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Shashlyk Mashlyk (10): Coronafrei oder nicht – Wie ist die Lage in Turkmenistan?

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Turkmenistan ist offiziell nach wie vor coronafrei. Die Regierung hat bis heute nicht zugegeben, dass es das Virus im Land gibt. An dieser Darstellung gibt es allerdings erhebliche Zweifel, denn Berichten von Ärzten vor Ort zufolge, hat die Zahl der Lungenentzündungen in diesem Jahr stark zugenommen. Man geht von vielen Todesopfern aus.

Gleichzeitig kämpft Turkmenistan mit einer Lebensmittel- und Bargeld-Knappheit. Die humanitäre Lage scheint so katastrophal zu sein, dass es nun zumindest im Ausland zu Protesten gegen Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow kommt. Trotz der Schwierigkeiten, unabhängige Informationen aus Turkmenistan zu erhalten, schaut Shashlyk Mashlyk in seiner zehnten Ausgabe in den Wüstenstaat und versucht, hinter die Kulisse des omnipräsenten Staatschefs zu blicken.

Keine Infizierten

Turkmenistan hat frühzeitig auf die Corona-Pandemie reagiert und schon im Februar die Grenzen zu Afghanistan, Usbekistan und zum Iran geschlossen. Turkmenen wurde die Ausreise in Länder untersagt, in denen es eine große Anzahl an Coronafällen gab. Außerdem wurde die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes stark eingeschränkt. Des Weiteren wurden Quarantänelager für Rückkehrer aus Risikogebieten errichtet. Die Bedingungen dort sind jedoch alles andere als menschenwürdig: Es gibt weder Seife noch fließendes Wasser, geschweige denn Klimaanlagen – und das bei bis zu 50 Grad Celsius im Sommer.

Da es offiziell das Coronavirus nicht im Land gibt, verlief der Alltag vieler Turkemenen wie sonst auch. Im März wurde landesweit das Frühlingsfest Nauryz gefeiert, später fanden Massenveranstaltungen zum “Tag des Pferdes” oder zum “Tag der Gesundheit” statt. Social Distancing? Fehlanzeige. Im Frühjahr ordnete Berdymuchamedow an, ein Steppenkraut verbrennen, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Berichten zufolge räucherten Staatsangestellte Regierungsgebäude, Universitäten und sogar Friedhöfe zwei Mal täglich aus.

Springe zu: 07:51 Aktuelle Corona-Lage in Turkmenistan

Turkmenistan
Ein Krankenwagen in einem turkmenischen Dorf | Foto: Othmara Glas

Die WHO in Turkmenistan

Diese Einstellung änderte sich erst, als Anfang Juli eine Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Turkmenistan reiste. Es wurde eine Maskenpflicht eingeführt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, Distanz zu halten. Außerdem wurden Restaurants, Märkte, Einkaufszentren, Parks und Theater geschlossen. Der Besuch des WHO-Expertenteams war bereits im April angekündigt, jedoch immer wieder verschoben worden.

Today @DrTedros & me met the 🇹🇲 President on #COVID19 situation in Turkmenistan. @WHO ✅ expressed serious concern about ⬆ in #COVID19 negative pneumonia ✅ urged for a @WHO team to sample independently #COVID19 tests in-country & take to @WHO reference labs. President agreed.

— Hans Kluge (@hans_kluge) August 7, 2020

Nach zehn Tagen im Land brachte die Mission jedoch wenig Erhellendes: Die WHO lobte Turkmenistan für die getroffenen Maßnahmen und folgte der offiziellen Linie, dass es das Virus im Land nicht gäbe. Das Ergebnis stieß auf viel Kritik. Auch deshalb teilte wohl der Direktor des WHO-Regionalbüros für Europa, Hans Kluge, Anfang August über Twitter mit, dass die WHO eine zweite Mission entsenden wolle. Diese soll vor Ort Corona-Tests machen und diese in Labors im Ausland auswerten. Bis heute ist allerdings noch nichts passiert.

Springe zu: 10:46 Die unrühmliche Rolle der WHO

Der “Beschützer

Die oberste Instanz in Sachen Gesundheitspolitik ist natürlich Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow. Der studierte Zahnarzt hat sich die Gesundheit seines Volkes zur obersten Aufgabe gemacht. Er hat bereits zehn Bücher über in Turkmenistan vorkommende Heilpflanzen geschrieben und führt einen erbitterten Kampf gegen das Rauchen. Das brachte ihm schon früher das Lob der WHO ein. Außerdem gilt der 63-Jährige als Sportfanatiker. Kabinettssitzungen können schon mal in Turnhallen stattfinden und Bürger zu großangelegten Radsport-Events verdonnert werden.

Berdymuchamedow regiert Turkmenistan seit 2006 mit harter Hand. Oppositionelle werden ins Gefängnis gebracht, ins Exil getrieben oder verschwinden unter mysteriösen Umständen; regimekritische Medien gibt es nicht. Der „Arkadag“ (zu Deutsch: „Beschützer“), ein Ehrentitel des Präsidenten, ist an Exzentrik kaum zu übertreffen. So tritt er beispielsweise regelmäßig als Musiker auf und wird dabei nicht selten von seinem Enkel begleitet: Sie rappen, singen und komponieren gemeinsam.

Berdymuchamedow bei einem Auftritt mit seinem Enkel. Angeblich soll er selbst den Text des Liedes auf Deutsch geschrieben haben.

Die Coronakrise zeigt eklatante Management-Fehler der Regierung auf. Und obwohl Berdymuchamedow international COVID-19 zur “vielleicht bedrohlichsten Herausforderung unserer Zeit” erklärt hat und die tausenden Coronatoten betrauert, wird sich die offizielle Linie in Turkmenistan wohl kaum mehr ändern.

Springe zu: 16:59 Berdymuchamedows Personenkult

Ein schwarzes Loch der Pressefreiheit

In Staatsmedien ist Berdymuchamedow omnipräsent. Unabhängige Medien gibt es nicht. In der Rangliste der Pressefreihet, die jährlich von Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird, landete Turkmenistan 2020 auf Platz 179 – von 180 Staaten. Nur in Nordkorea sieht es für die Presse noch düsterer aus. Die beiden größten Oppositionsmedien sitzen in Wien und Amsterdam. Das ist zum einen “Chronicles of Turkmenistan” und zum anderen “Turkmen.News“. Außerdem berichtet noch der turkmenische Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty kritisch über Turkmenistan. Und Eurasianet veröffentlicht wöchentlich ein Bullentin über die aktuellen Entwicklungen im Land.

Turkmenen haben es allerdings schwer, an diese Informationen zu kommen. Nur etwa 20 Prozent der Menschen haben überhaupt Zugang zum Internet – allerdings ist dieser stark eingeschränkt und wird vom Staat kontrolliert. Mit VPN-Diensten versuchen vor allem junge Turkmenen, die Sperren zu umgehen, um zum Beispiele Netzwerke wie Instagram oder Facebook zu nutzen. Auch Messenger-Dienste wie WhatsApp funktionieren in Turkmenistan nicht. Einzig der Messenger IMO ist nicht gesperrt. Allerdings kann man sich sicher sein, dass hier der Geheimdienst mitliest.

Trotz dieser starken Einschränkungen gelangen dank mutiger Informanten immer wieder Nachrichten nach draußen. Die Korrespondenten der im Ausland ansässigen Medien setzen mit ihrer Arbeit ihr Leben aufs Spiel und vielleicht sogar das ihrer Verwandten. Ohne sie wüssten wir nichts über die humanitäre Katastrophe im Land.

Springe zu: 20:45 Pressefreiheit in Turkmenistan

Turkmenistan im Krisenmodus

Obwohl Turkmenistan ein rohstoffreichreiches Land ist, leiden die Menschen oft Hunger, da es nicht genügend Grundnahrungsmittel gibt. Immer wieder gibt es Berichte , dass es zum Beispiel an Öl, Mehl oder Brot fehle. Im April blockierten etwa 30 Frauen in der Region Mary die Straße nach Aschgabat und forderten die Einführung von Quoten bei der Lebensmittelabgabe in den staatlichen Läden – sie wüssten nicht mehr, wie sie sonst ihre Kinder ernähren sollten.

Doch die Regierung gibt das Geld lieber für Prestigeprojekte aus, wie die Erholungszone Awaza, eine Art turkmenisches Las Vegas am Kaspischen Meer. 2018 beschloss die Regierung, den Import ausländischer Produkte drastisch zu senken. Stattdessen sollen Lebensmittel, Konsum- und Industriegüter nun im Inland produziert werden. Der Grund: Turkmenistan hat ein massives Devisenproblem und kann sich Importe kaum noch leisten.

Dabei hat Turkmenistan weltweit die viertgrößten Gasreserven. Der wichtigste Abnehmer: China. Doch weil der Erdgas-Preis in den vergangenen Jahren stark gefallen ist, hat der turkmenische Staat deutlich weniger Einnahmen. Das Land hängt fast ausschließlich von den Gasexporten ab.

Springe zu: 28:14 Edda über Turkmenistans Wirtschaft

Turkmenistan
Das Erholungsressort Awaza bei Nacht | Foto: Othmara Glas

Proteste mehren sich

Mittlerweile fehlt es nicht nur an Devisen, sondern auch an Bargeld. Die turkmenische Regierung hat bereits damit begonnen, Geldautomaten zu demontieren. An den verbleibenden Automaten bilden sich lange Schlangen. Es soll deshalb sogar schon zu Prügeleien gekommen sein. Und dabei bleibt es nicht: Im Ausland lebende Turkmenen, vor allem in den USA, der Türkei und Nordzypern, protestieren seit Wochen gegen den Präsidenten. Normalerweise halten sich Turkmenen auch im Ausland mit Kritik zurück, weil sie Angst haben, dass das Regime gegen ihre Verwandten im Inland vorgeht.

Doch auch in Turkmenistan selbst wächst der Unmut: Als Ende April ein Orkantief über den Nordosten des Landes zog, zertörte es dutzende Häuser; Gas- und Stromversorgung wurden unterbrochen. Wenige Tage nach dem Sturm sorgten starke Regenfälle zusätzlich für Überschwemmungen. Es gab Berichte, nach denen Mitte Mai bis zu tausend Menschen auf die Straße gingen, weil die Regierung untätig blieb. Sollte das stimmen, wären dies die größten Proteste seit der Unabhängigkeit des Landes 1991.

Und was macht Berdymuchamedow? Er plant, die Verfassung zu ändern. Danach soll das Parlament künftig aus zwei Kammern bestehen. Neben dem bisherigen Parlament Mejlis soll ein Senat entstehen, in dem Vertreter aus den fünf Regionen Turkmenistans und der Hauptstadt Aschgabat sitzen. Wer auch immer an der Spitze des neugeschaffenen Senats stehen wird, könnte Nachfolger von Berdymuchamedow werden. Regimekritiker sind überzeugt, dass die Verfassungsänderung einzig dem Zweck dient, die Macht in Berdymuhamedows Familie zu halten. Denn als Nachfolger gilt Serdar Berdymuchamedow, einziger Sohn des Präsidenten.

Springe zu: 33:25 Proteststimmung

Der erste Präsident – Turkmenbaschi

Nun hat aber nicht erst Berdymuchamedow Turkmenistan dazu gemacht, was es heute ist. Schon sein Vorgänger Saparmurat Nijasow war für seinen Personenkult bekannt. Nijasow regierte das Land nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 bis zu seinem Tod 2006. Er gab sich den Titel “Turkmenbaschi – Führer der Turkmenen”.

Nijasow hat nach seiner Wahl zum Präsidenten das Militär und den Geheimdienst hinter sich versammelt und relativ schnell einen autoritären Staat errichtet. Schon 1999 ließ sich Nijasow durch das Parlament zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen. 2003 ließ er sich von seinem Ministerkabinett zum Propheten ausrufen. Er Oppoitionelle rigoros unterdrückt. Viele wurde ermordet oder sind einfach verschwunden. Andere flüchteten ins Exil.

Nijasow stellte Statuen von sich selbst , seinem Vater und seiner Mutter auf. In der Hauptstadt Aschgabat wurden weiße Marmorgebäude und großzügige Plätze errichtet. Sein Buch – die Ruhnama – wurde zur offiziellen Pflichtlektüre. Kein Hochschulabschluss oder Führerschein ohne daraus zu zitieren. Die Folgen dieses Personenkults und des Umbaus der Hauptstadt sieht man noch heute.

Springe zu: 45:16 Othmara zu Turkmenbaschi

Turkmenistan, Aschgabat
Ein goldener “Turkmenbaschi” im Stadtzentrum von Aschgabat | Foto: Othmara Glas

Touristisches Potenzial

Trotz aller Schwierigkeiten – oder vielleicht gerade deshalb – ist Turkmenistan ein spannendes Reiseland, das neben vielen historischen Stätten auch einige Naturwunder zu bieten hat. Das bekannteste Touristenziel ist wahrscheinlich der Krater von Derweze – ein brennedes Erdloch in der Wüste Karakum.

Springe zu: 52:48 Trotz allem ein tolles Reiseland!

Frauen in traditionellen Kleidern in Kony-Urgench. Turkmenen besuchen oft und gerne historische Stätten, häufig als eine Art Pilgerreise. | Foto: Edda Schlager
Turkmenistan
Der brennende Krater von Darwaza | Foto: Othmara Glas
Turkmenistan
Die Kiptschak-Moschee, Turkmenistans größtes Gotteshaus. Der erste Präsident Nijasow ließ es aus feinstem Marmor errichten. neben der Moschee befindet sich ein Mausoleum, in dem Turkmenbaschi, seine Eltern und seine beiden Brüder beerdigt sein sollen. | Foto. Othmara Glas
  • Ein Mohnblumenfeld in der turkmenischen Steppe | Foto: Othmara Glas
  • Turkmenistan
    Othmara in der Yangykala-Schlucht | Foto: Edda Schlager
  • Der Hochzeitspalast dient auch als Hotel für Ausländer | Foto: Othmara Glas
  • Eine Frau steht vor einem weißen Marmorgebäude in Aschgabat. | Foto: Othmara Glas
  • Am Unabhängigkeitsdenkmal in Aschgabat, das von Soldaten bewacht wird. | Foto: Edda Schlager
Turkmenistan
In Kony-Urgench. Auch in Turkmenistan sind Selfies populär. | Foto: Edda Schlager
  • MervePilgernde Frauen in Merve. | Foto: Edda Schlager
  • Traditionelle Art zu weben in Nohur.| Foto: Edda Schlager
Merve. Eine der wichtigsten archäologischen Stätten in Zentralasien. | Foto: Edda Schlager
Beim Pferderennen im Hippodrom von Aschgabat | Fotos: Edda Schlager

Noch mehr Bilder aus Turkmenistan gibt es bei der Fotografin Selbi Jumayewa aus Aschgabat bei Instagram!

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Turkmenistan ist offiziell nach wie vor coronafrei. Die Regierung hat bis heute nicht zugegeben, dass es das Virus im Land gibt. An dieser Darstellung gibt es allerdings erhebliche Zweifel, denn Berichten von Ärzten vor Ort zufolge, hat die Zahl der Lungenentzündungen in diesem Jahr stark zugenommen. Man geht von vielen Todesopfern aus.

Gleichzeitig kämpft Turkmenistan mit einer Lebensmittel- und Bargeld-Knappheit. Die humanitäre Lage scheint so katastrophal zu sein, dass es nun zumindest im Ausland zu Protesten gegen Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow kommt. Trotz der Schwierigkeiten, unabhängige Informationen aus Turkmenistan zu erhalten, schaut Shashlyk Mashlyk in seiner zehnten Ausgabe in den Wüstenstaat und versucht, hinter die Kulisse des omnipräsenten Staatschefs zu blicken.

Keine Infizierten

Turkmenistan hat frühzeitig auf die Corona-Pandemie reagiert und schon im Februar die Grenzen zu Afghanistan, Usbekistan und zum Iran geschlossen. Turkmenen wurde die Ausreise in Länder untersagt, in denen es eine große Anzahl an Coronafällen gab. Außerdem wurde die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes stark eingeschränkt. Des Weiteren wurden Quarantänelager für Rückkehrer aus Risikogebieten errichtet. Die Bedingungen dort sind jedoch alles andere als menschenwürdig: Es gibt weder Seife noch fließendes Wasser, geschweige denn Klimaanlagen – und das bei bis zu 50 Grad Celsius im Sommer.

Da es offiziell das Coronavirus nicht im Land gibt, verlief der Alltag vieler Turkemenen wie sonst auch. Im März wurde landesweit das Frühlingsfest Nauryz gefeiert, später fanden Massenveranstaltungen zum “Tag des Pferdes” oder zum “Tag der Gesundheit” statt. Social Distancing? Fehlanzeige. Im Frühjahr ordnete Berdymuchamedow an, ein Steppenkraut verbrennen, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Berichten zufolge räucherten Staatsangestellte Regierungsgebäude, Universitäten und sogar Friedhöfe zwei Mal täglich aus.

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Turkmenistan
Ein Krankenwagen in einem turkmenischen Dorf | Foto: Othmara Glas

Die WHO in Turkmenistan

Diese Einstellung änderte sich erst, als Anfang Juli eine Mission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Turkmenistan reiste. Es wurde eine Maskenpflicht eingeführt und die Bevölkerung dazu aufgefordert, Distanz zu halten. Außerdem wurden Restaurants, Märkte, Einkaufszentren, Parks und Theater geschlossen. Der Besuch des WHO-Expertenteams war bereits im April angekündigt, jedoch immer wieder verschoben worden.

Today @DrTedros & me met the 🇹🇲 President on #COVID19 situation in Turkmenistan. @WHO ✅ expressed serious concern about ⬆ in #COVID19 negative pneumonia ✅ urged for a @WHO team to sample independently #COVID19 tests in-country & take to @WHO reference labs. President agreed.

— Hans Kluge (@hans_kluge) August 7, 2020

Nach zehn Tagen im Land brachte die Mission jedoch wenig Erhellendes: Die WHO lobte Turkmenistan für die getroffenen Maßnahmen und folgte der offiziellen Linie, dass es das Virus im Land nicht gäbe. Das Ergebnis stieß auf viel Kritik. Auch deshalb teilte wohl der Direktor des WHO-Regionalbüros für Europa, Hans Kluge, Anfang August über Twitter mit, dass die WHO eine zweite Mission entsenden wolle. Diese soll vor Ort Corona-Tests machen und diese in Labors im Ausland auswerten. Bis heute ist allerdings noch nichts passiert.

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Der “Beschützer

Die oberste Instanz in Sachen Gesundheitspolitik ist natürlich Präsident Gurbanguly Berdymuchamedow. Der studierte Zahnarzt hat sich die Gesundheit seines Volkes zur obersten Aufgabe gemacht. Er hat bereits zehn Bücher über in Turkmenistan vorkommende Heilpflanzen geschrieben und führt einen erbitterten Kampf gegen das Rauchen. Das brachte ihm schon früher das Lob der WHO ein. Außerdem gilt der 63-Jährige als Sportfanatiker. Kabinettssitzungen können schon mal in Turnhallen stattfinden und Bürger zu großangelegten Radsport-Events verdonnert werden.

Berdymuchamedow regiert Turkmenistan seit 2006 mit harter Hand. Oppositionelle werden ins Gefängnis gebracht, ins Exil getrieben oder verschwinden unter mysteriösen Umständen; regimekritische Medien gibt es nicht. Der „Arkadag“ (zu Deutsch: „Beschützer“), ein Ehrentitel des Präsidenten, ist an Exzentrik kaum zu übertreffen. So tritt er beispielsweise regelmäßig als Musiker auf und wird dabei nicht selten von seinem Enkel begleitet: Sie rappen, singen und komponieren gemeinsam.

Berdymuchamedow bei einem Auftritt mit seinem Enkel. Angeblich soll er selbst den Text des Liedes auf Deutsch geschrieben haben.

Die Coronakrise zeigt eklatante Management-Fehler der Regierung auf. Und obwohl Berdymuchamedow international COVID-19 zur “vielleicht bedrohlichsten Herausforderung unserer Zeit” erklärt hat und die tausenden Coronatoten betrauert, wird sich die offizielle Linie in Turkmenistan wohl kaum mehr ändern.

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Ein schwarzes Loch der Pressefreiheit

In Staatsmedien ist Berdymuchamedow omnipräsent. Unabhängige Medien gibt es nicht. In der Rangliste der Pressefreihet, die jährlich von Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird, landete Turkmenistan 2020 auf Platz 179 – von 180 Staaten. Nur in Nordkorea sieht es für die Presse noch düsterer aus. Die beiden größten Oppositionsmedien sitzen in Wien und Amsterdam. Das ist zum einen “Chronicles of Turkmenistan” und zum anderen “Turkmen.News“. Außerdem berichtet noch der turkmenische Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty kritisch über Turkmenistan. Und Eurasianet veröffentlicht wöchentlich ein Bullentin über die aktuellen Entwicklungen im Land.

Turkmenen haben es allerdings schwer, an diese Informationen zu kommen. Nur etwa 20 Prozent der Menschen haben überhaupt Zugang zum Internet – allerdings ist dieser stark eingeschränkt und wird vom Staat kontrolliert. Mit VPN-Diensten versuchen vor allem junge Turkmenen, die Sperren zu umgehen, um zum Beispiele Netzwerke wie Instagram oder Facebook zu nutzen. Auch Messenger-Dienste wie WhatsApp funktionieren in Turkmenistan nicht. Einzig der Messenger IMO ist nicht gesperrt. Allerdings kann man sich sicher sein, dass hier der Geheimdienst mitliest.

Trotz dieser starken Einschränkungen gelangen dank mutiger Informanten immer wieder Nachrichten nach draußen. Die Korrespondenten der im Ausland ansässigen Medien setzen mit ihrer Arbeit ihr Leben aufs Spiel und vielleicht sogar das ihrer Verwandten. Ohne sie wüssten wir nichts über die humanitäre Katastrophe im Land.

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Turkmenistan im Krisenmodus

Obwohl Turkmenistan ein rohstoffreichreiches Land ist, leiden die Menschen oft Hunger, da es nicht genügend Grundnahrungsmittel gibt. Immer wieder gibt es Berichte , dass es zum Beispiel an Öl, Mehl oder Brot fehle. Im April blockierten etwa 30 Frauen in der Region Mary die Straße nach Aschgabat und forderten die Einführung von Quoten bei der Lebensmittelabgabe in den staatlichen Läden – sie wüssten nicht mehr, wie sie sonst ihre Kinder ernähren sollten.

Doch die Regierung gibt das Geld lieber für Prestigeprojekte aus, wie die Erholungszone Awaza, eine Art turkmenisches Las Vegas am Kaspischen Meer. 2018 beschloss die Regierung, den Import ausländischer Produkte drastisch zu senken. Stattdessen sollen Lebensmittel, Konsum- und Industriegüter nun im Inland produziert werden. Der Grund: Turkmenistan hat ein massives Devisenproblem und kann sich Importe kaum noch leisten.

Dabei hat Turkmenistan weltweit die viertgrößten Gasreserven. Der wichtigste Abnehmer: China. Doch weil der Erdgas-Preis in den vergangenen Jahren stark gefallen ist, hat der turkmenische Staat deutlich weniger Einnahmen. Das Land hängt fast ausschließlich von den Gasexporten ab.

Springe zu: 28:14 Edda über Turkmenistans Wirtschaft

Turkmenistan
Das Erholungsressort Awaza bei Nacht | Foto: Othmara Glas

Proteste mehren sich

Mittlerweile fehlt es nicht nur an Devisen, sondern auch an Bargeld. Die turkmenische Regierung hat bereits damit begonnen, Geldautomaten zu demontieren. An den verbleibenden Automaten bilden sich lange Schlangen. Es soll deshalb sogar schon zu Prügeleien gekommen sein. Und dabei bleibt es nicht: Im Ausland lebende Turkmenen, vor allem in den USA, der Türkei und Nordzypern, protestieren seit Wochen gegen den Präsidenten. Normalerweise halten sich Turkmenen auch im Ausland mit Kritik zurück, weil sie Angst haben, dass das Regime gegen ihre Verwandten im Inland vorgeht.

Doch auch in Turkmenistan selbst wächst der Unmut: Als Ende April ein Orkantief über den Nordosten des Landes zog, zertörte es dutzende Häuser; Gas- und Stromversorgung wurden unterbrochen. Wenige Tage nach dem Sturm sorgten starke Regenfälle zusätzlich für Überschwemmungen. Es gab Berichte, nach denen Mitte Mai bis zu tausend Menschen auf die Straße gingen, weil die Regierung untätig blieb. Sollte das stimmen, wären dies die größten Proteste seit der Unabhängigkeit des Landes 1991.

Und was macht Berdymuchamedow? Er plant, die Verfassung zu ändern. Danach soll das Parlament künftig aus zwei Kammern bestehen. Neben dem bisherigen Parlament Mejlis soll ein Senat entstehen, in dem Vertreter aus den fünf Regionen Turkmenistans und der Hauptstadt Aschgabat sitzen. Wer auch immer an der Spitze des neugeschaffenen Senats stehen wird, könnte Nachfolger von Berdymuchamedow werden. Regimekritiker sind überzeugt, dass die Verfassungsänderung einzig dem Zweck dient, die Macht in Berdymuhamedows Familie zu halten. Denn als Nachfolger gilt Serdar Berdymuchamedow, einziger Sohn des Präsidenten.

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Der erste Präsident – Turkmenbaschi

Nun hat aber nicht erst Berdymuchamedow Turkmenistan dazu gemacht, was es heute ist. Schon sein Vorgänger Saparmurat Nijasow war für seinen Personenkult bekannt. Nijasow regierte das Land nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 bis zu seinem Tod 2006. Er gab sich den Titel “Turkmenbaschi – Führer der Turkmenen”.

Nijasow hat nach seiner Wahl zum Präsidenten das Militär und den Geheimdienst hinter sich versammelt und relativ schnell einen autoritären Staat errichtet. Schon 1999 ließ sich Nijasow durch das Parlament zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen. 2003 ließ er sich von seinem Ministerkabinett zum Propheten ausrufen. Er Oppoitionelle rigoros unterdrückt. Viele wurde ermordet oder sind einfach verschwunden. Andere flüchteten ins Exil.

Nijasow stellte Statuen von sich selbst , seinem Vater und seiner Mutter auf. In der Hauptstadt Aschgabat wurden weiße Marmorgebäude und großzügige Plätze errichtet. Sein Buch – die Ruhnama – wurde zur offiziellen Pflichtlektüre. Kein Hochschulabschluss oder Führerschein ohne daraus zu zitieren. Die Folgen dieses Personenkults und des Umbaus der Hauptstadt sieht man noch heute.

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Turkmenistan, Aschgabat
Ein goldener “Turkmenbaschi” im Stadtzentrum von Aschgabat | Foto: Othmara Glas

Touristisches Potenzial

Trotz aller Schwierigkeiten – oder vielleicht gerade deshalb – ist Turkmenistan ein spannendes Reiseland, das neben vielen historischen Stätten auch einige Naturwunder zu bieten hat. Das bekannteste Touristenziel ist wahrscheinlich der Krater von Derweze – ein brennedes Erdloch in der Wüste Karakum.

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Frauen in traditionellen Kleidern in Kony-Urgench. Turkmenen besuchen oft und gerne historische Stätten, häufig als eine Art Pilgerreise. | Foto: Edda Schlager
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Der brennende Krater von Darwaza | Foto: Othmara Glas
Turkmenistan
Die Kiptschak-Moschee, Turkmenistans größtes Gotteshaus. Der erste Präsident Nijasow ließ es aus feinstem Marmor errichten. neben der Moschee befindet sich ein Mausoleum, in dem Turkmenbaschi, seine Eltern und seine beiden Brüder beerdigt sein sollen. | Foto. Othmara Glas
  • Ein Mohnblumenfeld in der turkmenischen Steppe | Foto: Othmara Glas
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    Othmara in der Yangykala-Schlucht | Foto: Edda Schlager
  • Der Hochzeitspalast dient auch als Hotel für Ausländer | Foto: Othmara Glas
  • Eine Frau steht vor einem weißen Marmorgebäude in Aschgabat. | Foto: Othmara Glas
  • Am Unabhängigkeitsdenkmal in Aschgabat, das von Soldaten bewacht wird. | Foto: Edda Schlager
Turkmenistan
In Kony-Urgench. Auch in Turkmenistan sind Selfies populär. | Foto: Edda Schlager
  • MervePilgernde Frauen in Merve. | Foto: Edda Schlager
  • Traditionelle Art zu weben in Nohur.| Foto: Edda Schlager
Merve. Eine der wichtigsten archäologischen Stätten in Zentralasien. | Foto: Edda Schlager
Beim Pferderennen im Hippodrom von Aschgabat | Fotos: Edda Schlager

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