habe ich ja ganz viel gelernt für mein Personalentwicklungsteam.“ Deswegen kann es eigentlich auch für alle Führungskräfte sehr, sehr hilfreich sein, mal zu sehen, was treibt endlich die Frauen an. Also sie haben halt andere Fragen. Hört sich manchmal blöd an, aber ist eben so. Und jetzt zu sagen, die sollen sich nicht so anstellen, ist ja auch Quatsch, sondern zuhören wäre vielleicht ein guter Weg und es dann aufgreifen.

Anne Emmelmann: Sehr schön.

Anja Seng: Also ein Frauenforum mit viel Herzblut.

Anne Emmelmann: Absolut, das hört man raus. Und ich muss sagen, also wenn Sie es erzählen, dann entsteht da eine absolute Leidenschaft bei mir auch alleine durchs Zuhören, weil ich hätte mir natürlich sowas im Studium auch gewünscht. Also ich bin jetzt bei den DMW und auch noch in anderen Netzwerken engagiert, aber den Weg habe ich natürlich auch dahin gefunden. Während des Studiums wäre es auch sehr wünschenswert gewesen. Deswegen finde ich das eine tolle Initiative, direkt von Anfang an und gerade, wenn man in den Beruf einsteigt. Und ich denke, egal, ob Mann oder Frau, mit einem guten Netzwerk im Rücken ist es doch viel, viel schöner, und das macht das Leben teilweise eben schon einfacher, weil da Austausch ist. Und manchmal ergeben sich ja auch neue Wege. Das ist toll. Und zum Netzwerk, da haben wir natürlich jetzt auch eine Kooperation mit den DMW.

Anja Seng: Ganz klar.

Anne Emmelmann: Genau. Und warum denn jetzt die DMW? Ohne dass das jetzt eine Werbung für die DMW sein soll, aber warum ist denn jetzt auch eine Hochschule daran interessiert, mit einem Netzwerk, mit den Digital Media Women, zusammenzuarbeiten?

Anja Seng: Das hat sich so schön eben entwickelt, tatsächlich über einen persönlichen Kontakt. Eines Ihrer Vorstandsmitglieder studiert bei uns an der Hochschule und war beim Frauenforum und war begeistert und meinte: „Hey, das ist ja toll, und ich habe gehört, ihr macht auch Kooperationen mit Netzwerken. Können wir nicht irgendwie auch zusammenkommen?“ Und da wir uns gerade in dieser IT-Richtung gern weiter öffnen möchten, mehr Kontakt auch mit Frauen haben möchten, weibliche Lehrende gewinnen möchten, aber auch die Attraktivität sage ich mal für weibliche ITler steigern wollen, ist das natürlich super. Und wenn wir Frauenforen haben, leiten wir natürlich die Einladung auch an die Digital Media Women weiter in der Hoffnung, dass einige von Ihren Mitgliedern sich anmelden, sodass wir wiederum mehr ITlerinnen auch bei den Teilnehmenden haben. Sodass auch andere Frauen wieder sehen: Oh, es gibt ja doch mathematisch begabte und interessiert Frauen, und die sind eigentlich gar nicht so anders, und ach ja, vielleicht lohnt es sich ja doch noch mal, die Mathevorlesung etwas aufmerksamer zu beobachten oder auch vielleicht einfach in die IT-Branche zu gehen. Man muss ja gar nicht immer unbedingt selbst programmieren können, denke ich, sondern die Branche ist ja auch für Zukunftsgestaltung, für Gesellschaftsgestaltung ganz, ganz wichtig. Und da brauchen wir auch viele Frauen. Und so, glaube ich, können wir uns gut bereichern.

Anne Emmelmann: Sehr schön. Und das ist so ein phantastisches Schlussplädoyer. Also so schwer es mir fällt, aber wir sind tatsächlich schon wieder am Ende mit diesem Podcast. Und ich möchte mich ganz, ganz herzlich bedanken für die wunderbaren Impulse, für dieses freundliche Gespräch und für diese Sonne und diese Leidenschaft, mit der Sie die Themen hier vorantreiben. Vielen Dank dafür.

Anja Seng: Ja, ich danke auch ganz herzlich und freue mich auf den weiteren Austausch. Ich bin mir sicher, dass wir uns beim nächsten Frauenforum oder wo auch immer wiedersehen werden.

Anne Emmelmann: Das hoffe ich doch. Vielen Dank.

Anja Seng: Vielen, vielen Dank.

Sprecherin: Und das war es auch schon wieder für heute. Aber wenn es dir gefallen hat, dann lass uns doch gerne fünf Sterne da, einen Kommentar oder folge uns auf unseren sozialen Kanälen.

Sprecherin: Du hast vielleicht selbst eine spannende Geschichte aus der Welt der Digitalisierung zu erzählen? Ja, dann melde dich auch gerne unter podcast@digitalmediawomen.de und werde Teil von unserem Podcast.

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Anja Seng: Ganz herzlichen Dank. Ich freue mich auch sehr. Die Reihe ist wirklich klasse geworden, und toll, dass ich dabei sein darf.

Anne Emmelmann: Steigen wir direkt ein. Ich habe ja gerade schon angesprochen: Sie sind als Professorin für Personalmanagement seit vielen Jahren an der Front. Jetzt frage ich mich natürlich: Wenn man diesen Fokus hat, ist es dann so eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass man sich dann irgendwann auch in die Richtung Diversity automatisch weiterentwickelt?

Anja Seng: Wow, das ist wirklich eine spannende Frage, da muss ich ein bisschen darüber nachdenken. Ja, ich bin im Bereich Personalmanagement Professorin und kümmere mich da, oder denke da eigentlich immer vom Menschen her. Also da geht es mir jetzt weniger darum, wie organisiere ich am besten eine Personalabteilung, sondern wie funktioniert das eigentlich mit den Menschen in der Organisation? Welche Aufgaben haben da vor allem auch Führungskräfte? Ganz egal, in welcher Funktion sie unterwegs sind, in welcher Branche. Es geht eigentlich immer um die Menschen in der Organisation. Und damit sind wir tatsächlich recht schnell beim Thema Vielfalt, weil all diese Menschen sind natürlich extremst unterschiedlich in ihren verschiedenen Typen, in ihren Erfahrungen, in ihren Funktionsbereichen, Unternehmensbereichen. Dann treffe ich natürlich auch an der Hochschule ganz viele unterschiedliche Akteurinnen und Akteure. Schon nur bei uns im Hause mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung, die Studierenden. Also da ist auch einfach ein buntes Bild an Menschen, die ich so treffe. Und dann hatte ich auch mal ein Forschungsprojekt, so bin ich eigentlich zu dem ganzen Thema gekommen, da ging es um Karriere von Frauen in der chemischen Forschung und Entwicklung. Und das war für mich so eine Art Initialzündung, mich mit dem Thema gleichberechtigte Teilhabe in Führung, aber eben auch gerade von Frauen im Management zu beschäftigen. Wobei natürlich Diversity sehr viel mehr ist als nur Frau in Anführungsstriche, sondern da geht es auch gerade bei uns an der Hochschule eben nicht nur um diese klassischen Diversity-Dimensionen, sondern wir sagen eben auch, es hat ganz viel zu tun mit den Funktionen, in denen wir Berufserfahrung sammeln, mit der Branche, mit der Unternehmensgröße, mit und ohne Führungserfahrung, also Themen, die unterschiedliche Perspektiven in einem berufsbegleitenden Studium ausmachen. Ja, und von daher kann ich zumindest für mich feststellen, dass irgendwie all diese verschiedenen Stränge wohl wirklich dazu geführt haben, dass Diversität jetzt ein großes Thema auch für mich ist.

Anne Emmelmann: Ja, das finde ich sehr schön, weil im Endeffekt so, wie Sie es schildern, begleitet uns ja offensichtlich auch Diversität auf jeder Ebene, in jedem Lebensumstand. Und ich spreche jetzt explizit auch mal für mich: Wenn ich über Diversität spreche, dann denke ich natürlich primär erst mal an Geschlechterdiversität, aber auch Herkunft, unterschiedlicher Bildungsgrad etc. Aber was Sie gerade genannt haben, ist ja tatsächlich auch noch mal diese Weiterführung, was uns ja dann aus der sozialen Umgebung, aus der wir kommen, aus der wir uns dann so ein bisschen loslösen und dann selber diesen Weg gehen, nämlich in der Ausbildung, welchen Berufsweg wähle ich, in welcher Ebene befinde ich mich etc. Und auch, das was Sie gerade ergänzend noch mal erwähnt haben, das bringt uns ja schon auch noch mal in die Richtung, die Sie vorher auch noch angesprochen hatten, eben tatsächlich in der Führung Diversität, im Management. Und ich glaube, da gibt es ja … ich weiß gar nicht viele Studien es dazu gibt. Aber das ist einfach auch gesetzt mittlerweile: Diversität in Führungsteams, im Management, die braucht es und die ist gut und wichtig. Das hat einen positiven Effekt auch auf den Umsatz. Und jetzt unterhalten wir uns natürlich auch mit dem Fokus auf die Diversität in der Lehre, bei den Lehrkräften. Was bedeutet das dann, wie wichtig ist da Diversität?

Anja Seng: Das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt, weil ich glaube, dass die Studierenden wirklich viele unterschiedliche Sichtweisen brauchen, um sich bestmöglich entwickeln zu können. Was natürlich immer mal passieren kann, ist, dass dann die eine Lehrperson etwas anderes sagt als eine andere, weil wir uns ja auch immer selber mitnehmen. Und ich sage mal, in Mathe ist das einfach, also da gibt’s richtig und falsch, aber in vielen anderen Fächern und gerade auch bei uns im betriebswirtschaftlichen Bereich, in der Psychologie, im Gesundheits-, Sozialmanagement, da sind natürlich auch viele Themen interpretativ. Also ich denke, es ist eine Form von Herausforderung auch für die Studierenden, sich aus diesen unterschiedlichen Impulsen, die sie bekommen aus den unterschiedlichen Sichtweisen, etwas zusammenzusammeln und für ihr eigenes Bild zu bauen. Aber ich halte es immer für sehr notwendig, dass wirklich auch viele unterschiedliche Lehrende eingesetzt werden in den verschiedenen Studiengängen, damit die Leute sich mit unterschiedlichen Impulsen auch auseinandersetzen müssen.

Anne Emmelmann: Wie bringen Sie da die gleichberechtigte Teilhabe ein bzw. wie stellen Sie sicher, dass auch unter den Lehrkräften, unter den Lehrenden eine gleichberechtigte Teilhabe und eben diese Diversität gewahrt werden kann?

Anja Seng: Da sind wir als Institution natürlich gefordert, also als Gesamthochschule im Rahmen zum Beispiel von Berufungsprozessen, dass wir schauen, dass so ein Berufungsprozess auch wirklich, ja, transparent und nachvollziehbar erfolgt, so nenne ich das jetzt mal. Sie haben ja gefragt, was ich selber mache. Ich bin seit vielen Jahren Rektoratsbeauftragte lange für Diversity-Management, jetzt seit diesem Jahr für Chancengerechtigkeit. Da kümmere ich mich eben um den Umgang mit Vielfalt bei uns an der Hochschule. Und da haben wir vor wirklich vielen Jahren mal verschiedene Handlungsfelder festgelegt, über die wir versuchen, den Umgang mit Vielfalt zu systematisieren. Also zum einen müssen wir uns mit Vielfalt im Hochschulmanagement beschäftigen. Da gehört zum Beispiel sowas dazu wie Prozessgestaltung. Da gehört aber auch eine Verankerung dazu in der Organisation, also eine gewisse Zuständigkeit, dass sich Menschen auch verantwortlich fühlen, ein gewisses Reporting. Also wir arbeiten gerade am neuen Diversity-Bericht, der jetzt hoffentlich noch im Laufe des Semesters herauskommen wird. Da dokumentieren wir einfach oder beschreiben, was wir in den letzten Jahren so gemacht haben. Wir sind vor vielen Jahren der Charta der Vielfalt beigetreten. Und wenn ich heute durch die Büros der Hochschulleitung gehe, steht da immer noch die Unterschrift sozusagen. Das wir haben wir damals für alle als kleines Poster gestaltet mit der Selbstverpflichtung, sodass alle, also nicht alle Mitarbeitenden, aber zumindest eben die Vertretung der Hochschulleitung immer wieder auch diese Charta der Vielfalt und die Selbstverpflichtung vor Augen hat, damit das in allem Tun irgendwie Wirkung zeigt. Gut, wir haben neben dem Hochschulmanagement noch die Handlungsfelder Forschung, Lehre und Praxis. Und Lehre ist da sicherlich auch noch mal ein ganz spannendes Feld, denn da geht es mir zumindest gar nicht so sehr um die Quoten, wie viele Männlein, Weiblein, junge Eltern haben wir. Da sind wir auch ganz gut unterwegs. Da kommen wir vielleicht später nochmal drauf. Aber es geht auch viel um das Thema Diversity-Kompetenz. Also wie lernen die Studierenden den Umgang mit Vielfalt? Es geht um Lehrinhalte, die wir anbieten. Wie kann also das Thema Vielfalt in die verschiedenen Curricula aufgenommen werden, in die verschiedenen Module? Und auch die Diskussion hatten wir mal, man kann ja im HR-Studiengang ein Modul Diversity machen, wo ich dann immer sage: Nein, also so war es jetzt nicht gedacht. Die Idee ist, dass es eigentlich modulübergreifend in fast jedem Thema in irgendeiner Form miteinfließen kann, dass über verschiedene Aspekte, sei es eine Entwicklung, seien es volkswirtschaftliche Themen, selbst im Controlling kann man über Gender Budgeting sprechen. Also es lassen sich in so vielen Themenbereichen auch immer wieder Diversity-Aspekte identifizierten, dass wir da versuchen, eben die Inhalte für die Studierenden aufzupeppen. Es geht aber auch um: Wie gehe ich damit um, mit dieser Perspektivvielfalt – bei den Studierenden, aber zum Beispiel auch bei den Lehrenden? Denn, ich sage mal, man entwickelt sicher ja ständig weiter, Selbstreflexion hilft, und wir müssen da auch die Lehrenden immer wieder sensibilisieren, die Vielfalt der Studierenden bestmöglich zu nutzen, die verschiedenen Perspektiven abzufragen, damit sie voneinander lernen können, damit auch im Prinzip der Lehrende von der Studierenden lernen kann. Es gilt auch eine Vielfalt an didaktischen Methoden einzusetzen, weil nicht alle Studierenden gleich lernen. Sondern ich selber kenne das auch aus meiner Unizeit, das war schon im letzten Jahrtausend, obwohl ich irgendwie gefühlt noch gar nicht so alt bin, aber da stand halt der Professor, war natürlich auch eigentlich immer ein Mann, vorne und las tatsächlich aus seinem Buch vor. Sowas gibt es bei uns zum Glück nicht mehr, sondern es geht um Interaktion, es geht um unterschiedliche Formen. Definitionen schreibe ich immer auf. Ich gucke gerne ein Video dazu, lasse die Leute selber was recherchieren, selber eine Definition aufschreiben, damit sie einfach verschiedene methodische Ansätze bekommen. Und irgendeiner wird bei den verschiedenen Personen schon greifen. Also irgendwie werden sie es dann auch gut schaffen damit lernen zu können.

Anne Emmelmann: Das war schon mal ein super Einblick. Und ich muss sagen, mir geht das Herz auf. Ich habe mir damals schon in der Schulzeit und selbst auch im Studium so sehr gewünscht, aber das habe ich erst im Nachhinein festgestellt, dass sich doch mal irgendjemand mit mir beschäftigt hätte, wie ich gut lerne. Ich finde das so schön, dass tatsächlich eben Diversität weitergeführt wird und nicht nur durch ein Fach. Und ich hatte tatsächlich ein Fach Diversity-Management. So viel dazu. Genau. Und Das war natürlich spannend, um Gottes willen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Aber das wirklich zu integrieren, das ist eben genauso, wie man Diversity beginnt zu leben. Und da merkt man dann wahrscheinlich eben die Veränderung, ja.

Anja Seng: Also es ist sicherlich alles entwicklungsfähig. Und ich würde auch nicht sagen, dass wir da schon am Ziel angekommen sind. Also es ist nicht so, dass alle Module da schon perfekt aufgestellt sind. Aber glaube, das ist auch noch gar nicht wichtig, sondern wichtig ist der Weg dahin und die Bereitschaft, da auch weiterzugehen. Am Ende liegt es ja auch an den einzelnen Lehrpersonen, wie sie es umsetzen und ausgestalten. Und wenn sie bei der Wahl der Beispiele einfach mal von der Chefin und dem Assistenten reden, ist ja schon viel gewonnen.

Anne Emmelmann: Ja, genau.

Anja Seng: So trivial, wie es sich anhört.

Anne Emmelmann: Absolut, genauso ist es aber, ja. Hand aufs Herz, gucken wir mal auf die Fakten: Bei all dem, was Sie ja schon seit einer Weile auch integriert haben, wie hat sich das entwickelt bei den Lehrenden, diese Ratio zwischen männlich … Ja, wir sind jetzt nicht bei der Diversity per se, sondern wir reden jetzt wirklich erstmal nur über männlich und weiblich. Wie ist da der Schnitt an der FOM? Und was mich natürlich jetzt auch aus DMW-Sicht noch mal interessiert: der Blick auf die IT. Sehen wir da einen Unterschied oder wie ist das? Ich lasse mich überraschen.

Anja Seng: Also insgesamt sind die Zahlen schon ganz gut tatsächlich. Wir haben 23 Prozent weibliche Professorenschaft. Damit liegen wir im Schnitt über dem, was andere Hochschulen so leisten können, aber es ist natürlich immer noch zu wenig. Also wir wollen mehr und sehen auch zu, dass in den Berufungsprozessen eben wirklich auch bewusst immer wieder Frauen mit eingefaced werden. Bei den freiberuflichen Lehrenden ist der Anteil noch ein bisschen höher, da sind wir schon bei 29 Prozent. Ich sage immer: Man braucht diese 30 Prozent. Da gibt’s ja auch Studien dazu, die sagen, eine Minderheit ist eine Minderheit, wenn sie eben unter 30 Prozent ist. Und sobald wir dahin kommen, sind wir, glaube ich auf einem guten Weg. Wir versuchen auch, die Altersstruktur ganz gut zu streuen. Also bei den Professoren haben wir jetzt zwar einen Durchschnitt von 51, wo man jetzt sagt, na ja, okay, typisch, habe ich jetzt auch nicht anders erwartet. Aber die jüngste Professorin, die wir berufen haben, die jüngste Professur ist Anfang 30. Und wir haben auch jemanden mit Mitte 60 noch berufen, also auch neu berufen, obwohl die Menschen eben schon älter wären. Es gibt bestimmte Anforderungen, deswegen geht es einfach nicht jünger: Man muss fünf Jahre Berufserfahrung haben außerhalb der Hochschule, um an einer Fachhochschule ohne Habilitation dann auch eine Professur zukommen. Aber da versuchen wir wirklich sehr bewusst auch, sehr breit uns aufzustellen und da sehr breit zu rekrutieren. Wir haben im Rektorat sogar, das fällt mir gerade noch ein, 45 Prozent Frauen, was auf jeden Fall super ist. Das heißt, von ganz oben aus sind wir da schon gut aufgestellt. Und im Dekanat haben wir immerhin 20 Prozent. Na ja, also da ist auch noch Luft nach oben. Aber ein sehr schwieriges Feld, wenn man sich mit Zahlen an den Hochschulen beschäftigt, stellen wir fest, dass Dekanate eigentlich fast immer männlich besetzt sind. In der IT ist leider alles nicht so toll, das muss ich schon sagen. Da haben wir einfach viel zu wenige weibliche Lehrende. Und deswegen bin ich auch so froh über den Kontakt mit den Digital Media Women, weil wir da hoffentlich auch die eine oder andere freiberufliche Dozentin einfach gerade für den IT-Bereich gewinnen können. Da sind wir, na ja, also schon im einstelligen Bereich. Das ist auch sehr unterschiedlich an den Standorten. Die Richtung in Richtung zehn Prozent ist aufgenommen, aber puh, das ist zu wenig.

Anne Emmelmann: Also das ist, muss ich auch sagen, leider ja nicht so überraschend, weil das ist das, was ja in der Wirtschaft und in anderen Bereichen einfach widergespiegelt wird. Wobei die Zahlen nichtsdestotrotz außerhalb der IT natürlich superschön sind. Und das zeigt ja, ich denke, auch immer mit gutem Beispiel vorangehen. Deswegen ist das einfach schön zu sehen, dass da eben nicht von, sage ich mal, unten aufgebaut wird, sondern dass eben gezeigt wird: Wir meinen das ernst, und wir setzen an allen unterschiedlichen Ebenen, Levels und in Bereichen an, um das wirklich voranzubringen. Nun hat ja auch, wenn ich an der Hochschule lerne, dann habe ich natürlich auch bestimmte Vorbilder. Oder ob es jetzt Vorbilder … aber es sind prägende Personen, die vor mir stehen, nämlich die Lehrkräfte. Und gerade in der IT suchen wir natürlich auch immer wieder Unternehmen nach höherer Diversität, also um erst mal auch überhaupt den Frauenanteil nach oben zu bringen. Und wenn das natürlich in der Lehre jetzt auch so nicht reflektiert wird, dann frage ich mich natürlich schon an der Stelle, was macht das auch mit den lernenden Personen, …

Anja Seng: Genau.

Anne Emmelmann: … mit den Männern und den Frauen, die da einfach in die IT einsteigen wollen. Wenn ich jetzt eben hoffentlich nicht nur alte weiße Männer, also wirklich auch sehr plakativ gesprochen, vor mir sitzen habe, aber wenn ich die erstmal noch vor mir sitzen habe, dann macht das was mit mir als Frau. Aber genauso andersrum: Wenn ich eine Frau in der IT vor mir lehren habe als Mann, dann macht das vielleicht auch was mit einem Mann in beide Richtungen. Und wenn wir jetzt über die „unconscious bias“, unbewusste Prägung, auch mal reden, die ich sehr, sehr spannend finde und die auch die Diversität sehr gut aufgreift: Wie wirkt sich das aus in all diese verschiedenen Richtungen?

Anja Seng: Na ja, gut, gerade in der IT und Mathe ist das natürlich ein Bild, was schon in der Schulzeit geprägt wird. Also ich höre immer viele Mädchen, die sagen: Ja, ich kann das ja nicht. Kommt halt auch nicht von ungefähr. Also das wird von vielen Menschen immer noch kolportiert, möglicherweise unbewusst, sei es von Lehrern, sei von Eltern, von wem auch immer. Da zu sagen, Mädchen können kein Mathe, ist einfach Quatsch. Aber gut, da müssen wir noch dran arbeiten. Die vielen Mathelehrerinnen müssten das ja eigentlich auch anders vorleben. Aber trotzdem gibt es immer noch diese Bilder. Und das ist wirklich schade. Ich bin da sehr bei Ihnen, dass wir diese Vorbildfunktion brauchen. Und deshalb, ja, würde ich mich auch … also freuen wir uns tatsächlich über Damen aus der IT, aus dem technischen Bereich, die dann auch in die Lehre gehen wollen als Freiberufler. Also als Professorin müssen bestimmte Anforderungen erfüllt sein. Das ist auch vielleicht gar nicht für jede interessant. Aber zumindest um mal in die Lehre zu gehen, um mal ein Modul oder zwei zu machen in einem richtig harten IT-Umfeld, das wäre großartig für alle Beteiligten, weil die Jungs dann sehen, es geht eben auch anders, und weil die Frauen dann sehen: Oh, huch, es ist ja doch möglich, wunderbar. Und das ist sicherlich alles nur unbewusst, aber damit müssen wir unbedingt in gewisser Form arbeiten.

Anne Emmelmann: Nun ist es nun mal Fakt, dass wir mehr männliche Lehrkräfte auch haben und sicherlich auch mehr männliche Studierende im IT-Bereich. Es gibt ja auch immer den Tag der offenen Hochschule, und dann gibt’s ja auch gerade so Tage, wo wirklich auch Mädchen in die MINT-Fächer gebracht werden und dass es da nähergebracht wird. Haben Sie da auch Maßnahmen, um das noch mal tiefergreifend aufzubrechen?

Anja Seng: Wir haben das zdi (Zukunft durch Innovation) bei uns, da geht es jedenfalls darum, auch Mädchen für MINT-Themen zu begeistern. Ja, es hat sehr viel mit Sozialisation meiner Meinung nach zu tun, mit Aufklärung auch für Lehrkräfte. An den Feldern müssen wir dranbleiben. Aber zum Beispiel auch mal, ich sage mal, was ist ein Professor. Wenn wir uns jetzt mal fragen: Das Bild des Professors ist, glaube ich, … also da entsteht ein Bild im Kopf. Und an eine Professorin denken wahrscheinlich noch nicht so viele. Und an eine Professorin vielleicht mit einer anderen Hautfarbe oder aus einem anderen kulturellen Hintergrund, dann wird’s schon plötzlich ganz schwierig. Also das sind einfach die Bilder, die wir auch Kopf haben. Und genau deshalb ist so wichtig, da auch mal andere Rollenmodelle zu präsentieren und tatsächlich in die Öffentlichkeit zu stellen und darüber auch zu sprechen.

Anne Emmelmann: Meinen Sie denn, dass es da ein Risiko auch gibt, wenn wir jetzt eine weibliche, vielleicht auch kopftuchtragende Professorin in der IT auf einmal vorne stehen haben, und dann kommen die Studenten rein und sind erst mal überrascht, weil es eben nicht dem Bild entspricht, was man da im Kopf hat. Meinen Sie, das macht dann auch was mit der Aufnahmefähigkeit, mit der Akzeptanz, das, was da vorne jetzt besprochen wird, auch aufzunehmen?

Anja Seng: Das könnte man untersuchen. Tatsächlich glaube ich, dass es das unterm Strich nicht tut. Also da glaube ich persönlich immer sehr an das Gute im Menschen oder an die Offenheit und denke, dass man denkt vielleicht: Huch, habe ich anders erwartet. Also ich sage mal, wenn Menschen mich nicht kennen und dann nur wissen, da kommt Dr. Seng, erwarten viele einen männlichen Asiaten, also einfach aufgrund des Namens. Und dann werde ich begrüßt mit: Ach, wir haben einen Chinesen erwartet. Und dann hinterher funktioniert es trotzdem. Also das ist jetzt nur … Ich kann da jetzt nicht von mir auf alle schließen, natürlich nicht. Aber es gibt dieses Überraschungsmoment tatsächlich. Aber eigentlich habe ich persönlich immer eher das Gefühl, dass es hinterher dann so eine Art Vertrauensvorschuss gibt im Sinne von: Oh, huch, da habe ich mich aber sehr vertan und habe mir auch was Falsches vorgestellt oder was anderes vorgestellt. Dann bin ich jetzt eher noch gütiger in Anführungsstrichen.

Anne Emmelmann: Schön.

Anja Seng: Also deshalb glaube ich, dass es auf jeden Fall der Mühe wert wäre, diesen Weg zu gehen und da auch einfach andere Menschen zu präsentieren. Wir haben auch mittlerweile, also Zahlen sind da ja immer schwierig, aber Menschen mit verschiedenen Hintergründen bei uns an der Hochschule. Wir haben einen indischen Professor, wir haben eine türkische Professorenschaft, wir haben eine Professorin mit einer auch deutlich sichtbaren Behinderung, also wirklich eine Mischung von alldem, um da auch … Wir haben noch mehr internationale Professoren. Jetzt habe ich nicht alle aufgezählt. Also wir haben ja auch Hunderte von Professorinnen und Professoren, die ich alle gar nicht kenne, um jetzt hier niemandem zu nahe zu treten. Aber da versuchen wir wirklich eine gewisse Mischung zu erzeugen, so das denn möglich ist. Also zum Beispiel haben wir immer mal so Infoveranstaltungen, ich nenne das Professorinnen-Events, so haben wir das angefangen, um ganz gezielt wirklich Frauen für den Beruf der Professorin zu gewinnen und zu sensibilisieren. Und vielen war gar nicht klar, dass das überhaupt möglich ist. Mittlerweile machen wir das nicht mehr nur für Frauen, was ich persönlich ein bisschen schade finde. Das darf ich, glaube ich, auch so sagen, weil die Fragen, die gestellt wurden, tatsächlich etwas anders gelagert waren als in einer gemischten Gruppe. Und andere Menschen stellen Fragen in gemischten Gruppen und in Frauengruppen. Und auch dem lohnt es sich, glaube ich, durchaus Raum zu geben, weil es eben diese Bilder gibt.

Anne Emmelmann: Ja, sehr schön. Aber das ist auch der richtige Appell, dass man mit Vorbild vorangeht. Und ich finde auch tatsächlich, das weckt ja auch Hoffnung, Ihre Erfahrungen, die Sie machen. Also das war mir so nicht bewusst, dass auch Sie mit einem Bias eigentlich aufgrund des Namens und des Titels vielleicht in der Kombination auch dann einfach bedacht sind. Aber die Erfahrung mit dem Vertrauensvorschuss, das macht dann auch vielleicht für andere Hoffnung, die eben sich für diesen Beruf interessieren, den Schritt noch zu gehen. Ja, finde ich sehr schön. Die FOM veranstaltet das Frauenforum. Wenn wir über Maßnahmen sprechen, dann wollen wir uns doch auch das noch mal anschauen. Was macht denn die FOM da? Was ist das Frauenforum?

Anja Seng: Genau, das ist in unserem Diversity-Handlungsfeld Praxis angesiedelt. Dieses Frauenforum gibt es jetzt auch schon seit ganz vielen Jahren. Das hat mal unsere frühere Geschäftsführerin ins Leben gerufen, weil sie sich sagte: Mensch, wir haben doch auch viele weibliche Studierende. Tatsächlich die Hälfte, also bis auf die IT, da sind es weniger Frauen leider, aber ansonsten sind es eigentlich immer ungefähr die Hälfte. Bei den Wirtschaftspsychologen sind es dann sehr viel mehr Frauen als Männer, also gleicht es sich aus. Und für die Frauen sollten wir doch irgendwie auch etwas gezielt gestalten, damit sie einfach einen guten Karriereweg gehen. Wir machen ein lokales Netzwerktreffen, denn es gibt immer wieder diese Themen: Wie mache ich eigentlich Karriere? Wie plane ich Karriere? Wie verhandle ich mein Gehalt? Wie mache ich Selbstmarketing? Und warum überhaupt Netzwerken? Das sind so die klassischen Frauenthemen heute immer noch. Manchmal finde ich es erschreckend, weil ich habe vor 15 Jahren auch schon darüber gesprochen. Aber es läuft immer noch. Es findet sehr viel Nachfrage-, Gesprächs- und Austauschbedarf. Sodass wir einfach sagen, wir möchten eine Plattform anbieten für unsere Studentinnen, für unsere Absolventinnen, aber eben auch an karriereinteressierte Frauen der jeweiligen Region – und mittlerweile virtuell übergreifend –, um sich zu den Themen des jeweiligen Frauenforums auszutauschen. Hundert Frauen sind dann da, es ist unglaublich laut, alle quatschen miteinander. Man trifft sich wieder einmal pro Jahr. Wir haben Netzwerkpartnerinnen von der jeweiligen Region, sei es von der Stadt oder Digital Media Women in Zukunft hoffentlich auch oder FidAR oder BPW, DFK, EWMD, also unterschiedlichste Organisationen, die dann da sind und sich vorstellen, die Ansprechpersonen sind. Und so können wir als Hochschule, glaube ich, auch noch mal einfach was tun, um mehr gleichberechtigte Teilhabe mit zu fördern, also so im Sinne von: Mensch, das ist wichtig für unsere Gesellschaft. Und wir können auch sehr konkret unsere Studierenden ermutigen, unsere Studentinnen ermutigen, ihren Weg zu gehen. Denn je mehr Frauen mit FOM-Abschluss in Führungspositionen sind, umso besser natürlich. Auch das ist ein schöner „side effect“, der dazukommt. Also es ist so eine Kombination aus: Hey, wir möchten euch gerne bisschen stupsen weiterzumachen, bis hin zu auch regionalem Engagement, weil es eine tolle Möglichkeit ist, sich lokal zu vernetzen mit unterschiedlichen Partnern, um da weiterzukommen. Ich sage immer besonders gerne: Auch Personalentwickler sind besonders willkommen. Die sagen mir hinterher … Auf die gehe ich einzeln zu, weil es so wenige sind, und dann frage ich immer: „Wie war es denn?“ Dann sagen die: „Wow, ich hätte nie gedacht, worüber Frauen so miteinander reden und was so die Fragen sind. Da habe ich ja ganz viel gelernt für mein Personalentwicklungsteam.“ Deswegen kann es eigentlich auch für alle Führungskräfte sehr, sehr hilfreich sein, mal zu sehen, was treibt endlich die Frauen an. Also sie haben halt andere Fragen. Hört sich manchmal blöd an, aber ist eben so. Und jetzt zu sagen, die sollen sich nicht so anstellen, ist ja auch Quatsch, sondern zuhören wäre vielleicht ein guter Weg und es dann aufgreifen.

Anne Emmelmann: Sehr schön.

Anja Seng: Also ein Frauenforum mit viel Herzblut.

Anne Emmelmann: Absolut, das hört man raus. Und ich muss sagen, also wenn Sie es erzählen, dann entsteht da eine absolute Leidenschaft bei mir auch alleine durchs Zuhören, weil ich hätte mir natürlich sowas im Studium auch gewünscht. Also ich bin jetzt bei den DMW und auch noch in anderen Netzwerken engagiert, aber den Weg habe ich natürlich auch dahin gefunden. Während des Studiums wäre es auch sehr wünschenswert gewesen. Deswegen finde ich das eine tolle Initiative, direkt von Anfang an und gerade, wenn man in den Beruf einsteigt. Und ich denke, egal, ob Mann oder Frau, mit einem guten Netzwerk im Rücken ist es doch viel, viel schöner, und das macht das Leben teilweise eben schon einfacher, weil da Austausch ist. Und manchmal ergeben sich ja auch neue Wege. Das ist toll. Und zum Netzwerk, da haben wir natürlich jetzt auch eine Kooperation mit den DMW.

Anja Seng: Ganz klar.

Anne Emmelmann: Genau. Und warum denn jetzt die DMW? Ohne dass das jetzt eine Werbung für die DMW sein soll, aber warum ist denn jetzt auch eine Hochschule daran interessiert, mit einem Netzwerk, mit den Digital Media Women, zusammenzuarbeiten?

Anja Seng: Das hat sich so schön eben entwickelt, tatsächlich über einen persönlichen Kontakt. Eines Ihrer Vorstandsmitglieder studiert bei uns an der Hochschule und war beim Frauenforum und war begeistert und meinte: „Hey, das ist ja toll, und ich habe gehört, ihr macht auch Kooperationen mit Netzwerken. Können wir nicht irgendwie auch zusammenkommen?“ Und da wir uns gerade in dieser IT-Richtung gern weiter öffnen möchten, mehr Kontakt auch mit Frauen haben möchten, weibliche Lehrende gewinnen möchten, aber auch die Attraktivität sage ich mal für weibliche ITler steigern wollen, ist das natürlich super. Und wenn wir Frauenforen haben, leiten wir natürlich die Einladung auch an die Digital Media Women weiter in der Hoffnung, dass einige von Ihren Mitgliedern sich anmelden, sodass wir wiederum mehr ITlerinnen auch bei den Teilnehmenden haben. Sodass auch andere Frauen wieder sehen: Oh, es gibt ja doch mathematisch begabte und interessiert Frauen, und die sind eigentlich gar nicht so anders, und ach ja, vielleicht lohnt es sich ja doch noch mal, die Mathevorlesung etwas aufmerksamer zu beobachten oder auch vielleicht einfach in die IT-Branche zu gehen. Man muss ja gar nicht immer unbedingt selbst programmieren können, denke ich, sondern die Branche ist ja auch für Zukunftsgestaltung, für Gesellschaftsgestaltung ganz, ganz wichtig. Und da brauchen wir auch viele Frauen. Und so, glaube ich, können wir uns gut bereichern.

Anne Emmelmann: Sehr schön. Und das ist so ein phantastisches Schlussplädoyer. Also so schwer es mir fällt, aber wir sind tatsächlich schon wieder am Ende mit diesem Podcast. Und ich möchte mich ganz, ganz herzlich bedanken für die wunderbaren Impulse, für dieses freundliche Gespräch und für diese Sonne und diese Leidenschaft, mit der Sie die Themen hier vorantreiben. Vielen Dank dafür.

Anja Seng: Ja, ich danke auch ganz herzlich und freue mich auf den weiteren Austausch. Ich bin mir sicher, dass wir uns beim nächsten Frauenforum oder wo auch immer wiedersehen werden.

Anne Emmelmann: Das hoffe ich doch. Vielen Dank.

Anja Seng: Vielen, vielen Dank.

Sprecherin: Und das war es auch schon wieder für heute. Aber wenn es dir gefallen hat, dann lass uns doch gerne fünf Sterne da, einen Kommentar oder folge uns auf unseren sozialen Kanälen.

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