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Schwarz, schwärzer am schwärzesten - Die Farbe Schwarz im Tierreich

22:35
 
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Es gibt ultraschwarze Fische, schwarze Panter und Raben, auch Hunde und Katzen können pechschwarz sein. Tarnung in der Tiefsee oder in der Nacht, aber auch eine Genmutation, Alterserscheinung, Stress oder Mangelernährung können hinter dem Melanismus, der Schwarzfärbung bei Tieren stecken. Autorin: Brigitte Kramer (BR 2021)

Credits
Autorin dieser Folge: Brigitte Kramer
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Ditte Ferrigan, Frank Manhold
Technik: Robin Auld
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Lea Schmitz, Sprecherin Deutscher Tierschutzbund, Bonn;
Jochen Wolf, Evolutionsbiologe, LMU München;
Katrin Vohland, Biologin, Naturhistorisches Museum, Wien.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Musik Z9500650 102 „On Thin Ice“; Zeit: 00:36

O 1 Jochen Funktion Farbe DRÜBER

Das ist einerseits die Tarnung. Der Organismus hat damit die

Möglichkeit, sich seinem Umfeld anzupassen. Sich zu verstecken.

Geräusch Rabe

Dann dient die Farbe als innerartliches und auch zwischenartliches Signal ist es wichtig für die Kommunikation,

ATMO weg

… hat aber auch physiologische Relevanz, da es die Thermo-Regulationen beeinflussen kann. Und im Fall von Melanin bietet es auch Schutz vor Strahlung. Weil Melanine eben UV-Strahlung gut abfangen können.

SPRECHERIN

… sagt der Evolutionsbiologe Jochen Wolf von der Ludwigs-Maximilians-Universität in München.

MUSIK ENDE

Je mehr Melanine, also Pigmente, Haut, Federn oder Haare haben, desto dunkler sind sie. Eumelanin (sprich: Oi-Melanin) ist für die Farbe Schwarz zuständig. Melanine sind stammesgeschichtlich uralt, es gab also schon schwarze oder sehr dunkle Dinosaurier, wie über 300 Millionen Jahre alte Fossilien zeigen. Die Farbe Schwarz spielt im Tierreich eine wichtige Rolle, bei Insekten gleichermaßen wie bei in Wirbeltieren.

ATMO nachts

SPRECHERIN drüber

Bei nachtaktiven Tieren beispielsweise. Sie wollen entweder beim Jagen erfolgreich sein oder selber nicht gefressen werden: Viele Würmer, Schnecken, Gliedertiere und Säugetiere sind sehr dunkel, schwarz oder zumindest unauffällig gefärbt.

ATMO weg

SPRECHERIN

Doch bei einigen Tieren entstehen dunkles Fell, Federn oder Haut auch aus einer genetischen Laune heraus: ‚Schwärzlinge‘ sind Tiere, die in ihrer Farbe durch übermäßige Pigmentierung mit Melaninen von der Norm abweichen. Schwarze Panther zum Beispiel, aber auch Pferde, Katzen, Mäuse, Kreuzottern, Meerschweinchen oder Finken … Und: Tiere können vorübergehend schwarz werden, als Reaktion auf Stress, weil sie altern, wie manche Schildkrötenarten zum Beispiel, bei Mangelernährung oder bei Lichtmangel – oder weil sich die Umweltbedingungen verändert haben.

Ein Beispiel für den so genannten Industrie-Melanismus sind die Birkenspanner von Manchester, Nachtfalter, die sich eigentlich mit ihren hell-grau-gemusterten Flügeln perfekt an die Stämme der Birken angepasst hatten.

Bis im 19. Jahrhundert die Schornsteine begannen, Ruß in die Luft zu pusten und sich die Birkenstämme schwarz färbten. Jochen Wolf:

O 1a Jochen Birkenspanner

Und 1848 hat man die erste schwarze Morphe des Birkenspanners in Manchester entdeckt und bereits weniger als 50 Jahre später, 1895, waren 98 Prozent der Population schwarz. Und diese schwarze Mutation wurde durch Selektion verändert. Und dann aber in den 1970er Jahren, als dann Rußfilter eingeführt wurden und die Birken so langsam wieder ihren Ursprungszustand angenommen haben, wurden die Populationen wieder weiß. Und das ging innerhalb von 20 Jahren.

SPRECHERIN

`Durch Selektion verändert´ heißt im Klartext: Die hell-gemusterten Falter fielen auf den rußigen Birkenstämmen derart auf, dass sie sofort gefressen wurden. Die dunklen überlebten und trugen ihr Erbgut und mit ihm ihre Melanine weiter.

MUSIK C1044980 009 „Deep“; ZEIT: 01:37

& ATMO Unter Wasser

SPRECHERIN drüber

Auch Tiere in dunklen Lebensräumen sind schwarz – die Fische der Tiefsee zum Beispiel. Forscher haben im Golf von Mexiko entdeckt, dass es mindestens 16 Fischarten gibt, die mehr als 99,5 Prozent des Lichtes, das sie trifft, absorbieren. Sie leben in einer Tiefe von 1.500 Metern in ewiger Dunkelheit. Doch das Licht, das ihre Haut schluckt, ist kein Tageslicht, sondern stammt von Leuchtorganen anderer Fische. Die senden Lichtsignale aus, um mögliche Beutetiere aufzuspüren. Die „ultraschwarzen“ Fische aber bleiben unentdeckt. Das heißt, wenn das Licht eines Raubfisches auf sie fällt, ist da einfach nichts zu erkennen. Den ‚Tarnungs-Rekord‘ leistet der kleine, schuppenlose Laternenfisch der Gattung Oneirodes:

Seine Haut wirft weniger als 0,04 Prozent des Lichtes zurück, dank einer sehr dünnen, aber sehr dicht mit Pigmenten bestückten Schicht unter der Hautoberfläche. Beinahe lückenlos sind hier die so genannten Melanosomen, die Pigmentkörperchen in den Zellen, verteilt. Sie geben dem Oneirodes-Fisch seine ultraschwarze Erscheinung: Er ist so dunkel, dass kein Körper und kaum ein Umriss erkennbar sind, wenn ein Lichtstrahl auf ihn fällt. Der kleine Fisch wirkt einfach wie ein schwarzes Loch. Bei vielen anderen, dunkel pigmentierten Fischen sind die Pigmentzellen in der Haut durch Kollagen und andere Zellen voneinander getrennt, deswegen sind sie nicht so tiefschwarz.

MUSIK ENDE

ATMO Gabun-Viper

SPRECHERIN drüber

In Kombination mit anderen Farben dient die Farbe Schwarz oft auch als kontrastierendes Element, das das mehrfarbige Federkleid oder die gescheckte Haut noch attraktiver macht – oder sie noch besser tarnt.

MUSIK privat Take 001 „March oft he Shadow“; Album: Best African Music; Label: Goldensong – None; Interpret: Arnaud Gauthier; Komponist: Arnaud Gauthier; ZEIT: 00:28

SPRECHERIN drüber

Die Westafrikanische Gabun-Viper setzt die Farbe Schwarz äußerst geschickt ein: Sie ist eine sehr große, schwere Giftschlange und lebt auf dem Waldboden. Um dort nicht aufzufallen, hat sie eine scheckige, teils geometrische Färbung aus tiefschwarzen und hell-bräunlichen Stellen. Das macht sie im Laub nahezu unsichtbar, ja löst ihre Konturen auf, denn das Schwarz wirkt auch hier nicht wie ein Körper, sondern eher wie eine Lücke.

MUSIK ENDE

SPRECHERIN drüber

Bei der Gabun-Viper sorgen nicht nur Pigmente, sondern Mikro- und Nano-Strukturen ihrer Schuppen dafür, dass auftreffendes Licht fast vollständig absorbiert wird. Tiefes Schwarz entsteht in unserer Wahrnehmung also nicht nur durch dunkle Färbung, sondern auch durch Oberflächenstruktur von Schuppen, Federn oder Panzern. Katrin Vohland (sprich: Foland) vom Naturhistorischen Museum in Wien:

0 2 Katrin Nanotubes

Und dann hat man festgestellt, dass es auch Nanostrukturen gibt im Tierreich zum Beispiel bei dem Paradiesvogel, aber zum Teil auch bei Spinnen, die das Licht so oft reflektieren und brechen, dass eben davon überhaupt nichts mehr übrigbleibt. Oder auch bei Schmetterlingen hat man das gefunden. Die sind so schwarz wie dieser Tiefseefisch, also sind auch ultraschwarz. Also das sind so kleine Nanotubes aus Chitin. Und das ist auch noch mal ein anderer Mechanismus, als wenn man ein schwarzes Pigment im Fell hat.

SPRECHERIN

Chitin ist ein Bestandteil des Außenskeletts vieler Gliederfüßer. Nanotubes sind winzig kleine Röhren, die beispielsweise die Oberfläche von tiefschwarzen Schmetterlingsflügeln bilden. Die Falter der Heliconius-Familie leben in Mittel- und Südamerika und haben intensiv gefärbte Flügel: Zitronengelb-Tiefschwarz, Leuchtrot-Tiefschwarz, Knallblau-Tiefschwarz. Sie nutzen ihre Farbsignale sowohl zur innerartlichen als auch zu zwischenartlichen Kommunikation: Fressfeinden täuschen sie vor, giftig zu sein. Ein klarer Fall von Mimikry, also Signalisierung falscher biologischer Tatsachen.

Und unter ihresgleichen dienen die schwarzbunten Kontraste dem Anlocken von Geschlechtspartnern.

Männliche Tiere wollen in ihrer Auffälligkeit Weibchen anziehen, denn die Farbe Schwarz bringt andere Farben erst richtig zum Leuchten. Katrin Vohland:

O 3 Katrin Female Choise

Allgemein geht man davon aus, alles was man sieht, hat einen evolutionären Vorteil. Also Tiere, die farbig sind, sind attraktiver für Geschlechtspartner. Man spricht ja oft auch von ‚Female Choice‘. Also letztlich investieren die Weibchen mehr in der Fortpflanzung und wählen sich dann entsprechend die Tiere aus. Bei einigen von den Tieren, die tatsächlich schwarz sind, die haben oft bunte Punkte, die dann sehr attraktiv wirken und auch eine Signalwirkung haben.

ATMO Paradiesvögel im Wald

SPRECHERIN drüber

Rekord-Halter in diesem Farbenspiel sind da sicher die Paradiesvögel, die vor allem auf der Insel Neuguinea in Austral-Asien leben. Den männlichen Tieren verleihen dunkle Pigmente und winzige Nano-Strukturen auf der Oberfläche ihrer Federn ein samtiges, superschwarzes Aussehen: Die schwarzen Federn absorbieren je nach Einfallwinkel 0,05 bis 0,31 Prozent des Lichtes. Daneben oder dazwischen wachsen dann schillernde und bunt leuchtende Federn. Der Aufwand ist zielführend: Paradiesvögel sind polygyn, das heißt, Männchen paaren sich nach Möglichkeit mit mehreren Weibchen.

ATMO ENDE

ATMO Fliege

SPRECHERIN drüber

Ganz bescheiden kommen dagegen viele schwarze Insekten daher. Fliegen zum Beispiel. Sie wollen weder auftrumpfen noch etwas vortäuschen. Sie sind aus ganz anderen Gründen schwarz: Ihr schwarzer Körper erleichtert ihnen schlicht das Überleben:

A 5 weg

O 4 Katrin Insekten

Insekten, die ja nicht selber Energie produzieren, sondern davon abhängig sind, dass Energie von außen kommt, wärmen sich schneller auf, wenn es warm ist. Das könnte einfach ihren Wärmehaushalt und damit ihre Mobilität unterstützen.

SPRECHERIN

Schwarz absorbiert das komplette Lichtspektrum und nimmt dabei auch die Wärme des Lichts auf. Das bringt nicht nur Insekten, , sondern auch Tieren in kalten Regionen Vorteile. Jochen Wolf:

0 5 Jochen Eisbär drüber

Der Eisbär ja, der ist ja weiß, wenn man den Eisbären aber rasieren würde, dann wäre der pechschwarz. Also die Haut des Eisbärs ist schwarz, aber die Fellfarbe ist weiß. Und das hat beim Eisbär den ganz einfachen Sinn, dass der weiße Eisbär natürlich wunderbar getarnt ist. Der muss weiß sein, wenn er auf Robbenjagd geht sonst wird er zu früh entdeckt. Andererseits dient aber die schwarze Hautfarbe dazu, dass er mit der Kälte besser klarkommt. Er kann sich einfach aufwärmen und die Haare sind auch noch besonders gestaltet, sodass sie ganz viel Licht durchlassen und auf die Haut reflektieren.

SPRECHERIN

Die schwarze Haut des weißen Eisbären sieht man übrigens an den unbehaarten Stellen: Nase, Schleimhäute des Mundes und Augen.

ATMO Sumpf nachts

SPRECHERIN drüber

Auf Menschen wirken schwarze Tiere oft unheimlich. Bei schwarzen Hunden denken vor allem im englischsprachigen Raum Viele an den „Black Dog“. Ein wahrer Höllenhund also, der als Zeichen des Todes gedeutet wird.

SPRECHERIN

Dabei ist es im wahren Leben genau andersrum: Für viele Hunde ist es ein wahres Unglück, mit einem schwarzen Fell zur Welt zu kommen – auch heute noch. In den USA spricht man mittlerweile vom „Black Dog Syndrome“, oder vom „Big Black Dog Syndrome“, dem Syndrom großer schwarzer Hunde, die wenig Chancen auf eine Adoption haben.

ATMO ENDE

ATMO 8 Katze hoch

SPRECHERIN drüber

Schwarze Katzen dagegen setzten lange Zeit christlich geprägte Assoziationen frei, wurden mit dem Teufel und Hexen assoziiert oder schlicht als Unglücksbringer abgestempelt. Vielen brachte ihre Fellfarbe früher tatsächlich den Tod. Katrin Vohland:

ATMO kurz hoch, dann weg

O 6 Katrin

Was man auch weiß, ist, dass man ganz schwarze Katzen früher umgebracht hat. Das heißt, die Katzen, die immer noch ein weißes Fleckchen hatten, hatten eine höhere Überlebenschance. Das heißt, hier wird gewissermaßen ein künstlicher oder ein von Menschen gemachter Selektionsdruck auf die Katzen. Deswegen findet man offenbar sehr wenig schwarze Katzen ...

SPRECHERIN

… also rein schwarze Katzen, ohne weißes Fleckchen. Eine Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes in deutschen Tierheimen hat Vorurteile gegenüber schwarzen Haustieren bestätigt: Lea Schmitz:

O 7 Lea länger sitzen

Eine Katze, die irgendwie grau getigert ist, die wird sicherlich schneller Interessenten finden als ein schwarzes Tier. Die sind auch oft so ein bisschen unsichtbar, also die werden so’n bisschen übersehen. Und wenn da so ein gemustertes Tier, helle Farbe, ist, wirkt vielleicht irgendwie freundlicher. Die finden dann schnell ein neues Zuhause und die schwarzen Tiere bleiben definitiv oft öfter länger im Tierheim sitzen.

SPRECHERIN

550 Tierheime sind dem Tierschutzbund angeschlossen. Bei der Umfrage haben 313 Einrichtungen teilgenommen. Insgesamt hat rund die Hälfte der teilnehmenden Tierheime bestätigt: Schwarze Hunde und Katzen haben es schwer, ein neues Zuhause zu finden. Viele sind so genannte „Dauersitzer“, verbringen schon ihr halbes Leben oder mehr im Heim.Gründe für die Ablehnung der Menschen sind übrigens nicht nur Angst oder Aberglaube, wie Lea Schmitz weiß:

O 8 Lea

Da spielt dann das Thema Ästhetik eher noch eine Rolle. Also, dass die einfach nicht so als schön empfunden werden, auch Fotogenität. Also die Leute machen ja heute viele Fotos auch von ihren Tieren, teilen die in den sozialen Medien. Und ein schwarzes Tier ist vielleicht nicht ganz so einfach zu fotografieren, weil man einfach so die Umrisse, die Mimik einfach nicht so gut wahrnimmt.

SPRECHERIN

((Deswegen hat der Tierschutzbund im Oktober 2020 die Kampagne „Schwarze Tierheimtiere“ gestartet, um mit den Vorurteilen aufzuräumen. Unter anderem wurde ein Fotowettbewerb ausgeschrieben für schwarzer Tiere und eine „Top-Ten-Liste“ schwarzer Tierheimtiere im Netz publiziert, die besondere Menschen brauchen.)) Denn wenn zur schwarzen Fellfarbe andere „Vermittlungshemmnisse“ kommen, wie Kristina Berchthold vom Münchner Tierschutzverein sagt, dann wird es richtig schwierig: Tiere mit Leinenaggression oder solche, die sich mit Artgenossen nicht vertragen ...

ATMO Hundegebell hoch, dann weg

SPRECHERIN:

Nur, warum ist das so? Ist denn was dran an dem Vorurteil, dass schwarze Tiere aggressiver sind als andere? Der Evolutionsbiologe Jochen Wolf hat sich diese Frage auch gestellt:

O 9 Jochen Wolf Stresshormon-Achse

Fürs Verhalten wahrscheinlich am wichtigsten ist der Zusammenhang der Melano-Genese, also der Herstellung von Melanin mit der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse, HPA Achse, das wird auch Stressachse genannt und das ist einfach ein System in Wirbeltier-Organismen, was zwischen mehreren Hormondrüsen kommuniziert …

SPRECHERIN

… Drüsen, Hormone und Teile des Mittelhirns interagieren im Verlauf dieses Stress-Reaktions-Stoffwechselweges. Stoffwechsel findet permanent in den Zellen statt: Er ist ein biochemischer Prozess, bei dem etwas auf-, ab- oder umgebaut wird, zum Beispiel bei der Atmung, der Energiegewinnung, der Entgiftung – oder eben auch bei der Stressreaktion. Vorangetrieben und gesteuert werden diese Stoffwechselprozesse in den Zellen von Enzymen. Und Enzyme sind Eiweißverbindungen, die mach sich wie winzig kleine Maschinen vorstellen kann, die die biochemischen Prozesse im Organismus katalysieren. Der Bauplan der Enzyme ist in der genetischen Information in jeder Zelle gespeichert. Und weil Stoffwechselwege untereinander vernetzt sind, kann ein und dasselbe Enzym in unterschiedlichen, zellulären Prozessen eine Rolle spielen kann – bei Stressreaktion und bei der Pigmentierung zum Beispiel:

O 10 Jochen Wolf Zusammenhang da

Diese HPA Achse, wenn man sich die Stoffwechselwege anschaut, überlappt die oder steht die in Verbindung mit dem Melanom-Genese-Stoffwechselweg. Und so kann man sich schon vorstellen, dass Mutationen in diesem Bereich Auswirkungen auf beides haben, auf Farbe und auf den Hormonen-Stoffwechsel und vor allem auf den Stresshormon-Stoffwechsel.

SPRECHERIN

Allerdings heißt das noch nicht, dass dunkle Tiere aggressiver auf Stress reagieren. Wissenschaftler in Bielefeld untersuchen das gerade bei Mäusebussarden:

O 11 Jochen Mäusebussarde drüber

Die stellen Unterschiede fest im Verhalten zwischen drei Farb-Morphen, die dort vorkommen. Es gibt diese ganz hellen Mäusebussarde, so mittelbraune und ganz dunkelbraune, und die hellen Männchen sind aggressiver, genau andersherum!, gegen Attrappen von Nesträubern. Und die dunklen Männchen sind am wenigsten aggressiv. Bei Weibchen ist es genau umgekehrt.

ATMO weg

SPRECHERIN

Farb-Verhaltens-Kombinationen bei Mäusebussarden und anderen Wildtieren gibt es offensichtlich, dennoch sollte man solche Einzelbeobachtungen vorsichtig bewerten:

O 12 Jochen Zusammenhang unklar

Dieser Zusammenhang, den gibt es schon irgendwie. Stressresistenz, Immun-Antwort und vielleicht auch Aggressivität sind Verhaltens- Komponenten, die denkbar sind und für die es auch einige Hinweise gibt. Aber ein ganz, ganz klares Signal auf Farbe und Verhalten gibt es meines Wissens bisher kaum. Das ist schon relativ hypothetisch.

ATMO 11 Saat/Nebelkrähen

SPRECHERIN

Anderes Beispiel: Krähen. In Westeuropa brüten die tiefschwarzen Rabenkrähen, im Osten hellgrau-schwarze Nebelkrähen. Sie gehören zur gleichen Art, vermischen sich grundsätzlich aber nicht – nur in einem 50 bis 100 Kilometer breiten Streifen entlang der Elbe. Welche Rolle spielt die Farbe ihres Gefieders - und vielleicht auch ihr unterschiedliches Verhalten? Jochen Wolf hat dazu mit einem internationalen Forscherteam junge Raben- und Nebelkrähen untersucht:

O 13 Jochen Bäume hoch

Also wir klettern dann die Bäume hoch, holen die kleinen Krähen raus und haben das einmal ein Radolfzell gemacht und dann einmal noch in Schweden, in der Nähe von Stockholm.

ATMO hoch

SPRECHERIN drüber, dann weg

Die Krähen wurden in Volieren direkt miteinander konfrontiert:

O 14 Jochen Schwarze und graue miteinander

Schwarze untereinander, graue untereinander, ab einem bestimmten Zeitpunkt haben wir dann eine graue mit einer schwarzen jeweils immer wieder zusammengesetzt und geschaut, ob die sich ob es da konsistente Verhaltens-Unterschiede in der Interaktion gibt.

SPRECHERIN

Und? Waren die schwarzen pfiffiger oder aggressiver? Wie haben sie denn reagiert?

ATMO ENDE

O 15 Jochen Nö

Nö, mei, wie so’ne Krähe halt reagiert, ja, krähen ab und zu, setzen sich nebeneinander, verscheuchen sich … Aber Krähen sind ja wahnsinnig sozial, bis eben auf die Fortpflanzungszeit, da werden sie territorial. Aber sonst, erst mal abtasten, es stellt sich sehr schnell ne Dominanz-Hierarchie raus, die aber eben nicht an der Farbe hing. Und gar nicht mal die Körpergröße, das sind wirklich … die haben wahnsinnig unterschiedliche Persönlichkeiten.

SPRECHERIN

Also: die Federfarbe macht keinen Unterschied. Bleibt die Frage, warum es im gesamten Verbreitungsgebiet Europa nicht mehr gemischte Paare gibt, warum sie sich nur entlang der Elbe vermischen.

O 16 Jochen

Wir haben das genomisch untersucht, haben da von ganz, ganz vielen Individuen das gesamte Erbgut sequenziert und stellen fest, dass die sich tatsächlich im Grunde nur in zwei, drei Bereichen unterscheiden, die alle mit der Farbgebung zusammenhängen.

SPRECHERIN

Also dieselbe Krähenart, in der es Tiere mit hellerem und mit dunklerem Gefieder gibt. Eine scheinbar unwichtige Farbmutation, die den Tieren doch wichtig zu sein scheint, denn die allermeisten schwarzen Saatkrähen ziehen schwarze Partner vor und graue wählen graue. Ihr Auswahlkriterium ist nicht, wie bei den Paradiesvögeln zum Beispiel, ästhetischer Natur ...

O 17 Jochen

… aber es scheint schon so zu sein, dass die durch Imprinting, das haben ja Vögel, ganz früh durch Prägung für später für die Partnerwahl auf ihre Eltern geprägt werden. Und dann wählt man eben nicht die Falschen.

SPRECHERIN

Das heißt: Junge Krähen aus gemischten „Ehen“ im Gebiet der Elbe haben nichts gegen Partner mit anderer Federfärbung, die Krähen außerhalb finden es schon wichtig, dass ihre Partner so aussehen wie sie und ihre Eltern: Entweder schwarz (im Westen) oder grau (im Osten Europas).

ATMO Krähe hoch, dann weg

SPRECHERIN

Vielleicht liegt es auch bei anderen Tieren an der Prägung, dass andersartige Artgenossen ausgestoßen werden.

MUSIK privat Take 005 „Castle Leoch“; Album: Outlander; Label: Madison Gate Records – 043396406490; Interpret: Bear McCreary; Komponist: Bear McCreary; ZEIT: 01:08

& ATMO Schaf kurz hoch

Schwarze Schafe zum Beispiel. Ihnen kann die Farbmutation tatsächlich Pech bringen, allerdings nicht wegen ihrer dunklen Erscheinung. In Schottland gibt es immer weniger schwarze Schafe, von der alten Soay-Rasse zumindest (sprich: So-i). Forscher der Universität Sheffield haben festgestellt, dass das Gen für dunkle Wolle mit nachteiligen Eigenschaften gekoppelt ist. Eigentlich müssten die schwarzen Schafe gemäß der Evolutionstheorie ihre helleren Geschwister verdrängen. Denn schwarze Schafe sind bei dieser Rasse größer und schwerer, also besser angepasst als die weißen. Aber dunkle Soay-Schafe leben kürzer und pflanzen sich weniger erfolgreich fort. Die natürliche Auslese hat also nicht primär etwas mit der dunklen Fellfarbe zu tun, sondern mit versteckten Eigenschaften, die an das Farbgen gekoppelt sind: Bei den schottischen Schafen die kürzere Lebensdauer und die weniger erfolgreiche Fortpflanzung.

MUSIK ENDE

ATMO 12 Schaf

SPRECHERIN

Kommunikation, Tarnung, Wärmehaushalt oder auch genetische Laune: Es gibt viele Gründe für ein schwarzes Fell oder Federkleid, für schwarze Schuppen oder eine schwarze Haut. Tiefseefische und Fliegen, Paradiesvögel, Gabun-Vipern, Katzen, Hunde, Saatkrähen, Soay-Schafe … außer ihrer Farbe haben sie nicht viel gemein. Auf uns Menschen wirken dunkle Tiere eher beunruhigend. Dabei haben sie doch nur eins im Sinn: Das eigene Überleben sichern.

GERÄUSCH RABE

ATMO ENDE

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Es gibt ultraschwarze Fische, schwarze Panter und Raben, auch Hunde und Katzen können pechschwarz sein. Tarnung in der Tiefsee oder in der Nacht, aber auch eine Genmutation, Alterserscheinung, Stress oder Mangelernährung können hinter dem Melanismus, der Schwarzfärbung bei Tieren stecken. Autorin: Brigitte Kramer (BR 2021)

Credits
Autorin dieser Folge: Brigitte Kramer
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Ditte Ferrigan, Frank Manhold
Technik: Robin Auld
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Lea Schmitz, Sprecherin Deutscher Tierschutzbund, Bonn;
Jochen Wolf, Evolutionsbiologe, LMU München;
Katrin Vohland, Biologin, Naturhistorisches Museum, Wien.
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Musik Z9500650 102 „On Thin Ice“; Zeit: 00:36

O 1 Jochen Funktion Farbe DRÜBER

Das ist einerseits die Tarnung. Der Organismus hat damit die

Möglichkeit, sich seinem Umfeld anzupassen. Sich zu verstecken.

Geräusch Rabe

Dann dient die Farbe als innerartliches und auch zwischenartliches Signal ist es wichtig für die Kommunikation,

ATMO weg

… hat aber auch physiologische Relevanz, da es die Thermo-Regulationen beeinflussen kann. Und im Fall von Melanin bietet es auch Schutz vor Strahlung. Weil Melanine eben UV-Strahlung gut abfangen können.

SPRECHERIN

… sagt der Evolutionsbiologe Jochen Wolf von der Ludwigs-Maximilians-Universität in München.

MUSIK ENDE

Je mehr Melanine, also Pigmente, Haut, Federn oder Haare haben, desto dunkler sind sie. Eumelanin (sprich: Oi-Melanin) ist für die Farbe Schwarz zuständig. Melanine sind stammesgeschichtlich uralt, es gab also schon schwarze oder sehr dunkle Dinosaurier, wie über 300 Millionen Jahre alte Fossilien zeigen. Die Farbe Schwarz spielt im Tierreich eine wichtige Rolle, bei Insekten gleichermaßen wie bei in Wirbeltieren.

ATMO nachts

SPRECHERIN drüber

Bei nachtaktiven Tieren beispielsweise. Sie wollen entweder beim Jagen erfolgreich sein oder selber nicht gefressen werden: Viele Würmer, Schnecken, Gliedertiere und Säugetiere sind sehr dunkel, schwarz oder zumindest unauffällig gefärbt.

ATMO weg

SPRECHERIN

Doch bei einigen Tieren entstehen dunkles Fell, Federn oder Haut auch aus einer genetischen Laune heraus: ‚Schwärzlinge‘ sind Tiere, die in ihrer Farbe durch übermäßige Pigmentierung mit Melaninen von der Norm abweichen. Schwarze Panther zum Beispiel, aber auch Pferde, Katzen, Mäuse, Kreuzottern, Meerschweinchen oder Finken … Und: Tiere können vorübergehend schwarz werden, als Reaktion auf Stress, weil sie altern, wie manche Schildkrötenarten zum Beispiel, bei Mangelernährung oder bei Lichtmangel – oder weil sich die Umweltbedingungen verändert haben.

Ein Beispiel für den so genannten Industrie-Melanismus sind die Birkenspanner von Manchester, Nachtfalter, die sich eigentlich mit ihren hell-grau-gemusterten Flügeln perfekt an die Stämme der Birken angepasst hatten.

Bis im 19. Jahrhundert die Schornsteine begannen, Ruß in die Luft zu pusten und sich die Birkenstämme schwarz färbten. Jochen Wolf:

O 1a Jochen Birkenspanner

Und 1848 hat man die erste schwarze Morphe des Birkenspanners in Manchester entdeckt und bereits weniger als 50 Jahre später, 1895, waren 98 Prozent der Population schwarz. Und diese schwarze Mutation wurde durch Selektion verändert. Und dann aber in den 1970er Jahren, als dann Rußfilter eingeführt wurden und die Birken so langsam wieder ihren Ursprungszustand angenommen haben, wurden die Populationen wieder weiß. Und das ging innerhalb von 20 Jahren.

SPRECHERIN

`Durch Selektion verändert´ heißt im Klartext: Die hell-gemusterten Falter fielen auf den rußigen Birkenstämmen derart auf, dass sie sofort gefressen wurden. Die dunklen überlebten und trugen ihr Erbgut und mit ihm ihre Melanine weiter.

MUSIK C1044980 009 „Deep“; ZEIT: 01:37

& ATMO Unter Wasser

SPRECHERIN drüber

Auch Tiere in dunklen Lebensräumen sind schwarz – die Fische der Tiefsee zum Beispiel. Forscher haben im Golf von Mexiko entdeckt, dass es mindestens 16 Fischarten gibt, die mehr als 99,5 Prozent des Lichtes, das sie trifft, absorbieren. Sie leben in einer Tiefe von 1.500 Metern in ewiger Dunkelheit. Doch das Licht, das ihre Haut schluckt, ist kein Tageslicht, sondern stammt von Leuchtorganen anderer Fische. Die senden Lichtsignale aus, um mögliche Beutetiere aufzuspüren. Die „ultraschwarzen“ Fische aber bleiben unentdeckt. Das heißt, wenn das Licht eines Raubfisches auf sie fällt, ist da einfach nichts zu erkennen. Den ‚Tarnungs-Rekord‘ leistet der kleine, schuppenlose Laternenfisch der Gattung Oneirodes:

Seine Haut wirft weniger als 0,04 Prozent des Lichtes zurück, dank einer sehr dünnen, aber sehr dicht mit Pigmenten bestückten Schicht unter der Hautoberfläche. Beinahe lückenlos sind hier die so genannten Melanosomen, die Pigmentkörperchen in den Zellen, verteilt. Sie geben dem Oneirodes-Fisch seine ultraschwarze Erscheinung: Er ist so dunkel, dass kein Körper und kaum ein Umriss erkennbar sind, wenn ein Lichtstrahl auf ihn fällt. Der kleine Fisch wirkt einfach wie ein schwarzes Loch. Bei vielen anderen, dunkel pigmentierten Fischen sind die Pigmentzellen in der Haut durch Kollagen und andere Zellen voneinander getrennt, deswegen sind sie nicht so tiefschwarz.

MUSIK ENDE

ATMO Gabun-Viper

SPRECHERIN drüber

In Kombination mit anderen Farben dient die Farbe Schwarz oft auch als kontrastierendes Element, das das mehrfarbige Federkleid oder die gescheckte Haut noch attraktiver macht – oder sie noch besser tarnt.

MUSIK privat Take 001 „March oft he Shadow“; Album: Best African Music; Label: Goldensong – None; Interpret: Arnaud Gauthier; Komponist: Arnaud Gauthier; ZEIT: 00:28

SPRECHERIN drüber

Die Westafrikanische Gabun-Viper setzt die Farbe Schwarz äußerst geschickt ein: Sie ist eine sehr große, schwere Giftschlange und lebt auf dem Waldboden. Um dort nicht aufzufallen, hat sie eine scheckige, teils geometrische Färbung aus tiefschwarzen und hell-bräunlichen Stellen. Das macht sie im Laub nahezu unsichtbar, ja löst ihre Konturen auf, denn das Schwarz wirkt auch hier nicht wie ein Körper, sondern eher wie eine Lücke.

MUSIK ENDE

SPRECHERIN drüber

Bei der Gabun-Viper sorgen nicht nur Pigmente, sondern Mikro- und Nano-Strukturen ihrer Schuppen dafür, dass auftreffendes Licht fast vollständig absorbiert wird. Tiefes Schwarz entsteht in unserer Wahrnehmung also nicht nur durch dunkle Färbung, sondern auch durch Oberflächenstruktur von Schuppen, Federn oder Panzern. Katrin Vohland (sprich: Foland) vom Naturhistorischen Museum in Wien:

0 2 Katrin Nanotubes

Und dann hat man festgestellt, dass es auch Nanostrukturen gibt im Tierreich zum Beispiel bei dem Paradiesvogel, aber zum Teil auch bei Spinnen, die das Licht so oft reflektieren und brechen, dass eben davon überhaupt nichts mehr übrigbleibt. Oder auch bei Schmetterlingen hat man das gefunden. Die sind so schwarz wie dieser Tiefseefisch, also sind auch ultraschwarz. Also das sind so kleine Nanotubes aus Chitin. Und das ist auch noch mal ein anderer Mechanismus, als wenn man ein schwarzes Pigment im Fell hat.

SPRECHERIN

Chitin ist ein Bestandteil des Außenskeletts vieler Gliederfüßer. Nanotubes sind winzig kleine Röhren, die beispielsweise die Oberfläche von tiefschwarzen Schmetterlingsflügeln bilden. Die Falter der Heliconius-Familie leben in Mittel- und Südamerika und haben intensiv gefärbte Flügel: Zitronengelb-Tiefschwarz, Leuchtrot-Tiefschwarz, Knallblau-Tiefschwarz. Sie nutzen ihre Farbsignale sowohl zur innerartlichen als auch zu zwischenartlichen Kommunikation: Fressfeinden täuschen sie vor, giftig zu sein. Ein klarer Fall von Mimikry, also Signalisierung falscher biologischer Tatsachen.

Und unter ihresgleichen dienen die schwarzbunten Kontraste dem Anlocken von Geschlechtspartnern.

Männliche Tiere wollen in ihrer Auffälligkeit Weibchen anziehen, denn die Farbe Schwarz bringt andere Farben erst richtig zum Leuchten. Katrin Vohland:

O 3 Katrin Female Choise

Allgemein geht man davon aus, alles was man sieht, hat einen evolutionären Vorteil. Also Tiere, die farbig sind, sind attraktiver für Geschlechtspartner. Man spricht ja oft auch von ‚Female Choice‘. Also letztlich investieren die Weibchen mehr in der Fortpflanzung und wählen sich dann entsprechend die Tiere aus. Bei einigen von den Tieren, die tatsächlich schwarz sind, die haben oft bunte Punkte, die dann sehr attraktiv wirken und auch eine Signalwirkung haben.

ATMO Paradiesvögel im Wald

SPRECHERIN drüber

Rekord-Halter in diesem Farbenspiel sind da sicher die Paradiesvögel, die vor allem auf der Insel Neuguinea in Austral-Asien leben. Den männlichen Tieren verleihen dunkle Pigmente und winzige Nano-Strukturen auf der Oberfläche ihrer Federn ein samtiges, superschwarzes Aussehen: Die schwarzen Federn absorbieren je nach Einfallwinkel 0,05 bis 0,31 Prozent des Lichtes. Daneben oder dazwischen wachsen dann schillernde und bunt leuchtende Federn. Der Aufwand ist zielführend: Paradiesvögel sind polygyn, das heißt, Männchen paaren sich nach Möglichkeit mit mehreren Weibchen.

ATMO ENDE

ATMO Fliege

SPRECHERIN drüber

Ganz bescheiden kommen dagegen viele schwarze Insekten daher. Fliegen zum Beispiel. Sie wollen weder auftrumpfen noch etwas vortäuschen. Sie sind aus ganz anderen Gründen schwarz: Ihr schwarzer Körper erleichtert ihnen schlicht das Überleben:

A 5 weg

O 4 Katrin Insekten

Insekten, die ja nicht selber Energie produzieren, sondern davon abhängig sind, dass Energie von außen kommt, wärmen sich schneller auf, wenn es warm ist. Das könnte einfach ihren Wärmehaushalt und damit ihre Mobilität unterstützen.

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Schwarz absorbiert das komplette Lichtspektrum und nimmt dabei auch die Wärme des Lichts auf. Das bringt nicht nur Insekten, , sondern auch Tieren in kalten Regionen Vorteile. Jochen Wolf:

0 5 Jochen Eisbär drüber

Der Eisbär ja, der ist ja weiß, wenn man den Eisbären aber rasieren würde, dann wäre der pechschwarz. Also die Haut des Eisbärs ist schwarz, aber die Fellfarbe ist weiß. Und das hat beim Eisbär den ganz einfachen Sinn, dass der weiße Eisbär natürlich wunderbar getarnt ist. Der muss weiß sein, wenn er auf Robbenjagd geht sonst wird er zu früh entdeckt. Andererseits dient aber die schwarze Hautfarbe dazu, dass er mit der Kälte besser klarkommt. Er kann sich einfach aufwärmen und die Haare sind auch noch besonders gestaltet, sodass sie ganz viel Licht durchlassen und auf die Haut reflektieren.

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Die schwarze Haut des weißen Eisbären sieht man übrigens an den unbehaarten Stellen: Nase, Schleimhäute des Mundes und Augen.

ATMO Sumpf nachts

SPRECHERIN drüber

Auf Menschen wirken schwarze Tiere oft unheimlich. Bei schwarzen Hunden denken vor allem im englischsprachigen Raum Viele an den „Black Dog“. Ein wahrer Höllenhund also, der als Zeichen des Todes gedeutet wird.

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Dabei ist es im wahren Leben genau andersrum: Für viele Hunde ist es ein wahres Unglück, mit einem schwarzen Fell zur Welt zu kommen – auch heute noch. In den USA spricht man mittlerweile vom „Black Dog Syndrome“, oder vom „Big Black Dog Syndrome“, dem Syndrom großer schwarzer Hunde, die wenig Chancen auf eine Adoption haben.

ATMO ENDE

ATMO 8 Katze hoch

SPRECHERIN drüber

Schwarze Katzen dagegen setzten lange Zeit christlich geprägte Assoziationen frei, wurden mit dem Teufel und Hexen assoziiert oder schlicht als Unglücksbringer abgestempelt. Vielen brachte ihre Fellfarbe früher tatsächlich den Tod. Katrin Vohland:

ATMO kurz hoch, dann weg

O 6 Katrin

Was man auch weiß, ist, dass man ganz schwarze Katzen früher umgebracht hat. Das heißt, die Katzen, die immer noch ein weißes Fleckchen hatten, hatten eine höhere Überlebenschance. Das heißt, hier wird gewissermaßen ein künstlicher oder ein von Menschen gemachter Selektionsdruck auf die Katzen. Deswegen findet man offenbar sehr wenig schwarze Katzen ...

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… also rein schwarze Katzen, ohne weißes Fleckchen. Eine Umfrage des Deutschen Tierschutzbundes in deutschen Tierheimen hat Vorurteile gegenüber schwarzen Haustieren bestätigt: Lea Schmitz:

O 7 Lea länger sitzen

Eine Katze, die irgendwie grau getigert ist, die wird sicherlich schneller Interessenten finden als ein schwarzes Tier. Die sind auch oft so ein bisschen unsichtbar, also die werden so’n bisschen übersehen. Und wenn da so ein gemustertes Tier, helle Farbe, ist, wirkt vielleicht irgendwie freundlicher. Die finden dann schnell ein neues Zuhause und die schwarzen Tiere bleiben definitiv oft öfter länger im Tierheim sitzen.

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550 Tierheime sind dem Tierschutzbund angeschlossen. Bei der Umfrage haben 313 Einrichtungen teilgenommen. Insgesamt hat rund die Hälfte der teilnehmenden Tierheime bestätigt: Schwarze Hunde und Katzen haben es schwer, ein neues Zuhause zu finden. Viele sind so genannte „Dauersitzer“, verbringen schon ihr halbes Leben oder mehr im Heim.Gründe für die Ablehnung der Menschen sind übrigens nicht nur Angst oder Aberglaube, wie Lea Schmitz weiß:

O 8 Lea

Da spielt dann das Thema Ästhetik eher noch eine Rolle. Also, dass die einfach nicht so als schön empfunden werden, auch Fotogenität. Also die Leute machen ja heute viele Fotos auch von ihren Tieren, teilen die in den sozialen Medien. Und ein schwarzes Tier ist vielleicht nicht ganz so einfach zu fotografieren, weil man einfach so die Umrisse, die Mimik einfach nicht so gut wahrnimmt.

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((Deswegen hat der Tierschutzbund im Oktober 2020 die Kampagne „Schwarze Tierheimtiere“ gestartet, um mit den Vorurteilen aufzuräumen. Unter anderem wurde ein Fotowettbewerb ausgeschrieben für schwarzer Tiere und eine „Top-Ten-Liste“ schwarzer Tierheimtiere im Netz publiziert, die besondere Menschen brauchen.)) Denn wenn zur schwarzen Fellfarbe andere „Vermittlungshemmnisse“ kommen, wie Kristina Berchthold vom Münchner Tierschutzverein sagt, dann wird es richtig schwierig: Tiere mit Leinenaggression oder solche, die sich mit Artgenossen nicht vertragen ...

ATMO Hundegebell hoch, dann weg

SPRECHERIN:

Nur, warum ist das so? Ist denn was dran an dem Vorurteil, dass schwarze Tiere aggressiver sind als andere? Der Evolutionsbiologe Jochen Wolf hat sich diese Frage auch gestellt:

O 9 Jochen Wolf Stresshormon-Achse

Fürs Verhalten wahrscheinlich am wichtigsten ist der Zusammenhang der Melano-Genese, also der Herstellung von Melanin mit der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse, HPA Achse, das wird auch Stressachse genannt und das ist einfach ein System in Wirbeltier-Organismen, was zwischen mehreren Hormondrüsen kommuniziert …

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… Drüsen, Hormone und Teile des Mittelhirns interagieren im Verlauf dieses Stress-Reaktions-Stoffwechselweges. Stoffwechsel findet permanent in den Zellen statt: Er ist ein biochemischer Prozess, bei dem etwas auf-, ab- oder umgebaut wird, zum Beispiel bei der Atmung, der Energiegewinnung, der Entgiftung – oder eben auch bei der Stressreaktion. Vorangetrieben und gesteuert werden diese Stoffwechselprozesse in den Zellen von Enzymen. Und Enzyme sind Eiweißverbindungen, die mach sich wie winzig kleine Maschinen vorstellen kann, die die biochemischen Prozesse im Organismus katalysieren. Der Bauplan der Enzyme ist in der genetischen Information in jeder Zelle gespeichert. Und weil Stoffwechselwege untereinander vernetzt sind, kann ein und dasselbe Enzym in unterschiedlichen, zellulären Prozessen eine Rolle spielen kann – bei Stressreaktion und bei der Pigmentierung zum Beispiel:

O 10 Jochen Wolf Zusammenhang da

Diese HPA Achse, wenn man sich die Stoffwechselwege anschaut, überlappt die oder steht die in Verbindung mit dem Melanom-Genese-Stoffwechselweg. Und so kann man sich schon vorstellen, dass Mutationen in diesem Bereich Auswirkungen auf beides haben, auf Farbe und auf den Hormonen-Stoffwechsel und vor allem auf den Stresshormon-Stoffwechsel.

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Allerdings heißt das noch nicht, dass dunkle Tiere aggressiver auf Stress reagieren. Wissenschaftler in Bielefeld untersuchen das gerade bei Mäusebussarden:

O 11 Jochen Mäusebussarde drüber

Die stellen Unterschiede fest im Verhalten zwischen drei Farb-Morphen, die dort vorkommen. Es gibt diese ganz hellen Mäusebussarde, so mittelbraune und ganz dunkelbraune, und die hellen Männchen sind aggressiver, genau andersherum!, gegen Attrappen von Nesträubern. Und die dunklen Männchen sind am wenigsten aggressiv. Bei Weibchen ist es genau umgekehrt.

ATMO weg

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Farb-Verhaltens-Kombinationen bei Mäusebussarden und anderen Wildtieren gibt es offensichtlich, dennoch sollte man solche Einzelbeobachtungen vorsichtig bewerten:

O 12 Jochen Zusammenhang unklar

Dieser Zusammenhang, den gibt es schon irgendwie. Stressresistenz, Immun-Antwort und vielleicht auch Aggressivität sind Verhaltens- Komponenten, die denkbar sind und für die es auch einige Hinweise gibt. Aber ein ganz, ganz klares Signal auf Farbe und Verhalten gibt es meines Wissens bisher kaum. Das ist schon relativ hypothetisch.

ATMO 11 Saat/Nebelkrähen

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Anderes Beispiel: Krähen. In Westeuropa brüten die tiefschwarzen Rabenkrähen, im Osten hellgrau-schwarze Nebelkrähen. Sie gehören zur gleichen Art, vermischen sich grundsätzlich aber nicht – nur in einem 50 bis 100 Kilometer breiten Streifen entlang der Elbe. Welche Rolle spielt die Farbe ihres Gefieders - und vielleicht auch ihr unterschiedliches Verhalten? Jochen Wolf hat dazu mit einem internationalen Forscherteam junge Raben- und Nebelkrähen untersucht:

O 13 Jochen Bäume hoch

Also wir klettern dann die Bäume hoch, holen die kleinen Krähen raus und haben das einmal ein Radolfzell gemacht und dann einmal noch in Schweden, in der Nähe von Stockholm.

ATMO hoch

SPRECHERIN drüber, dann weg

Die Krähen wurden in Volieren direkt miteinander konfrontiert:

O 14 Jochen Schwarze und graue miteinander

Schwarze untereinander, graue untereinander, ab einem bestimmten Zeitpunkt haben wir dann eine graue mit einer schwarzen jeweils immer wieder zusammengesetzt und geschaut, ob die sich ob es da konsistente Verhaltens-Unterschiede in der Interaktion gibt.

SPRECHERIN

Und? Waren die schwarzen pfiffiger oder aggressiver? Wie haben sie denn reagiert?

ATMO ENDE

O 15 Jochen Nö

Nö, mei, wie so’ne Krähe halt reagiert, ja, krähen ab und zu, setzen sich nebeneinander, verscheuchen sich … Aber Krähen sind ja wahnsinnig sozial, bis eben auf die Fortpflanzungszeit, da werden sie territorial. Aber sonst, erst mal abtasten, es stellt sich sehr schnell ne Dominanz-Hierarchie raus, die aber eben nicht an der Farbe hing. Und gar nicht mal die Körpergröße, das sind wirklich … die haben wahnsinnig unterschiedliche Persönlichkeiten.

SPRECHERIN

Also: die Federfarbe macht keinen Unterschied. Bleibt die Frage, warum es im gesamten Verbreitungsgebiet Europa nicht mehr gemischte Paare gibt, warum sie sich nur entlang der Elbe vermischen.

O 16 Jochen

Wir haben das genomisch untersucht, haben da von ganz, ganz vielen Individuen das gesamte Erbgut sequenziert und stellen fest, dass die sich tatsächlich im Grunde nur in zwei, drei Bereichen unterscheiden, die alle mit der Farbgebung zusammenhängen.

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Also dieselbe Krähenart, in der es Tiere mit hellerem und mit dunklerem Gefieder gibt. Eine scheinbar unwichtige Farbmutation, die den Tieren doch wichtig zu sein scheint, denn die allermeisten schwarzen Saatkrähen ziehen schwarze Partner vor und graue wählen graue. Ihr Auswahlkriterium ist nicht, wie bei den Paradiesvögeln zum Beispiel, ästhetischer Natur ...

O 17 Jochen

… aber es scheint schon so zu sein, dass die durch Imprinting, das haben ja Vögel, ganz früh durch Prägung für später für die Partnerwahl auf ihre Eltern geprägt werden. Und dann wählt man eben nicht die Falschen.

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Das heißt: Junge Krähen aus gemischten „Ehen“ im Gebiet der Elbe haben nichts gegen Partner mit anderer Federfärbung, die Krähen außerhalb finden es schon wichtig, dass ihre Partner so aussehen wie sie und ihre Eltern: Entweder schwarz (im Westen) oder grau (im Osten Europas).

ATMO Krähe hoch, dann weg

SPRECHERIN

Vielleicht liegt es auch bei anderen Tieren an der Prägung, dass andersartige Artgenossen ausgestoßen werden.

MUSIK privat Take 005 „Castle Leoch“; Album: Outlander; Label: Madison Gate Records – 043396406490; Interpret: Bear McCreary; Komponist: Bear McCreary; ZEIT: 01:08

& ATMO Schaf kurz hoch

Schwarze Schafe zum Beispiel. Ihnen kann die Farbmutation tatsächlich Pech bringen, allerdings nicht wegen ihrer dunklen Erscheinung. In Schottland gibt es immer weniger schwarze Schafe, von der alten Soay-Rasse zumindest (sprich: So-i). Forscher der Universität Sheffield haben festgestellt, dass das Gen für dunkle Wolle mit nachteiligen Eigenschaften gekoppelt ist. Eigentlich müssten die schwarzen Schafe gemäß der Evolutionstheorie ihre helleren Geschwister verdrängen. Denn schwarze Schafe sind bei dieser Rasse größer und schwerer, also besser angepasst als die weißen. Aber dunkle Soay-Schafe leben kürzer und pflanzen sich weniger erfolgreich fort. Die natürliche Auslese hat also nicht primär etwas mit der dunklen Fellfarbe zu tun, sondern mit versteckten Eigenschaften, die an das Farbgen gekoppelt sind: Bei den schottischen Schafen die kürzere Lebensdauer und die weniger erfolgreiche Fortpflanzung.

MUSIK ENDE

ATMO 12 Schaf

SPRECHERIN

Kommunikation, Tarnung, Wärmehaushalt oder auch genetische Laune: Es gibt viele Gründe für ein schwarzes Fell oder Federkleid, für schwarze Schuppen oder eine schwarze Haut. Tiefseefische und Fliegen, Paradiesvögel, Gabun-Vipern, Katzen, Hunde, Saatkrähen, Soay-Schafe … außer ihrer Farbe haben sie nicht viel gemein. Auf uns Menschen wirken dunkle Tiere eher beunruhigend. Dabei haben sie doch nur eins im Sinn: Das eigene Überleben sichern.

GERÄUSCH RABE

ATMO ENDE

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