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Verrat

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Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn! Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus, Die Passionszeit hat begonnen und wir gehen wieder einmal "hinauf nach Jerusalem" auf den Spuren unseres Herrn Jesus Christus. Wir sehen, was er bereit war, aus Liebe für uns auf sich zu nehmen und wir machen uns bereit, uns hinterfragen zu lassen von dem, was wir in diesen Wochen hören. Es ist eine tiefgründige, nachdenkliche Zeit -- oder zumindest kann sie es werden, wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen. Heute sind wir am Beginn dieser Reise. Und trotzdem machen wir gleich zu Anfang einen Sprung ans Ende der Geschichte, nach Jerusalem, und begegnen dort Jesus und seinen Jüngern, die sich zur Feier des Pessachfests zusammengesetzt haben. Wir kennen die Szene als "das letzte Abendmahl", oder vielleicht auch "das erste Abendmahl", weil wir seither immer wieder miteinander das Brot brechen und den Wein teilen, wie es Jesus hier mit seinen Jüngern getan hat. Wir springen mitten hinein in das Gespräch des Abends. Ich lese aus dem 13. Kapitel des Johannesevangeliums:
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.
Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht. (Johannes 13,21-30
Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus, Ausgerechnet Judas! Ausgerechnet mit ihm beginnen wir in diesem Jahr unsere Reise nach Jerusalem. Dabei hätte es doch wahrlich bessere Texte gegeben für diesen Sonntag Invocavit, der das Thema "Versuchung" und "Sünde" in den Mittelpunkt stellt. Nicht von ungefähr begehen wir den Tag hier in Württemberg auch als "Landesbußtag", sozusagen einen kleinen Buß- und Bettag. Die Texte des heutigen Tages enthalten die Erzählung von Hiob, der selbst in größten Schwierigkeiten treu zu Gott blieb. "Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!", sagt selbst seine Frau. "Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?", entgegnet Hiob und "versündigt sich nicht". Ein Vorbild, dieser Hiob. Wir hätten von Jesus lesen können, der vom Satan in der Wüste versucht wird und dem alle Reiche der Welt auf einmal angeboten werden. "Weg mit dir, Satan!", sagt er und besteht diesen Test. Ein Vorbild, dieser Jesus. Wir hätten von Paulus lesen können, von seinen Entbehrungen, von Verfolgung, Gefangenschaft und Steinigung. Aber "in allem erweisen wir uns als Diener Gottes", konnte er berichten. Ein Vorbild, dieser Paulus. Oder wir hätten einfach die ermutigende Zusage aus dem Hebräerbrief genießen können: "Lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit." Das wäre schön gewesen. Aber uns trifft Judas. Der Verräter. Kein Vorbild. Judas sagt nicht entschlossen, "Weg mit dir, Satan!" Im Gegenteil: Da "fuhr der Satan in ihn", weiß das Johannesevangelium zu berichten. O Judas! Und nachdem er von Jesus das Brot genommen hat, geht er hinaus. "Und es war Nacht.", endet der Bericht. Bezeichnend. Treffend. Nacht. O Judas! Wie konntest du nur so etwas tun? Dreißig Silberstücke -- das war alles, was er dir wert war, dein Jesus? Nur wenig später kommst du mit Soldaten zurück, in die Dunkelheit des Gartens unten am Kidron, und sie schleifen ihn gefesselt weg, um ihm den Prozess zu machen. O Judas! Wie konntest du nur? Warst du denn nicht dabei in den letzten drei Jahren? Hast du denn nicht gesehen, dass dies kein gewöhnlicher Mensch ist? Einer, der mit Vollmacht von Gott redet wie keiner vor ihm? Einer, der den Menschen das Heil und die Zuwendung Gottes auf eine nie gekannte Art und Weise nahe bringt? Einer, der mit Zeichen bestätigt, was seine Worte sagen: Wasser wird zu Wein. Blinde sehen, Lahme gehen. Taube Ohren hören die gute Nachricht vom anbrechenden Reich Gottes. Und der tote Lazarus kommt heraus aus seinem Grab, vier Tage nach seinem Tod, wo er schon stinken müsste. Er lebt wieder. Hast du das denn nicht gesehen, Judas? Hat dich das denn nicht überzeugt? Warst du denn nicht auch im Boot auf dem See Gennesaret, dem Ertrinken nahe, als er vom Schlaf erwachte und dem Sturm gebot und es euch wie Schuppen von den Augen fiel: "Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?" Warst du nicht auch bei denen, die er ausgesandt hat, das Evangelium zu predigen, und die begeistert zurückkamen: "Herr, sogar die Dämonen mussten uns gehorchen, wenn wir uns auf deinen Namen beriefen!" Warst du nicht auch bei denen, die dabeiblieben, als alle sich abwanden. "Wohin sollen wir gehen, Herr? Nur du allein hast Worte des ewigen Lebens!" O Judas! Wie konntest du nur? Da "fuhr der Satan in ihn", schreibt Johannes. War Judas am Ende einfach gar nicht mehr selbst Herr seiner Gedanken und Taten? Das System des Bösen hatte ihn im Griff. So weit hatte er sich darauf eingelassen. Ob es seine politische Überzeugung war, seine Geldgier oder einfach eine persönliche Unfähigkeit, an der richtigen Stelle nein zu sagen -- wir wissen es nicht. Viel wurde über Judas geschrieben und gerätselt -- viel mehr, als die Texte der Evangelien tatsächlich hergeben. Der Satan fuhr in ihn, sagt Johannes. Wie auch immer es dazu gekommen ist: Das System hat ihn in der Mangel und er ist nicht mehr einfach frei, das Gute über das Böse zu wählen. O Judas! "[Wir müssen wissen], wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts.", sagt Martin Luther 1522 am Tag nach Invokavit in seiner zweiten Invokavitpredigt. Wir. Wir müssen wissen. Wir haben ja bisher immer nur auf Judas geschaut. Der sticht eben hervor in dieser Geschichte, ist der sprichwörtliche Verräter geworden. Aber da sitzen ja noch andere mit am Tisch! Und die trifft die Ansage Jesu genau so tief: "Einer unter euch wird mich verraten." Bange Blicke. Gebannte Stille. Man kann sie denken hören, die anderen. "Meint der mich? Ich hoffe, der meint nicht mich." Offensichtlich würde es sich fast jeder der Anwesenden zutrauen. Petrus wagt die Flucht nach vorne: Wir müssen Jesus fragen! Das muss geklärt werden. Vielleicht will er mit seinem Eifer zeigen, dass er ganz bestimmt nicht der Verräter ist. Ein anderer sucht betont die Nähe Jesu, erinnert sichtbar daran, wie nahe sie sich stehen. Betont lässig lehnt er sich zurück zu Jesus und gibt die Frage weiter: "Herr, wer ist's." Der Rest ist einfach still. Vielleicht traut sich keiner mehr, etwas zu sagen. Könnte ich der Verräter sein? Noch einer sitzt mit an diesem Tisch. Einer, von dem das Johannesevangelium nichts weiß. Ich bin es, der sich mit zu den Jüngern gesetzt hat. Ein stiller Beobachter. Einer, der neutral berichtet, analysiert. Der sich ein Urteil bilden kann. Schließlich kenne ich ja, im Gegensatz zu den Anwesenden, bereits das Ende der Geschichte. Und ich weiß, wer der Verräter ist. Vor allem weiß ich, wer es nicht ist: Ich bin ja der Einzige hier, den Jesus nicht gemeint haben kann. So habe ich mir das zumindest vorgestellt. Neutral, distanziert, beobachtend, abwägend. Im besten Fall noch lernend von den Fehlern und Schwächen derer, die hier sitzen und sich mit der bangen Frage quälen, wen Jesus denn nun meinen könnte. Aber dieser Invokavittext entwickelt ein Eigenleben. Er zieht mich mit hinein in die Geschichte. Er entlässt mich nicht einfach aus seinen Fängen und zwingt mich heraus aus meiner neutralen Beobachterrolle. Er hält mir dieselbe bange Frage vor, die sich die Jünger stellen: Hätte ich der Verräter sein können? "Niemals!", entfährt es mir unwillkürlich. Nie hätte ich mich wie Judas zu solcher Untreue hinreißen lassen. Nie hätte ich meinen Glauben, meine Werte und Prinzipien so verraten! Und Jesus schon gleich zweimal nicht! Die Stille am Tisch ist kaum auszuhalten. Längst sind all die selbstsicheren Schnellantworten verhalt. Immernoch hat Jesus nicht geantwortet. Die Frage steht im Raum, wird immer lauter, bohrender, quälender. Ich? Nein, doch sicher nicht ich? Bitte, Jesus, nicht ich...? Mein sorgsam geplegtes Selbstbild gerät ins Wanken. Ich denke an all die Male, in denen meine Lebensentscheidungen alles andere als konsequent und werteorientiert sind. Im Kleinen, wie im Großen. Ich weiß, dass morgen ein langer Tag ist, aber ich bleibe trotzdem noch lange auf. Ich weiß, dass es ungesund ist und greife trotzdem gerne zum Burger. Ich weiß, dass ich schon genug hatte und esse trotzdem noch gerne ein Stück Schokolade. Ich weiß, dass ich es eigentlich gar nicht brauche und kaufe mir trotzdem ein neues Handy. Ich weiß, dass ich eigentlich meine Predigt schreiben sollte, und checke trotzdem erst noch dreimal meine E-Mails, Facebook, die Nachrichten, die Wettervorhersage und den interessanten Artikel, der da auf dem Weg irgendwo verlinkt ist. Ich weiß, dass es der Umwelt schadet, aber ich nehme trotzdem die angebotene Plastiktüte. Ich weiß, dass ich mich mehr bewegen sollte, aber ich nehme trotzdem das Auto. Ich weiß, dass es besser wäre, mich zu beruhigen und drüber zu schlafen, aber ich schreibe trotzdem den Facebookkommentar, der mir als erstes durch den Kopf schoss. Ich weiß, dass die kleinen Betriebe vor dem Ruin stellen, aber ich wähle trotzdem die schnelle Lieferung mit Amazon Prime, komfortabel bestellt vom Sofa zuhause aus und bis vor die Tür gebracht von einem unterbezahlten Paketboten. Ich weiß, dass es wertvolle Lebenszeit verschwendet, aber ich bleibe trotzdem bei einem Youtube-Video hängen. Ich weiß, dass dafür Menschen ausgebeutet werden, aber ich kaufe trotzdem das billige T-Shirt. Ich weiß, dass er auf Kosten anderer Menschen geht, aber ich erzähle trotzdem diesen herrlich dummen Witz. Ich weiß, dass es Gemüse auch unverpackt gibt, aber ich lege trotzdem die schon gewaschene, in Plastik verschweißte Version in meinen Einkaufswagen. Ich habe noch so viel spannende Bücher zu lesen, aber ich schaue trotzdem lieber Netflix. Ich weiß, dass der Anruf wichtig wäre, aber ich schiebe ihn trotzdem hinaus. Ich weiß, dass der Andere jetzt einen aufmerksamen Zuhörer braucht, aber ich lasse mich trotzdem ablenken. Ich weiß das alles. Und trotzdem. TROTZDEM. Bin ich fremdgesteuert, dass ich nicht das tue, was ich doch eigentlich so viel besser weiß? Manchmal vielleicht schon, gesteuert durch Erwartungen, Rollenbilder, Gruppendruck und gesellschaftliche Zwänge. Zumindest rede ich mir das ein, fange an, mir neu die ersten Grundzüge einer Entschuldigung zu konstruieren. Wahrscheinlich bin ich viel öfters einfach Ich-gesteuert. Sicher aber nicht so werteorientiert, konsequent und treu, wie ich mir das gerne einrede. Es gibt nichts, was mir sagt, dass ich dieser Verräter niemals hätte sein können.
Zum ersten müssen wir wissen, wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts. Dafür müssen wir einen klaren , starken Spruch haben, der solches anzeigt, so merk dir gut den Spruch des Paulus an die Epheser 2,3 -- denn obwohl viele solche in der Bibel sind, will ich euch nicht mit vielen Sprüchen überschütten--: "Wir sind alle Kinder des Zornes." (Martin Luther)
O Judas? O Christoph! Es ist halt viel zu einfach, Texte wie die Erzählung vom Sündenfall oder diesen von der Tischgemeinschaft Jesu an historischen Einzelpersonen festzumachen -- Adam und Eva und Judas -- und damit selbst fein raus zu sein. Diese Texte betreffen mich genauso. Sie betreffen uns alle. Sie erzählen unsere Geschichten. Was mache denn jetzt nur? Mit am Tisch sitzt Jesus. Viel gesagt hat er nicht, seit er die Ankündigung vom Scheitern des Einen, der ich sein könnte, in den Raum gestellt hat. Gesagt nicht. Aber getan. Brot gereicht hat er, wie man es tut an diesem Abend. Dem Verräter hat er es direkt in die Hand gegeben. Judas ist nach einem Bissen gegangen. Hinaus, in die Nacht. Und da ist seine Geschichte schon fast zu Ende. Nur am Rande taucht er noch auf, als die Soldaten kommen, um Jesus zu packen. Dann deckt sich Schweigen über sein Leben. Gerüchte von seinem Suizid, der Selbsttötung eines verzweifelten Schuldigen, geben die neutestamentlichen Texte noch weiter. Das ist alles. Und jetzt? Das kann doch nicht das Ende sein! Alles in mir wehrt sich gegen diesen Gedanken und gegen das, was das für mich bedeutet, der ich auch der Verräter hätte sein können. Vielleicht müssen wir die Geschichte des Judas noch einmal neu zu Ende denken. Von Christus her, wie wir die Bibel zu lesen gelernt haben. Von der "Mitte der Schrift" her, dem Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders. Von dem her, der dem Verräter das Brot reicht und den Kelch mit dem Wein. Und dann sind wir plötzlich ganz nahe bei dem, was wir selbst hier immer wieder miteinander feiern, wenn Christus uns an seinen Tisch einlädt. Uns, auch mich, der ich hätte der Verräter sein können. In Vézelay im französischen Burgund steht die ehrwürdige Abteikirche Ste Marie-Madeleine aus dem 12. Jahrhundert. Ihre Türen, Wände und Säulen sind mit gotischen Meisterwerken der Steinhauerkunst übersäht. Hoch oben auf einer Säule findet man auch den Judas wieder. Ein unbekannter Steinmetz aus dem Mittelalter hat hier den Menschen vor Augen gemalt, was mit denen passiert, die Gott nicht die Treue halten. Drastisch sieht man das Ende des Verräters, der sich selbst erhängt hat. An der anderen Ecke der Säule taucht Judas noch einmal auf. Nach seinem Tod. Eine unbekannte Figur hat ihn aufgeladen. Beinahe zärtlich, so wie ein Hirte seine Schafe trägt, hat er den Leichnam des Verräters auf seiner Schulter. Lange blieb dieses Bild unbeachtet, bis im Jahr 2017 der Jesuitenpater Peter Wrembek ein Buch darüber schrieb: "Judas, der Freund", ist der Titel. Für ihn ist Jesus dieser unbekannte Träger. Wie ein Hirte sein verlorenes Schaf zurückbringt, trägt er Judas nicht in die Hölle, sondern nach Hause, dorthin "wo kein Leid und keine Tränen mehr sind. Wo Wandlung geschieht. Wo alles neu wird. Wo Gott selbst alles in allem ist." Der Jesus, der auch dem Verräter das Brot reicht, hat sicher auch für mich noch Gnade übrig! Noch einmal Martin Luther, vom Montag nach Invocavit 1522:
Zum ersten müssen wir wissen, wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts. Dafür müssen wir einen klaren , starken Spruch haben, der solches anzeigt, so merk dir gut den Spruch des Paulus an die Epheser 2,3 -- denn obwohl viele solche in der Bibel sind, will ich euch nicht mit vielen Sprüchen überschütten--: "Wir sind alle Kinder des Zornes." …
Zum zweiten müssen wir wissen, dass uns Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, damit wir an ihn glauben; und wer ihm vertrauen wird, soll von Sünde frei sein und ein Kind Gottes. Wie Johannes in seinem ersten Kapitel sagt: "Er hat ihnen Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden, allen denen, die an seinen Namen glauben." (1,12) Hier sollten wir alle in der Bibel recht geschickt sein und mit vielen Sprüchen gerüstet, um sie dem Teufel vorzuhalten.
Amen.
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Gnade mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, unserem Herrn! Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus, Die Passionszeit hat begonnen und wir gehen wieder einmal "hinauf nach Jerusalem" auf den Spuren unseres Herrn Jesus Christus. Wir sehen, was er bereit war, aus Liebe für uns auf sich zu nehmen und wir machen uns bereit, uns hinterfragen zu lassen von dem, was wir in diesen Wochen hören. Es ist eine tiefgründige, nachdenkliche Zeit -- oder zumindest kann sie es werden, wenn wir bereit sind, uns darauf einzulassen. Heute sind wir am Beginn dieser Reise. Und trotzdem machen wir gleich zu Anfang einen Sprung ans Ende der Geschichte, nach Jerusalem, und begegnen dort Jesus und seinen Jüngern, die sich zur Feier des Pessachfests zusammengesetzt haben. Wir kennen die Szene als "das letzte Abendmahl", oder vielleicht auch "das erste Abendmahl", weil wir seither immer wieder miteinander das Brot brechen und den Wein teilen, wie es Jesus hier mit seinen Jüngern getan hat. Wir springen mitten hinein in das Gespräch des Abends. Ich lese aus dem 13. Kapitel des Johannesevangeliums:
Als Jesus das gesagt hatte, wurde er erregt im Geist und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. Da sahen sich die Jünger untereinander an, und ihnen wurde bange, von wem er wohl redete. Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische lag an der Brust Jesu, den hatte Jesus lieb. Dem winkte Simon Petrus, dass er fragen sollte, wer es wäre, von dem er redete. Da lehnte der sich an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist's? Jesus antwortete: Der ist's, dem ich den Bissen eintauche und gebe. Und er nahm den Bissen, tauchte ihn ein und gab ihn Judas, dem Sohn des Simon Iskariot.
Und nach dem Bissen fuhr der Satan in ihn. Da sprach Jesus zu ihm: Was du tust, das tue bald! Niemand am Tisch aber wusste, wozu er ihm das sagte. Denn einige meinten, weil Judas den Beutel hatte, spräche Jesus zu ihm: Kaufe, was wir zum Fest nötig haben!, oder dass er den Armen etwas geben sollte. Als er nun den Bissen genommen hatte, ging er alsbald hinaus. Und es war Nacht. (Johannes 13,21-30
Liebe Schwestern und Brüder in Jesus Christus, Ausgerechnet Judas! Ausgerechnet mit ihm beginnen wir in diesem Jahr unsere Reise nach Jerusalem. Dabei hätte es doch wahrlich bessere Texte gegeben für diesen Sonntag Invocavit, der das Thema "Versuchung" und "Sünde" in den Mittelpunkt stellt. Nicht von ungefähr begehen wir den Tag hier in Württemberg auch als "Landesbußtag", sozusagen einen kleinen Buß- und Bettag. Die Texte des heutigen Tages enthalten die Erzählung von Hiob, der selbst in größten Schwierigkeiten treu zu Gott blieb. "Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb!", sagt selbst seine Frau. "Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?", entgegnet Hiob und "versündigt sich nicht". Ein Vorbild, dieser Hiob. Wir hätten von Jesus lesen können, der vom Satan in der Wüste versucht wird und dem alle Reiche der Welt auf einmal angeboten werden. "Weg mit dir, Satan!", sagt er und besteht diesen Test. Ein Vorbild, dieser Jesus. Wir hätten von Paulus lesen können, von seinen Entbehrungen, von Verfolgung, Gefangenschaft und Steinigung. Aber "in allem erweisen wir uns als Diener Gottes", konnte er berichten. Ein Vorbild, dieser Paulus. Oder wir hätten einfach die ermutigende Zusage aus dem Hebräerbrief genießen können: "Lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit." Das wäre schön gewesen. Aber uns trifft Judas. Der Verräter. Kein Vorbild. Judas sagt nicht entschlossen, "Weg mit dir, Satan!" Im Gegenteil: Da "fuhr der Satan in ihn", weiß das Johannesevangelium zu berichten. O Judas! Und nachdem er von Jesus das Brot genommen hat, geht er hinaus. "Und es war Nacht.", endet der Bericht. Bezeichnend. Treffend. Nacht. O Judas! Wie konntest du nur so etwas tun? Dreißig Silberstücke -- das war alles, was er dir wert war, dein Jesus? Nur wenig später kommst du mit Soldaten zurück, in die Dunkelheit des Gartens unten am Kidron, und sie schleifen ihn gefesselt weg, um ihm den Prozess zu machen. O Judas! Wie konntest du nur? Warst du denn nicht dabei in den letzten drei Jahren? Hast du denn nicht gesehen, dass dies kein gewöhnlicher Mensch ist? Einer, der mit Vollmacht von Gott redet wie keiner vor ihm? Einer, der den Menschen das Heil und die Zuwendung Gottes auf eine nie gekannte Art und Weise nahe bringt? Einer, der mit Zeichen bestätigt, was seine Worte sagen: Wasser wird zu Wein. Blinde sehen, Lahme gehen. Taube Ohren hören die gute Nachricht vom anbrechenden Reich Gottes. Und der tote Lazarus kommt heraus aus seinem Grab, vier Tage nach seinem Tod, wo er schon stinken müsste. Er lebt wieder. Hast du das denn nicht gesehen, Judas? Hat dich das denn nicht überzeugt? Warst du denn nicht auch im Boot auf dem See Gennesaret, dem Ertrinken nahe, als er vom Schlaf erwachte und dem Sturm gebot und es euch wie Schuppen von den Augen fiel: "Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?" Warst du nicht auch bei denen, die er ausgesandt hat, das Evangelium zu predigen, und die begeistert zurückkamen: "Herr, sogar die Dämonen mussten uns gehorchen, wenn wir uns auf deinen Namen beriefen!" Warst du nicht auch bei denen, die dabeiblieben, als alle sich abwanden. "Wohin sollen wir gehen, Herr? Nur du allein hast Worte des ewigen Lebens!" O Judas! Wie konntest du nur? Da "fuhr der Satan in ihn", schreibt Johannes. War Judas am Ende einfach gar nicht mehr selbst Herr seiner Gedanken und Taten? Das System des Bösen hatte ihn im Griff. So weit hatte er sich darauf eingelassen. Ob es seine politische Überzeugung war, seine Geldgier oder einfach eine persönliche Unfähigkeit, an der richtigen Stelle nein zu sagen -- wir wissen es nicht. Viel wurde über Judas geschrieben und gerätselt -- viel mehr, als die Texte der Evangelien tatsächlich hergeben. Der Satan fuhr in ihn, sagt Johannes. Wie auch immer es dazu gekommen ist: Das System hat ihn in der Mangel und er ist nicht mehr einfach frei, das Gute über das Böse zu wählen. O Judas! "[Wir müssen wissen], wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts.", sagt Martin Luther 1522 am Tag nach Invokavit in seiner zweiten Invokavitpredigt. Wir. Wir müssen wissen. Wir haben ja bisher immer nur auf Judas geschaut. Der sticht eben hervor in dieser Geschichte, ist der sprichwörtliche Verräter geworden. Aber da sitzen ja noch andere mit am Tisch! Und die trifft die Ansage Jesu genau so tief: "Einer unter euch wird mich verraten." Bange Blicke. Gebannte Stille. Man kann sie denken hören, die anderen. "Meint der mich? Ich hoffe, der meint nicht mich." Offensichtlich würde es sich fast jeder der Anwesenden zutrauen. Petrus wagt die Flucht nach vorne: Wir müssen Jesus fragen! Das muss geklärt werden. Vielleicht will er mit seinem Eifer zeigen, dass er ganz bestimmt nicht der Verräter ist. Ein anderer sucht betont die Nähe Jesu, erinnert sichtbar daran, wie nahe sie sich stehen. Betont lässig lehnt er sich zurück zu Jesus und gibt die Frage weiter: "Herr, wer ist's." Der Rest ist einfach still. Vielleicht traut sich keiner mehr, etwas zu sagen. Könnte ich der Verräter sein? Noch einer sitzt mit an diesem Tisch. Einer, von dem das Johannesevangelium nichts weiß. Ich bin es, der sich mit zu den Jüngern gesetzt hat. Ein stiller Beobachter. Einer, der neutral berichtet, analysiert. Der sich ein Urteil bilden kann. Schließlich kenne ich ja, im Gegensatz zu den Anwesenden, bereits das Ende der Geschichte. Und ich weiß, wer der Verräter ist. Vor allem weiß ich, wer es nicht ist: Ich bin ja der Einzige hier, den Jesus nicht gemeint haben kann. So habe ich mir das zumindest vorgestellt. Neutral, distanziert, beobachtend, abwägend. Im besten Fall noch lernend von den Fehlern und Schwächen derer, die hier sitzen und sich mit der bangen Frage quälen, wen Jesus denn nun meinen könnte. Aber dieser Invokavittext entwickelt ein Eigenleben. Er zieht mich mit hinein in die Geschichte. Er entlässt mich nicht einfach aus seinen Fängen und zwingt mich heraus aus meiner neutralen Beobachterrolle. Er hält mir dieselbe bange Frage vor, die sich die Jünger stellen: Hätte ich der Verräter sein können? "Niemals!", entfährt es mir unwillkürlich. Nie hätte ich mich wie Judas zu solcher Untreue hinreißen lassen. Nie hätte ich meinen Glauben, meine Werte und Prinzipien so verraten! Und Jesus schon gleich zweimal nicht! Die Stille am Tisch ist kaum auszuhalten. Längst sind all die selbstsicheren Schnellantworten verhalt. Immernoch hat Jesus nicht geantwortet. Die Frage steht im Raum, wird immer lauter, bohrender, quälender. Ich? Nein, doch sicher nicht ich? Bitte, Jesus, nicht ich...? Mein sorgsam geplegtes Selbstbild gerät ins Wanken. Ich denke an all die Male, in denen meine Lebensentscheidungen alles andere als konsequent und werteorientiert sind. Im Kleinen, wie im Großen. Ich weiß, dass morgen ein langer Tag ist, aber ich bleibe trotzdem noch lange auf. Ich weiß, dass es ungesund ist und greife trotzdem gerne zum Burger. Ich weiß, dass ich schon genug hatte und esse trotzdem noch gerne ein Stück Schokolade. Ich weiß, dass ich es eigentlich gar nicht brauche und kaufe mir trotzdem ein neues Handy. Ich weiß, dass ich eigentlich meine Predigt schreiben sollte, und checke trotzdem erst noch dreimal meine E-Mails, Facebook, die Nachrichten, die Wettervorhersage und den interessanten Artikel, der da auf dem Weg irgendwo verlinkt ist. Ich weiß, dass es der Umwelt schadet, aber ich nehme trotzdem die angebotene Plastiktüte. Ich weiß, dass ich mich mehr bewegen sollte, aber ich nehme trotzdem das Auto. Ich weiß, dass es besser wäre, mich zu beruhigen und drüber zu schlafen, aber ich schreibe trotzdem den Facebookkommentar, der mir als erstes durch den Kopf schoss. Ich weiß, dass die kleinen Betriebe vor dem Ruin stellen, aber ich wähle trotzdem die schnelle Lieferung mit Amazon Prime, komfortabel bestellt vom Sofa zuhause aus und bis vor die Tür gebracht von einem unterbezahlten Paketboten. Ich weiß, dass es wertvolle Lebenszeit verschwendet, aber ich bleibe trotzdem bei einem Youtube-Video hängen. Ich weiß, dass dafür Menschen ausgebeutet werden, aber ich kaufe trotzdem das billige T-Shirt. Ich weiß, dass er auf Kosten anderer Menschen geht, aber ich erzähle trotzdem diesen herrlich dummen Witz. Ich weiß, dass es Gemüse auch unverpackt gibt, aber ich lege trotzdem die schon gewaschene, in Plastik verschweißte Version in meinen Einkaufswagen. Ich habe noch so viel spannende Bücher zu lesen, aber ich schaue trotzdem lieber Netflix. Ich weiß, dass der Anruf wichtig wäre, aber ich schiebe ihn trotzdem hinaus. Ich weiß, dass der Andere jetzt einen aufmerksamen Zuhörer braucht, aber ich lasse mich trotzdem ablenken. Ich weiß das alles. Und trotzdem. TROTZDEM. Bin ich fremdgesteuert, dass ich nicht das tue, was ich doch eigentlich so viel besser weiß? Manchmal vielleicht schon, gesteuert durch Erwartungen, Rollenbilder, Gruppendruck und gesellschaftliche Zwänge. Zumindest rede ich mir das ein, fange an, mir neu die ersten Grundzüge einer Entschuldigung zu konstruieren. Wahrscheinlich bin ich viel öfters einfach Ich-gesteuert. Sicher aber nicht so werteorientiert, konsequent und treu, wie ich mir das gerne einrede. Es gibt nichts, was mir sagt, dass ich dieser Verräter niemals hätte sein können.
Zum ersten müssen wir wissen, wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts. Dafür müssen wir einen klaren , starken Spruch haben, der solches anzeigt, so merk dir gut den Spruch des Paulus an die Epheser 2,3 -- denn obwohl viele solche in der Bibel sind, will ich euch nicht mit vielen Sprüchen überschütten--: "Wir sind alle Kinder des Zornes." (Martin Luther)
O Judas? O Christoph! Es ist halt viel zu einfach, Texte wie die Erzählung vom Sündenfall oder diesen von der Tischgemeinschaft Jesu an historischen Einzelpersonen festzumachen -- Adam und Eva und Judas -- und damit selbst fein raus zu sein. Diese Texte betreffen mich genauso. Sie betreffen uns alle. Sie erzählen unsere Geschichten. Was mache denn jetzt nur? Mit am Tisch sitzt Jesus. Viel gesagt hat er nicht, seit er die Ankündigung vom Scheitern des Einen, der ich sein könnte, in den Raum gestellt hat. Gesagt nicht. Aber getan. Brot gereicht hat er, wie man es tut an diesem Abend. Dem Verräter hat er es direkt in die Hand gegeben. Judas ist nach einem Bissen gegangen. Hinaus, in die Nacht. Und da ist seine Geschichte schon fast zu Ende. Nur am Rande taucht er noch auf, als die Soldaten kommen, um Jesus zu packen. Dann deckt sich Schweigen über sein Leben. Gerüchte von seinem Suizid, der Selbsttötung eines verzweifelten Schuldigen, geben die neutestamentlichen Texte noch weiter. Das ist alles. Und jetzt? Das kann doch nicht das Ende sein! Alles in mir wehrt sich gegen diesen Gedanken und gegen das, was das für mich bedeutet, der ich auch der Verräter hätte sein können. Vielleicht müssen wir die Geschichte des Judas noch einmal neu zu Ende denken. Von Christus her, wie wir die Bibel zu lesen gelernt haben. Von der "Mitte der Schrift" her, dem Evangelium von der Rechtfertigung des Sünders. Von dem her, der dem Verräter das Brot reicht und den Kelch mit dem Wein. Und dann sind wir plötzlich ganz nahe bei dem, was wir selbst hier immer wieder miteinander feiern, wenn Christus uns an seinen Tisch einlädt. Uns, auch mich, der ich hätte der Verräter sein können. In Vézelay im französischen Burgund steht die ehrwürdige Abteikirche Ste Marie-Madeleine aus dem 12. Jahrhundert. Ihre Türen, Wände und Säulen sind mit gotischen Meisterwerken der Steinhauerkunst übersäht. Hoch oben auf einer Säule findet man auch den Judas wieder. Ein unbekannter Steinmetz aus dem Mittelalter hat hier den Menschen vor Augen gemalt, was mit denen passiert, die Gott nicht die Treue halten. Drastisch sieht man das Ende des Verräters, der sich selbst erhängt hat. An der anderen Ecke der Säule taucht Judas noch einmal auf. Nach seinem Tod. Eine unbekannte Figur hat ihn aufgeladen. Beinahe zärtlich, so wie ein Hirte seine Schafe trägt, hat er den Leichnam des Verräters auf seiner Schulter. Lange blieb dieses Bild unbeachtet, bis im Jahr 2017 der Jesuitenpater Peter Wrembek ein Buch darüber schrieb: "Judas, der Freund", ist der Titel. Für ihn ist Jesus dieser unbekannte Träger. Wie ein Hirte sein verlorenes Schaf zurückbringt, trägt er Judas nicht in die Hölle, sondern nach Hause, dorthin "wo kein Leid und keine Tränen mehr sind. Wo Wandlung geschieht. Wo alles neu wird. Wo Gott selbst alles in allem ist." Der Jesus, der auch dem Verräter das Brot reicht, hat sicher auch für mich noch Gnade übrig! Noch einmal Martin Luther, vom Montag nach Invocavit 1522:
Zum ersten müssen wir wissen, wie sehr wir Kinder des Zornes sind und alle unserer Werke, Sinne und Gedanken gar nichts. Dafür müssen wir einen klaren , starken Spruch haben, der solches anzeigt, so merk dir gut den Spruch des Paulus an die Epheser 2,3 -- denn obwohl viele solche in der Bibel sind, will ich euch nicht mit vielen Sprüchen überschütten--: "Wir sind alle Kinder des Zornes." …
Zum zweiten müssen wir wissen, dass uns Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, damit wir an ihn glauben; und wer ihm vertrauen wird, soll von Sünde frei sein und ein Kind Gottes. Wie Johannes in seinem ersten Kapitel sagt: "Er hat ihnen Macht gegeben, Kinder Gottes zu werden, allen denen, die an seinen Namen glauben." (1,12) Hier sollten wir alle in der Bibel recht geschickt sein und mit vielen Sprüchen gerüstet, um sie dem Teufel vorzuhalten.
Amen.
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