Zehn Vorne - Liebe zum Detail: Jörg Hillebrand über seine Mitarbeit an "Star Trek: Picard"
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In dieser Episode des Podcasts “Zehn Vorne” sprechen wir mit Jörg Hillebrand darüber, wie er Research Assistant bei “Star Trek: Picard” wurde, wie “Star Trek” sein Leben prägte und mit welchen detailverliebten Menschen er sehr gerne zusammengearbeitet hat.
Hi there! If you’re here for the English transcript, please follow this link!
Mitschrift des Interviews (gekürzte Fassung)
Christopher Kurtz vom TrekZone Network: “Hallo zusammen, willkommen zum ZEHN-VORNE-Podcast des Networks, in dem wir mit ganz besonderen Personen sprechen, die sich im Umfeld von ‘Star Trek’ tummeln. Und wir haben das ganz, ganz große Glück, dass wir heute Jörg Hillebrand zu Gast haben, der mit uns darüber spricht; nicht nur, was er jetzt als Research Assistant für die neueste Staffel ‘Star Trek: Picard’ geleistet hat, sondern auch, was ihn ansonsten so umtreibt. — Ja, und ich sitze hier nicht alleine. Als Gastgeber am Mikrofon habe ich Michael Schuh dazu geholt als Verstärkung.”
Michael Schuh vom TrekZone Network: “Hallo!”
Christopher: “Und ein ganz herzliches Willkommen Jörg! Schön, dass du da bist.”
Jörg Hillebrand, Research Assistant bei “Star Trek: Picard”: “Ja, schön, dass ich da sein darf. Moin.”
Christopher: “Eigentlich schon lange, auf Twitter, bist Du mir ein Begriff. Und auch von “Ex Astris Scientia” bist Du ein Begriff. Aber dein Stern ist in letzter Zeit ein bisschen gestiegen. Magst du dich gerade mal kurz mit zwei, drei Sätzen selber vorstellen?”
Jörg Hillebrand: “Mein Name ist Jörg Hillebrand. […] Ich bin seit ich 14 bin ‘Star Trek’-Fan, bin im Internet ein bisschen aktiver mit meinen ‘Star Trek’-Recherchen seit 2005 oder 2004. Da hab ich angefangen bei Ex Astris Scientia Artikel zu schreiben und zu ergänzen.”
Ex Astris Scientia (EAS) ist eine inoffizielle, private und streng nicht-kommerzielle Website, die ‘Star Trek’ gewidmet ist. Sie wurde von Dr. Bernd Schneider, einem in Deutschland ansässigen Elektroingenieur und langjährigen ‘Star Trek’-Fan, erstellt und wird von ihm betreut. Viele der ausführlichen Artikel auf EAS sind das Werk von Jörg Hillebrand.
“Und bei Memory Alpha bin ich Administrator. Da habe ich auch viele Jahre relativ viel mit ‘Star Trek’ gearbeitet, vor allem während der Pandemie. Und als die erste Staffel ‘Star Trek: Picard’ lief, habe ich angefangen, mich mit den Folgen wieder etwas genauer zu beschäftigen und Artikel darüber zu schreiben. Da habe ich dann alle möglichen Details, die mir in den Folgen auffallen, rausgesucht. Wiederverwendete Requisiten oder so was. Das hab ich dann bei Twitter hochgeladen und mache das jetzt seit drei bis dreieinhalb Jahren.”
Memory Alpha ist eine Online-Enzyklopädie für Themen rund um ‘Star Trek’. Sie wurde im Jahr 2003 konzipiert und gestartet. Sie folgt dem Wikipedia-Prinzip. Memory Alpha enthält allein in der englischen Ausgabe über 55.000 Artikel und 60.000 Bilder und ist damit eines der größten Wiki-Projekte überhaupt. Es ist in vielen Sprachen verfügbar.
Jörg Hillebrand: “So ist Dave Blass auf mich aufmerksam geworden, der Produktionsdesigner der zweiten und dritten Staffel von ‘Star Trek: Picard’. Und der hat mich angeheuert. Und dann war ich für die zweite und dritte Staffel Research Assistant, was allerdings ja erst in der dritten Staffel rausgekommen ist, weil mein Name dann in den Credits auftauchte und ich einfach nicht wollte, dass das vorher bekannt ist, damit ich in Ruhe weiterarbeiten kann.”
Micha: “Wie hast du dich dabei gefühlt, als er dich auf einmal angeschrieben hat? War zuvor mit ihm schon Kontakt oder hast du gedacht: ‘Oh, ist das jetzt ein Fake’ oder wie war das?”
Jörg Hillebrand: “Ich hatte überhaupt keine Ahnung wer er ist. Das ist mir aber schon mal passiert, dass ich dann auch über Facebook von Ben Robinson angeschrieben wurde: den kennt man ja auch von den ‘Star Trek’-Raumschiffmodellen von Eaglemoss. Bei Dave war’s ähnlich. Ich wurde angeschrieben… Ich dachte, das ist ein Fan, der einfach wissen möchte, woher ich meine Infos habe und woher ich das weiß.”
“Er fragte mich dann, ob ich schon mal offiziell bei irgendeiner ‘Star Trek’-Produktion mitgearbeitet hätte. Dann habe ich ihm halt erzählt, dass ich hier und da bei den ‘Star Trek’-Auktionen mitgeholfen habe, auch beim Remastering, bei Kleinigkeiten, wenn irgendwelche Fehler noch aufgefallen sind. Ich hatte auch mit Mike Okuda Kontakt und habe bei den Eaglemoss-Büchern mitgeholfen.”
Michael Okuda ist bekannt für seine Arbeit an der szenischen Gestaltung vieler “Star Trek”-Serien und Filme. Während der gesamten TNG-Laufzeit leitete er das Scenic Art Department. Er war unter anderem für das Aussehen fremder Sprachen und Artefakte, auch für Computerbildschirme (LCARS) usw. verantwortlich.
“Und dann fragte er mich, ob ich schon mal für so eine Arbeiten ein NDA unterzeichnet hätte und ich hatte keine Ahnung, was ein NDA ist. Das habe ich dann erst mal gegoogelt: Non Disclosure Agreement, Verschwiegenheitsvereinbarung. Da habe ich gesagt: ‘Nö, das brauchte ich bisher noch nicht.’ Und ich glaube, ich habe irgendwas geschrieben a lá: ‘Ich kann schweigen. Da kannst du John Eaves und Mike Okuda und Rick Sternbach fragen.'”
John Eaves ist ein Konzeptzeichner und Designer, der als Produktionszeichner an vielen “Star Trek”-Serien und Filmen mitwirkte. Rick Sternbach war leitender Produktionszeichner/Designer bei mehreren Serien und Filmen. Sein bei weitem bekanntestes Werk sind die Entwürfe für das PADD, Deep Space 9 und die USS Voyager.
“Und dann kam die nächste Frage, ob ich mir den vorstellen könnte, offiziell mitzuarbeiten und dann so ein NDA zu unterzeichnen. Und da bin ich ein bisschen stutzig geworden, weil ich dachte: Warum fragt mich das ein Fan? Das ist eine merkwürdige Frage. Dann habe ich ‘Dave Blass’ gegoogelt und den Wikipedia-Artikel gefunden. Zu dem Zeitpunkt war noch gar nicht bekannt, dass er mittlerweile als Production Designer den Job übernommen hatte. Das stand noch nirgendwo. Das habe ich später von ihm erfahren.”
“Da hab ich ihm gesagt, dass ich mir das sehr gut vorstellen könnte und dass mir das sicherlich Spaß machen würde. Und dann kam der NDA-Vertrag sozusagen einen Tag später. Den habe ich unterschrieben, eingescannt und dann hab ich direkt angefangen zu arbeiten und seitdem immer durchgehend, durchgängig. Ich habe heute noch Dinge für die letzten Folgen recherchiert oder zusammengestellt. Also das waren jetzt wirklich zweieinhalb Jahre, in denen ich intensivst für ‘Star Trek: Picard’ arbeiten durfte.”
Christopher: “Ist ja irre. Wie müssen wir uns das denn vorstellen? Also was ist denn dann der konkrete Arbeitsauftrag an dich gewesen? Oder wie hat die Kommunikation da überhaupt prinzipiell stattgefunden?”
Jörg Hillebrand: “Es entspricht eigentlich fast hundert Prozent genau dem, was ich sowieso schon mache, wenn ich mich mit ‘Star Trek’ auseinandersetze: ich such mir irgendein Thema raus, mache auch Screenshots aus alten Folgen und vergleiche das, sofern es meine Zeit erlaubt. Aber manchmal habe ich auch Zeit, wenn mal keine neue Folge läuft. Dann schreibe ich einen längeren Artikel.”
“Und das war genauso bei der Produktion von ‘Star Trek’. Ich habe dann per E-Mail Rechercheanfragen bekommen: Such mal Screenshots raus — ich glaube, das war das erste, was ich machen sollte — von allen Sternenflotten- und Föderationsgebäuden von innen. Also: wie sehen die Gebäude von innen aus, damit man dann quasi eine Datenbank hat und dementsprechend dann, wenn neue Räumlichkeiten designt werden sollen, darauf zurückgreifen kann. Ansonsten: Screenshots von irgendeinem Raumschiff, oder, oder… Welche Raumschiffklassen würden zu der Zeit noch rumfliegen? Was kannst du vorschlagen?”
“Also ich habe einfach immer so kleine Aufträge bekommen, manchmal etwas größere. Ich habe für die Ferengi und für die Borg eine große Screenshotdatenbank erstellt und auch kleine Dokumente geschrieben. Da stand dann drin, was so Ferengi-Konsolen, Ferengi-Interfaces oder Borg-Innenräume ausmachen, welche Farben da zu sehen sind. Das habe ich rübergeschickt und das wurde dann entweder direkt so weiterverwendet oder es wurden PDFs draus gemacht, von Assistant Art Directors. Und das haben dann die Designer letztendlich bekommen und haben sich davon inspirieren lassen. Also so lief das meistens.”
“Ihr habt ja die Folge gesehen mit der Museumsstation. Welche coolen Artefakte könnten dort in dem in dem Archiv aufbewahrt werden? Von Sektion 31 oder von der Sternenflotte? Und da hab ich mich auch hingesetzt und bin dann einfach alle Folgen durchgegangen. Dann habe ich, wie immer, einen kleinen Text dazu verfasst. Ich glaube am Ende habe ich 75 Gegenstände zusammengetragen, rübergeschickt und, ja, da wurden dann einige von ausgewählt, die man am Ende dann tatsächlich auch gesehen hat. Das war eine ganz coole Sache.”
Micha: “Hattest du James T. Kirk auf Deiner Liste?”
Jörg Hillebrand: “Ich habe eine Liste bekommen, da waren schon einige Sachen drauf. Also ‘James T. Kirk’ oder der ‘Bird of Prey’. Auch das ‘Genesis-Device’. Das war alles schon klar. Stand auch im Drehbuch, dass das schon auf der Liste der Produzenten mit drin war. Die kamen von Mike Okuda, Doug Drexler, John Eaves und Geoff Mandel. Und meine 75 Sachen wurden dann zusätzlich eingereicht. Und dann bekam ich wieder ein Dokument mit den Sachen, die in die engste Auswahl gekommen sind.”
Künstler Doug Drexler hat seit den 1970er Jahren für viele offizielle und inoffizielle Produktionen und Publikationen gezeichnet oder dazu beigetragen. Drexler begann im Fandom und erwies sich während der Berman-Ära als einer der vielseitigsten Produktionsmitarbeiter der ‘Star-Trek’-Reihe. Geoffrey Mandel ist ein Produktionsmitarbeiter und Designer, der als Bühnenbildner/Produktionsassistent für mehrere “Star Trek”-Serien und Filme mit verantwortlich war.
“Ich freute mich über alle Objekte, die es von meiner Liste geschafft haben. Ich hab mich damit nicht weiter auseinandergesetzt, bis dann die Folge anderthalb Jahre später lief — und ich dann, wie ich das immer mache, Standbild für Standbild die Szenen angeguckt und gesehen habe: ‘das kommt mir doch bekannt vor!'”
Christopher: “Also, du wusstest, was im Drehbuch steht? Das war nicht einfach nur: Arbeitsauftrag, such mal raus, und dann kriegst du das PDF zurück? Sondern das war eine interaktive Sache? Und du wusstest dann auch den Kontext, in dem diese Recherche dann Verwendung finden würde?”
Jörg Hillebrand: “Keinerlei Kontext.”
Christopher: “Kein Kontext?”
Jörg Hillebrand: “Kein Kontext. Ich habe Sachen recherchiert. Also Dave, muss man sagen, war sehr, sehr bemüht, mich nicht zu spoilern. Das rechne ich ihm sehr, sehr hoch an, weil viele Dinge, die dann in der zweiten und dritten Staffel passiert sind, dann auch für mich überraschend waren. Ich habe also wirklich nur Gegenstände recherchiert für z.B. Crew-Quartiere. Ich habe dann später rausgefunden, dass ich für Captain Shaws Sachen recherchiert habe; aber den Charakter kannte ich ja damals noch nicht. Ich hatte keine Ahnung, bei wem das dann letztendlich zu sehen sein wird.”
“Manchmal habe ich gesagt: ‘ich brauche noch ein bisschen mehr Input, damit ich das genauer machen kann.’ Ich wusste zum Beispiel, dass ich für Dr. Crusher ganz viele Sachen recherchieren sollte. Das wurde mir auch gesagt. Ich wusste, dass das die Crew zurückkehrt, schon sehr früh. Hab natürlich mit niemandem drüber gesprochen, sonst hätte ich ja nicht vernünftig recherchieren können.”
Micha: “Aber du wusstest ziemlich früh, dass die Crew zurückkehrt. Und du wusstest wahrscheinlich früher als der Rest der Fans. Richtig?”
Jörg Hillebrand: “Ich habe tatsächlich zuerst erfahren, das Crusher zurückkommt. Ich sollte Sachen für sie raussuchen.”
“Dann Sachen für Data. Da sind etliche Dinge aus den Folgen rausgeschnitten worden, wo ich viel dran gearbeitet habe. Dass wirklich alle auftauchen und quasi in jeder Folge der dritten Staffel mitspielen… das ist mir auch erst klar geworden, als man es bekannt gab auf der Convention.”
“Ich habe ganz, ganz früh ganz viel mitrecherchiert für die Brücke der Enterprise D. Dass das Raumschiff so in Aktion treten würde, dass wir wirklich das ganze Schiff sehen würden, das wusste ich nicht! Aber ich wusste, dass man die Brücke sieht und ich dachte: ‘dann gibt es am Ende eine Szene, wo die dann in das Museum gehen und auf die Brücke stehen und so ein bisschen in Erinnerung schwelgen.’ Aber so, wie das am Ende sein würde, da ich hatte keine Ahnung. Das war für mich genauso beeindruckend und genauso rührend letztendlich auch wie für die anderen Fans. Und da bin ich auch froh drüber, dass es so lief.”
“Ich habe keine der Folgen vorher gesehen. Ich habe die erst dann gesehen, wenn die liefen. Keine Drehbücher gelesen.”
“Es wusste auch niemand, dass ich an der Serie mitarbeite. Das heißt, es ist auch niemand auf die Idee gekommen, mich deswegen zu fragen. Das war natürlich anders, nachdem die erste Folge der dritten Staffel lief. Dann kamen natürlich Leute, die plötzlich bei Twitter mit mir Gespräche starten wollten. Aber da plappere ich nichts aus, da muss niemand Sorge haben, weil ich einfach viel zu viel Respekt davor habe und auch nicht die Überraschung verderben möchte.”
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